Protocol of the Session on October 12, 2017

Das zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass das Ehrenamt in Bayern, die vielen bürgerschaftlich engagierten Projekte ein angemessenes Mitspracherecht auf Augenhöhe haben. Der Runde Tisch ist eine wunderbare Institution – ich gehe gern dort hin –, aber er ist völlig unverbindlich. Es fehlt ein fest verankerter Beirat. Vorbilder könnten der Wirtschaftsbeirat oder der Datenschutzbeauftragte sein; denn diese können unabhängig ihre Stimme erheben. Der Runde Tisch müsste in die Lage versetzt werden, das, was wir hier vorschlagen, auf seine Tauglichkeit für das Ehrenamt zu untersuchen und auf etwaige Gefahren – im Sinne der Behinderung des Ehrenamtes – hinzuweisen. Das alles fehlt uns. Mit diesen Vorschlägen sind Sie leider nicht mitgegangen.

Es bleibt uns, noch einmal darauf hinzuweisen, wie wichtig dieses Engagement für uns alle ist. Wir in Bayern, auch die Politik, wären ohne die vielen freiwil

lig Engagierten, die wir in unserem Land haben, völlig aufgeschmissen. Wir müssen ihnen die Hand reichen. Wir müssen sie aber auch ernst nehmen; sie sind Experten auf den Gebieten, auf denen sie sich engagieren. Wir wären gut beraten, auf sie zu hören. Das alles, was an Kompetenz und Potenz in unserem Land vorhanden ist, können wir nicht allein durch ministerielle oder sonstige Zirkel heben. Wir müssen unterstützen, aber nicht nur durch lobende Worte. Diese sind auch wichtig – insofern haben Sie recht, Herr Kollege Jörg –, reichen aber nicht aus. Die Worte müssen zusammenpassen mit dem, was wir hier tun.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Kollege Dr. Fahn von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Volkmar Halbleib (SPD): Jetzt müssen Sie aber eine Ehrenerklärung abgeben!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bayern ist das Land des Ehrenamts. 47,5 % der Bürger engagieren sich ehrenamtlich; 2009 waren es erst 36 %. Wir sagen: Das Ehrenamt ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.

Ja, seit dem 1. Januar 2014 ist das Ehrenamt in unserer Verfassung verankert. Das kam – das muss an dieser Stelle gesagt werden – auch auf Initiative der FREIEN WÄHLER zustande.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir wissen, dass das Ehrenamt hohen volkswirtschaftlichen Nutzen hat. Der Einsatz von 1 Euro für das Ehrenamt bringt einen geldwerten Vorteil von circa 7 Euro mit sich. Das heißt, wenn wir das Ehrenamt heute so hochloben, dann müssen wir die entsprechenden Strukturen nicht nur immateriell, sondern auch materiell, das heißt finanziell unterstützen.

Immerhin – das ist positiv; es wurde schon gesagt – gibt es den Runden Tisch zum Ehrenamt, bei dem alle gesellschaftlichen Gruppen und die Politik mitarbeiten. Das loben wir. Das ist ein Pluspunkt, auch wenn die Kritik von Frau Waldmann im Prinzip richtig ist. Der Runde Tisch müsste verbindlicher sein; das ist ganz klar.

Es gibt trotzdem einige Minuspunkte; auf diese möchte ich auch zu sprechen kommen.

In Bayern existieren viele Helferkreise, die sich intensiv engagieren. Aber es ist kontraproduktiv, wenn die Staatsregierung die dezentralen Unterkünfte bayernweit Zug um Zug auflöst und damit die wertvolle Arbeit von Helferkreisen, die sich insoweit engagiert haben, nicht nur ungenügend würdigt, sondern zum Teil sogar zerstört. Diese Helferkreise müssen gehört werden. Ansonsten verprellen wir nicht nur bürgerschaftlich engagierte Menschen, sondern wir verlieren auch einen Teil aus der Mitte der Gesellschaft.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Beispiel zwei: Verbesserung der Ehrenamtskultur. Es gibt die Ehrenamtskarte; das wissen wir. Sie wurde 120.000 Mal in 86 Landkreisen ausgegeben. München fehlt leider; das muss ich immer wieder sagen. Wir haben 5.000 Akzeptanzpartner aus der Privatwirtschaft. Auch von den Kommunen werden Vergünstigungen angeboten. Ich sage sehr deutlich: Die Ehrenamtskarte ist ein Vorzeigeprojekt des Freistaates. Aber die Kommunen müssen noch stärker als bisher unterstützt werden. Es genügt nicht, wenn sie einmalig 5.000 Euro vom Freistaat bekommen. Das ist eindeutig zu wenig. Wir haben Umfragen durchgeführt. Jede Kommune muss mindestens eine Halbtagskraft dafür einsetzen. Daher erwarten wir in Zukunft noch stärkere Unterstützung durch den Freistaat.

