Auch das Thema Naloxon wurde heute schon angesprochen. Das ist ein probates Mittel zur Rettung überdosierter Drogenabhängiger. Unser Antrag vom 10. November 2016 betreffend "Zahl der Drogentoten senken: Rezeptfreie Naloxonabgabe in Apotheken", Drucksache 17/14224, wurde im Ausschuss abgelehnt. Naloxon kann in Form eines Nasensprays einfach angewendet werden, kann keine wesentlichen weiteren Schäden verursachen und kann innerhalb der Szene oder im familiären Umfeld Leben retten. Dies wurde in der Anhörung vom 25. Oktober 2016 verdeutlicht. Die CSU-Fraktion sollte einmal auf die zahlreichen Expertinnen und Experten hören.
Damit komme ich zu einer ganz neuen Information, die dem Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion zu entnehmen ist. Modellversuche werden gestartet, aber nur an zwei Orten, nämlich in München und in Nürnberg. Solche Modellversuche müssten noch in anderen Städten durchgeführt werden, zumindest in Augsburg und in Würzburg.
Immerhin ist bei der CSU-Fraktion die Einsicht gestiegen, dass Naloxon ein Mittel sein könnte, um Drogentote zu verhindern.
Nun zur Behandlung drogenabhängiger Strafgefangener. Der unrühmliche Höhepunkt ist hier die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach bei der Substitutionsbehandlung eines Strafgefangenen in Kaisheim in Bayern gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen wurde. Das war ein Tiefschlag für die bayerische Drogensubstitution, für den Umgang des bayerischen Staates mit Drogenabhängigen, die sich in seinem Verantwortungsbereich befinden. Heute wurde schon gesagt: Die Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden – sie sind noch nicht umgesetzt –, reichen nicht aus. Wir haben im Maßregelvollzug ein ähnliches Problem, wenn es dort auch nicht ganz so schlimm ist. Es ist dringend erforderlich, dass die dortige Situation verbessert wird.
Die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen hätten dazu beitragen können, Todesfälle in der Drogenszene zu verhindern. Leider haben unsere Vorschläge viel zu wenig Zustimmung erfahren.
Die restriktive Drogenpolitik der Bayerischen Staatsregierung macht sie blind für die wirklichen Probleme der betroffenen Menschen. Die Staatsregierung vernachlässigt ihre Fürsorgepflicht für die Drogenabhängigen in Bayern. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Meine Damen und Herren, nicht dass Sie mich falsch verstehen: Ich verteidige nicht den Konsum illegaler Drogen. Wir dürfen aber unsere Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen. Zur Prävention müssen intensivste Maßnahmen ergriffen werden. Gerade junge Menschen neigen zum Gebrauch der sogenannten Legal Highs. Im Gesundheitsausschuss des Bayerischen Landtags wird regelmäßig über Maßnahmen beraten. Gott sei Dank konnte bei diesem Thema eine gewisse Einigkeit erzielt werden. Mehrere Anträge wurden gemeinsam verabschiedet. Allerdings muss schneller und zielgerichteter gehandelt werden. Neben der Prävention sind auch verstärkte polizeiliche Maßnahmen und auch die Strafverfolgung notwendig.
Die Beschaffung der Legal Highs läuft häufig, wie der Name schon sagt, über legale Kanäle, die nicht ohne Weiteres zu kontrollieren und zu stopfen sind. Deswegen fordern wir schon lange mehr Aufklärungskampagnen und eine Stärkung der Sozialarbeit an den Schulen und den Kitas. Bereits Kinder müssen schon in frühen Jahren in ihrer Persönlichkeit gestärkt werden und lernen, das berühmte Nein zu sagen.
Wir brauchen in Bayern eine akzeptierende Drogenpolitik, die Drogen nicht verteufelt, sondern sachlich über deren Risiken aufklärt, eine Drogenpolitik, die einen zuverlässigen Jugendschutz etabliert, eine Drogenpolitik, die Drogenkonsumenten nicht unter Generalverdacht stellt, sondern ausreichende Maßnahmen ergreift, um Schäden durch riskanten Drogenkonsum zu reduzieren. Meine Damen und Herren, so können wir weitere Todesfälle vermeiden.
