Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Worum geht es eigentlich? Geht es um ein Bürokratiemonster oder um das Kippen des Mindestlohns? – Nein, es geht um einen kleinen Satz. Es geht um den Satz, dass bei der Festlegung von Entgeltgrenzen die unterschiedliche Arbeitszeit von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten zu berücksichtigen ist. Das ist alles. Für die SPD bedeutet das den Anfang vom Ende des Mindestlohns. Für die CSU ist es ein willkommener Anlass, sich bei den Arbeitgebern wieder lieb Kind zu machen. Die FREIEN WÄHLER plappern wieder nach, was von der CSU kommt. Das geht aus dem Antrag hervor. Aber die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte.
Liebe Kollegen von der SPD, mitnichten wird mit einer Zustimmung zu dieser Bundesratsinitiative, zu diesem kleinen Satz, der Mindestlohn an sich torpediert. Es geht zunächst nur um die Pflicht der Arbeitszeitdokumentation. Es geht nicht um den Mindestlohn an sich.
Sie haben das aber in Ihrer Rede ganz weit ausgeführt. Es ging ganz lange nur um den Mindestlohn. Dagegen wehre ich mich. Es geht erstmal tatsächlich um eine Arbeitszeitregelung. Aber um den Mindestlohn zu erhalten, bedarf es anderer Maßnahmen. Es braucht Maßnahmen, wie wir sie in unserem umfangreicheren Antrag fordern. Liebe SPD, wir sind Ihnen wirklich dankbar, dass Sie auf Bundesebene erfolgreich für den Mindestlohn gestritten haben. Aber die Aushöhlung des Mindestlohns durch diese Bundesratsinitiative zu beklagen, trifft nicht den Kern des Problems.
Liebe Kollegen der CSU, Sie haben den Mindestlohn von Anfang an nicht gewollt. Seit der Einführung des Mindestlohns streiten Sie für die Wiedereinführung von Schlupflöchern. Sie reden von einem Bürokratiemonster. Und wie erbittert – –
Sie reden von einem Bürokratiemonster. Im vergangenen Jahr haben Sie tatsächlich ein mittelstandsfreundliches Kontrollsystem gefordert. Dafür sollten nicht mehr die Fachkräfte vom Zoll, sondern die Kollegen von der Rentenversicherung zuständig sein. Was soll das denn? – Das klingt mir nicht nach der Bekämpfung von Schwarzarbeit, sondern nach Schaffung eines Schlupflochs. Genau zu diesem Geist, den ich seit Jahren bei der Debatte um den Mindestlohn sehe, passt auch Ihre jetzige Forderung, die Dokumentationspflichten aufzuweichen. Deswegen möchte ich Ihrem Antrag nicht zustimmen. Ich kann dem dahinterstehenden Geist nicht zustimmen.
Ich kann Ihnen versichern, dass Sie von uns immer kräftig Gegenwind bekommen werden, wenn Sie den Arbeitnehmerschutz angreifen. Das gilt natürlich auch für Ihre Gefolgsleute von den FREIEN WÄHLERN, die eine schwammige Vorstellung bei der Schaffung von Schlupflöchern haben. Auch dafür bekommen Sie Gegenwind von uns. Ob diese Arbeitszeitdokumentationsvorschriften tatsächlich eine zu große Belastung für die Betriebe sind, darüber kann man lange streiten. Das wird im Bundesrat auch tatsächlich geschehen. Soviel Zeit haben wir heute nicht.
Ich gebe aber der SPD recht: Tatsache ist, wenn der Kontrolleur kommt, ist nur die tägliche Arbeitszeitdokumentation aussagekräftig. Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Lieschen Müller hat einen Arbeitsvertrag von 8.00 bis 12.00 Uhr täglich. Sie ist aber um 13.00 Uhr, wenn der Kontrolleur kommt, noch da. Wie wollen Sie denn anders als durch die tägliche Arbeitszeitdokumentation nachweisen, dass Lieschen Müller an diesem Tag erst um 10.00 Uhr gekommen ist, vorher beim Zahnarzt war und deswegen ausnahmsweise an diesem Tage länger arbeitet? Die Arbeitszeitdokumentation ist für unsere Kontrolleure schlicht die arbeitssparendste Methode. Liebe SPD, dazu muss aber auch ausreichend Personal zur Verfügung gestellt werden. Dieses fehlt leider nach wie vor. Deshalb haben wir diesen Punkt in unseren Antrag aufgenommen.
