Protocol of the Session on December 14, 2011

Wir haben uns daher darauf beschränkt, die Umsetzung des Grundsatzes der Trennung innerhalb der Haftanstalten zu verbessern. Wir haben das Trennungsprinzip nicht nur erhalten; wir haben es erweitert. Ausnahmen sind nur noch mit der Zustimmung

der Gefangenen möglich. Sie können auch vorübergehend angeordnet werden, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder der Ordnung der Anstalt oder das ist neu - aus dringenden Gründen der Vollzugsorganisation erforderlich ist. Ebenso erhalten und erweitert haben wir den Grundsatz der Einzelunterbringung von Untersuchungsgefangenen. Ausnahmen ohne Zustimmung der Betroffenen gibt es nur noch bei Gefahr für Leben oder Gesundheit oder bei Hilfsbedürftigkeit oder wenn und so lange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies zwingend erfordern. Auch hierin liegt eine wesentliche Einschränkung.

Es gibt aber - damit komme ich zum zentralen Punkt eine ganz entscheidende Verbesserung, die die Besuchszeit betrifft. Wir haben die Besuchszeit, die bisher eine Stunde betrug, ganz erheblich verlängert. Wir haben - das ist mehr als Symbolik - die Besuchszeit auf zwei Stunden verdoppelt.

Wenn Sie nun einwenden, zwei Stunden seien zu wenig und zwei Stunden könnten auch auf eine eingeschränkt werden, dann möchte ich entgegnen: Diese Einschränkung betrifft nur einen Teil der Gefangenen. In den ersten drei Monaten gibt es diese Einschränkung nicht. Kollege Schindler, Sie sagen, die Regel werde zur Ausnahme gemacht bzw. umgekehrt. Ich sage Ihnen: Bei mehr als der Hälfte der Untersuchungsgefangenen in Bayern beträgt die Verweildauer weniger als drei Monate. Das bitte ich Sie zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Ich bitte Sie auch zur Kenntnis zu nehmen, dass gerade in diesen ersten drei Monaten die Zahl der Suizide besonders hoch ist. Zwei Drittel der Suizide finden in diesen ersten drei Monaten statt. Das hat uns bewogen, hier anzusetzen.

Was die Jugendlichen betrifft, die angesprochen worden sind, so gilt für jugendliche Untersuchungsgefangene eben nicht die Regelung von zwei Stunden Besuchszeit; vielmehr beträgt die Besuchszeit vier Stunden. Frau Kollegin Stahl, zu Recht haben Sie darauf hingewiesen, dass dies ein besonders sensibler Bereich ist, zu Recht haben Sie angesprochen, dass gerade Jugendliche Unterstützung von Erziehungsberechtigten brauchen. Aber ich bitte Sie: Schauen Sie in das Gesetz hinein. Die Besuche von Erziehungsberechtigten werden nicht auf diese Zeit angerechnet. Die kommen hinzu.

Ich meine also, wir haben nicht zuletzt bei den Besuchszeiten viel erreicht. Natürlich kann man immer mehr fordern und sagen: Wir hätten gerne acht Stunden, sechzehn Stunden, zweiunddreißig Stunden. Nach oben ist das unbegrenzt. Ich meine aber, dass

eine Verdoppelung der Besuchszeiten ein ganz erheblicher Schritt in die richtige Richtung ist, dass sie ein Meilenstein ist. Darauf sind wir zu Recht stolz.

(Beifall bei der FDP)

Daneben gibt es aber auch eine Reihe kleinerer Verbesserungen, die ich ebenfalls ansprechen möchte: die erweiterte Aufenthaltszeit im Freien - zwei Stunden pro Tag für nicht arbeitende Gefangene -, der persönliche Besitz - kein genereller Ausschluss von elektronischen Unterhaltungsmedien -, der Erhalt des Rechts zur Selbstverpflegung und der Erhalt und die Verbesserung der Möglichkeit des Versandhandelskaufs, der Erhalt des Rechts zur Selbstbeschäftigung und die Stärkung der Rechte der Verteidiger, die über Verlegungen, Zwangsmaßnahmen, Disziplinarmaßnahmen und anderes informiert werden. Eine ganze Menge ist umgesetzt worden. Dies ist eine ganze Menge an Schritten in die richtige Richtung.

