Protocol of the Session on June 28, 2011

Die gehen aber erst jetzt los.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Zwei ganz kleine Vorbemerkungen:

Erstens. Die Aktuelle Stunde ist alles andere als ein Format, in dem man sich seriös über Wirtschaftspolitik austauschen könnte.

Zweitens. Hier wurde gerade so getan, als ob wirtschaftspolitische Maßnahmen Knall auf Fall greifen würden. Das ist nicht so. Hier sind die Dinge langfristig angelegt. Herr Huber hat gesagt: Bayern steht stark da. Hier muss ich assistieren und sagen: Deutschland steht auch relativ stark da. Das ist jedoch vor allem wesentlichen Bausteinen der Agenda 2010 zu verdanken. Die danach folgende Bundesregierung hat außerdem in Zeiten des Finanzmarktdebakels und der weltweiten Wirtschaftskrise sicherlich sehr vieles nicht falsch gemacht. Das war die schwarz-rote Bundesregierung.

(Thomas Hacker (FDP): Das war der Aufschwung von Gerhard Schröder, der schon vor seiner Wahl angefangen hat!)

Ich nenne als Stichwort nur das Kurzarbeitergeld. Wir wissen, wie das gelaufen ist.

Bayern ist wirtschaftsstark. Herr Kollege Stöttner, wir sagen das auch immer wieder.

(Klaus Stöttner (CSU): Danke.)

Die bayerische Wirtschaftspolitik muss dafür Sorge tragen, dass Bayern als Wirtschaftsstandort zukunftsfähig bleibt. Das heißt, wir müssen die Chancen nutzen und Schwachpunkten und Defiziten entgegenarbeiten. Worum geht es? Es geht um eine nachhaltige und zukunftsfähige Wertschöpfung, die aber auch bestimmte Rahmenbedingungen berücksichtigt wie die Begrenztheit der Ressourcen und die Interessen der Menschen in allen Teilen dieser Erde. Hier gäbe es noch vieles andere anzumerken.

Ganz wichtig ist die Feststellung, dass dank der Kompetenzordnung bei uns die Akteure der Wirtschaftspo

litik vor allem der Bund und - vor allem über die Binnenmarktregeln - die Europäische Union sind. Daneben stehen noch die Kommunen. Das bedeutet, die Aufgaben und Möglichkeiten der Länder sind sehr, sehr begrenzt. Dies korrespondiert aber keineswegs mit dem häufig anzutreffenden Getöse der Staatsregierung.

Wirtschaftspolitik im Land heißt vor allem Wirtschaftsförderung. Dabei bewirtschaften wir aber im Wesentlichen die Gelder der EU und des Bundes. Außerdem ist die Rahmensetzung wesentlich, nämlich die Infrastruktur und die Bildung. In diesem Rahmen bewegt sich das Wirtschaftsgeschehen. Das Thema lautet "Bilanz der Versäumnisse". Hier muss man konstatieren, dass nicht alles richtig läuft. Sehen wir uns die Bildungspolitik an. Wir haben bei Ingenieuren und Facharbeitern massive Defizite. Gleichzeitig haben wir viel zu viele Schul- und Lehrabbrecher. Hier muss gegengesteuert werden.

Wir hatten die unsägliche Debatte über die Zuwanderung. Auch die fällt Bayern in der Wirtschaftspolitik auf die Füße. Die Themen Infrastruktur und Breitbandversorgung wurden angesprochen. Die SPD und wir versuchen bei diesen Themen seit Jahrzehnten, anzuschieben. Hier ist bislang kaum etwas gegangen. Bei der Verkehrsinfrastruktur steht ebenfalls mitnichten alles zum Besten.

Sehen wir uns die gerechte Verteilung im Zusammenhang mit der Wertschöpfung an. Leider auch hier Fehlanzeige. Es gab zwei Gesetzentwürfe zur Tariftreue, die sich dadurch unterschieden, dass in unserem Gesetzentwurf noch das Korruptionsbekämpfungsregister dabei war. Beide Gesetzentwürfe enthielten jedoch nicht nur die Tariftreue, sondern auch den Mindestlohn als Ersatz. Mir ist völlig unverständlich, warum die CSU-Fraktion die Gesetzentwürfe zur Tariftreue abgelehnt hat, nachdem sie sich jahrelang selbst dafür gelobt hatte, in Bayern die erste Tariftreueregelung dieser Republik geschaffen zu haben. Hier sehen wir massiven Nachhol- und massiven Handlungsbedarf. Noch einmal: Was wir jetzt tun, wirkt sich nicht direkt aus, sondern schafft den Rahmen für die Entwicklungen in den nächsten Jahren.