Liebe SPD, Ihr Antrag riecht ein bisschen nach einem generellen Misstrauen gegenüber den Arbeitgebern. Mir fehlen bei Ihrem Antrag die Ansatzpunkte, die ich gerade genannt habe, und der Hinweis, dass die meisten Arbeitgeber und Arbeitnehmer faire Arbeitszeit- und Arbeitsentgeltbedingungen aushandeln und sich daran halten. Frau Kollegin Kohnen, Sie haben das vorhin in Ihrer Rede anders dargestellt, als ich es dem blanken Text Ihres Antrags entnehmen konnte.
Die Dokumentationspflicht erleichtert das Auffinden schwarzer Schafe. Das liegt in unser aller Interesse, im Interesse der Steuerzahler, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Liebe Kollegen von der CSU, solange Sie keine bessere Methode vorschlagen, muss die Dokumentationspflicht bestehen bleiben. Liebe Kollegen von der SPD, solange Sie nicht wesentlich mehr bringen, fällt es mir schwer, Ihrem Antrag zuzustimmen. Wir alle wollen doch, dass die Menschen einen Mindestlohn bekommen und davon leben können. Wir wollen einen höheren Mindestlohn, effiziente Kontrollen und das Herausfiltern der schwarzen Schafe. Wir wollen Beratungsmöglichkeiten.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende. Sie erhalten noch zwei Minuten durch eine Zwischenbemerkung.
Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen. Wir werden uns zu Ihren Anträgen der Stimme enthalten.
Frau Kollegin, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Wir haben noch eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Kohnen.
Ich finde es tatsächlich bemerkenswert, dass Sie sich zu unserem Antrag der Stimme enthalten. Ich halte das für den ersten Schritt in Richtung einer schwarzen Ampel. Liebe Frau Celina, der erste Spiegelstrich Ihres Antrags stammt aus einem Dringlichkeitsantrag der SPD, dem Sie hier bereits im Mai zugestimmt haben. Auch der dritte Spiegelstrich stammt aus einem Dringlichkeitsantrag der SPD, dem Sie im Mai zugestimmt haben.
Sie setzen sich im Bund für eine Erhöhung des Mindestlohns ein. Sie wissen, dass wir im Bund eine Mindestlohnkommission haben.
Der vierte Punkt Ihres Antrags stammt ebenfalls aus den Unterlagen der SPD. Dass Sie sich jetzt zu unserem Antrag der Stimme enthalten, hat schlichtweg nur einen Grund: Viel Spaß in Richtung schwarze Ampel.
Liebe Frau Kohnen, ich habe das bereits begründet: Der Antrag, den Sie geschrieben haben, zielt rein auf den Mindestlohn ab. Das trifft nicht den Kern des einen Satzes, der im Bundesrat beraten wird. Ich habe es vorgelesen: "Bei der Festlegung von Entgeltgrenzen ist die unterschiedliche Arbeitszeit von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten zu berücksichtigen." Wir können in diese
Dokumentation reinschreiben, was wir wollen. Solange wir nicht genügend Leute haben, die das kontrollieren, bringt das gar nichts. Mir ist es ganz wichtig, dass Kontrolle stattfindet und dass wir dafür genügend Personal haben.
(Beifall bei den GRÜNEN – Natascha Kohnen (SPD): Das ist die SPD-Position, der Sie schon zugestimmt haben!)
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der allgemeinen Politikschelte der Kollegin Celina möchte ich das Thema jetzt generell aufgreifen und etwas detailgenauer beleuchten. Der Dringlichkeitsantrag der SPD trägt die Überschrift: "Schleichende Aushöhlung des Mindestlohns verhindern!" Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Frau Kohnen, selbstverständlich steht meine Fraktion uneingeschränkt zum Mindestlohn.
