Protocol of the Session on November 29, 2017

Herr Kollege Lederer, eine letzte Bemerkung: Sind denn die ganzen Gerichtsverfahren an Ihnen vorbeigegangen, in denen Bürgermeister wegen Untreue verurteilt worden sind, weil sie diese Beiträge nicht erheben wollten?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege Pohl. – Herr Kollege Lederer, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Pohl, Sie sind derjenige, der diesen Konsens verlassen hat. Wir haben uns vor zwei Jahren im Konsens darauf geeinigt, dass wir den Kommunen die Möglichkeit geben wollen, Beiträge zu erheben.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Durch das Gerichtsurteil hat sich die Lage geändert!)

Wir haben uns fraktionsübergreifend darauf geeinigt. Sie sind diejenigen, die diesen Pfad verlassen haben. Das ist der Grund, warum wir heute noch einmal darüber diskutieren. Sie haben den Pfad verlassen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Richtig, jawohl!)

Zu Ihrer zweiten Feststellung: Ich habe gesagt, dass die Verbände bisher immer beim FAG dabei waren. Über das FAG wird im Rahmen des Haushaltsgesetzes diskutiert. Deshalb wird aus meiner Sicht ein Nachtragshaushalt dazu notwendig sein. Davon gehe ich aus. Ich sage das nur. Sie haben bislang nur einen Gesetzentwurf eingereicht. Sie werden das auch in den Nachtragshaushalt bringen müssen.

Das Wort "soll", das vor zwei Jahren im Gesetzestext festgelegt wurde, bedeutet, dass nur in Ausnahmefällen auf die Anwendung dieser Regelung verzichtet werden kann. Das war auch den FREIEN WÄHLERN bewusst. Das ist nichts Neues.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das Gerichtsurteil hat die Lage verschärft!)

Ich möchte Ihnen einen schönen Ausspruch des Vertreters der FREIEN WÄHLER vom 25. Februar 2016 zitieren: "Die Soll-Regelung, die wir in allen vier Gesetzentwürfen haben, gibt aber nach Ansicht aller an der Diskussion Beteiligten nur dann Sinn, wenn ‚soll‘ so gehandhabt wird, wie das die Juristen verstehen." Jetzt beschweren Sie sich, dass die Juristen genau sagen, was das "soll" heißt. Herr Kollege Pohl, das ist schon sehr verdächtig.

(Beifall bei der CSU – Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Nein, eben nicht!)

Danke schön. – Als Nächster hat Herr Kollege Adelt von der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wow, das wird eine spannende Diskussion über diesen Gesetzentwurf. Herr Kollege Aiwanger, ich warne vor dem Sprachgebrauch: Bürgermeister sind keine Abzocker und keine Abkassierer.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der CSU und den GRÜNEN – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das habe ich nie gesagt! Ich habe gesagt, die Bürger werden abgezockt!)

Wir werden Sie auch nicht zur Ikone machen. Die Straßenausbaubeitragssatzung ist ein heikles Thema. Hier ist immer die Frage zu stellen: Wer bezahlt für was? – Darüber müssen wir in Ruhe und mit Sachlichkeit reden.

(Beifall bei der SPD, der CSU und den GRÜNEN)

Wir haben dies vor zwei Jahren getan und darüber gemeinsam diskutiert. Ich möchte aus der Beschlussfassung bezüglich der Kappungsgrenze, der Verrentung, des Erlasses, wiederkehrender Beiträge und all dieser Geschichten einen Satz sagen. Wir hatten ein Anhörungsverfahren. Das war sehr fruchtbar und intensiv. Von den FREIEN WÄHLERN wurde gesagt – Zitat –: Ich glaube, nur Kommunalpolitiker schaffen es, sich mit so etwas sachlich zu beschäftigen. – Das waren Worte aus Ihren Reihen, und sie waren gut, sehr gut.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Aber Sie haben heute mit diesem Gesetzentwurf diese Diskussion verlassen. Noch am Anfang des Jahres haben Sie der Evaluation zugestimmt. Doch Sie warten die Evaluation nicht ab; denn Sie sagen,

das brauche es nicht. Sie preschen vor und brechen einen Gesetzentwurf übers Knie, verbunden mit der Drohung, im Falle einer Ablehnung ein Volksbegehren zu starten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Volksbegehren ist aber keine Drohung, sondern das höchste Instrument, das das bayerische Volk hat.

(Beifall bei der SPD und der CSU – Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Wer sagt das?)

Sie warten nicht einmal das Ergebnis der Popularklage ab. Damit missachten Sie aus meiner Sicht die bayerische Verfassung.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Es ist schon zu viel Zeit verloren gegangen!)

Herr Kollege Aiwanger, Sie haben den Gesetzentwurf damit begründet, dass das System ungerecht und streitanfällig sei und für die Kommunen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringe.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Genau!)

Das stimmt. Verteilen wir nach wie vor das Geld mit der Gießkanne. Wie ungerecht das dann ist und wie der Kommunalkannibalismus dann ausschaut, darauf werden wir noch zu sprechen kommen.

