Protocol of the Session on April 18, 2012

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wir waren das nicht!)

Aber in diesem Fall ist es eine Zwischenbemerkung zur Rede des Vertreters der Staatsregierung, darum ist sie zugelassen. Bitte, Herr Kollege.

Nur, damit Sie nicht glauben, in dem Land, in dem Sie als Staatssekretär im Sozialministerium Mitverantwortung tragen, herrsche Chaos, darf ich Ihnen aus meiner Heimatgemeinde Kürnach berichten: 4.500 Einwohner, zwei funktionierende Kindergärten, vor einigen Monaten Beschluss im Gemeinderat zum Anbau/Neubau an den katholischen Kindergarten, die Kosten von der Gemeinde Kürnach getragen und vom Freistaat Bayern bezuschusst. In dieser Woche ist Richtfest. Neubau am

evangelischen Kindergarten, finanziert durch die Gemeinde Kürnach.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Zurufe von der SPD)

Verhältnisse im Gemeinderat: Absolute Mehrheit der CSU, Investitionsvolumen: 1,7 Millionen Euro, und ich würde doch empfehlen, bevor man hier ideologische Redeschlachten schlägt, die kommunalpolitischen Hausaufgaben zu Hause zu erfüllen.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von den GRÜNEN)

Der Herr Staatssekretär lässt diese Zwischenbemerkung so stehen. Damit gibt es keine Wortmeldung mehr - zumindest nicht offiziell -, und wir können zu den Abstimmungen kommen, die wie angekündigt in namentlicher Form erfolgen. Es sind drei namentliche Abstimmungen.

Zuerst lasse ich über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/12193 abstimmen, das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Wir haben dafür drei Minuten Zeit vorgesehen. Die Abstimmung beginnt jetzt.

(Namentliche Abstimmung von 17.25 bis 17.28 Uhr)

Ich bitte, dass Sie sich sputen. Wer noch abstimmen will, müsste sich beeilen, denn nun sind die drei Minuten um. - Die Abstimmung ist beendet. Wir räumen die Wahlurnen aus und bereiten die nächste namentliche Abstimmung vor. Wir stimmen nun ab über - Können Sie mir alle folgen?

(Zurufe aus den Fraktionen: Ja!)

Somit stimmen wir nun über den SPD-Antrag auf Drucksache 16/12198 ab. Die Abstimmung beginnt jetzt. Drei Minuten!

(Namentliche Abstimmung von 17.29 bis 17.32 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die drei Minuten sind um. Die namentliche Abstimmung ist geschlossen.

Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit. Wir kommen zur nächsten namentlichen Abstimmung, und zwar über den Dringlichkeitsantrag 16/12202. Zur Orientierung: Das ist der Antrag der FREIEN WÄHLER. Wir beginnen hierzu mit der namentlichen Abstimmung. Drei Minuten stehen zur Verfügung

(Namentliche Abstimmung von 17.32 bis 17.35 Uhr)

Ich schließe die Abstimmung.

Dann bitte ich Sie, die Plätze wieder einzunehmen; denn wir wollen in den Beratungen jetzt fortfahren. Das können wir aber nur, wenn Sie sich hinsetzen. Ich bitte, auch da hinten die Gesprächskreise aufzulösen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schön, wenn Sie im Saal sind, aber bitte setzen Sie sich hin. - Ich glaube, es kann jetzt weitergehen.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Alexander König, Petra Guttenberger u. a. und Fraktion (CSU) Koranverteilung in Bayern: Ja zur Religionsfreiheit - Nein zu islamistischer Propaganda (Drs. 16/12194)

Ich eröffne hierzu die Aussprache. Erster Redner ist Kollege König. Herr Kollege König, ich gebe Ihnen gerne das Wort und bitte um Aufmerksamkeit.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer heute einmal auf "Spiegel online" schaut, kann dort lesen: "Salafisten drohen Ägypten mit islamischer Revolution." Dem liegt zugrunde, dass der salafistische Prediger Abu Ismael von der Präsidentenwahl in Ägypten ausgeschlossen wurde und dass er im Gegenzug schon im Vorfeld für diesen Fall mit einer islamistischen Revolution in Ägypten gedroht hat. In "Spiegel online" können Sie weiter lesen, dass der betreffende Prediger schon öfter betont hat, dass man im Kampf für den Sieg des Islam auch vor Gewalt nicht zurückschrecken dürfe. Osama bin Laden wurde von ihm als ein Märtyrer bezeichnet.

Dieser radikale Salafismus ist nicht nur in Ägypten ein Thema, sondern er muss leider auch uns beschäftigen, weil davon auszugehen ist, dass es in Deutschland mehrere Tausend Anhänger des Salafismus gibt.

Die Innenministerkonferenz hat bereits im Juni 2011 einstimmig wie immer beschlossen und festgestellt, dass der Salafismus ein Nährboden des islamistischen Terrorismus ist. Die Innenministerkonferenz hat festgestellt, dass er auch in Deutschland die am schnellsten wachsende islamistische Bewegung ist. Die Innenministerkonferenz hat den Salafismus als verfassungsfeindlich festgestellt und der bundesweiten Beobachtungspflicht unterstellt. Die Innenministerkonferenz - und hoffentlich wir auch - betrachtet es weiterhin als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dem Salafismus mit allen Mitteln des Rechtsstaates entgegenzutreten.