Die nächste Baustelle ist der Umwelt- und Klimaschutz als Standortfaktor. Erfreulicherweise hatten wir vorhin wesentlich mehr Zeit, um über dieses Thema zu diskutieren. Ich habe dazu meine Ausführungen bereits gemacht. Bei diesem Thema sehe ich bis heute Fehlanzeige. Hier hat die Staatsregierung viel zu viel verschlafen und viel zu lange blockiert. Mit diesen Größen wird gesteuert. Das heißt, hier wäre wiederum ein Umsteuern angesagt und notwendig.

Wie gesagt: Das Format lässt wenig Zeit, um den einen oder anderen Gedanken auszubreiten. Deshalb möchte ich noch einmal auf den letzten strittigen Punkt eingehen. Herr Kollege Huber und Herr Kollege Dr. Beyer, Sie haben versucht, eine ganz kleine Debatte über die Steuern anzuzetteln. Wir halten die Ansage, die von der FDP und Teilen der CSU gemacht worden ist, für alles andere als zeitgemäß. Jetzt geht es darum, die Schulden zu tilgen und den Haushalt zu konsolidieren. Jetzt muss es darum gehen, den massiven Nachholbedarf in der Infrastruktur zu heilen. Gestern hat Ihr Bundesverkehrsminister Ramsauer zu diesem Thema Ausführungen gemacht, die mit Sicherheit nicht ganz falsch waren.

Die FDP hat mit treuherzigem Blick gesagt, es ginge ihr um die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Das glaubt Ihnen niemand. Herr Kollege Dr. Kirschner, Sie glauben es erfreulicherweise selber nicht. Kleine und mittlere Einkommen leiden nämlich nicht an der Steuer. Für diese Einkommen sind die Sozialabgaben das Problem, weil sie wesentlich mehr Sozialabgaben als Steuern zahlen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Hier müssten Sie ansetzen, wenn Sie eine einigermaßen redliche Debatte führen wollen.

(Dr. Franz Xaver Kirschner (FDP): Gesundheitsfonds!)

- Das wäre ein wichtiger Punkt. Dies müsste jedoch auch entsprechend rübergebracht werden. Zurzeit wirken die Steuererleichterungen nur als ein Mittel, um der kränkelnden und dahinsiechenden FDP ein kleines bisschen auf die Füße zu helfen, wobei dies die Kanzlerin mit Sicherheit nicht wirklich machen will. Sie können sicher sein, dass die Kanzlerin ganz schnell den Stecker herausziehen wird, wie das auch der Ministerpräsident mit unserem bedauerlichen FDP-Minister macht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Kirschner. Ich darf Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass die Uhr jetzt wieder geht.

(Markus Rinderspacher (SPD): Herr Dr. Kirschner, man muss die Koalitionsfrage stellen!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle Sie nicht.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie stellen Sie zurück! Machen wir es so!)

Herr Dr. Beyer, ich möchte das Thema, das heute auf dem Tisch liegt, mit der Damenweltmeisterschaft im Fußball vergleichen: Sie haben mit diesem Thema einen Hattrick geschossen, leider in die falsche Richtung. Sie sollten eigentlich wissen - wie das Herr Kollege Dr. Runge richtigerweise gesagt hat -, dass Maßnahmen in der Wirtschaft, die heute getroffen werden, erst in zwei, drei, vier oder fünf Jahren wirken.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sollen wir in zehn Jahren darüber diskutieren?)

Ich sage Ihnen gleich, welche Maßnahmen getroffen worden sind.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Das sind wirtschaftspolitische Ergebnisse, das ist eine Frage der Fakten. Das Bruttoinlandsprodukt 2009 war minus 5 %, das ist hinreichend bekannt. Im Jahr 2010 lag es bei 3,2 %. Bayern ist im Bund spitze und nicht Letzter.

(Markus Rinderspacher (SPD): Dynamik!)

Die Beschäftigung betrug im Jahr 2010 plus 4,5 %. Die Arbeitslosenquote war zweimal niedriger als im Bund. In Bayern waren 2010 4,66 Millionen Sozialversicherungspflichtige beschäftigt. So viele hat es in Bayern noch nie gegeben. Bayern war im Bundesvergleich wieder einmal spitze. Das sind Fakten, Herr Beyer, nehmen Sie die doch einmal zur Kenntnis.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Existenzgründersaldo: Bayern ist darin seit Jahren spitze. Auf Platz 1 liegt Bayern auch bei der Selbstständigenquote. Thema Tourismus: 28,3 Millionen Gästeübernachtungen, 77,9 Millionen Übernachtungen im Jahr 2010, Bayern ist auch hier spitze. Breitband: Hier haben wir ohne Frage ein Problem; darüber müssen wir gar nicht diskutieren.