Sie fordern weitere Dinge, so das uneingeschränkte Recht zum Kontakt nach außen. Dazu muss ich sagen: Wir wollen Verbesserungen für die Untersuchungsgefangenen erreichen; aber das darf nicht dazu führen, dass wir naiv zulassen, dass Zwecke eines geordneten Strafverfahrens in Gefahr geraten. Auch die Rechte der Untersuchungsgefangenen stehen unter dem Vorbehalt, dass ein Strafverfahren durchgeführt werden muss.

Ich möchte abschließend auf die zwei Änderungsanträge der FDP-Fraktion zu sprechen kommen, die mir besonders wichtig sind. Zum einen geht es hierbei um das Arbeitsentgelt. Die Bemessungsgrundlage von 5 % auf 9 % auf das Niveau des Entgelts anzuheben, das Strafgefangene erhalten, ist uns ein ganz zentrales Anliegen. Wir sind dankbar, dass wir dies erreicht haben.

(Beifall bei der FDP)

Es wäre absolut unerträglich, würden Menschen, für die die Unschuldsvermutung gilt, schlechter gestellt als verurteilte Strafgefangene, was ihr Arbeitsentgelt betrifft.

Zweitens geht es um das Thema Suizid. Zwischen 1999 und 2010 haben sich - so die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage, die ich gestellt habe - 95 Untersuchungsgefangene in Bayern das Leben genommen. Das ist erschreckend. Deswegen haben wir gesagt, wir müssen einen Appell in das Gesetz aufnehmen. Ich meine, dass dies bei allen Unterschieden, die es in der Formulierung gibt, ein Anliegen aller Fraktionen war, und ich freue mich, dass alle Fraktionen dieses Problem auch erkannt haben. Ich bitte dann aber auch, die Formulierung der FDP-Fraktion

zu würdigen, die besagt: Wir wollen nicht nur verhindern, sondern wir wollen schon Suizidabsichten erkennen, wir wollen so früh wie möglich ansetzen, um jede Chance zu nutzen, einen Suizid in Untersuchungshaft zu verhindern. Das, Kolleginnen und Kollegen, ist uns eine Verpflichtung.

(Beifall bei der FDP)

Es ist auf die Personalsituation im Justizvollzug hingewiesen worden. Ja, sie ist schwierig. Ja, es besteht eine angespannte Situation, und die Beschäftigten dort müssen eine schwierige Aufgabe meistern. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen Justizvollzugsbediensteten meinen Dank und meine Anerkennung auszusprechen. Es ist aber auch eine Sache der Ehrlichkeit zuzugeben, dass in der Koalition vierhundert neue Stellen für den Justizhaushalt geschaffen wurden und dass zweihundert davon umgesetzt worden sind, die meisten davon im Bereich des Justizvollzugs, um eben diese Situation zu verbessern.

Kolleginnen und Kollegen, dieser Entwurf ist der Meilenstein, den wir angekündigt haben. Wir sind stolz darauf. Es ist ein liberales Gesetz. Ich danke den Koalitionsfraktionen und der Staatsministerin der Justiz für die Zusammenarbeit und freue mich, dass dieses Gesetz heute Ihre Zustimmung finden wird.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die Staatsregierung hat die Frau Staatsministerin der Justiz um das Wort gebeten. Bitte sehr, Frau Staatsministerin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kollegen! Man kann die Dinge negativ ansehen, auch wenn sie positiv gemeint sind. Das ist in diesem Fall wohl die Aufgabe der Opposition. Das hat sie getan.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): So geht es uns auch immer!)

