Protocol of the Session on May 18, 2017

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier die Argumente diskutiert; deswegen will ich nicht auf die einzelnen Themen und Defizite eingehen. Vielleicht am Anfang nochmals eine Klarstellung, weil es offensichtlich ein Herzenswunsch der CSU ist, die Frage zu klären, ob die Opposition den Sozialbericht schlechtredet. Ich sage hier ganz deutlich: Kein Mensch redet hier irgendetwas schlecht. Selbstverständlich und ohne Zweifel konnten in Bayern in den letzten Jahren auf sozialem Gebiet Verbesserungen erreicht werden. Da geht es nicht um das Schlechtreden. Das ist so, und das erkennen wir an.

Aber es ist das Parlament, der Ort der politischen Diskussion, der richtige Platz, um die negativen Erkenntnisse oder Schattenseiten einer insgesamt nicht schlechten Lage zu benennen. Das ist der Ort, an dem das zu diskutieren ist. Der Unterschied zwischen der Opposition und der Regierungsmehrheit ist, dass wir uns auf die Seite derer stellen, die sich eben nicht auf der Sonnenseite des Lebens befinden. Das überlassen wir gerne der CSU. Alle Reden, die Sie heute gehalten haben, haben sich ausschließlich auf den bessergestellten Teil der Bevölkerung bezogen.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Wir haben eine andere Aufgabe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben heute in allen Ihren Wortbeiträgen deutlich gemacht, dass die Menschen, denen es nicht so gut geht, von Ihnen nichts, aber auch gar nichts zu erwarten haben.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Frau Staatsministerin, für die Staatsregierung wäre es gut, wenn sie den Menschen, die im Leben täglich kämpfen müssen, Zuversicht geben würde. Sie könnten Existenzängste nehmen und den Menschen Hoffnung geben, dass es auch für den anderen Teil der Bevölkerung besser wird. Das wäre gut. Heute haben Sie jedoch eine ganz andere Botschaft ausgesendet, nämlich: Lieber Hartz-IV-Empfänger, liebe alleinerziehende Mütter und Väter, liebe ältere Menschen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können, liebe junge Menschen ohne Perspektive, beschwert euch nicht, sondern schaut in andere Bundesländer, wo es noch schlechter ist. – Das ist eine eiskalte so

zialpolitische Botschaft, die deutlich zeigt, dass die CSU eben keine Partei der sozialen Gerechtigkeit ist. Stattdessen ist sie eine Partei, die ein Drittel der Menschen in Bayern einfach alleinlässt. Das ist ihr programmatischer Ansatz.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben heute in Ihren Wortbeiträgen sehr viele Vergleiche zu anderen Bundesländern gezogen. Das kennen wir in diesem Hause schon. Das ist mittlerweile Ihr einziges programmatisches Vorgehen. Sie streben nicht mehr die Lösung von Problemen an, sondern stellen Ihre ganze Kraft, Ihre Ressourcen und Wortbeiträge darauf ab, Bundesländer zu suchen, in denen es ein bisschen schlechter ist als hier. Darauf konzentrieren Sie Ihre gesamte Kraft. Das ist jedoch keine Problemlösung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mir wünschen, dass Sie sich weniger mit anderen Bundesländern vergleichen und dort mit der Lupe suchen, um sich noch besser darstellen zu können. Stattdessen sollten Sie Antworten auf die in diesem Sozialbericht benannten Probleme geben.