Nun haben wir alle mitbekommen, dass in den vergangenen Wochen Salafisten nicht nur angekündigt, sondern auch damit begonnen haben, angeblich 25 Millionen Exemplare des Korans in deutscher Sprache in Deutschland zu verteilen. Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, ich brauche nicht zu betonen, dass die bloße Verteilung des Koran, in welcher Sprache auch immer, selbstverständlich auch in Deutsch, überhaupt kein Problem für uns darstellt, zumal die Religionsfreiheit, die im Grundgesetz garantiert wird, für uns ein sehr hohes Gut ist. Aber - und jetzt kommt das große Aber - diese Ausnutzung der Religionsfreiheit darf nicht für extremistische Umtriebe missbraucht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Es geht letztlich darum, zu fragen: Wer verteilt denn den Koran hier, was ist denn das Motiv, was steckt wirklich dahinter, und welche Ziele werden denn damit tatsächlich von welcher Gruppe verfolgt?

Demgemäß haben wir einen Berichtsantrag eingebracht, der Ihnen vorliegt und den ich Ihnen nicht vorlesen muss. Uns geht es darum, von der Staatsregierung im Landtag zu erfahren, welche Erkenntnisse vorliegen, insbesondere ob im Zusammenhang mit der Verteilungsaktion der benannten Salafisten Erkenntnisse vorliegen, dass hier verfassungsfeindliche Ziele verfolgt werden und wenn ja, in welcher Form. Natürlich werden wir dann darüber zu reden haben, was man tun kann, wie sich dieser Rechtsstaat mit seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung dagegen wehren kann. Wir fordern auch einen Bericht der Staatsregierung im Parlamentarischen Kontrollgremium zu der Fragestellung, welche allgemeinen Erkenntnisse diesbezüglich vorliegen.

Ich denke, ich brauche nicht auszuführen - damit hat sich mittlerweile jeder auseinandergesetzt -, was der Salafismus ist. Es ist völlig klar, dass es sich hier um einen ernst zu nehmenden Angriff auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, auf unseren Rechtsstaat handelt. Hoffentlich ist es für alle demokratischen Parteien selbstverständlich, sich mit derartigen Bewegungen auseinanderzusetzen, ihnen gegebenenfalls auch mit geeigneten Mitteln entgegenzutreten und auch jeweils immer wieder neu zu überprüfen, ob unsere Rechtsordnung, die auf der einen Seite großartige Grundrechte wie die Religionsfreiheit gewährt, auf der anderen Seite sich selbst ausreichend gegen die Bekämpfung dieser Grundordnung schützt; denn sie ermöglicht uns erst, hier im Parlament diese Fragen frei miteinander zu diskutieren.

Ich bitte Sie, unserem Berichtsantrag zuzustimmen. Ich bin davon überzeugt, wir werden eine sehr interessante Diskussion im jeweils zuständigen Landtagsgremium zu diesem Themenkreis haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege König. Nächster Redner ist Herr Kollege Harald Schneider. Bitte sehr, Herr Kollege Schneider.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Grundsätzlich ist die Verteilung des Korans durch die Salafisten durch Artikel 4 des Grundgesetzes gedeckt. Das hat Kollege König hier auch deutlich gemacht. Jeder darf friedlich für seine Religion werben. Mission ist Bestandteil der Religionsfreiheit und gilt unterschiedslos für alle bei uns vertretenen Religionen. Diese Auffassung wird sowohl von unseren Kirchen als auch von allen Parteien geteilt. Wer allerdings Religion politisch instrumentalisiert und unter dem Deckmantel der Religion zur Gewalt gegen vermeintlich Ungläubige aufruft, der muss sich Kritik und Argwohn gefallen lassen.

Kolleginnen und Kollegen, der Verdacht liegt nahe, dass die Koranverteilung - 25 Millionen Exemplare sollen verteilt werden; bisher wurden rund 300.000 verteilt - durch die radikalislamistischen Salafisten vorwiegend eine Propagandaaktion ist und letztendlich das politische und religiöse Klima in Deutschland weiter aufheizt. Wenn dann die Salafisten im Internet Journalisten der "Frankfurter Rundschau" und der "Berliner Tagespost" wegen ihrer Berichterstattung bedrohen und die Journalisten dabei namentlich erwähnen, geht dies zu weit und muss strafrechtlich geahndet werden.

Erfreulich ist, dass sich auch der Zentralrat der Muslime hierzu eindeutig geäußert hat und Kritik übt. Unsere Fraktion ist froh darüber, dass die Koranverteilungsaktion auf der Tagesordnung der morgigen deutschen Islamkonferenz steht. Diese Konferenz ist immerhin das wichtigste Forum für Gespräche zwischen dem deutschen Staat und den in Deutschland lebenden Muslimen. Hier muss das Problem auf die Agenda, es darf aber nicht nur am Rande behandelt werden, wie ich gelesen habe; vielmehr muss dies ein zentrales Thema der Islamkonferenz sein.

