Protocol of the Session on November 29, 2011

- Ja, Herr Gantzer, ich weiß, wovon ich rede.

(Harald Güller (SPD): Das können Sie leicht versprechen; denn dann haben Sie nichts mehr damit zu tun!)

Ich habe im Gegensatz zu Ihnen das Glück, in Berlin mit am Koalitionstisch zu sitzen.

Ich sage nur: Das ist ein Widerspruch in der Diskussion. Man kritisiert die Kürzung von Mitteln, die jetzt, wo die Ausplanung noch gar nicht stattgefunden hat, überhaupt keine Rolle spielen.

Deshalb sage ich der bayerischen Öffentlichkeit: Jede Standortreduzierung, jede Standortschließung ist schmerzlich für die betroffenen Kommunen, für die betroffenen Angehörigen der Bundeswehr und natürlich auch für die Struktur ganzer Regionen. Ich unterscheide da nicht zwischen einer Schließung und der wesentlichen Reduzierung.

Wir werden auf jeden Standort schauen. Wir werden gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort Konzepte erarbeiten. Diese sind sehr unterschiedlich. Den einen ist es das Allerwichtigste, an diese Grundstücke zu kommen, um eine weitere städtebauliche Entwicklung zu haben. Den anderen ist wichtig, dass sie Hilfe bei der Entsorgung der Altlasten bekommen. Wieder anderen ist es wichtig, dass sie Gewerbegebiete zu vernünftigen Preisen ausweisen können. Deshalb ist der Hinweis auf die BImA richtig. Und deshalb ist es schon notwendig, dass der Chef der Staatskanzlei durch Bayern fährt, die Orte besucht und Entwicklungsplanung mit den Betroffenen macht. Das ist auch für mich als Ministerpräsidenten wichtig.

Übrigens haben alle 16 Ministerpräsidenten - und das hat de Maizière in der Öffentlichkeit sehr begrüßt - unabhängig davon, mit welcher Farbe ein Land regiert wird, diese Bundeswehrreform mit großer Behutsamkeit öffentlich begleitet; niemand hat das mit Schaum vor dem Mund getan. Jeder akzeptiert, wenn man grundsätzlich zur Aufhebung der Wehrpflicht, zur Bundeswehrreform Ja sagt, und jeder betont, dass es politisch unehrlich ist, wenn man die Folgen nicht zu tragen bereit ist. Da herrscht Einigkeit bei allen 16 Ministerpräsidenten. Ich war in Lübeck dabei.

Wir haben deshalb im Dezember ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin zu diesem Thema, bei dem wir nicht nur einbringen werden, was wir auf Länderebene an Vorschlägen sammeln, was für die Kommunen geschehen muss, sondern wo wir auch von der Bundesregierung erwarten, dass sie uns ihrerseits sagt, in welcher Form sie die Folgen der Bundeswehrreform mitgestalten und abfedern will.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Das ist ein richtiger Weg.

Zum Fünften möchte ich sagen: Auch da gibt es eine sehr verzerrte Diskussion. Bei der Wehrtechnik - Herr Gantzer, Sie wissen das, weil Sie auf diesem Feld sehr intensiv unterwegs sind - sind mir zwei Argumente wichtig. Wir haben im Bereich der Rüstungsindustrie und der Wehrtechnik jeden dritten Arbeitsplatz in Deutschland hier in Bayern, so wie Bayern - das ist fraglos richtig - immer ein sehr tiefes inneres Verhältnis zur Bundeswehr gehabt hat und hat.

Nun kann man aber das Argument des Verteidigungsministers nicht ganz vom Tisch wischen. Es ist verständlich, dass ein Verteidigungsminister aufgrund der Beschaffungsvorhaben der letzten 20, 25 Jahre man glaubt gar nicht, wie lange das dauert; da werden Waffensysteme beschafft, die noch zu Zeiten des Warschauer Pakts bestellt wurden, unter den Voraussetzungen von damals - sagt: Jetzt muss ich einmal überlegen, ob es noch Sinn macht, vor 20 oder 25 Jahren erteilte Aufträge bei der völlig veränderten Sicherheitssituation in der Welt noch abzuwickeln. Oder er reduziert, weil er sich sagt: Ich kann in den nächsten zehn Jahren keine neue Forschung und Entwicklung auf diesem Sektor finanzieren, weil ich mit meinen Mitteln durch die Altverträge der letzten Jahre gebunden bin. Da muss ich sagen: Verantwortung in der Politik beginnt mit der Akzeptanz der Realität. Das muss man zur Kenntnis nehmen und sagen: Es ist besser, wir bestellen da 40 Hubschrauber weniger und dort ein paar Panzer weniger, damit wir wieder Spielräume für die wehrtechnische Entwicklung und Forschung bekommen. Das ist der zweite Punkt, den wir bei der Wehrtechnik berücksichtigen müssen.

