Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu genießen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.
Dieser Satz aus dem Jahr 1792 stammt von Wilhelm von Humboldt. Ich finde, er bringt auch in der alten Sprache sehr gut zum Ausdruck, dass und warum Freiheit und Sicherheit keine Gegensätze sind, son dern warum Sicherheit geradezu die Voraussetzung für Freiheit ist. Ohne Sicherheit ist keine Freiheit, oder, wie wir sagen würden, Freiheit braucht Sicher heit. Das ist jedenfalls das Leitmotiv der bayerischen Sicherheitsarchitektur. Dieses Leitmotiv muss aber
immer wieder aufs Neue den Praxistest bestehen. Dies bedeutet, dass wir das rechtliche Handwerks zeug, das wir unseren Sicherheitsbehörden und in diesem Fall unserer Polizei an die Hand geben, immer aufs Neue daraufhin überprüfen, ob es den An forderungen und Herausforderungen der Zeit gerecht wird, ob also der Staat unserem Anspruch, für die Si cherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen, ge recht werden kann. Der Staat kann mit seinen Sicher heitsbehörden und Tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern niemals hundertprozentige Sicherheit gewährleisten. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Aber es ist eine Frage der politischen Schwerpunkt setzung und der politischen Zielsetzung, ob der Staat es sich selbst zum Ziel setzt, alles Menschenmögliche dafür zu tun, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bür ger zu gewährleisten.
Mit den heute zu verabschiedenden Änderungen im Polizeiaufgabengesetz sorgen wir dafür, dass unsere Polizei einige besonders wichtige präventivpolizeiliche Befugnisse erhält, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. Ja, wir stellen es immer wieder fest, und Gott sei Dank ist es so: Wir leben in Bayern sicherer als anderswo. Doch die Bedrohungen unserer Freiheit und unserer Sicherheit sind nicht geringer geworden, ganz im Gegenteil. Neue Kriminalitätsphänomene wie Cybercrime oder islamistischer Terror stellen uns vor neue Herausforderungen. Die Grundvoraussetzung, um reagieren zu können, ist natürlich eine große Zahl gut ausgebildeter und hoch motivierter Polizeibeam ter. Deshalb haben wir mit über 42.000 Beamtinnen und Beamten so viele Polizeibeamte wie noch nie und werden in den nächsten vier Jahren jeweils 500 weite re einstellen. Aber damit ist es eben nicht getan. Auch eine noch so große Anzahl an Beamten hilft nicht wei ter, wenn diese Beamten nicht die notwendigen Be fugnisse haben.
Ich möchte auf die folgenden drei zentralen Punkte eingehen, die mir bei dieser Novelle besonders wich tig sind.
Erstens. Vorsicht ist besser als Nachsicht. Die effizi enteste Abwehr von Gefahr ist es nämlich, diese gar nicht erst entstehen zu lassen. Der Rechtsstaat darf eben nicht warten – und das erwarten die Bürgerin nen und Bürger –, bis Straftaten bereits versucht oder begangen worden sind. Die Menschen können zu Recht erwarten, dass die Polizei berechtigt ist, diese Gefahren bereits im Vorfeld, wenn wir einen konkreti sierten Verdacht haben, abzuwenden und zu verhin dern. Deshalb schaffen wir die neue Gefahrenkatego rie der drohenden Gefahr. Damit kann die Polizei in bestimmten Fällen bereits im Vorfeld wirksam reagie ren und schon Vorbereitungshandlungen effektiv ab wenden. Dabei gehen wir mit Augenmaß vor und ori
entieren uns streng an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wir wollen keine Geset zesattrappen, sondern wirksame Gesetze; wir wollen aber auch keine Gesetze, die schon dem geringsten Sturm vor dem Bundesverfassungsgericht nicht standhalten. Beides muss beachtet werden, und ich glaube, das ist mit diesem Gesetz auch gelungen.
