Protocol of the Session on November 29, 2017

Also ist die gesamte bayerische Bevölkerung hierdurch belastet. Deshalb lautet unsere klare Ansage: Weg mit dieser Straßenausbaubeitragspflicht! Ich kündige es hier und heute an: Wenn die CSU heute keine klaren Signale sendet, dass sie diesen Weg mitgehen will, leiten wir ein Volksbegehren ein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass die SPD-Fraktion zu Tagesordnungspunkt 3, und zwar zu den Ände

rungsanträgen 17/15948 und 17/17558, namentliche Abstimmung beantragt hat. Ich möchte Sie davon rechtzeitig in Kenntnis setzen, damit Sie sich entsprechend einrichten können. – Jetzt hat als nächster Redner der Kollege Lederer von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Aiwanger, wenn man Sie so reden hört, hat man fast den Verdacht, dass Sie ein wenig an Gedächtnisverlust leiden; denn das, was die FREIEN WÄHLER noch vor zwei Jahren gesagt haben, widerspricht in weiten Teilen dem, was Sie heute sagen. Darauf werde ich gleich zurückkommen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den FREIEN WÄHLERN)

Wir haben uns in diesem Hohen Hause schon sehr oft mit dem Kommunalabgabengesetz – KAG – beschäftigt. Im Sommer 2015 hat der Innenausschuss eine Expertenanhörung zum Erschließungs- und Beitragsrecht durchgeführt. Alle vier Fraktionen haben hierzu jeweils einen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet. Diese waren in den Kernaussagen aber identisch. Alle vier Fraktionen wollten die Beitragsfinanzierung beim Straßenausbau beibehalten. – Heute hören wir von den FREIEN WÄHLERN ganz andere Töne.

Wir haben am 25. Februar 2016 in diesem Hohen Hause eine Neuregelung zu diesem Thema beschlossen. Wir haben am 22. Februar dieses Jahres beschlossen, hierzu eine Evaluierung durchzuführen. Doch noch bevor die Erkenntnisse aus der Evaluierung vorliegen, preschen nun die FREIEN WÄHLER vor und fordern – das ist aus meiner Sicht völlig unverständlich – die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge.

(Zuruf von der CSU: Wahlkampf!)

Sie verlassen damit den Konsens, den wir vor eineinhalb bis zwei Jahren gefunden haben, und natürlich entsteht Unruhe draußen bei den Bürgern, aber auch bei den Kommunen.

Als Begründung führen die FREIEN WÄHLER an: Das System sei ungerecht. Der dem System zugrunde liegende Vorteilsbegriff sei veraltet. Außerdem sei das Verhältnis zwischen den Einnahmen durch die Ausbaubeiträge und dem Erhebungsaufwand völlig unwirtschaftlich, und deshalb müssten die Beiträge abgeschafft werden.

Bei der Expertenanhörung und bei den entsprechenden Gesetzentwürfen aller Fraktionen kam man zu einem ganz anderen Ergebnis. Bei der Expertenan

hörung haben wir uns intensiv über andere Finanzierungsmöglichkeiten, zum Beispiel über Steuerfinanzierung, unterhalten. Wir haben festgestellt, dass das Beitragssystem wohl am gerechtesten ist. Der Vorteilsbegriff, der als veraltet dargestellt wird, ist höchstrichterlich und auch in der Fachliteratur anerkannt.

Mich stört besonders, dass die FREIEN WÄHLER selbst sagen: Beim Erschließungsrecht brauchen wir all diese Begriffe natürlich, aber beim Straßenausbau ist das alles Schnee von gestern.

Herr Kollege Aiwanger, zu der Aussage, dass der Straßenzustand in den Kommunen wegen der Straßenausbaubeiträge schlecht sei, kann ich Folgendes sagen: Ich war Bürgermeister. Der Zustand der Gemeindestraßen in meiner Gemeinde ist gut, obwohl wir seit Jahrzehnten eine entsprechende Satzung haben.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER weist auch einige handwerkliche Fehler auf. Ich möchte nur ein paar nennen.

Zuerst zur Stichtagsregelung: Der Gesetzentwurf tritt irgendwann in Kraft – zumindest aus Sicht der FREIEN WÄHLER –, und ab dann sind alle Satzungen nichtig. Ich frage deshalb die FREIEN WÄHLER: Wie sollen denn die Gemeinden die Fälle abwickeln, bei denen die Beitragspflicht vorher entstanden ist, bei denen vielleicht sogar schon Vorausleistungen erhoben wurden, aber bei denen noch keine endgültige Abrechnung vorliegt? Wie gehen wir damit um? Oder: Sind Beiträge, die festgesetzt wurden, auch nach dem Stichtag noch einzufordern? Wie sollen wir mit denjenigen Bürgerinnen und Bürgern umgehen, die gerade eben Beiträge bezahlt haben?

(Hans Herold (CSU): Genau!)

Zahlen wir diesen Leuten das Geld zurück, und den Leuten vom Vorjahr auch? Wie gehen wir damit um? – Davon steht kein einziges Wort im Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das klären wir dann mit dem Volksbegehren!)

