Protocol of the Session on December 7, 2017

Wir lehnen diesen Antrag ab. Ich bin etwas erstaunt, dass man jetzt versucht, sozusagen die Kampfeslage der Neunzigerjahre wieder aufleben zu lassen. Die Behauptung, § 219a stünde Informationen entgegen, wird auch durch ständiges Wiederholen hier am Rednerpult nicht wahr. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei der CSU)

Zwischenbemerkung: Frau Kollegin Osgyan. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Kollegin Guttenberger, Sie haben gerade gesagt, Informationen stünde nichts entgegen. Wir fordern die Abschaffung des § 219a StGB, weil die Ärztin Kristina Hänel aufgrund dieses Paragrafen zu 6.000 Euro Strafe verurteilt wurde, nachdem sie lediglich auf ihrer Homepage angegeben hatte, dass sie im Rahmen ihres Leistungsspektrums auch Schwangerschaftsabbrüche durchführe. Sie erbringt auch alle anderen Leistungen, die eine Frauenärztin anbietet. Sie hat einen Flyer hinterlegt, in dem über das medizinische Verfahren aufgeklärt wird, also wie der Abbruch vonstatten geht, und darüber, wie lange eine Frau unter Umständen liegen muss und dass eine Begleitperson mitzubringen ist. Das sind ganz neutrale Informationen.

Wie das mit Werbung in Verbindung gebracht werden kann, erschließt sich mir überhaupt nicht, zumal Werbung standesrechtlich ohnehin verboten ist. Sie behaupten, dass es um ein Werbeverbot gegangen sei. Mir erschließt sich nicht, wie diese Ärztin aufgrund dessen verurteilt werden konnte. Viele andere Ärztinnen und Ärzte wurden ebenfalls in Verfahren gezogen. Offensichtlich wollen Sie das auch nicht; denn Sie selbst sagen: Informationen sollen zugänglich sein. Oder meinen Sie, Informationen sollen nur sehr selektiert zugänglich gemacht werden, und Frauen soll es schwergemacht werden, sie zu finden? Ich hätte gern aufgeklärt, wie Sie das sehen. Sofern wir dazu nichts Rechtsfestes hören, bleiben wir dabei: Der § 219a muss ersatzlos gestrichen werden; denn es gibt bereits Werbeverbote für ärztliche Leistungen. Wir haben doch nichts davon, wenn Frauen nicht an Informationen kommen. Frauen in einer Notlage müssen wissen, für was sie sich entscheiden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, ich möchte Ihnen einfach mit dem Gesetzestext antworten: "Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften", jetzt kommt es, "seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise" usw. den Schwangerschaftsabbruch bewirkt. – In diesem Fall muss also ein Tatbestand des Vermögensvorteils wegen oder eine grob anstößige Weise vorgelegen haben, ansonsten hätte sich das Gericht nicht so entschieden und eine Strafe ausgesprochen. Das Gericht sah offensichtlich einen Straftatbestand als verwirklicht an.

Deshalb kann es wohl nicht so gewesen sein, dass die Frau einfach einen Flyer ausgeteilt hat, in dem

stand, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführe. Es müssen auch einer oder beide der genannten Tatbestände erfüllt gewesen sein, sonst hätte das Gericht nicht so entschieden. So viel zur Klarstellung.

(Beifall bei der CSU)

Diese Straftatbestände sind kein großes Geheimnis. Sie stehen ganz klar im Gesetzestext des § 219a StGB.

Dann kommt immer wieder die Einwendung, dass ein Verbot allein durch das Standesrecht gegeben sei. Dazu möchte ich schon etwas sagen: Der Schutz von ungeborenem Leben erfolgt nicht über irgendwelche standesrechtlichen Regelungen, die sich jederzeit ändern können und bei denen keine Verpflichtung besteht, einen Verstoß dagegen in irgendeiner Weise zu ahnden. Das ist ins Belieben gestellt. Das Leben kann nur so geschützt werden, wie das in einem demokratischen Rechtsstaat üblich ist, nämlich durch Gesetz.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich fahre jetzt in den Wortmeldungen fort und darf Frau Kollegin Dr. Strohmayr für die SPD-Fraktion das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sollten bei diesem wichtigen Thema sachlich bleiben. Zunächst möchte ich feststellen, dass der § 219a StGB ein Relikt aus der NS-Zeit ist. Die Nationalsozialisten haben ihn im Jahr 1933 in das Gesetz aufgenommen, um sich Nachwuchs zu sichern. Das ist der Hintergrund dieses Paragrafen. Ich stelle fest, andere Relikte aus der Nazi-Zeit haben wir längst abgeschafft. Warum hat sich dieser § 219a bis heute gehalten?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ärztin Kristina Hänel wurde zu 6.000 Euro Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Homepage Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung gestellt hat. Das ist ein hartes Urteil, Frau Kollegin Guttenberger. Sie haben zur Rechtslage ausgeführt. Vielleicht war es sogar ein zu hartes Urteil. Am Ende Ihres Redebeitrags haben Sie erklärt, hier sei der Gesetzgeber gefordert. Das ist richtig.