Zweitens. Wir wollen keine Schonräume für Kriminelle im Cyberspace. Das bedeutet in erster Linie: Wir wol len nicht, dass der Staat zusehen muss, wenn sich Terroristen, wenn sich andere Kriminelle moderner technischer Kommunikationsmittel bedienen. Viele Spuren, die heutzutage von Straftätern hinterlassen werden, sind nur digitale Spuren. Diese müssen wir genauso erfassen und als Ermittlungsansätze verwer ten können; wir wollen eben keine Schonräume für Kriminelle im Cyberspace. Deshalb darf man hier nicht ideologisch antworten, sondern muss sich dieser technischen Herausforderung stellen. Wir schaffen mit diesem Gesetz jetzt eine neue Rechtsgrundlage, um auch an verschlüsselte Telekommunikation im Internet heranzukommen, beispielsweise über Skype. In Si tuationen, in denen ein Richter eine übliche Überwa chung des Telefonverkehrs anordnen kann, muss es auch die Möglichkeit geben, dies zu tun, wenn die Kommunikation nicht über die normale Telefonleitung, sondern über Skype oder ähnliche Dienste getätigt wird. Deshalb passen wir die Regelungen in diesem Bereich an. Wir passen sie auch an die aktuelle Fas sung des Telekommunikationsgesetzes an, was die Verkehrsdatenerhebung betrifft.
Drittens. Für Gefährder muss gelten: Wegsperren vor Überwachen. Dafür gibt es schon seit Langem das In strument des Präventivgewahrsams. Damit die Behör den und Gerichte in diesem Bereich mehr Handlungs spielraum haben, möchten wir mit diesem Gesetz die bisherige Höchstdauer von zwei Wochen der präventi ven Ingewahrsamnahme, die ja schon lange gilt, auf heben. Wir wollen diese Höchstgrenze aufheben, damit die Ingewahrsamnahme auch über einen länge ren Zeitraum möglich ist. Die tatsächliche Dauer ord net natürlich wie immer ein Gericht an, und in Zukunft muss auch spätestens alle drei Monate überprüft wer den, ob die Maßnahme noch erforderlich ist. In ande ren Bundesländern wie SchleswigHolstein oder Bre men war das übrigens schon länger so geregelt, und es hat auch niemanden erregt. Dass diese Regelung polemisch mit Guantánamo verglichen wurde, kann ich mir nur dadurch erklären, dass man entweder von innerer Sicherheit nichts versteht oder dass einem Tä terschutz vor Opferschutz geht, was wir nicht wollen.
Wir wollen weder das eine Extrem, nämlich gar nichts tun, noch das andere Extrem, völlig übertrieben und überzogen im polizeilichen Präventivbereich agieren.
Wir wollen vielmehr vernünftige, intelligente und im Lichte der Grundrechte verhältnismäßig abgewogene Lösungen. Deshalb führen wir auch die elektronische Aufenthaltsüberwachung ein als quasi milderes Mittel, als geringeren Eingriff in die Freiheit. Das bedeutet nämlich, dass jemand eben nicht eingesperrt wird, sondern dass sein Aufenthalt überwacht wird, wäh rend er sich nach wie vor völlig frei bewegen kann. Dieses Instrument ist natürlich auch kein Allheilmittel, aber es hat sich jedenfalls im Bereich des Sexual strafrechts sehr bewährt. Auch wenn es keine hun dertprozentige Sicherheit bietet, was niemand be hauptet, so ist es doch ein Element in einem abgestuften, verhältnismäßigen System präventivpoli zeilicher Arbeit.
Insbesondere nach den Beratungen im Innenaus schuss und unserer Expertenanhörung, die wir dazu vor allem auch mit Staatsrechtlern durchgeführt haben, die uns die Verfassungsmäßigkeit dieser Mög lichkeiten bestätigt haben, bin ich davon überzeugt, dass es mit dieser Ergänzung des Polizeiaufgabenge setzes gelingt, passgenaue rechtliche Grundlagen zu schaffen, die unsere Polizei besser als bisher in die Lage versetzen, wirkungsvoll präventiv zu arbeiten. Bayern setzt auch hier neue polizeirechtliche Maßstä be, weshalb ich um Zustimmung zu unserem Gesetz entwurf bitte. Wir wollen wirksam für die Sicherheit der Menschen in Bayern sorgen.
Danke schön, Herr Dr. Herrmann. – Für die SPDFraktion spricht jetzt Prof. Dr. Peter Paul Gantzer. Bitte schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Als Vorbemerkung möchte ich aufgreifen, was Herr Kollege Herrmann zum Schluss gesagt hat, nämlich dass wir eine Anhörung durchgeführt haben. Ich habe schon viele Anhörun gen erlebt; auch diese hat sich dadurch ausgezeich net, dass eigentlich alle Sachverständigen die gleiche Meinung vertreten haben wie die Partei, die sie be nannt hat. Man muss also mal hinterfragen, inwieweit Anhörungen wirklich sinnvoll sind; denn wir haben im Innenausschuss ausführlich darüber diskutiert, und von den Sachverständigen sind keine neuen Erkennt nisse gekommen. Die einzige Neuigkeit war, dass der Datenschutzbeauftragte Petri aus Sicht des Daten schutzes keine Einwendungen erhoben hat.
