Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Bernhard Roos, Annette Karl u. a. und Fraktion (SPD) Zeitachse des Bahnknotenausbaus München klären 3 Phasen politisch und fachlich begründen (Drs. 17/17817)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) SPNV in Bayern: Umfassende Unterrichtung des Landtags (Drs. 17/17836)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Dr. Martin Huber, Karl Freller u. a. und Fraktion (CSU) Weichenstellungen für den Bahnausbau in der Region München (Drs. 17/17837)
(Vom Redner nicht au- torisiert) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Kabinettssitzung am Dienstag hat die CSU-Regierung festgestellt, dass München unbedingt Tangentialverbindungen wie eine Tram-Trasse durch den Englischen Garten braucht, weil das S-Bahn-System daran krankt, dass es auf die Stadtmitte ausgerichtet ist. Das Problem ist also erkannt, leider lernt die CSU aber nichts daraus. Sie macht denselben Fehler ein zweites Mal. Mit der Durchfinanzierungserklärung für den zweiten S-Bahn-Tunnel hat die CSURegierung einen Blankoscheck unterschrieben. Der Freistaat Bayern trägt das Kostenrisiko, aber die CSU-Regierung ist bisher noch nicht bereit gewesen zu erklären, aus welchen Haushaltstiteln und in welcher Höhe die konkreten Beträge in den einzelnen Jahren zur Füllung des Milliardengrabs aufgebracht werden sollen.
Immer deutlicher wird, dass die Finanzierung des Prestigeprojekts zweite S-Bahn-Stammstrecke Nahverkehrsprojekte in ganz Bayern kannibalisiert. Das hat die CSU-Regierung selbst in einer Antwort auf
meine Schriftliche Anfrage auf Drucksache 17/15803 bestätigt: "Ab 2018" – also bereits ab nächstem Jahr – "dürfte das Projekt zweite Stammstrecke die o. g. Mittelkonkurrenz bewirken". Für zahlreiche Projekte wird es in den nächsten 30 Jahren aus dem Bundesfördertopf kein Geld geben. Ich nenne nur einige Beispiele: die Stadt-Umland-Bahn von Erlangen nach Nürnberg, die Verlängerung der U5 West in München, die Verlängerung der S7 von Wolfratshausen nach Geretsried oder Straßenbahnprojekte in Würzburg. Insgesamt heißt das, dass für viele Projekte außerhalb der Münchner Innenstadt Bundeszuschüsse in Höhe von 1,5 Milliarden Euro nicht zur Verfügung stehen. Wenn man diese Projekte realisieren wollte, müssten sie aus dem Landeshaushalt finanziert werden. Ich fordere Sie auf, sagen Sie heute klipp und klar, woher das Geld kommen soll. Wenn Sie Ihr Versprechen einlösen wollen, dass kein anderes Projekt unter der zweiten Stammstrecke leidet, müssen Sie heute darlegen, woher das Geld kommt, oder Sie müssen unserem Berichtsantrag zustimmen.
(Vom Redner nicht au- torisiert) Am Ende! – Herr Minister Herrmann, kommen Sie mir bitte nicht damit, dass Sie sich nach der Bundestagswahl dafür einsetzen werden, dass die Mittel des Fördertopfes nach dem GVFG erhöht werden sollen. Das Gleiche sage ich auch in Richtung der SPD, die meines Wissens in den letzten Jahren in Berlin mitregiert hat. Sie haben genau das Gegenteil gemacht. Bei der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen haben Sie zugestimmt, dass die GVFG-Mittel bis zum Jahr 2025 auf einer Höhe von jährlich 333 Millionen Euro eingefroren werden. Es ist ein furchtbar schlechtes Argument im Wahlkampf, zu sagen, Sie biegen nach der Wahl vielleicht das wieder gerade, was Sie vorher versemmelt haben.