Wir werden dem Dringlichkeitsantrag der SPD zustimmen. Seit dem Jahr 2007 ist viel passiert. Man sieht, wie unangenehm der Regierungsfraktion dieses Thema ist. Seit dem Jahr 2007 ist keine Änderung der Politik erfolgt. Dem Dringlichkeitsantrag der CSU können wir nur mit Mühe zustimmen. Er enthält ganz kleine Schritte in eine Richtung, die wir schon lange beschreiten wollten. Die Situation der Substitution wird sich jetzt hoffentlich etwas bessern. Deswegen wer
Der Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER zielt mehr in Richtung Prävention und Strafverfolgung. Ich weiß nicht, ob wir damit Drogentote verhindern können. Wir sind aber heute gnädig und werden auch diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen.
Danke schön, Herr Kollege Leiner. – Die irritierende Anzeige auf dem Großbildschirm ist jetzt ganz verschwunden. Das war ein technischer Fehler. Bisher wurde noch keine namentliche Abstimmung angemeldet. – Herr Kollege Seidenath, ich darf jetzt Ihnen das Wort erteilen. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute gleich über vier Dringlichkeitsanträge, die sich mit den aktuell veröffentlichten Zahlen zum Thema Drogentote beschäftigen. Die SPD hat mit ihrem Dringlichkeitsantrag den ersten Aufschlag gemacht. Sie operiert dabei aber mit Zahlen, die bereits mehr als ein Jahr alt sind. In ihrem Antrag wurden die Zahlen aus dem Jahr 2015 genannt. Vorgestern hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung die Zahlen für das Jahr 2016 vorgelegt. Davon ist im SPD-Dringlichkeitsantrag nichts zu lesen. Leider gab es danach in Bayern eine Steigerung von 314 auf 321 Drogentote.
Eines möchte ich hier ganz klar festhalten: Jeder Drogentote ist einer zu viel. Deswegen ist es das Ziel der Drogenpolitik und der Gesundheitspolitik des Freistaats Bayern, den Drogentod zu verhindern und der Drogensucht insgesamt vorzubeugen. Je weniger Menschen süchtig werden, desto weniger können an ihrer Sucht versterben.
Vorgestern ist bekannt geworden, dass die Drogenmortalität in Deutschland im Vergleich zum letzten Jahr um rund 9 % gestiegen ist. Dabei ist die Situation in den einzelnen Ländern aber höchst unterschiedlich. Im Land Brandenburg gab es zum Beispiel einen Anstieg um 110 %. In Mecklenburg-Vorpommern stieg die Drogenmortalität um 80 % und im Saarland um 42 %. Das ist besonders interessant, weil es im Saarland einen Drogenkonsumraum gibt. In RheinlandPfalz ist die Drogenmortalität um 41,7 % gestiegen, in Hamburg um 27 %. Dort gibt es mehrere Drogenkonsumräume. In Nordrhein-Westfalen ist die Drogenmortalität um über 12 %, in Bayern dagegen lediglich um 2,2 % gestiegen. Die Zahl an Drogentoten, die wir in Bayern letztes Jahr zu beklagen hatten, liegt immer noch unter der Zahl des Jahres 2000, wenn Sie schon
solche Zahlenspiele anstellen. Diese Zahlenspiele wenden sämtliche Fraktionen an. Es kann jedoch nicht darum gehen, die Situation schön- oder schlechtzurechnen. Stattdessen müssen wir dem Einzelnen helfen. Darum geht es doch. Wir müssen den Einzelnen schützen und stützen. In der Zeitreihe zeigt sich, dass die Zahl der Drogentoten in einem Land offenbar von vielen Faktoren abhängig ist. Das kann man in keiner Weise vorhersagen.
Was passiert in Bayern? – Mit unserem nachgezogenen Dringlichkeitsantrag wollen wir den Betroffenen durch eine verbesserte Substitution helfen. Wird ein Opiatabhängiger mit Methadon substituiert, kann er ein Leben in weitgehender Normalität führen. Die Betroffenen können in ein fast geordnetes Leben zurückkehren. Deshalb ist das sehr wichtig. In Bayern gibt es jedoch viele weiße Flecken, die wir beseitigen müssen. Deswegen fordern wir mit unserem Dringlichkeitsantrag die Staatsregierung auf, die für die Sicherstellung der Versorgung GKV-versicherter Patientinnen und Patienten zuständige Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, KVB, bei der Ausweitung der bisherigen Angebote der Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger weiterhin intensiv zu unterstützen. Ziel ist es, mittelfristig in allen Teilen Bayerns ein weitgehend wohnortnahes Angebot für substituierte Patientinnen und Patienten zu schaffen.