Lieber Kollege Herrmann, Sie haben wieder Aussa gen zitiert zu Freiheit und Sicherheit. Man sagt, das seien zwei Seiten derselben Medaille. Ich würde lie ber sagen: Das ist eine Waage; eigentlich sollte jede Maßnahme mit den Gewichten Freiheit und Sicherheit
abgewogen werden. Wir sollten dann erreichen, dass diese Gewichte ausgeglichen sind. Das heißt: Es darf auf jeden Fall nicht so sein, dass ein vermeintliches Mehr an Sicherheit zulasten der Freiheit geht. Das möchte ich damit ausdrücken.
Gerade die Unionsparteien haben bekanntlich die schöne Eigenschaft: Wenn es um Sicherheit geht, rei ten sie immer auf der Rasierklinge. Man weiß nie genau, nach welcher Seite so ein Verfahren ausgeht. Ich erinnere jetzt, um das zu beleuchten, an zahlrei che Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, an zahlreiche Entscheidungen des Europäischen Ge richtshofes, die immer wieder gerade unionsgeführten Gesetzen eine Absage erteilt haben. Dann musste nachgebessert werden.
Damit will ich aufzeigen, dass wir bei diesem neuen Gesetz, bei diesen Änderungen natürlich – und damit werde ich konkret – schon Bauchschmerzen gehabt haben, gerade unter dem Gesichtspunkt, den ich ge rade aufgeführt habe, dass nämlich Freiheit und Si cherheit ausgeglichen sein müssen. Ich will jetzt nicht die Einzelheiten aufführen, weil wir ausführlich darü ber gesprochen haben. Alle diese Dinge, die einge führt werden, sind im präventiven Bereich, wo wir ei gentlich noch viel sensibler sein sollten. Sie führen mit der drohenden Gefahr einen neuen Begriff ein. Darü ber, was darunter zu verstehen ist, wird sicherlich erst die Rechtsprechung entscheiden.
Dann sehen Sie Aufenthaltsgebote, Kontaktverbote, die EAÜ – die elektronische Aufenthaltsüberwachung, darunter fällt vor allem die Fußfessel –, die Quellen TKÜ, die Ingewahrsamnahme, eine Freiheitsentzie hung im präventiven Bereich, vor. Bei all diesen Din gen sage ich: Wir haben zu Recht Bedenken gehabt, ob wir zustimmen können oder nicht. Aber wir haben uns dazu entschieden: Lassen wir es erst einmal so laufen. Zum Glück haben wir unsere Obergerichte. Wir werden uns der Stimme enthalten, aber wir kündi gen auch schon an, dass wir uns unter den Gesichts punkten, die wir vor allem im Innenausschuss aus führlich aufgeführt haben, vorbehalten, in der nächsten Legislaturperiode eine Evaluation dieser Gesetzesänderungen zu verlangen, um zu sehen: Hat das wirklich Sinn gemacht? Zum Beispiel gibt es bei der Fußfessel praktische Erwägungen gerade seitens der Polizei, ob dieses Instrument nun wirklich wirksam ist oder nicht; Ähnliches gilt für die Ingewahrsamnah me im präventiven Bereich. All diese Dinge müssen aus der Praxis heraus noch einmal beleuchtet wer den.
Ich fasse zusammen: Wir werden uns bei dem Ge setzentwurf enthalten, aber wir werden in der nächs ten Legislaturperiode darauf zurückkommen.
Danke sehr, Kol lege Prof. Dr. Gantzer. – Die nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Gottstein für die Fraktion FREIE WÄH LER. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns, denke ich, alle einig, dass die polizeilichen Be fugnisse unverzüglich den aktuellen Bedrohungslagen angepasst werden müssen. Es ist eindeutig, es ist klar: Die Polizei muss handlungsfähig bleiben, um effi zient an der Verhinderung von Straftaten und insbe sondere von terroristischen Gewalttaten arbeiten zu können. Dazu ist es erforderlich, die Gesetzeslage zu überarbeiten und die Polizei für ihre Ermittlungsarbeit mit den entsprechenden Befugnissen auszustatten. Das fordern auch wir FREIE WÄHLER immer wieder in Anträgen, und wir stimmen auch sehr vielem zu, was in dieser Richtung von der Regierungsseite kommt.