Klar ist, dass ohne netzergänzende Maßnahmen der zweite S-Bahn-Tunnel ein nutzloser Torso bleibt. Nach dem, was jetzt durchgesickert ist, zeigen die Eckpunkte des Drei-Phasen-Modells, dass viele dringend notwendige Projekte wie der Erdinger Ringschluss, der Regionalzughalt an der Poccistraße oder der Ausbau der S4 West weiter nach hinten geschoben werden. Insbesondere der Ausbau der S4 West ist ein Trauerspiel. Bereits in den Neunzigerjahren hat die CSU-Regierung die damalige Deutsche Bundesbahn dazu aufgefordert, Planungen für den Ausbau der S4 West
in Angriff zu nehmen. Wenn Sie diese Maßnahme jetzt noch weiter verschieben, werden die Pendler von damals bis zum Ende ihres Berufslebens in diesem Dilemma stecken und keine Verbesserung erfahren. Das haben Sie zu verantworten. Seit zehn Jahren werden Taktverdichtungen, Bahnreaktivierungen, Zugverlängerungen und Streckenausbauten in ganz Bayern mit dem angeblichen Argument der knappen Regionalisierungsmittel abgelehnt. Gleichzeitig hat die CSU von diesen Mitteln aber 600 Millionen Euro abgezwackt, die jetzt zum Stopfen des Milliardengrabs verwendet werden sollen.
Die Regionalisierungsmittel wurden aber mittlerweile erhöht; im Jahr 2017 werden dem Freistaat Bayern vom Bund 1,24 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Für die Bestellung von Zügen wird in Bayern gerade eine knappe Milliarde Euro ausgegeben. Geld wäre wirklich genug da. Damit könnten wir in ganz Bayern jede Menge bewegen.
Selbst die CSU-Fraktion fordert zum Beispiel eine Taktverdichtung zwischen Mühldorf und Salzburg. Doch was macht die CSU-Regierung? – Sie hat diese Forderung der CSU-Fraktion mit dem Hinweis auf die angeblich knappen Haushaltsmittel abgelehnt. Die Maintalbahn zwischen Aschaffenburg und Miltenberg in der Heimat des Vorsitzenden der Enquete-Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern" fährt am Wochenende auch nur alle zwei Stunden. Für Verbesserungen sei angeblich kein Geld da. Mit gleichwertigen Lebensverhältnissen hat diese Politik nichts zu tun.
Zwischen Nürnberg und Augsburg, immerhin zwischen der zweit- und der drittgrößten Stadt in unserem Freistaat, fährt am Wochenende auch nur alle zwei Stunden ein Regionalzug. Für die Schließung der Taktlücken am Wochenende – da geht es immerhin nur um 100.000 Zugkilometer – hat die CSU ebenfalls nichts übrig.
Wir fordern deshalb einen belastbaren Ausbauplan für die S-Bahn München und den Schienenverkehr in ganz Bayern. Mit anderen Worten: Wir fordern einen Schienennahverkehrsplan, den die CSU dem Landtag seit zehn Jahren gesetzeswidrig vorenthält. Nach dem bayerischen ÖPNV-Gesetz wäre dieser Ausbauplan alle zwei Jahre fortzuschreiben. Der aktuelle Ausbauplan stammt jedoch aus dem Jahr 2005. Das zeigt doch, dass die CSU-Regierung beim Ausbau des Schienennahverkehrs in Bayern ohne jeglichen Plan vorgeht. Die CSU hat mit dem Tunnelblick die Verantwortung für ganz Bayern aus den Augen verloren.
Durch das Prestigeprojekt drohen zahlreiche andere Projekte, nicht nur im S-Bahn-Bereich München, sondern in ganz Bayern, auf die lange Bank und damit auf des Teufels liebstes Möbelstück verschoben zu werden. Das werden wir nicht akzeptieren, das werden wir nicht durchgehen lassen.
Die GRÜNEN wollen die S-Bahn in München und den Schienennahverkehr in ganz Bayern voranbringen. Deswegen fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu. Den Anträgen der FREIEN WÄHLER und der SPD werden wir zustimmen. Den Antrag der CSU müssen wir leider ablehnen. Es reicht nicht, gewünschte Projekte aufzulisten, sondern wir brauchen einen genauen Fahrplan mit Angaben, mit welchen Kosten zu rechnen ist und aus welchen Haushaltsmitteln sie finanziert werden. Wir brauchen auch genaue Jahresangaben, wann die Projekte realisiert werden sollen.
Herr Kollege Ganserer, ich habe es nicht richtig gehört, aber ich glaube, Sie meinen die U5 und nicht die U4. Ich sage das, damit wir über das richtige Projekt in München reden.