Liebe Frau Ministerin, ich spreche Ihnen den guten Willen, eine Verbesserung herbeizuführen, gar nicht ab – überhaupt nicht. Sie sollten aber auch danach reden und nicht einen Auftrag aus der PR-Abteilung der CSU-Regierung erfüllen; denn nichts anderes war Ihre Rede heute. Sie haben eine Werbestrategie aufgelegt, ohne Antworten auf die Probleme, die der Sozialbericht deutlich aufzeigt, zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Sie geben keine Antworten auf die Schwierigkeiten, die wir trotz der in der Tat guten Lage haben. Es ist keine Antwort, den Menschen, die sich die Miete nicht mehr leisten können, den armutsgefährdeten Kindern und den Familien, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht mehr auf die Reihe kriegen, zu sagen: Freunde, wir haben in Bayern einen super Durchschnittswert. Beschwert euch nicht. Was wollt ihr eigentlich? – Das ist keine Politik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nichts anderes als der Versuch, ein positives Stimmungsbild zu zeigen. Wenn es Ihr parlamentarischer Auftrag ist, dem Mitarbeiterstab einer PR-Strategie der CSU anzugehören, erfüllen Sie Ihren Wählerauftrag nicht.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die Hilfe brauchen. Sie haben in der Aussprache zu diesem Sozialbericht null Komma null Antworten gegeben. Sie haben Ihre ganze Kraft darauf konzentriert, ein wunderschönes Bild der sozialen Lage Bayerns aufzuzeigen. Wir sagen selber, dass sie nicht schlecht

ist. Das hilft den Menschen jedoch nicht. Von Lobhudelei können die armen Kinder nicht abbeißen, wenn sie in die Schule gehen.

(Beifall bei der SPD)

Von Schönfärberei können die Rentnerinnen und Rentner ihre Miete nicht bezahlen. Die Vermieter akzeptieren keine Schönfärberei. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vermieter wollen Geld sehen. Wenn Sie den Menschen, die von Hartz IV leben müssen, ständig erklären, dass sie doch eigentlich zufrieden sein können, weil sie in einem wunderschönen Land leben, hilft es ihnen nicht weiter. Das sollten Sie in Ihre programmatische Debatte aufnehmen.

Gestatten Sie mir vielleicht noch zwei Sätze. Das sage ich ganz bewusst: Weil Sie dieses Problem nicht in den Blick nehmen wollen, um die schöne CSU-Kulisse nicht zu zerstören, sind Sie ein soziales Sicherheitsrisiko, Kolleginnen und Kollegen. Die heutige Debatte hat gezeigt, dass wir mit Ihnen die Probleme nicht lösen können. Ich sage das deswegen, weil ich die Debatten im Sozialausschuss verfolgen kann. Trotz der schönen Worte, die Sie heute zum Besten gegeben haben, geben Sie im Sozialausschuss keine Antworten auf die bestehenden Probleme. Das verfolgen die Menschen nur am Rande. Sie haben in den letzten zehn Jahren jeden, aber auch jeden Antrag, der zu einer Verbesserung der Situation führen würde, selbst wenn er noch so einfach und klein war, abgelehnt. Das ist Ihre Botschaft an die Menschen, denen es nicht so gut geht. Sie haben keine programmatischen Antworten, und Sie wollen auch keine geben. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind nicht die Partei der sozialen Gerechtigkeit, obwohl Sie das die Menschen immer wieder glauben machen wollen.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Pfaffmann. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wäre auch gar keine Redezeit mehr übrig. Die Aussprache ist geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat nun Frau Staatsministerin Müller das Wort. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern ist ein starkes Land.

(Lachen des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaff- mann (SPD))

Das sage nicht nur ich, sondern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das sagt auch Ihre designierte Parteivorsitzende. Sie fordert Sie auf, das Land nicht schlechtzureden.

(Beifall bei der CSU – Christine Kamm (GRÜNE): Zu welchem Thema sprechen Sie jetzt?)

Herr Pfaffmann, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das in Ihrem Beitrag betont haben; die Pressearbeit der SPD sieht jedoch anders aus. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich frage mich schon, warum Sie die Untersuchungsergebnisse von fünf wissenschaftlichen Instituten infrage stellen, die die Grundlage für den Vierten Sozialbericht darstellen. Die bestehenden Herausforderungen habe ich vorhin benannt. Dennoch ist die soziale Lage in Bayern so gut wie nie. Ich möchte auch nicht, dass unsere Situation schlechtgeredet wird.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie sollte aber auch nicht schöngeredet werden!)