Ich möchte nur eines an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN richten: Wir plappern niemandem etwas nach. Wir haben es auch gar nicht nötig, irgendjemandem etwas nachzuplappern. Wir wissen, wovon wir reden. Wir wissen, wie die Wirtschaft funktioniert. Wir wissen auch, wie man Arbeitnehmerrechte schützt.
Herr Kollege Rinderspacher, ich möchte gerne an Ihre Aussage anknüpfen: Ich habe gerade gesagt, dass wir dem Mindestlohn uneingeschränkt zustimmen. Wir halten ihn nach wie vor für richtig und für erfolgreich.
(Markus Rinderspacher (SPD): Warum wollen Sie dann den Mindestlohn einschränken, wenn Sie dafür sind?)
Frau Kollegin Kohnen, die Verbesserungen, die dadurch für die Beschäftigten im Niedriglohnsektor entstanden sind, sind unbestritten und haben sich in den letzten knapp drei Jahren bewährt. Das ist ein Fakt, den wir positiv konstatieren sollten.
Der Mindestlohn hat auch nicht zu den von vielen herbeigeredeten Wettbewerbsnachteilen geführt. Das ist ebenfalls richtig. Seit dem 1. Januar 2017 gilt der Mindestlohn uneingeschränkt, weil die Übergangsrege
lungen in den einzelnen Tarifbereichen mittlerweile weggefallen sind. Wir haben somit einen durchaus begrüßenswerten Stand erreicht.
Der vorliegende Antrag der SPD gliedert sich in zwei völlig unterschiedliche Abschnitte. Im ersten Absatz, den wir vollinhaltlich mittragen, geht es um ein Bekenntnis zum Mindestlohn. Selbstverständlich bekennen wir uns zum Mindestlohn. Ich kenne wenige, die sich nicht dazu bekennen. In meiner Fraktion gibt es niemanden, der den Mindestlohn infrage stellt.
Im zweiten Absatz geht es um die Kontrolle der praktischen Umsetzung des Mindestlohns. Das ist der Grund, warum wir diesen Antrag ablehnen. Die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein hat einen Änderungsantrag gestellt, mit dem Artikel 1 des Mindestlohngesetzes, der die Dokumentationspflicht betrifft, um einen Satz ergänzt werden soll. Dabei geht es darum, eine Differenzierung bei den Teilzeit- und den Vollzeitkräften vorzunehmen. Diese Forderung ist auch logisch; denn Teilzeitkräfte verdienen zwangsläufig etwas weniger, weil sie weniger Stunden arbeiten. Bei den Teilzeitkräften, die in der Regel weniger als 2.000 Euro verdienen, greift die 2.000-Euro-Regelung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz voll durch. Bei den anderen Mitarbeitern ist dies nicht der Fall. Das ist doch eine relativ einfache Sache. Daraus müssen Sie doch kein Staatsdrama konstruieren.
Viele Erwerbstätige arbeiten in Teilzeit, weil das familienbedingt notwendig ist oder weil es für sie aus finanziellen Gründen nötig ist, zusätzlich zu arbeiten. Manchmal haben der Mann oder die Frau zusammen 1,5 Arbeitsverhältnisse. Das ist doch ganz normal. Wir sollten keine unnötigen Bürokratiehürden schaffen, die diesen gesellschaftlichen Verhältnissen entgegenstehen. Unser gesellschaftlicher Anspruch muss es doch sein, dass der Arbeitsmarkt möglichst vielen Menschen offen steht. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es sehr viel schwieriger ist, Teilzeitstellen zur Verfügung zu stellen. Wir sollten deshalb dankbar dafür sein, wenn Teilzeitstellen zur Verfügung gestellt werden, und dies entsprechend unterstützen. Wir sollten in solchen Fällen die nötige Flexibilität walten lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich möchte jetzt ausnahmsweise Frau Nahles loben, die am 29. Juli 2015 durch Rechtsverordnung sinnvolle Erleichterungen bewirkt hat. Das war ein Erfolg, den Sie jetzt selbst bekämpfen müssten. Frau Nahles hat sinnvolle Erleichterungen bewirkt.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Fraktion der FREIEN WÄHLER zu dem Thema Bürokratiemonster und Bürokratieabbau insgesamt sieben Anträge in den Wirtschaftsausschuss eingebracht hat. Einige dieser Anträge wurden mehrheitlich angenommen, zwei wurden von Frau Nahles im Wesentlichen umgesetzt. Wir hatten damals beantragt, die Verdienstgrenze von 2.958 Euro auf 1.900 Euro herunterzudrücken. Am Ende kamen 2.000 Euro heraus. Das ist der derzeitige Stand. Dieser Ansatz war erfolgreich. Mit dem zweiten Antrag haben wir für Familienangehörige ersten Grades die Befreiung von der Aufzeichnungspflicht gefordert. Sie müssen sich das einmal vergegenwärtigen: Der 60- oder 70-jährige Betriebsinhaber durfte 24 Stunden arbeiten, sein 22-jähriger Betriebsnachfolger durfte nur acht Stunden arbeiten. Das ist paradox. Dies wurde erkannt und korrigiert.