Ich verhehle nicht, dass es bei den betroffenen Bürgern Unverständnis und Konflikte wegen Beiträgen in fünfstelliger Höhe und der Abhängigkeit von der Gewährung von Stabilitätshilfen gibt. Wir haben damals die Möglichkeit der wiederkehrenden Beiträge ins Spiel gebracht, die wir für gerechter halten. Allerdings wird es absolute Gerechtigkeit nie geben. Dieser Vorschlag wurde madig, absolut madig gemacht.

Wir sind aber durchaus der Meinung, dass wir dieses Thema erneut diskutieren müssen. Wir müssen darüber diskutieren, wie es einen gerechten Ausgleich gibt. Es hat seinen Reiz – dem stimme ich zu –, Beiträge abzuschaffen und den Ausbau durch den Freistaat finanzieren zu lassen. Frage ich jedoch unsere Bürgermeister, dann sagen sie mehrheitlich: Lasst die Finger davon. Wir fragen unsere Bürgermeister und sprechen mit unserer kommunalen Familie.

(Beifall bei der SPD und der CSU – Hubert Ai- wanger (FREIE WÄHLER): Vor allem mit der Münchner!)

Nein, auch mit anderen. – Wir werden dies auch bei der kommenden Diskussion tun. Wir werden mit den Bürgermeistern reden; denn Ihr Gesetzentwurf birgt viele, viele Fallen. Ich glaube, bei Ihnen standen die

Sorgen der Hauseigentümer gar nicht im Vordergrund. Wenn ich die letzte Zeit verfolge und den Ton, der hier angeschlagen wird, höre, stelle ich fest, dass eher die Angst vor den magischen 5 % Sie dazu treibt.

(Beifall bei der SPD und der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Die SPD will Bürger entlasten, nicht sich selber profilieren. Wir wollen, dass es gerecht abläuft. Sie haben angesprochen, dass Sie den finanziellen Ausgleich über den Kraftfahrzeugsteuerersatzverbund bzw. über das FAG regeln. Sie reden von 150 Millionen Euro, sagen aber nicht, woher diese kommen und wie sich der Betrag zusammensetzt. Sie sagen auch nicht, welche Einsparungen entstehen, wenn die Straßenausbaubeitragssatzung wegfällt. Ich frage mich, wenn die Zahlungspflicht wegfällt und eine Regelung im Rahmen des FAG greift: Sprechen Sie von einer Kann-Regelung oder von einer Muss-Regelung? Wer entscheidet dann, wie viel Geld es gibt? Macht das der Finanzminister Markus Söder oder sein Nachfolger? So viel Macht wird nicht mal die CSU ihrem Minister geben. Wer garantiert den Städten und Gemeinden, dass diese 150 Millionen Euro nicht an anderer Stelle, etwa bei den Schlüsselzuweisungen oder anderen Zuweisungen, eingespart werden?

(Zuruf von der CSU: So ist es!)

Wie wollen Sie denn mit den bereits gezahlten Beiträgen umgehen? Muss ich mich jetzt als ehemaliger Bürgermeister bei meinen Kollegen entschuldigen?

(Beifall bei der SPD und der CSU)

Was machen wir mit dem Eigenanteil bei der Städtebauförderung, bei der Dorferneuerung und bei Verbesserungsbeiträgen? Da sind viele, viele Kosten unklar. Wir sind in der Sache offen. Egal, ob es zu einer Finanzierungsmöglichkeit über die Grundsteuer oder ob es über eine Kann-Regelung, wie sie die CSU beabsichtigt, kommt, wir sind im Gespräch ergebnisoffen. Aber vor einem warne ich: dass wir jetzt das Ganze den Kommunen übertragen. Damit würden wir dem Kommunalkannibalismus Tür und Tor öffnen und sagen: Kommt zu uns, wir schenken euch alles, während Kommunen mit klammem Haushalt in die Röhre schauen. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage aber offen und deutlich: Wir erkennen die Probleme, die entstehen, wenn Beitragszahlungen fällig werden. Wir werden nicht ablehnend, sondern ergebnisoffen diskutieren, sind also zu einer offenen Diskussion bereit. Ich bin wirklich darauf gespannt,

wie das aussieht. – Herzlichen Dank. Ich freue mich auf eine schöne Diskussion.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, bleiben Sie bitte am Rednerpult. – Der Herr Kollege Pohl hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Pohl.

Herr Kollege Adelt, die letzten Worte stimmen mich hoffnungsfroh. Sie haben damit gezeigt, dass Sie einer sachlichen Diskussion, so wie wir das auch wollen, offen gegenüberstehen.

(Zurufe von der CSU: Oh!)

Das ist positiv. – Ich höre schon, da drüben ist die Bereitschaft nicht so ausgeprägt.

Lieber Kollege Adelt, Sie selber sagen, es bestünden Regelungs- und Diskussionsbedarf. Deswegen sind wir initiativ geworden. Ich will aber noch zwei Dinge richtig- und klarstellen.

Sind das Fragen oder – –

Ich habe eine Zwischenbemerkung und keine Zwischenfrage.

Entschuldigung. Ja.