Es ist doch verrückt: In diesem Fall wurde nicht marktschreierische Werbung bestraft, zum Beispiel die Leuchtschrift an einem Praxisfenster "Heute Schwangerschaftsabbruch". Das wurde nicht bestraft, sondern Information, fach- und sachgerechte Information.

Das Verbot marktschreierischer Werbung kann ich verstehen. Lange Zeit hat es für alle freien Berufe –

ich selbst bin Rechtsanwältin – ein sehr scharfes Verbot von Werbung gegeben. Ich könnte es also nachvollziehen, wenn marktschreierische Werbung bestraft würde. Genau das war hier aber nicht der Fall. § 219a stellt bereits die öffentliche Information unter Strafe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das müssen wir ändern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich selbst bin Mutter von drei Kindern und traue mich zu sagen: Keine Frau entscheidet sich leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch. Damit sind nämlich viele gesundheitliche und psychische Probleme verbunden. Ich halte es für gut, dass sich junge Frauen oder betroffene Frauen auch im Netz über Schwangerschaftsabbrüche informieren können. Junge Menschen informieren sich heute über jede Krankheit und alles Mögliche im Netz. Ich frage Sie, warum das gerade beim Thema Schwangerschaftsabbruch nicht möglich sein soll.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Besonders fatal ist diese Angelegenheit, weil der Schwangerschaftsabbruch seit 1995 unter gewissen Bedingungen straffrei gestellt worden ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Sie also nur auffordern: Fassen Sie sich ein Herz. Haben wir gemeinsam den Mut, diesen total veralteten, antiquierten Paragrafen abzuschaffen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER spricht jetzt Herr Kollege Streibl. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Stümpfig, ich könnte es mir jetzt einfach machen. Sie haben vorhin gesagt, dass Sie unseren EinSatz-Antrag nicht so toll fänden. In diesem Dringlichkeitsantrag steht auch nur ein Satz. Wir müssen uns aber mit diesem Satz genau auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Rechtsordnung. Um diese Rechtsordnung wurde sehr lange und sehr hart gerungen, gerade um den § 218 ff StGB. Durch eine Infragestellung des § 219a würden wir das ganze Fass wieder aufmachen. Dann müssten wir auch über die anderen Regelungen reden. Um was geht es hier eigentlich? – Das Amtsgericht Gießen hat eine Ärztin zu 40 Tagessätzen à 150 Euro wegen eines Verstoßes gegen § 219a verurteilt. Dem ging bereits ein Verfahren voraus. Im Jahr 2005 wurde ein Verfahren gegen diese Ärztin eingeleitet, das aber nach § 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden ist. Die

Ärztin wusste also genau, was sie tut. Dies wurde von der Richterin am Amtsgericht Gießen strafverschärfend beurteilt.

Die Richterin hat ausgeführt, dass ein Schwangerschaftsabbruch keine normale medizinische Leistung sei, sondern dass es hier um das ungeborene Leben gehe. Ein Abbruch zieht das Ende des ungeborenen Lebens nach sich. Die Richterin führte aus: Niemand kann dieses ungeborene Leben schützen, außer der Staat. Darauf hat sie sich berufen.

Wir können dieses Urteil nachvollziehen. Die Justiz, gerade die Strafjustiz, geht bei diesem Thema äußerst sensibel vor. Alle Verfahren, die gegen Ärzte eingeleitet worden sind, wurden eingestellt. Seit dem Jahr 2010 gab es nur eine einzige Verurteilung nach § 219a. Wir müssen also die Kirche im Dorf lassen und uns überlegen, über was wir hier reden.

Die Richterin ist den Ausführungen der Staatsanwaltschaft gefolgt, die in ihrem Plädoyer auf die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung von 1993 einging und darauf hinwies, dass der Embryo ein selbstständiges Rechtsgut mit eigenem Lebensrecht ist. Der § 219a StGB sei dazu da, dass keine Hochglanzwerbung für Abtreibungen gemacht wird und auch der Kommerzialisierung nicht das Wort geredet wird. Ferner steht die Überlegung dahinter, dass niemand ein Geschäftsmodell insofern zu betreiben versucht, indem er letzten Endes beratend tätig ist und dann auch die Abtreibung vornimmt. Die Beratung soll neutral nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt werden, und dafür haben wir die Beratungsstellen. Deswegen ist die Beratung letztendlich auch verpflichtend. Man muss sich in der Beratungsstelle beraten lassen und kann erst dann zum Arzt gehen. Die Beratungsstellen sollen selbstverständlich auch in der Richtung beraten, welche Ärzte was anbieten und mit welcher ärztlichen Kunst und mit welchem ärztlichen Können.