Diese Verbesserung wurde von Frau Nahles, nach anfänglichem Widerstand, umgesetzt. Die Wirtschaft hat dies hoffentlich wahrgenommen. Frau Nahles hat noch viele andere vernünftige Regelungen auf den Weg gebracht. Ich nenne nur die Bewertung der freigestellten Vertragsamateure sowie die Regelungen für Übungsleiter und Trainer. Hier hat sich vieles getan. Jetzt hat das Land Schleswig-Holstein eine weitere unnötige Hürde identifiziert und genau für diese Hürde eine Nachjustierung beantragt. Mehr ist das nicht. Wir sollten uns damit auseinandersetzen. Diese Nachjustierung unterstützen wir natürlich – ganz klar –, weil sie sinnvoll ist und genau in dieses Gefüge passt. Dem sollte man sich nicht verwehren.
Die CSU hat einen Dringlichkeitsantrag gestellt, der eigentlich nur den Inhalt hat, den Gesetzentwurf aus Schleswig-Holstein zu unterstützen. Diesen Gesetzentwurf unterstützen auch wir. Bei dieser Gelegenheit möchte ich daran erinnern, dass die CSU damals, 2014, im Bund zugestimmt hat – wahrscheinlich nicht wissend, welchen Regelungen sie zustimmt. Das geschah damals im Tausch gegen die sogenannte Ausländer-Maut, bei der wir Umsetzungsprobleme haben. Die Ausländer-Maut wird nie kommen; das war also ein schlechter Tausch. Das kann man bei dieser Gelegenheit auch einmal sagen.
Aber ganz klar: Wir werden dem Dringlichkeitsantrag zustimmen. – Den GRÜNEN-Dringlichkeitsantrag werden wir ablehnen, aber nicht per se. Er ist in vier Spiegelstriche gegliedert. Die Spiegelstriche 1 und 3 sind nicht nachvollziehbar, weil sie die angesprochene Thematik wiedergeben; die Spiegelstriche 2 und 4
Wir FREIEN WÄHLER haben einen Dringlichkeitsantrag nachgereicht, weil wir der Meinung sind, dass diese Entlastung beim bürokratischen Aufwand noch etwas weiter gefasst werden könnte. Wir haben vorgeschlagen, die Aufzeichnung der Gesamtstunden praxisnäher zu gestalten, sie einmal im Monat vorzusehen. Das sollte den Bedingungen der Nachvollziehbarkeit genügen.
Zur Aufzeichnungspflicht insgesamt möchte ich vielleicht noch ein paar Takte sagen. Ein Problem ist, dass nicht für alle aufgezeichnet werden muss, sondern nur für geringfügig Beschäftigte und in Branchen, auf die sich das Gesetz gegen Schwarzarbeit bezieht. Ich habe letzthin hier an dieser Stelle schon gesagt: Auch diese Regelungen müssten überprüft werden, damit sie nicht per se kontinuierlich weitergeführt werden. Es gibt nämlich auch Branchen, die in diesem Zusammenhang nicht mehr auffällig sind. Eine Deregulierung bzw. Modifizierung der Aufzeichnungspflicht, wie sie von uns und von der CSU beantragt wird, würde den kleineren und Familienbetrieben diese Dokumentation erleichtern.