(Volkmar Halbleib (SPD): Aber man muss auch mal darüber reden! Das ist doch unsere Aufgabe!)

- Ja, Ihnen müsste aber auch klar sein, dass wir hier nicht einfach einen Sandhaufen vor uns haben, den wir mit der Schaufel umgraben können. Wenn Sie ein Breitband anlegen wollen, dauert es fünf bis zehn Jahre, bis Sie sämtliche -

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Man muss aber anfangen!)

- Ja freilich, wir haben doch angefangen. Statt 17 Millionen haben wir inzwischen 100 Millionen Euro hi

neingesteckt. Somit ist auch hier im Bundesvergleich die Quote stärker als in allen anderen Ländern gestiegen. Das Exportgut in Bayern liegt bei 50 %. Das deutet doch darauf hin, dass hier über Jahrzehnte hinweg die richtige Wirtschaftspolitik betrieben worden ist. Was denn sonst?

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Hier sind die richtigen Unternehmen gefördert worden, Unternehmen, die Dinge produzieren, die weltweit trotz aller Schwierigkeiten absetzbar sind.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das war die Wiedergutmachung für die Koalitionsfrage! - Gegenruf des Abgeordneten Thomas Hacker (FDP))

Seit 1999 sind in Bayern 400.000 Menschen zugezogen. Warum?

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wegen der GRÜNEN! Zurufe von der FDP)

- Genau, die wollen alle einen ordentlichen Arbeitsplatz und deshalb in Bayern leben.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Warum sind die denn aus Passau und aus Wunsiedel weggezogen?)

Warum sind diese Menschen wohl aus den Ländern, in denen Sie seit Jahrzehnten regieren, weggezogen? - Weil dort der Saldo genau andersherum ist.

Wirtschaftspolitisch misst man einen Unternehmer in der Mikroökonomie genauso wie in der Makroökonomie maßgeblich daran, wie er gestaltet, wenn er aus der Krise herauskommt. Jeder Laden hat einmal ein Problem; auch eine Volkswirtschaft hat einmal ein Problem. Wenn wir aber auf die Jahre 2008 und 2009 zurückblicken, Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den GRÜNEN, was ist denn dann bitte schön falsch gemacht worden? - Ich gebe Ihnen recht, dass die Verlängerung der Kurzarbeit Ihr Thema war, und das erkenne ich auch an, ohne Frage. Sie sollten aber auch anerkennen, was hier gemacht worden ist. Wir haben einen Rettungsschirm aufgebaut, wir haben 90 % Bürgschaften bereitgestellt, die bis heute kaum gezogen wurden. Die Unternehmen haben ihre Mitarbeiter gehalten. Das geschah aber nicht aus Selbstgefälligkeit heraus, sondern aufgrund der Erfahrung und aufgrund des Hinwirkens von Wirtschaftsminister Zeil. Das geschah auf der Basis von Runden Tischen mit den Unternehmen, den Banken und den Verbänden. Es wurde versucht, die Probleme zu lösen, und das ist auch gelungen.

Wir halten das Thema Kreditklemme hier im Haus diskutiert. Wo gibt es bitte schön eine Kreditklemme?

Das ist nicht vom Himmel heruntergefallen, sondern das ist maßgeblich dem geschuldet, was hier seitens der LfA und des Wirtschaftsministeriums geleistet worden ist. Ich kann Ihnen praktische Beispiele nennen: Die Firma Parat in Neureichenau im Bayerischen Wald. Herr Kollege Muthmann, der nicht da ist, kennt das Thema hinreichend. Dort wären 300 Arbeitsplätze wegen der Banken fast verloren gegangen. Im Wirtschaftsministerium gab es ein Gespräch mit der LfA und den Banken; auch ich war anwesend. Dabei ist es gelungen, in einem vernünftigen Gespräch alle an Bord zu holen, damit sie das mittragen. Inzwischen macht die Firma statt 45 Millionen einen Umsatz von 55 Millionen Euro, und statt 280 Beschäftigter hat der Betrieb mittlerweile 310 Beschäftigte und lebt.