Beispiel drei: "Service Learning". Dafür sind Bayerns Schulen gute Ansprechpartner. Besonders beeindrucken Schulen, die fachliches Lernen und gesellschaftliches Engagement – das sind ehrenamtliche Tätigkeiten – von Schülern miteinander verbinden. Das geschieht als Teil des Unterrichts. Ein zukunftsweisender Weg! In Bayern gibt es derzeit aber nur etwa 20 Schulen, die "Service Learning" praktisch umsetzen.

Aber auch auf diesem Gebiet hat sich – wiederum auch auf Initiative der FREIEN WÄHLER – im Ministerium etwas bewegt. Bayernweit werden gute Praxisbeispiele gesammelt. Für interessierte Schulen soll eine konkrete Unterstützung folgen. "Service Learning" soll auch an den Hochschulen etabliert werden. Das ist ebenfalls ein Verdienst der FREIEN WÄHLER. Wir stellen seit fünf Jahren zahlreiche Anträge und stellen endlich fest, dass sie etwas bewirkt haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir schätzen das Ehrenamt; das sagen wir sehr deutlich. Auch wir bedanken uns bei allen ehrenamtlich Tätigen. Aber es gibt noch viel zu tun. Dazu gehört die Unterstützung von Jugendlichen bei der Vereinsgründung; denn Vereine beklagen mangelnden Nachwuchs.

Wir brauchen eine nachhaltige Kommunalentwicklung. Wir müssen kommunale Projekte besser unterstützen.

Wir wollen eine Bestandsaufnahme und eine Ausweitung des sogenannten Sorgentelefons. Darüber werden wir in Kürze auch im Ausschuss reden.

Wir wollen außerdem eine Mitwirkung bei der Zukunftsstiftung erreichen. Darüber wird am Runden Tisch diskutiert. Das Ehrenamt voranzubringen bedeutet auch, bürokratische Hürden noch weiter abzubauen. Leider gibt es noch sehr viele solcher Hürden. So müssen Satzungsänderungen bei Vereinen und Änderungen im Vorstand sehr häufig notariell vorgenommen werden. Das ist sehr zeit- und kostenaufwendig. Finden wir doch einen Weg, um diese Bürokratie zu vermeiden!

Wir brauchen in allen Kommunen einen Ansprechpartner für das Ehrenamt. Wir müssen steuerliche Vergünstigungen überprüfen und vielleicht sogar aufstocken. Ich denke zum Beispiel an die Ehrenamtspauschale in Höhe von nur 720 Euro pro Jahr. Das ist bescheiden. Außerdem könnten neue Gesetze dabei helfen, das Ehrenamt voranzubringen. Wir haben im letzten Jahr das Freistellungsgesetz zum Zwecke der Jugendarbeit verabschiedet. Das war ein erster guter Schritt. Daneben gibt es aber auch die Idee eines Freistellungsgesetzes für die Seniorenarbeit. Wir stehen hier im engen Kontakt mit der Landesseniorenvertretung. Schließlich gibt es noch eine Initiative des Katholischen Frauenbundes zur Entwicklung eines Freistellungsgesetzes für das Ehrenamt.

Wir unterstützen diese Forderungen. Die Initiativen der Landesseniorenvertretung und des Katholischen Frauenbundes sind nachhaltig. Mit dem Gesetzentwurf für die Freistellung zum Zwecke der Jugendarbeit haben wir schon viel erreicht.

Ich möchte an dieser Stelle namens der FREIEN WÄHLER allen Ehrenamtlichen, die sich in Bayern engagieren, herzlich danken. Ich komme noch einmal auf den Anfang meiner Rede zurück: Das Ehrenamt ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Celina von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist gut gewählt; denn die vielfältige und umfangreiche ehrenamtliche Betäti

gung ist eine unserer Stärken, eine der Stärken der Menschen in ganz Bayern, von der Rhön bis zu den Alpen, von Aschaffenburg bis Passau und von Rothenburg bis Zwiesel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Bayern gibt es überall Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. All diesen Menschen gebührt ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Ehrenamtlichen sind nicht nur von Nord- bis Süd- und von Ost- bis Westbayern tätig, sondern auch in vielen verschiedenen Bereichen. Lieber Oliver Jörg, viele von ihnen beginnen außerhalb von festen Vereinsstrukturen mit der Übernahme eines Ehrenamtes. Ich erinnere nur an die Bilder, die um die Welt gingen, als besonders viele Flüchtlinge gleichzeitig in Bayern ankamen, zum Beispiel am Münchner Bahnhof. An diesen Tagen wurde besonders deutlich, welch gute Strukturen wir in unserer Heimat haben. Wir haben Menschen, die Hilfe organisieren, und Menschen, die sich aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Berufswahl professionell um andere kümmern. Wir haben Menschen, die sich mit viel Herz, Fleiß und Verstand ehrenamtlich um andere kümmern. All diese Menschen arbeiteten zusammen und zeigten der Welt ein Bild von Bayern, auf das wir stolz sein können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür danke ich den ehrenamtlichen Helfern, den Professionellen und den Organisationen heute noch einmal ganz besonders herzlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn ich jedoch daran denke, wie es vielen Helfern, die sich in der Flüchtlingshilfe engagiert haben, heute geht, dann, liebe Kollegen von der CSU, kommt mir das, was Sie gerade gesagt haben, wie Hohn vor; denn gerade diese ehrenamtlichen Helfer haben Sie konsequent mit Ihrer Antiflüchtlingspolitik entmutigt und frustriert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im "Münchner Merkur" stand vorgestern ein dazu passender Artikel unter der Überschrift "Die Stimmung wird schlechter". Ich empfehle Ihnen dringend, diesen Artikel zu lesen. Darin macht zum Beispiel der Miesbacher Integrationsbeauftragte Max Niedermeier Ihre CSU-Politik, Flüchtlingen keine Arbeitserlaubnis zu geben, für den Frust verantwortlich, der sich bei den Helfern überall ausbreitet. In dem Artikel heißt es auch: Für viele fühlt es sich so an, als ob ihnen von