Gerade die nationale wie internationale Gefährdung durch verschiedene Formen des Terrorismus und Ext remismus machen es aber auch notwendig, gefährli che Personen im Einzelfall länger zu überwachen, und darum geht es in diesem Gesetz. Der Kollege Gantzer hat darauf hingewiesen, dass dazu eine Ex pertenanhörung stattgefunden hat.
Obwohl es in dieser Expertenanhörung eindeutige Meinungen gab, ist die Regierungspartei nicht bereit, bestimmte Dinge in diesem Gesetzentwurf zu ändern. Wir verstehen das nicht. Die Hauptkritikpunkte in die ser Anhörung – man kann doch über solche Äußerun gen von diesen Experten nicht einfach hinweggehen – betreffen Anwendungsprobleme in der Praxis beim Begriff der drohenden Gefahr. Sie haben versucht, das nachzubessern, und wir werden diesem Ände rungsantrag zustimmen, haben auch in den Aus schüssen zugestimmt. Das Problem ist aber noch nicht gelöst. Alle Experten sagen, dass die "drohende Gefahr" ein Kaugummibegriff ist, mit dem die Betroffe nen – und diese Experten waren die Betroffenen – nicht zurechtkommen.
Ein weiterer Kritikpunkt war, dass die Fußfessel in die sem Fall nicht effizient und nicht sinnvoll bei Gefähr dern ist; denn wir reden nicht von Sexualstraftätern,
Das Gesetz – das ist unser Hauptkritikpunkt; deswe gen auch unsere Enthaltung in den Ausschüssen und jetzt in der Endabstimmung hier – richtet sich nicht nur gegen terroristische Gefährder, wie Sie in der Be gründung vorgeben und wie es auch vom Bundesver fassungsgericht gefordert wird, sondern letztendlich gegen jeden Bürger, und dann neigt sich die Waage – um bei dem Bild der Waage von Herrn Kollegen Gantzer zu bleiben – auf eine Seite. Dabei machen wir nicht mit.
Wir haben deshalb einen Änderungsantrag einge bracht, den Sie in den Ausschüssen leider abgelehnt haben. Mit diesem Änderungsantrag wollten wir ei gentlich den Boden dafür bereiten, Ihrem Gesetz zu stimmen zu können. Wir wollten den polizeirechtlichen Begriff der drohenden Gefahr einengen, damit er nur zur Verhütung von nationalen und internationalen ter roristischen und extremistischen Straftaten Anwen dung findet. Wir wollten speziell diese Begründung mit hineinbringen. Das wurde von Ihnen abgelehnt; das ist schade. Wir kritisieren deshalb nach wie vor, dass sich der Gesetzentwurf der Staatsregierung nicht auf potenzielle terroristische und extremistische Täter be schränkt, sondern auch gegen jeden gewöhnlichen Alltagsstörer angewendet werden kann, im Prinzip gegen jeden von uns. Das ist der Sache nicht dien lich.
Ich bitte, mir zu sagen, wenn ich die Redezeit nicht einhalte. Man sieht hier nicht, wie schnell oder lang sam man spricht.
– Danke. Ich kann dann noch in einer Minute unsere Forderungen darle gen, die wir nach wie vor in diesem Zusammenhang stellen.
Wir wollen notwendige und spezielle Gesetzesver schärfungen, die aber nicht den normalen Bürger tref fen. Wir wollen Qualität statt Quantität. – Man muss bei Ihnen momentan schon ein wenig darauf achten, ob das so passt. Wir haben eine Fülle von Gesetzes änderungen, bei denen wir manchmal denken: Lieber weniger, aber die dafür gescheit. Wir setzen nach wie vor auf eine starke Polizeiarbeit vor Ort. Diese wird nicht ersetzt durch die Fußfessel, wird nicht durch
alles ersetzt, was Sie in diesem Gesetzentwurf vor schlagen. Wir brauchen weiterhin die Ermittlungsar beit, die Zeit und Personal erfordert.