Weitere handwerkliche Mängel hat der Gesetzentwurf beim Thema Finanzausgleichsgesetz. Das FAG wird in Absprache mit den Verbänden festgesetzt. Aus meiner Sicht können die FREIEN WÄHLER das FAG gar nicht über einen Gesetzentwurf verändern. Das wäre ein Eingriff in das Haushaltsrecht. Ich glaube sogar, dass dazu ein Nachtragshaushalt notwendig sein wird. Eine weitere Frage wird mit dem Gesetzent

wurf überhaupt nicht beantwortet: Nach welchem Schlüssel sollen denn die Gelder, die die FREIEN WÄHLER den Kommunen geben wollen, auf die Kommunen verteilt werden, damit sie dort auch richtig ankommen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am meisten stört mich bei dem Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER der Umgang mit den Kommunen. In dem Gesetzentwurf heißt es auf der einen Seite, dass die Gemeinden erhebliche Vorteile durch Mieter, Gewerbetreibende und Lieferanten hätten, die alle die Straßen nutzten und zu nicht unerheblichen Steuereinnahmen der Gemeinden beitrügen. Damit wären die Gemeinden die Nutznießer. Auf der anderen Seite werden den Kommunen aber Fehlorganisation und wirtschaftlich schlechte Planung vorgeworfen, die immer zulasten der angrenzenden Eigentümer gingen. Zum einen werfen Sie den Kommunen Misswirtschaft vor, zum anderen, dass sie die Anlieger abzocken würden. Meines Erachtens geht das viel zu weit!

Herr Aiwanger, vor diesem Hintergrund kann ich Ihre Aussagen nur so deuten, dass Sie wohl die kommunale Selbstverwaltung ein Stück weit eingrenzen wollen. In einer Pressemeldung vom 8. November dieses Jahres haben Sie nämlich gesagt, ich zitiere: "Vater Staat darf seine Kinder, die Kommunen, nicht weiter bei den Bürgern zum Betteln schicken, sondern muss ihnen selbst genügend Geld geben."

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Hubert Ai- wanger (FREIE WÄHLER): Bravo!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer den Kommunen das Recht auf eigenständige Erhebung von Einnahmen wie zum Beispiel Steuern oder Gebühren abspricht und sie stattdessen an den Tropf des Staates hängen will, der schränkt das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen ein. Wir von der CSU möchten das nicht.

(Beifall bei der CSU)

Wir möchten den Kommunen nicht die Einnahmequellen, die sie haben, wegnehmen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie trauen sich selber nicht über den Weg!)

Wir möchten die kommunale Selbstverwaltung stärken. Mit dem Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER würde dies nicht erreicht. Deshalb werden wir von der CSU dieses Thema selbst aufgreifen.

(Lachen bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Aiwanger, wir werden die Entscheidungsfreiheit der Kommunen im KAG stärken und nicht einschränken,

(Beifall bei der CSU)

und zwar durch eine Kann-Regelung, die den Gemeinden ein echtes freies Ermessen einräumt.

(Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER): Genau! Arme Kommunen gegen reiche Kommunen ausspielen! So ein Schmarrn!)

Über die genaue Ausgestaltung werden wir bei der Gesetzesberatung diskutieren. Ich freue mich schon auf die Diskussion der entsprechenden Gesetzentwürfe im federführenden Ausschuss.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Lederer, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Pohl hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

(Unruhe bei den FREIEN WÄHLERN)

Sofern die Kollegen von der Fraktion der FREIEN WÄHLER ruhig sind, kann Herr Kollege Pohl seine Frage stellen. Bitte schön.

Herr Kollege Lederer, zum Ersten: Ich finde es schon einigermaßen bemerkenswert, dass Sie uns vorwerfen, wir würden umfallen, und dann selbst einen Gesetzentwurf der CSU-Fraktion ankündigen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Aber ich weiß ja: Quod licet iovi, non licet bovi. Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Rind noch lange nicht erlaubt. Das ist das Motto der CSU.

(Widerspruch bei der CSU – Glocke des Präsi- denten)

Zweite Bemerkung: Herr Kollege Lederer, mir ist nicht bekannt, dass Verbände in Bayern Gesetzgebungskompetenz haben. Sie sagen, eine Regelung über das FAG wäre juristisch unzulässig, weil da Verbände mitzuentscheiden haben. Ich bitte Sie, mir das verfassungsrechtlich zu belegen.

Eine dritte Bemerkung: Sie haben einen Nachtragshaushalt gefordert. Den können Sie haben. Ihr Finanzminister wird ihn im Januar oder Februar des nächsten Jahres einbringen. Deswegen haben wir diesen Gesetzentwurf zeitlich genau passend einge

bracht, damit er bereits im Nachtragshaushalt berücksichtigt werden kann.

Eine weitere Bemerkung: Sie sagen, wir seien gegen die kommunale Selbstverwaltung, indem wir die Kommunen an den Tropf hängen wollten. Das ist einigermaßen zynisch. Wir FREIEN WÄHLER geben den Kommunen das Geld, damit sie nicht gezwungen sind, es von den Bürgern einzuholen. Die Kommunen bekommen das Geld von uns und müssen sich nicht vor Ort herumschlagen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Lederer, eine letzte Bemerkung: Sind denn die ganzen Gerichtsverfahren an Ihnen vorbeigegangen, in denen Bürgermeister wegen Untreue verurteilt worden sind, weil sie diese Beiträge nicht erheben wollten?