Herr Kollege Mütze, wir haben im Moment aus rechtlichen Gründen keine andere Möglichkeit, als so zu handeln.
Gibt es weitere Wortmeldungen für Zwischenbemerkungen? Das sehe ich nicht; dann herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Bertermann.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bertermann, ich bedauere, dass Sie nicht im Sozialausschuss waren, sonst hätten Sie gemerkt, dass es sich um eine ernsthafte Diskussion handelt. Es ging nicht um Parteipolitik, und auch bei der jetzigen Diskussion geht es nicht um Parteipolitik. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Behindertenpolitik muss in den Köpfen stattfinden. Wenn wir ein so schlechtes Beispiel abgeben, dann kommt das Thema in den Köpfen der Menschen nicht an. Das bedauere ich sehr.
Diese Mammutaufgabe müssen wir gemeinsam lösen, und diese Gemeinsamkeit müssen wir nach außen dokumentieren. Dabei dürfen wir es nicht durch parteipolitische Auseinandersetzungen auseinanderdividieren. Wir FREIEN WÄHLER sind zu dieser Gemeinsamkeit bereit und strecken die Hand aus, um die Gemeinsamkeit nach außen zu dokumentieren. Bereitschaft zur Inklusion muss uns alle angehen, und die Bereitschaft müssen wir täglich leben. Die Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Frau Badura, hat wichtige Aufgaben zu erfüllen. Sie ist unabhängig, weisungsungebunden und ressortübergreifend ansprechbar für alle. Der Tätigkeitsbericht zeigt das und auch die Ausführungen bei dem Besuch im Sozialausschuss zeigen, dass das mit einer nebenamtlichen oder ehrenamtlichen Stelle nicht zu leisten ist. Deshalb fordern wir eine hauptamtliche Stelle, und zwar jetzt. Wir können die Lösung nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
Ich möchte aber nicht nur Frau Badura ein herzliches Dankeschön aussprechen, sondern auch dem gesamten Team, das dahintersteht. Dies gilt auch für alle Vereine, Verbände und alle Menschen, die sich um die Aufgaben der Behindertenbetreuung kümmern und für die Behindertenpolitik ein Herzensanliegen ist. Herzlichen Dank dafür.
Ich wünsche mir auch von den Mitgliedern dieses Parlaments mehr Empathie und mehr Caritas bei dieser sensiblen Thematik. Seien wir vorsichtig mit Schuldzuweisungen und parteipolitischen Auseinandersetzungen. Wir müssen diese gewaltige Aufgabe gemeinsam angehen und unser Ziel, das Ziel der FREIEN WÄHLER ist es, unseren Sozialstaat und unser soziales Bayern voranzubringen. Das ist unsere Aufgabe, und da helfen wir mit. Ich appelliere an Sie: Helfen auch Sie mit, dass wir das schaffen, und zwar nicht im Jahr 2014 oder irgendwann, sondern jetzt.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin etwas erschrocken, als Sie, liebe Frau Ackermann - auch Frau Zacharias hat das getan -, bei der Frage zum letzten Tagesordnungspunkt das Behindertengleichstellungsgesetz mit dem Integrationsgesetz verglichen haben. Sie haben sinngemäß gefragt: Wenn die Bayerische Staatsregierung sagt, wir bräuchten für Menschen mit Migrationshintergrund kein gesondertes Gesetz, warum brauchen wir das dann für Menschen mit einer Behinderung? Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Eine solche Aussage halte ich für problematisch. Wer eine Behinderung hat, kann sich noch so sehr anstrengen, es wird ihm, anders als jemandem mit Migrationshintergrund zum Beispiel durch Erlernen der Sprache oder Erwerb von Bildung, nicht gelingen, diese Behinderung irgendwann zu überwinden. Deswegen ist es eine ganz spezifische Lebenslage, die wir sehr wohl mit einer besonderen gesetzlichen Ausgestaltung aufgreifen müssen. Insofern halte ich den von Ihnen vorgenommenen Vergleich für problematisch.
Die Politik für Menschen mit Behinderung ist ein Feld, das den Herausforderungen der modernen Zeit, vor allem der Abkehr von der traditionellen Fürsorgepolitik hin zu einer Teilhabe, immer stärker Rechnung tragen muss. Wir müssen von dem alten, traditionellen Fürsorgegedanken weg in Richtung einer ganzheitlichen Ermöglichung und Teilhabe. In diesem Zusammenhang ist die vielfach in Bezug auf die Tätigkeit der Behindertenbeauftragten genannte UN-Behindertenrechtskonvention ein ganz wichtiger Punkt. Aber die Umsetzung dieser UN-Behindertenrechtskonvention betrifft sämtliche Menschen in Gesellschaft und Politik, uns alle, nicht nur die Behindertenbeauftragte.