Aber Vorsicht: Bei allem, was geschehen ist - nicht jeder Salafist ist ein Terrorist. Allerdings hat die Gruppe der Salafisten ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt. Dies ist bekannt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus den vorgenannten Gründen stimmt die SPD-Fraktion dem Berichts

antrag zu. Für uns ist es wichtig zu wissen, welche Erkenntnisse unsere Sicherheitsbehörden über die rund 450 Salafisten in Bayern - in Deutschland sind es rund 3.800 - und über die Koranverteilung in Bayern haben. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schneider. Nächster Redner ist Herr Streibl. Bitte sehr, Herr Kollege Streibl.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Religionsfreiheit ist ein Grundrecht, ist ein Menschenrecht und hat einen sehr hohen Rang. Wir müssen froh sein, dass wir diese Religionsfreiheit in unserem Land haben, dass jeder seinen Glauben privat und öffentlich leben kann, dass er ihn zeigen kann, dass jeder nach seiner Fasson glücklich werden kann. Das ist ein sehr hohes Rechtsgut, das wir auch weiterhin schützen müssen. Es hat aber seine Grenzen immer auch an der Freiheit und dem Glauben der anderen. Wir müssen dieser Glaubensfreiheit sozusagen einen Raum geben. Es gibt in der Welt genug Verfolgung von religiösen Gruppen, es gibt Verfolgungen von Andersgläubigen; aber die Gruppe, die am meisten unter Verfolgung leidet, ist auch heute noch mit 250 Millionen die Gruppe der Christen. Von daher muss man auch schauen, wie man tolerant miteinander umgeht. Für uns ist es eine ganz große Aufgabe, und wir sagen: Wir wollen auch mit Andersgläubigen tolerant und respektvoll umgehen. Diesen Respekt muss man immer wieder einfordern.

Maßstab ist bei uns unsere Verfassung, das Grundgesetz. Es gibt den Rahmen. Innerhalb dieses Rahmens kann sich jeder bei uns bewegen. Es gibt viele Muslime, die in der zweiten und dritten Generation in Deutschland leben, sich in diesem Rahmen hervorragend bewegen und ein großartiger Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Diese werden letztlich von solchen Leuten verhöhnt, die die Religion instrumentalisieren und zum Hass gegen Andersgläubige aufrufen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Das Ziel der Salafisten ist die völlige Umgestaltung von Staat, Gesellschaft und individuellen Lebensvollzügen. Das können wir nicht dulden. Sie wollen hier bei uns ein Kalifat aufbauen, einen islamischen Staat auf der Basis der Scharia. In Köln gibt es einen Laienprediger, der sagt, Christen und Juden kämen in die Hölle, wenn sie sich nicht zum Islam bekehrten. Das sind Ansichten aus dem Mittelalter, die wir bei uns nicht gutheißen können. Dieser Herr tätigt aber nicht

nur solche Aussagen, sondern er hat auch gesagt, dass jemand, der hier in "Unzucht" lebt und verheiratet ist, gesteinigt werden soll. Meine Damen und Herren, Steinigungen gibt es hier bei uns in Bayern nicht, und wir werden alles tun, dass es sie auch in Zukunft nicht geben darf. Wenn jemand hier bei uns zu so etwas aufruft, muss er in die rechtsstaatlichen Schranken gewiesen werden. Insofern müssen wir hier in diesem Haus einen Konsens haben.

Ich bin dankbar, dass heute dieser Antrag vorliegt, dass wir über ihn sprechen und sagen: Es gibt eine Grenze, bis dahin und nicht weiter. Wir müssen schauen, dass solche Extreme nicht überhandnehmen; denn die Salafisten wenden sich ja nicht nur gegen Christen und Juden, sondern auch gegen ihre islamischen Mitgeschwister. Wer sagt, dass die anderen Religionen gleichwertig sind, ist in ihren Augen schon ein Verräter. Deshalb müssen wir in der Gesellschaft immer stärker aufklären, und wir müssen zu einem Dialog der Religionen anregen. Denn nur wenn man sich besser kennt und besser versteht, hat man weniger Angst voreinander und kann auch respektvoller miteinander umgehen.

Wir sollten diesen Dialog führen und sagen, dass Christen, Juden und Muslime Hand in Hand gegen religiöse Intoleranz und gegen Fanatismus vorgehen und eine breite gesellschaftliche Front dagegen bilden, damit unsere Grundrechte und unsere bayerische Verfassung gewahrt werden, im Geiste unserer Liberalität in Bayern - ich denke hierbei an Polling -, damit das Leben hier weiterhin so lebenswert ist und damit wir nicht aus einem vergifteten Brunnen trinken.

Letztlich wird das heilige Buch des Islam, der Koran, für üble politische Propaganda missbraucht, und dessen sollten sich diese Leute schämen. - Danke schön.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der CSU)

Die nächste Rednerin ist Frau Gote. Ihr wird Herr Kollege Professor Dr. Barfuß folgen.