Meine Damen und Herren, dieser Antrag ist noch nicht obsolet, wie Frau Kollegin Sonnenholzner behauptet hat. Zwar haben wir auf Initiative Bayerns die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung auf Bundesebene ändern können, das Ziel, die weißen Flecken mit ausreichend Ärzten zu besetzen, haben wir jedoch noch nicht erreicht. Das wird jetzt möglich sein, weil es für die Ärzte Rechtssicherheit gibt. Die immer beklagte Rechtsunsicherheit wird abgeschafft. Wir haben die Rahmenbedingungen geschaffen und hoffen, dass künftig mehr Ärztinnen und Ärzte die Substitution mit Methadon anbieten. Gebiete mit Versorgungsengpässen soll es künftig nicht mehr geben.
Wir wollen den Betroffenen jedoch nicht nur mit der verbesserten Methadonsubstitution helfen, sondern auch ein Modellprojekt zur Naloxonabgabe einführen. In unserem Dringlichkeitsantrag fordern wir die Staatsregierung auf, ein Modellprojekt zur Abgabe von Naloxon, einem Heroin-Antidot, an medizinisch geschulte Laien mindestens an den Standorten München und Nürnberg in Bayern einzuführen. Wir schlagen die Abgabe von nasal zu applizierendem Naloxon vor. Dieses kann man als Spray auf die Nasenschleimhäute auftragen, was zur sofortigen Aufhebung der Heroinwirkung und der Atemdepression führt. Das bedeutet, wer sich einen "goldenen Schuss" gesetzt hat, kann damit zurückgeholt werden.
Das muss jetzt wissenschaftlich evaluiert und begleitet werden. Es muss getestet werden, inwieweit dies den einzelnen Betroffenen helfen kann. Deshalb sollte die Bayerische Staatsregierung ein solches Modellprojekt einführen.
Wichtig war in diesem Zusammenhang ebenfalls die Klärung arzneimittelrechtlicher Fragen. Dies hat zu langen Verzögerungen geführt, da es kein zugelassenes Präparat gab. Das ist jetzt auf dem Markt. Wir haben einen Weg gefunden, das Präparat zu erhalten. Deshalb können wir jetzt die Staatsregierung auffordern, dieses Modellprojekt zu initiieren. Das hilft. Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Jetzt komme ich zum Antrag der SPD. Meine Damen und Herren, Papier schützt nicht vor Drogentod. Gleichwohl werden die Grundsätze der Staatsregierung für Sucht- und Drogenfragen derzeit auf Ministeriumsebene überarbeitet. Das geschieht gründlich im Rahmen einer umfassenden und zeitaufwendigen Abstimmung mit den Akteuren der Suchthilfe und der Wissenschaft. Das ist auch gut so. Deshalb lehnen wir den Antrag der SPD ab. Wir lehnen ihn auch deshalb ab, weil bereits Maßnahmen im Bereich der Substitution auf den Weg gebracht worden sind. Das gilt auch für das Naloxon-Modellprojekt. Deshalb werden wir den Antrag der SPD ablehnen.
Das gilt ebenso für den Antrag der GRÜNEN; denn wir sprechen uns ganz klar weiterhin gegen die Einführung von Drogenkonsumräumen aus.
Drogenkonsumräume waren in Frankfurt ordnungspolitisch motiviert. Wir haben uns das selber angeschaut. Niemand konnte mehr einen Fuß in die Taunusanlagen als rechtsfreien Raum setzen. Um diesen Raum wieder zugänglich zu machen, mussten in diesem Umfeld Drogenkonsumräume eingeführt werden. Wir wollen derartige rechtsfreie Räume in Bayern nicht haben. Außerdem lehnen wir Wertungswidersprüche und Paradoxien ab. Im Falle der Einführung von Drogenkonsumräumen würden wir die illegale Beschaffung von Rauschgift dulden und es den Menschen ermöglichen, unter Geleitschutz einen Drogenkonsumraum aufzusuchen. Das passt nicht zusammen.
Das hilft den Menschen nicht. Zwischen dem Vorhandensein von Drogenkonsumräumen und dem Rückgang von Drogentoten ist überhaupt kein Zusammenhang belegbar. Es gibt Orte mit Drogenkonsum
räumen, in denen die Zahl der Drogentoten steigt. Gleichzeitig gibt es Orte ohne Drogenkonsumräume, in denen die Zahl der Drogentoten sinkt. Das war auch in Bayern der Fall. Die Zahlen sind in Bayern zum Beispiel von 2004 bis 2006 sowie 2011 gesunken, obwohl wir nie einen Drogenkonsumraum – und das zu Recht – hatten. Außerdem verharmlosen Drogenkonsumräume die Gefahren des Rauschgiftkonsums. Der Staat drückt ein Auge zu. Das hat Wirkung auf die Jugendlichen, die sagen: Der Staat schaut weg; ich kann mir die Drogen verabreichen, er sieht darin keine große Gefahr. Aus diesem Grund lehnen wir Drogenkonsumräume und den Antrag der GRÜNEN ganz klar ab.