Ich möchte Sie darum bitten, dass Sie und die gesamte Fraktion der GRÜNEN über die zweite Stammstrecke differenzierter diskutieren. Ich möchte den Oberbürgermeister von Erlangen Florian Janik zitieren, der als direkt betroffener Bürgermeister gesagt hat, er sehe durch die zweite Stammstrecke das Projekt der Stadt-Umland-Bahn nicht gefährdet. Ich glaube, auch Dieter Reiter hat gesagt, er sehe den Bedarf für die zweite Stammstrecke und für Tangentialverbindungen.
Das Problem ist doch die Unterfinanzierung des Bahnverkehrs insgesamt. Wir müssen darüber diskutieren, dass wir in Deutschland nur etwas über 60 Euro pro Kopf der Bevölkerung für Investitionen in die Schiene ausgeben, die Schweiz gibt dagegen 380 Euro aus. Deswegen möchte ich die GRÜNEN bitten, sich nicht mit den Bürgerinitiativen gegen die zweite Stammstrecke gemein zu machen, weil sie mit dieser Art des kleinlichen Nachtretens – das sage ich
(Vom Redner nicht au- torisiert) Sehr geehrter Kollege von Brunn, die Unterfinanzierung des GVFG-Bundesfördertopfes hat die Sozialdemokratie gemeinsam mit der CDU und der CSU verbockt.
Diese Unterfinanzierung ist auf Ihren Vorschlag bis zum Jahr 2025 festgeschrieben. Das betrifft nicht nur die U4 und die U5, sondern auch die U6. Wir haben eine ganze Reihe von Straßenbahnprojekten in München, die dringend realisiert werden müssten, deren Finanzierung aus GVFG-Mitteln vorgesehen ist. Dieser Fördertopf bleibt aber die nächsten 30 Jahre leer.
Deswegen geht es nicht nur darum, viel zu fordern nach dem Motto "Viel hilft viel", sondern man muss das gesamte Netz im Auge behalten und ein Gesamtkonzept vorlegen und realisieren, was finanzierbar ist, anstatt das ganze Geld in der Münchner Innenstadt zu vergraben, wo es nichts bringt.
Vielen Dank, Kollege Ganserer. – Für die SPD darf sich jetzt gleich wieder Herr von Brunn melden. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Großraum München wächst mit rasanter Geschwindigkeit, und das seit Jahren. Wir bekommen jedes Jahr rund 25.000 neue Einwohner dazu, also eine ganze Stadt in der Größe von Geretsried. Dadurch nehmen natürlich Verkehr, Lärm und Emissionen zu, die Kosten für die Gesellschaft und die Natur und die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger. Erst am Dienstag haben wir erfahren, dass an einem Viertel der Münchner Straßen der Stickoxidgrenzwert überschritten wird. Der Großraum München bräuchte schon lange eine ambitionierte Verkehrspolitik, eine Verkehrspolitik mit Vision, die vor allem massiv in den Ausbau des umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrs als Alternative zum Auto investiert.
Wie sieht demgegenüber die Bilanz der Staatsregierung aus? – Da brauchen wir uns nur das sogenannte 13-Punkte-Sofortprogramm aus dem Mai 2012 zu betrachten, Herr Minister Herrmann. Der Kollege Kränzlein und ich haben die Umsetzung dieses Programms abgefragt. Ich möchte Ihnen das Ergebnis nicht vorenthalten: Eine einzige Maßnahme ist abgeschlossen, eine Maßnahme ist im Bau und eine wurde vor einigen Tagen mit einem öffentlich inszenierten Spaten
Den barrierefreien Ausbau lasse ich mal beiseite; das ist ein eigenes Thema. Aber von den anderen neun Maßnahmen des Sofortprogramms befinden sich erst zwei in der Planfeststellung, alle anderen noch in der Planung. Herr Herrmann, ich muss leider sagen: Ihr großartiges Sofortprogramm ist tatsächlich ein Rohrkrepierer.
Und damit nicht genug: Ende Juni haben wir der Presse entnommen, dass Sie ein neues Drei-Phasen-Modell haben. Der Clou dabei ist offensichtlich, dass etliche Projekte aus dem Sofortprogramm und viele andere netzergänzende Maßnahmen jetzt noch viel länger dauern werden. Ich nenne zwei Beispiele: Der Regionalzughalt an der Poccistraße, eine wichtige Tangentialverknüpfung zwischen Regionalzügen aus den Richtungen Mühldorf und Rosenheim und der Münchner U-Bahn, soll jetzt erst 2028 fertiggestellt werden, die Verlängerung der S7 nach Geretsried erst 2027. Die Stadt wartet erst seit Jahrzehnten auf diese Anbindung. Die Presse schreibt, von den 48 Maßnahmen sei erst die Hälfte in Planung. Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert einen Verkehrsexperten mit den Worten: "Wenn man ehrlich ist, ist seit 1972 in der Region nicht mehr viel passiert."