Das heißt auch, dass die Verantwortung innerhalb der Staatsregierung - ich bin jetzt bei der Exekutive; auch das vermischt sich in faszinierender Weise, wenn man Ihre Ausführungen anhört - in der Federführung meines Ministeriums als einem Teil der Exekutive liegt, die als Querschnittsaufgabe wahrgenommen wird und in die alle anderen einzubeziehen sind. Wir haben im Mai des vergangenen Jahres den Entwurf des Aktionsplans der Staatsregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet und sind gerade dabei - er wurde mit dem Landesbehindertenrat erarbeitet, der ein sehr vielseitiges und wichtiges Gremium ist -, diesen gesellschaftspolitischen Prozess im Rahmen der Verbandsanhörung mit 140 Verbänden und Organisationen sowie der gesamten Bevölkerung unter Zuhilfenahme des Internets und der modernen Kommunikation nach vorne zu bringen. Alle in der Gesellschaft und die fachlich Betroffenen sollen Anregungen geben, um einen Diskussionsprozess zu organisieren.
Wenn dann gesagt wird, das allein sei Aufgabe der Behindertenbeauftragten, dann haben Sie nicht verstanden, worum es hier geht. Sie sind offenbar der Meinung, dass es sich um ein Papier handelt, das irgendjemand in seinem Büro verfasst hat. Wenn ich höre - leider wurde das auch von den FREIEN WÄHLERN, von Ihnen Herr Felbinger, so dargestellt -, dass dieser Aktionsplan leere Worte enthalte, dann ist das eine Beleidigung für alle Engagierten in der Behindertenpolitik, insbesondere der Vertreter des Landesbehindertenrates, die sich engagiert eingebracht haben, und auch eine Beleidigung für die Behindertenbeauftragte.
Wir machen auf allen Ebenen gerade in Bayern das, was man fortschrittliche Sozialpolitik in Bezug auf Menschen mit Behinderung nennt. Ich nenne dabei die inklusive Bildung von frühester Kindheit an. In diesem Feld sind wir in ganz Deutschland beispielgebend tätig. Ich nenne als Beispiel eine kindbezogene Förderung. Ich erwähne aber auch den von uns verfolgten Ansatz, die Eingliederungshilfe zu reformieren. Auch dabei sind wir bundesweit führend, indem wir eine Weiterentwicklung zu einer personenbezogenen Teilhabeleistung wollen, wie sie die Arbeits- und Sozialministerkonferenz beschlossen hat. In diesem Zusammenhang verfolgen wir mit einer Bundesratsinitiative für ein Bundesleistungsgesetz genau diesen neuen Ansatz. Wir wollen die Thematik voranbringen, um den Bund entsprechend finanziell zu beteiligen.
Bei all diesen Vorhaben - wegen der Kürze der Zeit habe ich nur beispielhaft einige herausgepickt - ist mir Frau Badura eine ganz wichtige Ratgeberin. Ihre Auf
gabe ist aber nicht die Umsetzung, da sie weder zur Legislative noch zur Exekutive gehört. Sie berät die Staatsregierung - nicht mehr und nicht weniger. Auch diese Punkte werden von Ihnen gerne vermischt. Diese Beratungsfunktion übt sie für die Bayerische Staatsregierung aus. Wenn der Landtag der Meinung ist, eine eigene Behindertenbeauftragte zu wollen oder zu brauchen, dann ist es durchaus möglich, dass sich der Landtag eine solche Beauftragte bestellt. Die Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung hat eine Beratungsfunktion für die Exekutive und in dieser Konstellation haben wir über das Amt im Koalitionsausschuss diskutiert und die Behindertenbeauftragte am Beginn der Legislaturperiode neu bestätigt.
Ich halte es für einen wichtigen Punkt, bei dem die Bayerische Staatsregierung um Glaubwürdigkeit bemüht sein muss, denn es gab viele Interessentinnen und Interessenten für dieses Amt. Wäre das Amt hauptamtlich zur Besetzung angestanden, hätte es eine andere Auswahl von Personen gegeben, die sich dafür beworben hätten. Deswegen halte ich es für richtig, dass sie dieses Amt, wie es anfangs vereinbart war, ehrenamtlich ausfüllt. Sie macht das hervorragend. Es geht nicht um die Anzahl der Stunden oder die Zahl der Termine, sondern es geht darum, dass Frau Badura eine glaubwürdige, kompetente Persönlichkeit ist, die wichtige Impulse setzt. Sie hat einen sehr guten Mitarbeiterstab, der sie hervorragend unterstützt. Ich sage herzlichen Dank für ihre Arbeit. Ich glaube nicht, dass Sie ihr einen Gefallen tun, wenn wir ihr Amt auf die Frage hauptamtlich oder nebenamtlich reduzieren.