Es geht nicht nur darum, Waffen zu produzieren. In vielen Fällen geht es auch darum, Systemeigenschaften in Deutschland zu erhalten. Ich war mit Georg Schmid in Donauwörth. Da sagen einem die Hersteller: Wenn wir die neue Hubschraubergeneration nicht hier in Deutschland entwickeln, dann werden es die Israelis und die Amerikaner machen. Dann haben wir nicht nur den Nachteil, dass wir die Fähigkeit zur zeitgemäßen Produktion verlieren - denn wenn nicht geforscht und entwickelt wird, dann verlieren Sie in einer Technologie die Zukunftsfähigkeit -,

(Georg Schmid (CSU): Systemfähigkeit!)

sondern wir müssen das dann in anderen Ländern einkaufen. Die Märkte gehören dann den anderen.

Jetzt muss ich wirklich einmal darauf hinweisen: Wesentliche technologische Errungenschaften der Vergangenheit - ich denke an den Funkverkehr, an das GPS, an den Airbag, an die neu entwickelten Fasertechnologien -, wesentliche technologische Neuerungen sind im Bereich der Rüstungs- und der Wehrtechnik durchgeführt worden. Deshalb wären wir von allen guten Geistern verlassen, wenn wir in Deutschland die Systemeigenschaft in der Wehrtechnik und der Rüstungsindustrie aufgeben würden.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP)

Wenn wir hier vorankommen wollen, müssen wir in der aktuellen Beschaffung etwas zurückgehen, damit der Verteidigungsminister die Mittel hat, um in die Forschung und Entwicklung zu investieren. Das ist der

wahre Zusammenhang in der Wehrtechnik, und nicht der Vorwurf: Da sitzen jetzt CSU und FDP und wissen gar nicht, was sich in der Realität abspielt. Wir sind da sehr tief eingetaucht, obwohl es nicht unbedingt die erste Kompetenz im Föderalismus der Bundesländer auf diesem Feld ist. Alles andere an Anerkennung und Respekt vor der Bundeswehr, gerade jetzt in den Auslandseinsätzen im Umfeld von Weihnachten und dem Jahreswechsel, teile ich völlig.

Aber mir kommt es noch auf einen Punkt an, der bisher nicht angesprochen wurde. Die Bundeswehr ist ein integraler Bestandteil unseres Vaterlandes, unserer Gesellschaft. Ich habe eingangs meiner Rede nicht umsonst von der Sicherheitsanalyse gesprochen. Wir sind in unserer Freiheit so sicher, dass wir eine Grundwehrpflicht juristisch nicht mehr rechtfertigen können und überhaupt keine andere Wahl mehr haben.

Man muss noch ergänzen, dass die Bundeswehr in allen Jahrzehnten der Nachkriegsgeschichte einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass wir Deutschen heute in der stabilsten Demokratie unserer Geschichte leben dürfen. Auch das gehört zur Wahrheit.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich glaube, es war eine sehr vernünftige Idee, die Bundeswehr sozusagen nicht zu verstecken, sondern sie zu einer Armee des Parlaments, zu einer Armee der Bevölkerung zu machen. Ich sage nur: Staatsbürger in Uniform.

Mir kommt es jetzt darauf an, dass das bayerische Parlament und auch die Regierung einen Beitrag leisten, um zu verdeutlichen, dass die Bundeswehr in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist. Sie gehört zu uns, sie ist integraler Bestandteil unserer Gesellschaft. Wir haben jetzt keine Berufsarmee, die abgeschlossen agiert, sondern diese Berufsarmee ist mitten unter uns.