Wenn heute gesagt wird, es habe lange gedauert, bis dieses Gesetz auf den Weg gebracht worden ist, so mag das auf der einen Seite sicher so sein; auf der anderen Seite sollte man dann aber nicht vergessen, dass es zurzeit nur in fünf von sechzehn Bundesländern ein Strafvollzugsgesetz gibt. Wir haben uns intensiv darauf konzentriert, zuallererst einmal dieses Strafvollzugsgesetz auf den Weg zu bringen und dann mit dem Untersuchungshaftgesetz weiterzuarbeiten. Ich bin davon überzeugt, es ist ein gutes Gesetz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute ist öfters angesprochen worden, dass dieses Gesetz

schwer zu lesen sei, weil es Verweisungen enthalte, und es ist unter anderem angesprochen worden, dass die Praxis mit diesem Gesetz Schwierigkeiten haben werde. Dabei darf man eines ebenfalls nicht ausblenden, nämlich dass die Praxis an der Erarbeitung dieses Gesetzes mit beteiligt war

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

dass wir darüber diskutiert haben, in welcher Weise das Gesetz nun tatsächlich verfasst werden soll, und dass mehrheitlich der Wunsch geäußert worden ist: Wenn gleiche Prinzipien vorherrschen, wie das bei der Haft nun einmal der Fall ist, dann sollen diese nicht wiederholt werden, sondern dann soll auf diese aufgesetzt werden. Das war auch ein Wunsch aus der Praxis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle Redner haben gesagt, dass die Unschuldsvermutung die wichtigste Prämisse in diesem Gesetz ist, und das ist richtig. Wir müssen uns mit der Situation von Untersuchungshaftgefangenen auseinandersetzen, die von heute auf morgen in Haft genommen werden, die dadurch eine regelrechte Erschütterung ihres bisherigen Lebens erfahren, und wir müssen auch versuchen, diese besondere Situation mit Sensibilität aufzufangen. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Suizidprophylaxe explizit in dieses Gesetz hineingeschrieben haben, dass wir ihr einen großen Raum gegeben haben. Das halte ich nicht für negativ, Frau Stahl. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Das ist klar. Aber es ist auch selbstverständlich, dass dies in einem solchen Gesetz, wenn es neu geschrieben wird, als wesentlicher Punkt und an vorderster Stelle aufgenommen wird.

Ich denke, dass wir uns gerade bei dem Thema der Prophylaxe von Selbstmorden immer wieder klarmachen müssen, dass die Anforderungen an eine menschenwürdige, vernünftige Unterbringung von Gefangenen immer auch dazu führen, dass die Möglichkeiten für einen Suizid um ein Vielfaches größer werden, und dass wir deswegen mit allen für uns ergreifbaren Möglichkeiten darauf hinwirken und auch erkennen müssen, in welcher Situation sich der Gefangene momentan psychisch befindet und wie wir ihn unterstützen können, damit er mit dieser Situation selbst fertig wird.

Was den Inhalt des Gesetzes angeht, so war immer wieder der Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu hören.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Natürlich gibt es keine weitergehenden Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an uns, um das

einmal sehr deutlich zu sagen. Verwechseln Sie bitte nicht die Rechtsprechung, die zur Sicherungsverwahrung ergangen ist, mit der Rechtsprechung, die sich mit der Strafhaft bzw. der Untersuchungshaft befasst.

Angesprochen wurde der Umstand, dass wir zu wenig Personal haben. Es ist richtig, dass wir uns in einer sehr schwierigen Personalsituation befinden. Wir haben hervorragendes Personal. Die Tatsache, dass wir unser Personal selbst ausbilden, hilft uns in dieser Situation. Ich bin unserem Personal sehr dankbar für die konstruktive Arbeit, die es tagtäglich in den JVAs leistet. Ich muss aber auch deutlich machen, dass die Regierung die Verantwortung für die Finanzierbarkeit der Maßnahmen trägt.