Wir werden den Antrag nicht unterstützen, sondern wir werden ihn ablehnen. Was soll der zusätzliche Nutzen sein, wenn man sich an den Beratungsstellen vorbei, die die Information von Gesetzes wegen geben müssen, über andere Quellen informiert, die möglicherweise ganz andere Interessen verfolgen als eine Beratungsstelle, die der Neutralität verpflichtet ist? – Alle anderen sogenannten Beratungsstellen könnten ganz andere Interessen verfolgen als das Ziel des Staates, neutral im Sinne der Frau und des Kindes zu beraten. Wie gesagt: Wir werden den Antrag deshalb ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Frau Celina hat eine Zwischenbemerkung angemeldet.

Sehr geehrter Herr Streibl, ich möchte es noch einmal klarstellen: Allein die Verknüpfung der sachlichen Information einer medizinisch ausgebildeten Ärztin damit, dass es ein Honorar dafür gibt, ist genau dieser strafbewehrte Tatbestand, der so was von antiquiert ist, dass wir ihn nicht mehr brauchen. Sie fragten, was es für einen Nutzen haben solle, eine andere Quelle zusätzlich heranziehen zu können. Wir leben nicht mehr im Mittelalter, sondern wir leben im Zeitalter der Digitalisierung. Dass eine Frau mit der Absicht eines Schwangerschaftsabbruches vorher ein Beratungsgespräch hat, ist richtig und wichtig. Das steht überhaupt nicht infrage. Dass Sie es aber nun ablehnen, wenn sich die Frau davor oder danach – vielleicht zusammen mit ihrem Partner – aufseiten von Ärzten, die medizinisch ausgebildet sind, die einen Eid geschworen und ein Ethikverständnis haben, im Zeitalter der Digitalisierung online informiert, erstaunt mich sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun, das eine ist natürlich eine Frage der Rechtsprechung, wie man das Gesetz letzten Endes auslegt und welche Maßstäbe die Richterin ansetzt. Das Urteil wurde von einem Amtsgericht gefällt; es kann leicht sein, dass höhere Instanzen das ganz anders sehen. Deshalb glaube ich, dass auch in der Justiz noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Das andere: Wenn ich heute ins Internet schaue und auf die sogenannten sozialen oder asozialen Netzwerke blicke, hüte ich mich lieber vor dem, was man dort lesen kann. Ich denke, wenn man bei einem Arzt in der Praxis ist, ist das etwas ganz anderes, als wenn man auf irgendeiner Internetseite irgendetwas liest.

(Zuruf der Abgeordneten Kerstin Celina (GRÜNE))

Woher weiß ich, wer hinter einer solchen Internetseite steht?

(Kerstin Celina (GRÜNE): Ja, doch der Arzt! – Unruhe – Lachen bei der CSU)

Wenn ich weiß, wie viel Schindluder im Internet getrieben wird, hüte ich mich doch vor solchen Informationen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank. – Für die Staatsregierung erteile ich Staatsminister Prof. Bausback das Wort.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN hat den Titel "Schwangeren den Zugang zu sachlichen Informationen über Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch ermöglichen!". Dieses Ziel ist gut und richtig. Ansonsten stimmt an dem Antrag leider so gut wie gar nichts. Das gilt nicht nur für den Antrag, sondern das gilt auch für Ihre Argumentation, Frau Kollegin Schulze.

Weder trifft die hineingemogelte Prämisse zu, dass Schwangere heute diesen Zugang zu Informationen nicht hätten, noch stimmt das Rezept, mit dem das selbstkonstruierte Problem vermeintlicher Nichtinformation gelöst werden kann. Wer glaubt, das über die Streichung des § 219a StGB zu erreichen, hat die Vorschrift nicht gelesen.

(Beifall bei der CSU)

Das genaue Gegenteil wäre der Fall.

Bevor man sich mit Verve und unter großem Getöse daran macht, eine Bestimmung zu streichen, sollte man sie sich zumindest kurz ansehen.

(Beifall bei der CSU)

§ 219a verbietet Werbung für Schwangerschaftsabbrüche dann und nur dann, wenn sie in grob anstößiger Weise erfolgt oder in der Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Vorschrift zielt also gerade darauf ab, dass eine Information von Schwangeren in Konfliktlagen sachlich und neutral erfolgt und nicht in anstößiger Form oder in kommerziellem Eigeninteresse.