Danke schön, Frau Staatsministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Ich lasse zunächst über den Tagesordnungspunkt 5 abstimmen. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf der Drucksache 16/9695 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit empfiehlt auf Drucksache 16/11436 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? Das sind die Fraktionen von CSU und FDP - Stimm
Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 6. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion auf der Drucksache 16/9911 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit empfiehlt auf Drucksache 16/11437 wieder die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind wiederum die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN. Gegenstimmen? - Das sind die Fraktionen von CSU und FDP. Stimmenthaltungen? - Sehe ich keine. Damit ist auch dieser Gesetzentwurf abgelehnt.
Nun lasse ich noch über den Tagesordnungspunkt 7, den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, auf Drucksache 16/9699 abstimmen. Der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit empfiehlt auf Drucksache 16/11434 die Ablehnung des Antrags. Für die Abstimmung über diesen Antrag ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Für die namentliche Abstimmung sind drei Minuten vorgesehen. Die Urnen sind an den bekannten Stellen aufgestellt.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Abstimmungszeit von drei Minuten ist um. Ich schließe die Abstimmung und bitte, die Stimmen außerhalb des Saales auszuzählen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird zu gegebener Zeit verkündet werden.
Ich fahre mit dem nächsten Tagesordnungspunkt fort und bitte, wieder die Plätze einzunehmen und die Unterhaltungen einzustellen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Volkmar Halbleib u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Kinderbildungsund -betreuungsgesetzes Einführung eines kostenfreien letzten Kindergartenjahres (Drs. 16/9739) - Zweite Lesung
Dazu hat die SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von sieben Minuten pro
Fraktion vereinbart. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Steiger. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das ist wahrscheinlich wieder ein Reizthema, über das wir uns im Grundsatz alle einig sind und zu dem wir immer wieder große Erklärungen hören. Seit 1992 fordert die SPD-Fraktion in zahlreichen Initiativen immer und immer wieder ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr.
In unserem Gesetzentwurf geht es erneut um die Kostenfreiheit, angefangen beim letzten Kindergartenjahr. Wir wollen erst einmal die Kostenfreiheit des letzten Kindergartenjahres vor der Einschulung. Unser Ziel ist selbstverständlich die komplette Freistellung; aber wir müssen anfangen, und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, müssen Ihren Koalitionsvertrag erfüllen, sonst ist er nur Lyrik. Zur Erreichung einer wirklichen Kostenfreiheit für die Eltern und zur Vorstellung der Staatsregierung von Kostenfreiheit und Umsetzung ihres Koalitionsvertrages komme ich später noch.
Es geht um unseren Gesetzentwurf. Die Eltern in Bayern werden zur Finanzierung im vorschulischen Bereich stärker herangezogen als in anderen Bundesländern. Man mag es nicht glauben, aber es ist tatsächlich so, dass der Freistaat bei den Ausgaben der öffentlichen Hand für kindliche Bildung und Betreuung im Bundesvergleich an vorletzter Stelle steht und damit um rund 16 % unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt liegt.
Auf der anderen Seite werden die Eltern zur Finanzierung der kindlichen Betreuung in Bayern deutlich stärker herangezogen als in anderen Bundesländern. Der Anteil der Eltern an der Finanzierung der kindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung war in Bayern der dritthöchste im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Für etwas mehr als 21 % der laufenden Betriebskosten aller Kindertagesstätten kamen im Freistaat die Eltern auf, und die Mehrheit der Eltern gehört nicht zu den Gutverdienern. Die Familien in Bayern werden also überdurchschnittlich belastet.
Gerade das letzte Kindergartenjahr trägt erheblich zur Vernetzung von Kindertagesstätten und Grundschulen im pädagogischen Sinne bei. Sicher kann man auch sagen, man könnte im ersten Kindergartenjahr beginnen. Aber das ist in unseren Augen nicht ganz logisch, denn bei der Kostenfreiheit im Kindergarten geht es uns vorrangig darum, die Eltern, die Familien und die Alleinerziehenden finanziell zu entlasten.
Zweitens hat die Kostenfreiheit auch eine generelle Bedeutung. Denn für uns ist der Kindergarten eine Bil
dungseinrichtung. Er ist deshalb eine staatliche Aufgabe. Das betrifft logischerweise auch die finanzielle Seite.
Dazu kommt aber das Trauerspiel Koalitionsvertrag. Im Koalitionsvertrag von CSU und FDP steht, dass das letzte Kindergartenjahr mittelfristig kostenfrei gestellt werden soll. Den Zeitpunkt haben Sie verschoben. Denn die Mitte der Legislaturperiode ist längst vorbei. Sie haben dann den Zeitpunkt auf bis nach den nächsten Steuerschätzungen verschoben. Dann haben wir Ankündigungen gehört. Der Herr Ministerpräsident ist jetzt leider nicht mehr da.
- Ach ja, er ist da; dann kann er es hören. - Dann kamen also Ankündigungen des Inhalts, das letzte Kindergartenjahr werde kostenfrei gestellt. Es hieß: ab September 2012. Aber Näheres muss noch verhandelt und ausgemacht werden.