der Politik das Leben schwer gemacht wird. Sie geben auf, und für die Verbliebenen wird die Belastung noch größer.

Liebe Kollegen und Kolleginnen von der CSU, dafür ist nicht "die Politik" verantwortlich, sondern dafür sind nur Sie verantwortlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen stößt mir Ihr Lob für die ehrenamtliche Arbeit unserer Bürger manchmal wirklich sauer auf. Wir brauchen zumindest in diesem Bereich dringend einen Neuanfang; denn wir brauchen die Ehrenamtlichen, damit die Integration gelingen kann. Wenn Sie zwar ein Dankeschön auf einem Empfang sagen, aber danach wieder Hindernisse auf den Weg legen, zermürben Sie unsere ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Manche Ehrenamtliche sind häufig sichtbar, andere weniger. Wir brauchen sie alle, die Ehrenamtlichen in den sozialen Bereichen, aber auch die ehrenamtlichen Feuerwehrler, die Blaulichtler sowie die Ehrenamtlichen, die in der Jugend-, Senioren- und Behindertenarbeit tätig sind. Wir brauchen und schätzen aber auch die anderen, diejenigen, die leise und nur für wenige sichtbar den Bestand der Tiere und Pflanzen unserer Heimat dokumentieren, diejenigen, die die Singvögel zählen und häufig deren Reduktion oder gar Verschwinden in der Heimat melden müssen. Die neuen Nischen, in die die anpassungsfähigen Tiere flüchten, reichen nicht aus, um verschwundene Lebensräume, Wiesen, Bäume, Sträucher und Moore zu kompensieren.

Wir brauchen und schätzen auch diejenigen, die sich im Ehrenamt mit leidenschaftlicher Hingabe über viele Jahre hinweg der Schaffung und Erhaltung von Naturschutzinseln widmen. Diese Menschen haben Visionen und setzen sie gemeinsam um. Sie machen aus verwilderten und feuchten Auen wieder wertvolle und artenreiche Feuchtbiotope, und das beispielsweise durch die jahrelange Pflege von Wasserbüffelherden. Ich war vor Kurzem in Hafenlohr bei einem Wasserbüffelprojekt. Dort summt und brummt es, wie man es sonst kaum noch irgendwo hört. Ich danke den Ehrenamtlichen, die solche Visionen umsetzen. Ihr prägt unsere Heimat!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was aus einem kleinen ehrenamtlichen Zusammenschluss werden kann, zeigt das Beispiel Condrobs e. V.; das ist ein Träger für soziale Hilfsangebote in Bayern. Dieser Verein wurde im Jahre 1971 als

Selbstinitiative von Eltern drogenabhängiger Kinder gegründet. Heute arbeiten dort über 600 Menschen in über 40 Einrichtungen in Bayern intensiv in der Prävention und in der Drogenhilfe.

Es gibt viele Arten, sich ehrenamtlich zu betätigen und unsere Heimat zu prägen. Ich konnte heute nur wenige aufzählen. Die Abgeordneten würdigen fraktionsübergreifend an zwei Terminen im Jahr ehrenamtliche Initiativen. Der erste Termin ist die Verleihung des Bürgerpreises, den Oliver Jörg genannt hat. Der zweite Termin ist der Sommerempfang in Schleißheim, zu dem Menschen eingeladen werden, die sich ehrenamtlich um Jugendliche und Ältere kümmern. Dort sind die Blaulichtler und Vertreter kirchlicher Initiativen dabei. Auch Menschen, die sich ehrenamtlich um Menschen mit körperlicher Behinderung kümmern, werden eingeladen.

Beim Sommerempfang 2018 werden zum ersten Mal auch Menschen besonders gewürdigt, die sich ehrenamtlich um Menschen mit seelischen Erkrankungen kümmern, zum Beispiel um Menschen mit Depressionen und um Menschen mit Suchterkrankungen. Psychische Erkrankungen wirken sich nämlich genauso wie körperliche Erkrankungen nicht nur auf die Betroffenen selbst, sondern auch auf die Angehörigen aus, insbesondere deren Kinder. Die Hilfe für diese Menschen findet oft im Verborgenen statt. Ich freue mich deshalb, dass wir beim nächsten Sommerempfang gemeinsam ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für die Menschen setzen werden, die sich ehrenamtlich den Menschen mit psychischen Erkrankungen widmen.