Letztendlich weisen wir darauf hin, dass wir nach wie vor gesellschaftliche Probleme haben – in unserem Land sicher nicht die allergrößten, aber auch keine, über die man hinwegsehen kann. Das beginnt mit Mobbing in der Schule und geht weiter beim Werte verfall. Daran müssen wir arbeiten; denn das darf nicht vergessen werden. Dieses Gesetz hilft dabei nicht.
Danke schön, Frau Kollegin Gottstein. – Dann darf ich bekannt geben, dass die CSUFraktion für die Schlussabstim mung zu diesem Gesetz namentliche Abstimmung be antragt hat. – Jetzt spricht Frau Kollegin Schulze für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CSU peitscht immer kurz vor der Sommerpause noch ein verfassungs rechtlich höchst fragwürdiges Gesetz durch den Land tag. Heute ist es das Gesetz zur effektiveren Überwa chung gefährlicher Personen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, wir möchten, dass die Menschen in un serem Land frei und sicher leben können. Ja, natür lich müssen wir gegen Terroristen zielgerichtet und konsequent vorgehen. Natürlich müssen Gefährder engmaschig überwacht werden; dafür müssen wir die Polizei gut ausstatten, damit sie ihren Job erledigen kann. Wir müssen auch die europäische Sicherheits politik forcieren, und wir müssen unsere Gesetze kon sequent anwenden. Wir GRÜNE wollen aber keine neuen, unscharfen Gesetze, die zulasten der Rechts sicherheit und der Bürgerrechte gehen.
Genau dieses Gesetz, das wir heute diskutieren, ist nicht nur aus verfassungsrechtlichen, sondern auch aus polizeipraktischen Gründen abzulehnen. Zum einen wird hier ein neuer Begriff definiert, der Begriff der drohenden Gefahr. Dieser ist viel zu unscharf. Es ist total unklar, wie die drohende Gefahr rechtsstaat lich sauber angewendet werden kann und soll. Kein Richter und keine Richterin weiß, wie das auszulegen ist. Außerdem werden polizeiliche Befugnisse in das sogenannte Gefahrenvorfeld ausgedehnt. Es findet also eine "Vernachrichtendienstlichung" der Polizei statt. Das sind nicht nur meine Worte, sondern auch Expertinnen und Experten haben diese Punkte in der Anhörung bemängelt.
Kommen wir zu einem weiteren Punkt, der Präventiv haft. Man muss dankbar sein, dass die Verbands und die Expertenanhörung der CSU die zeitlich unbe grenzte Ingewahrsamnahme ausgeredet haben. Ein kleiner Einschub: Das spricht, ehrlich gesagt, nicht dafür, dass die CSU Bürgerrechte als wichtig erachtet. Aber auch in der jetzigen Variante, also in der zweiten Variante, können Menschen bis zu drei Monaten mit der Möglichkeit auf Verlängerung präventiv in Haft ge nommen werden. Bisher geht das nur – Herr Kollege Herrmann hat das gesagt –, wenn von einer Person eine konkrete Gefahr ausgeht. So ist das auch richtig; denn wir möchten keine Schutzhaft in Bayern haben.
Abgesehen davon strotzt dieser Gesetzentwurf vor Diskrepanzen. Offiziell – so war es auch bei der Ein bringung – heißt es, mit dem Gesetz solle der Terro rismus bekämpft werden. Wenn man sich den Text aber genau durchliest, kann man sich nur der Aussa ge des Datenschutzbeauftragten Prof. Dr. Petri an schließen, der in seiner Stellungnahme passend for muliert hat: Die Gefahr besteht, dass das geplante Gesetz in erster Linie in die Freiheitsrechte der Nor malbürger eingreift. Die Einschreitschwelle bei polizei lichen Standardmaßnahmen wie etwa der Identitäts feststellung oder der Durchsuchung einer Person wird herabgesenkt.
Das ist jetzt aber nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht alles höchst problematisch, sondern ich möchte auch ein polizeitaktisches Gegenargument bringen. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum Sie die elek tronische Fußfessel immer so feiern, als wäre sie das Allheilmittel, um den Terrorismus in irgendeiner Form zu bekämpfen. Die elektronische Fußfessel ist ein Si cherheitsplacebo. Das sagen nicht nur Expertinnen und Experten, sondern das sagt auch das Innenminis terium auf meine Anfrage hin. Ich zitiere: "Keine be sondere Wirkung kann die elektronische Fußfessel dagegen insbesondere bei Selbstmordattentaten ent falten."