Die FREIEN WÄHLER haben Ihren Antrag so oberflächlich und lieblos formuliert, dass man nur sagen kann: Das passiert schon alles. Zudem ist über all diese Maßnahmen umfänglich berichtet worden. Ich darf daran erinnern, dass Ihrem Kollegen Dr. Fahn erst am 6. April, also vor knapp fünf Wochen, eine ausführliche Stellungnahme der Staatsregierung zu genau den Fragen, die Sie in diesem Antrag aufwerfen, zugegangen ist. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Im Interesse des Jugendschutzes und der Prävention wäre es völlig falsch, von der harten Linie in der Drogenpolitik abzuweichen. Die Maxime von null Toleranz ist in der Drogenpolitik genau die richtige. Wir müssen und werden den Besitz und den Erwerb von illegalem Rauschgift weiter strafrechtlich verfolgen, damit an die Jugendlichen das klare Signal hinausgeht: Finger weg von harten und illegalen Drogen. Das ist die richtige Linie. – Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Kollege Seidenath. – Jetzt hat für die Fraktion der FREIEN WÄHLER Herr Kollege Dr. Vetter das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ja, seit gestern gibt es neue Zahlen vom Bund. Seit acht Jahren steigen in Bayern die Zahlen der Drogentoten. Bayern nimmt in diesem Fall eine unrühmliche Spitzenposition ein. Die Zahlen sind bereits genannt worden. Vorneweg möchte ich feststellen: Inzwischen sollten wir alle in der ideologischen Auseinandersetzung so weit sein zu sagen, dass Drogenabhängige und vor allem Schwerstdrogenabhängige in erster Linie kranke Menschen und keine Straftäter sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir FREIE WÄHLER fragen uns, warum es in Bayern im Vergleich zu anderen Flächenbundesländern so viele Drogentote gibt. In Bayern wird fast ein Glaubenskrieg geführt. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die harte Drogen verteufeln, aber beispielsweise beim Alkohol beide Augen zudrücken. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die einer weitgehenden Freigabe jetzt noch illegaler Drogen zum Teil das Wort reden. Da sind wir FREIE WÄHLER eben nicht ideologisch und dogmatisch, sondern pragmatisch. Das gilt nicht nur für die Drogenpolitik, sondern allgemein für die Politik der FREIEN WÄHLER.
Wir müssen jetzt genau analysieren, wo die Ursachen für diesen Anstieg der Zahl der Drogentoten in Bayern seit immerhin acht Jahren liegen. Wenn wir feststellen, dass die Politik zum Teil zu restriktiv und repressiv ist, müssen wir sie zumindest in Teilbereichen lockern. Das müssen wir auch im Bayerischen Landtag fertigbringen.
Schauen wir uns ganz kurz international um. Die Daten und die Erfahrungen sind ganz unterschiedlich. Portugal macht seit 2001 gute Erfahrungen mit der Lockerung der Drogenpolitik. In den USA erlauben zum Beispiel 8 von 50 Staaten den Verkauf von Cannabis. Schweden ist dagegen sehr restriktiv. Die Niederlande, die sehr fortschrittlich waren, haben sich etwas zurückgezogen. Deutsche können jetzt in den Drogencafés in den Niederlanden nicht mehr ohne Weiteres Haschisch rauchen. International ist es sehr unterschiedlich.
Es geht heute aber nicht um die internationale Politik, sondern um die Drogenpolitik in Bayern. Viele Maßnahmen wären auch in Bayern möglich, Kolleginnen und Kollegen von der CSU.
Ein Mittel wären Drogenkonsumräume. Wir FREIE WÄHLER sind sicher nicht verdächtig, dass wir dem Drogenkonsum in jeder Form, wie es der eine oder andere vielleicht haben möchte, das Wort reden. Bei Drogenkonsumräumen geht es aber auch um humanitäre Gesichtspunkte und ums Überleben. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, seien Sie mir nicht böse, aber für diese Politik habe ich kein Verständnis. Es geht um Humanität. Wenn eine Kommune wie Nürnberg einen Drogenkonsumraum einrichten will, die