Wir wollen - das ist der entscheidende Punkt -, dass sich möglichst viele junge Menschen auf freiwilliger Basis zu einem Dienst für unser Vaterland verpflichten, und zwar auch in dem Bewusstsein, dass Frieden und Freiheit trotz der schönen, positiven und zukunftsweisenden Sicherheitsanalyse ständig gefährdet sind. Wir erleben das gerade wieder national. Wir müssen immer wieder dafür arbeiten, dass das, was wir als selbstverständlich einstufen, erhalten bleibt. Neben der Gesundheit ist wohl das Wichtigste, was Menschen zufallen kann, ein Leben in einer friedlichen Gesellschaft, nach innen wie nach außen, und auch in Freiheit.

Wir alle sollten in der jungen Generation dafür werben, wenn wir in die Schulen und in die Schulklassen gehen, wenn wir der Jugend begegnen, dass sie zugunsten unseres Landes an dieses Engagement denken sollte, sei es im zivilen Dienst oder im militärischen Dienst. Mir liegt sehr viel daran, dass die Bundeswehr als ein Bestandteil in der Mitte unserer Gesellschaft erhalten bleibt.

Zum Schluss möchte ich den Wunsch äußern, dass wir uns bemühen, die gleiche Einigkeit, die unter 16 Ministerpräsidenten sozusagen bei der Entgegennahme der Bundeswehrreform und anschließend bei der Folgenumsetzung stattgefunden hat, auch bei uns im Parlament zu praktizieren.

(Lebhafter Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz gefährdet funktionsfähige Strukturen der Müllentsorgung zu Lasten der Bürger und Kommunen."

Sie kennen die Modalitäten: fünf Minuten Redezeit, auf Wunsch zehn Minuten. Dies gilt jetzt für den ersten Redner, Herrn Kollegen Dr. Fahn. Sie haben zehn Minuten beantragt. Bitte schön, Herr Kollege Dr. Fahn.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Präsident! Wir haben hier im Landtag schon öfter über dieses Thema diskutiert. So haben wir zum Beispiel am 9. Juni 2011 eine interessante Diskussion geführt. Es wurden Anträge der SPD und der FREIEN WÄHLER angenommen. Wir haben in dem Antrag zur Beibehaltung der bewährten bayerischen Abfallwirtschaft in dem zweiten Punkt formuliert, den Kommunen sollten die Abfallströme, für die sie bisher verantwortlich waren, nicht entzogen werden. Es geht nämlich darum: Private sichern sich die wertvollen Rohstoffe und machen Gewinn, und die Kommunen bleiben auf dem Restmüll sitzen; hierher gehört das Stichwort "Rosinenpickerei", meine Damen und Herren. Dieser Begriff wird in meinen Ausführungen noch häufiger vorkommen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wie ging es dann weiter? Der Gesetzentwurf wurde von der Bundesregierung noch mehrfach verändert, in manchen Bereichen sicherlich verbessert und am 28. Oktober im Bundestag gegen die Stimmen der Opposition verabschiedet. Dazu schreibt die Bundesregie

rung zum einen, die Entsorgung durch die Bürger bleibe durch das neue Gesetz sicher unbezahlbar, und zum anderen, die hochwertige Entsorgungsstruktur in Deutschland bleibe erhalten.

(Jörg Rohde (FDP): Recht hat sie!)

- Das müssen wir erst noch abwarten; denn Sie wissen genauso wie ich, Herr Rohde, dass der Vermittlungsausschuss dazu noch tagt und das Thema noch nicht ad acta gelegt ist. Deswegen haben wir übrigens diese Aktuelle Stunde beantragt.