Noch nie hatten wir in Bayern einen solch boomenden Arbeitsmarkt; das muss man auch sagen. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten, wir haben ein Allzeithoch von Beschäftigten, wir haben die Jugendarbeitslosigkeit besiegt. Für andere Länder wäre eine solche Lage etwas Wunderbares; sie würden sich freuen, wenn sie in einer solchen Lage wären. Die abgewählten rot-grünen Kolleginnen und Kollegen aus den Landtagen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wären um eine solche Lage, wie wir sie in Bayern haben, sicher froh.

(Beifall bei der CSU – Georg Rosenthal (SPD): Ich will, dass das aufhört!)

Liebe Frau Schmidt, die Ausgleichsabgabe fließt den Menschen mit Behinderung wieder zu, gar keine Frage. Unsere Aufgabe ist es, alle Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, wenn sie das körperlich schaffen und wenn sie auch die nötige Unterstützung haben. Wir brauchen aber auch die Werkstätten. Die Werkstätten sind dazu da, all diejenigen Menschen tagtäglich zu beschäftigen, die einen Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt überhaupt nicht ausfüllen können. Dafür gibt es auch diese Abgabe; wir nutzen sie. Ich habe nicht damit angegeben oder mich darüber gefreut, dass die Abgabe gestiegen ist, wie Sie gesagt haben, sondern für mich ist sie ein Instrument, um Behindertenpolitik gut machen zu können. Es wäre anders auch nicht möglich.

Eines war mir schon seit Langem klar: Die Opposition würde die sogenannte Armutsgefährdungsquote instrumentalisieren – ich habe das in meiner Rede auch gesagt – und wieder Schreckensszenarien zeichnen. Wer so etwas macht, spielt mit den Ängsten der Menschen. Wer das tut, zündelt mit dem sozialen Frieden in unserem Land.

(Beifall bei der CSU – Christine Kamm (GRÜNE): Und Sie ignorieren das alles!)

Ich lasse mir auch keine Schönrederei vorwerfen. Das habe ich überhaupt nicht nötig; das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. Ich richte mich nach den Fakten. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sagt übrigens über Bayern und Baden-Württemberg: "… Bayern und Baden-Württemberg heben sich mit Armutsquoten von 11,6 und 11,8 % ganz deutlich und positiv von den anderen Ländern ab." – Ich habe es Ihnen erklärt und bleibe dabei: Die Armutsgefährdungsquote sagt nur wenig darüber aus, wer wirklich arm ist.

Sie sagen, wir würden die Menschen in Armut vernachlässigen, und nennen dabei Kinder, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Ältere. Genau diese Gruppen habe ich auch benannt. Sie brauchen wirklich unsere Hilfe und unsere Unterstützung; für sie unternehmen wir gezielt viele Maßnahmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Sie es aus der Opposition heraus immer wieder bestreiten: Bayern ist Familienland Nummer eins. Wir haben die Kinderbetreuung in den letzten Jahren verstärkt ausgebaut, wir haben einen Familienpakt mit der bayerischen Wirtschaft geschlossen. Wir wollen, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser funktioniert. Wir haben auch Möglichkeiten geschaffen für die Randzeitenbetreuung: Die Kitas können Konzepte auflegen und beispielsweise Tagesmütter einsetzen; denn man will doch bedarfsgerecht öffnen. Nicht jeder Kindergarten muss von 6.00 bis 18.00 Uhr am Abend geöffnet haben. Das ist auch nicht die Zielsetzung.

(Christine Kamm (GRÜNE): Aber man könnte das fördern!)

Wir fördern diese Randzeitenbetreuung und nehmen auch die Tagesmütter dazu. Frau Kamm, das wissen Sie so gut wie ich. Diese Möglichkeit besteht.