Machen wir kurz den Leistungsvergleich zwischen der Landeshauptstadt München und dem Freistaat – ich habe leider nur die Zahlen für den Zeitraum von 2003 bis 2013; aber das wirft vielleicht schon ein Schlaglicht –: Während die Länge des S-Bahn-Netzes unverändert geblieben ist, ist das Streckennetz der Münchner U-Bahn um 44 % ausgebaut worden, das der Trambahn um ein Viertel, immerhin, trotz der Dauerblockade der Münchner CSU. Herr Seehofer, eine Erfolgsbilanz für die S-Bahn – "S" wie "Seehofer" und "Staatsregierung" – sieht anders aus.
Interessant ist, bei wem die verantwortlichen CSU-Politiker immer die Schuld suchen: nicht bei sich, sondern bei der Bahn. Aber ganz ehrlich: Die Bahn ist eine hundertprozentige Tochter des Staates. Verantwortlich sind die Minister, die Verkehrsminister in Berlin und in München. Beide gehören der CSU an. Ich wünsche mir, dass Sie diese Verantwortung endlich wahrnehmen, anstatt sich nur bei Spatenstichen fotografieren zu lassen. Vielleicht fangen Sie damit an, dass Sie den Bayerischen Landtag endlich informieren und mit verbindlichen Fakten und Zahlen berichten, wann was umgesetzt wird, wie es in unserem Antrag steht.
Danke schön. – Jetzt für die Fraktion der FREIEN WÄHLER: Herr Kollege Glauber. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, verehrtes Präsidium, Herr Ministerpräsident, Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal diskutieren wir über die Zukunft der Verkehrsfinanzierung, der Finanzierung des Bahnverkehrs hier in Bayern. Wir als FREIE WÄHLER haben immer gesagt: Setzen Sie nicht ausschließlich auf diese Röhre, die in den 1990er-Jahren diskutiert, 2009 im Landtag in die Planung eingebracht und 2011 mit 2 Milliarden Euro fixiert wurde. Heute liegen die Kostenschätzungen doppelt so hoch.
Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute schon einmal über Kosten und kaufmännisches Vorgehen gesprochen. Das Problem, Kolleginnen und Kollegen, liegt doch darin, dass Sie als Staatsregierung den Bund ein Stück weit aus der Pflicht genommen haben. Sie haben das Risiko übernommen, 1,55 Milliarden Euro vorzufinanzieren und das Kostenrisiko nach oben offen zu tragen. Das ist doch ein kaufmännisch völlig falsches Vorgehen. Ich habe hier am Pult oft über diese Strecke gesprochen. Sie werden dafür natürlich andere Verkehrsprojekte in Bayern beschneiden müssen – das geht gar nicht anders –, wenn die Staatsregierung nicht willens ist, den Topf für Nahverkehrsprojekte in Bayern deutlich zu erhöhen. Deshalb müssen Sie endlich in den Ausschuss kommen und dem Landtag einmal ganz klar sagen, wie Sie die nächsten zehn Jahre gestalten wollen.
Herr Verkehrsminister, was ist denn aus Ihrem Sofortprogramm geworden? – Ihr Sofortprogramm ist nichts. Seit vier Jahren reden wir darüber, aber Sie haben keine wirklichen Erfolge. Erst hört man, dass man Ostbayern an den Flughafen anbinden will; jetzt muss man in der Liste lesen, dass die Walpertskirchner Spange für 2030 vorgesehen ist. Die Strecke München – Mühldorf – Freilassing ins Chemie-Dreieck ist ein Lieblingsprojekt. Das ist nicht mein Stimmkreis, das ist nicht Oberfranken, wo ich gewählt bin. Das wird hier seit 40 Jahren diskutiert, Kolleginnen und Kollegen. Jetzt müssen die Bürgerinnen und Bürger dort erleben, dass sie nochmal auf 2030 vertröstet werden, weil zu wenig Geld in diesem System und in den Projekten ist.