Wir haben im Haushalt Bayerns eine Personalquote von 42 %. Im Einzelplan 04, im Justizhaushalt, beträgt die Personalquote 64 %. Deshalb müssen wir uns darüber klar werden, was es bedeutet, wenn permanent neue Stellen gefordert werden. Wir müssen sehr sorgfältig arbeiten und uns darüber klar werden, dass viele Wünsche, die Sie heute geäußert haben, wie zum Beispiel längere Besuchszeiten, dazu führen würden, dass wir noch mehr Personal vorhalten und gewaltige Investitionen tätigen müssten, um die Räumlichkeiten für die Besuche bereitstellen zu können. Bei längeren Besuchszeiten müssten wir noch mehr Besuchszellen einrichten und mehr Möglichkeiten der Vorführung schaffen. Alles das darf man nicht vergessen. Solche Forderungen sind immer leicht erhoben. Die Investitionen, die dahinterstehen, werden jedoch in aller Regel ausgeblendet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines möchte ich noch einmal klar sagen: Die Mindestbesuchszeiten - das ist heute nicht überall so deutlich zum Tragen gekommen - können in den ersten drei Monaten nicht verändert werden. Sie müssen gewährleistet werden. Sie können auch deutlich erweitert werden, wenn es sinnvoll und möglich ist. Deswegen auch noch einmal ein Hinweis; Herr Fischer hat es bereits gesagt: Untersuchungshaftgefangene sind durchschnittlich weniger als drei Monate in unseren Gefängnissen. Deswegen mussten wir eine Linie finden, an der wir festmachen konnten, welche Mindestbesuchszeiten unter allen Umständen ermöglicht werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insgesamt ist das Gesetz sehr gut. Das Arbeitsentgelt ist angesprochen worden. Die Beteiligung externer Organisationen und Ehrenamtlicher ist noch nicht angesprochen worden. Auch das ist ein ganz wichtiges Thema. Die Gefangenen brauchen Unterstützung, um wieder in die Gesellschaft zurückkommen zu können. Wichtig sind auch die sozialen Hilfen, die explizit im Entwurf

verankert sind. Die Gefangenen werden während der Haft sehr effektiv bei der Regelung ihrer persönlichen Angelegenheiten, wie zum Beispiel Wohnung oder Arbeitsplatz, unterstützt. Kollege Rieger hat darauf sehr deutlich hingewiesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alles ist eine Frage des jeweiligen Blickwinkels. Wir sagen, das Gesetz ist ein gutes Gesetz. Es ist ein Gesetz, mit dem sehr viel verbessert wird. Ich bitte Sie deshalb herzlich um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/9082 und die Änderungsanträge auf den Drucksachen 16/9657, 16/9901 und 16/10005 sowie die Beschlussempfehlung des federführenden und endberatenden Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz auf Drucksache 16/10643 zugrunde.

Vorweg lasse ich über die Änderungsanträge, soweit sie vom federführenden Ausschuss zur Ablehnung empfohlen worden sind, abstimmen.

Der federführende Ausschuss empfiehlt, den Änderungsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 16/9657 abzulehnen. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Fraktion der FREIEN WÄHLER und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - CSU und FDP. Stimmenthaltungen? Die SPD. Frau Kollegin Dr. Pauli hat zugestimmt. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Den Änderungsantrag von Abgeordneten der SPDFraktion auf Drucksache 16/9901 empfiehlt der federführende Ausschuss mit Ausnahme der Nummer 7 Buchstabe a, die für erledigt erklärt worden ist, ebenfalls zur Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag, soweit er nicht für erledigt erklärt worden ist, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - SPD, FREIE WÄHLER, Frau Kollegin Dr. Pauli und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - CSU und FDP. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist der Änderungsantrag ebenfalls abgelehnt.

Den Gesetzentwurf 16/9082 empfiehlt der federführende Ausschuss zur Annahme, allerdings mit der Maßgabe von Änderungen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 16/10643. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses zu

stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. CSU und FDP. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. Die FREIEN WÄHLER, die SPD und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Frau Kollegin Dr. Pauli. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist es so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Namentliche Abstimmung wurde beantragt. Ich bitte Sie, die Stimmkarten einzuwerfen. Die Abstimmung ist eröffnet. Fünf Minuten stehen dafür zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 09.57 bis 10.02 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie bitte wieder Platz, damit wir fortfahren können. Die fünf Minuten sind um. Ich schließe damit die namentliche Abstimmung. Wir werden das Ergebnis außerhalb des Saales feststellen und Ihnen dann bekannt geben. Ich darf Sie zwischenzeitlich um Aufmerksamkeit bitten.