Auch wenn Frau Schulze jetzt nicht da ist, möchte ich darauf hinweisen, dass man sich auch in der Fraktion der GRÜNEN die Wortwahl überlegen sollte. "Herdprämie" zu sagen, finde ich unfassbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Denn was denken dabei Frauen, die sich entschieden haben, zu Hause beim Kind zu bleiben und das Betreuungsgeld zu nehmen, wenn sie dann von den GRÜNEN beschimpft werden, dass sie eine "Herdprämie" bekommen und ganz einfach abgehängt sind? – Ich muss schon sagen: Eine solche Semantik passt mir als Sozialministerin überhaupt nicht.

(Beifall bei der CSU)

In Bayern sind im Verhältnis zu anderen Bundesländern und zum Bund insgesamt sehr viele Frauen mit minderjährigen Kindern berufstätig, nämlich 73,4 %. An dieser Zahl sieht man auch, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu managen ist.

Auf die Frage: Was soll denn die Aussage "Bayern soll Bayern bleiben" in einer weltoffenen Gesellschaft? sage ich Ihnen: Wir legen Wert darauf, dass Bayern Bayern bleibt; denn Bayern war schon immer weltoffen. Wir leben nach dem Motto "‚Leben und leben lassen", wir wahren unsere Tradition und unser Brauchtum, und wir achten auch darauf, dass bei uns in Bayern Tradition und Fortschritt nach wie vor im Mittelpunkt stehen.

Ich komme zur Integration. Ich möchte, dass wir die Menschen integrieren, die bei uns eine Bleibeperspektive haben, gar keine Frage. Momentan leben 33.000 Menschen mit einer Bleibeperspektive in den Unterkünften. Ich gehe davon aus, dass es mit Familiennachzug 70.000 bis Ende des Jahres werden. In erster Linie müssen wir uns darum kümmern, dass sie einen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz bekommen, nicht um die Ausnahmen, die eigentlich abgelehnt sind und abgeschoben gehören. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen; denn das wird uns vor eine große Zerreißprobe stellen.

(Beifall bei der CSU)

Bei der Integration darf sich bei allem Entgegenkommen nicht die Frage stellen, wer sich nach wem richten muss. Ich glaube: Wer bei uns bleiben will, muss sich an den Kriterien orientieren, nach denen wir hier zusammenleben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf all den Erfolgen, die wir erzielt haben, ruhen wir uns nicht aus. Wir müssen hart daran arbeiten, dass Bayern auch in Zukunft erfolgreich ist. Nur so können die Menschen in Bayern auch weiter von der hervorragenden sozialen Lage profitieren. Darüber, wie wir das machen, bin ich zur Diskussion bereit. Genau deswegen – der Kollege Huber hat es vorhin angesprochen – habe ich den Beirat eingeladen, der bereits die Erstellung des Berichts begleitet hat. Wir werden am kommenden Montag die erste Sitzung haben. Sie wird der Auftakt zu

einem breiten Diskurs darüber sein, wie wir die gute soziale Lage in Bayern erhalten und verbessern können. Wir kümmern uns um die Menschen, die in schwierigen Lebenssituationen sind. Herr Pfaffmann, Sie haben es vorhin angesprochen: Wir nehmen den Auftrag des Vierten Sozialberichts ernst. Wir wollen unser Augenmerk auf schwierige Situationen bei der älteren Generation, bei Langzeitarbeitslosen, bei Alleinerziehenden und bei all den Menschen, die jetzt Probleme haben, richten. Dafür brauche ich die Unterstützung aller, und um die bitte ich auch alle. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt. Wir werden jetzt noch über die Liste abstimmen und die beiden Ersten Lesungen durchführen. Das müssten wir eigentlich bis 13.00 Uhr schaffen. Dann gehen wir in die Mittagspause.