Die Grundposition der FREIEN WÄHLER zu diesem Thema sind die Beibehaltung bewährter, funktionsfähiger Strukturen und keine weiteren Zwänge des Gesetzgebers von oben herab. Kommunen müssen weiterhin das Sagen haben. Wir sind grundsätzlich - das möchte ich an dieser Stelle betonen - nicht gegen die private Abfallwirtschaft, weil die private Beteiligung in vielen Landkreisen schon heute Realität ist. Aber das ist wichtig - die Privatwirtschaft muss immer unter der Hoheit des Staates stehen. Mit anderen Worten: Die Kommunen müssen nach unserer Auffassung weiterhin das letzte Wort haben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Worum geht es in dem Beschluss des Bundestages? Ein wichtiger Punkt: Private Sammler gibt es nur dann, wenn Kommunen kein höherwertiges Sammelsystem haben. Ein Knackpunkt ist die sogenannte Gleichwertigkeitsklausel, die zu viel Bürokratie führt. Wer entscheidet, was höherwertig ist? Wer entscheidet, was minderwertig ist? Diesen Passus wollen verschiedene Bundesländer - Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Bremen - ändern. Sie haben einen Antrag in den Vermittlungsausschuss eingebracht. Die Frage ist - Herr Hünnerkopf, diese können dann Sie beantworten -, warum die Bayerische Staatsregierung hier nicht dabei ist und keine Änderungsanträge eingebracht hat.

Manchmal ist das mit den Begriffen "höherwertig" und "minderwertig" einfach, nämlich dann, wenn man flächendeckend eine Papiertonne hat. Sie ist natürlich höherwertig als Container. Aber es gibt so viele andere Modelle und Fälle, in denen man das im Einzelfall wirklich nicht entscheiden kann.

Der Bundesrat hat letzte Woche getagt. Ich zitiere aus dem Protokoll:

Der Vorschlag des Bundestages ist kein tragfähiger Kompromiss, da er für die Behörden der Länder kaum nachvollziehbar wäre und eine "Rosi

nenpickerei" durch gewerblichen Sammler weiterhin begünstigen würde.

Das ist ein Zitat aus der Bundesratsitzung von letzter Woche. Es gibt also nach wie vor den Vorwurf der Rosinenpickerei, meine Damen und Herren. Wir sagen: Das gilt auch heute noch, am 29. November 2011.

Wir haben immer guten Kontakt mit dem Bayerischen Landkreistag und dem Bayerischen Städtetag. Wir sind aufseiten des Landkreis- und des Städtetages. Deswegen meinen wir ganz klar, dass dieser Gesetzentwurf noch nachgebessert werden muss. Er birgt nämlich die Gefahr einer Erhöhung der Müllgebühren. Auch darüber müssen wir einmal reden.

Wie gesagt: Wir wollen, dass die Kommunen ihr bewährtes System beibehalten und gewerblichen Sammlern das Sammeln entziehen können.

Was wollen die FREIEN WÄHLER jetzt? Welche Forderungen haben wir für den Vermittlungsausschuss? Wir sagen ganz klar: Bayern hat ein sehr gut funktionierendes Abfallwirtschaftssystem. Wir haben in Bayern eine Verwertungsquote von über 72 %. Wir sind bundesweit spitze, meine Damen und Herren.

Da stellt sich die Frage: Brauchen wir eine verpflichtende Wertstofftonne? Wir meinen: Nein. Weiterhin muss die Wahlfreiheit gelten. Wenn man nämlich eine verpflichtende Wertstofftonne hat, dann kann das bedeuten, dass unsere sehr gut funktionierenden Wertstoffhöfe schließen müssen. Wir haben in Bayern 1.683 Wertstoffhöfe. Natürlich können wir die Wertstofferfassung insgesamt noch steigern, wenn wir neben den Leichtverpackungen auch noch Elektrogeräte oder andere Dinge dazunehmen.

Noch ein anderer Punkt: Wir wollen auch keine verpflichtende Biotonne, meine Damen und Herren. Warum sollen wir Bürger bestrafen, die seit Jahren erfolgreich kompostieren und dafür in vielen Kommunen, in vielen Landkreisen auch noch Gebührenermäßigungen bekommen? Es ist nämlich zu befürchten, dass verpflichtende Tonnen zu einer Steigerung der Müllgebühren führen können. Derzeit sind die Papierpreise hoch; das bekommen wir immer mit. Daher lohnt es sich auch für Private, hier einzusteigen.

Neu im Gesetzentwurf - das ist eine Art Kompromiss ist die Mindestsammeldauer von drei Jahren. Das heißt, das muss jetzt drei Jahre gemacht werden. Das klingt gut, meine Damen und Herren, muss es aber nicht sein. Was ist zum Beispiel, wenn ein osteuropäischer Sammler nach einem Jahr in Konkurs geht?