Wir stellen aber gleichzeitig fest, dass einige Themen zwar schon auf dem Gleis stehen, aber noch angestoßen werden müssen, sodass es zu einem glaubhaften Ausbau der erneuerbaren Energien kommt. Wir brauchen auch Planungssicherheit. Den großen Playern müssen Handfesseln angelegt werden, damit sie nicht mit der Politik Schlitten fahren, sondern die Politik das Primat des Handelns in der Hand behält. Da sind Sie gefordert.
Ich erkenne aber Ihre schwierige Situation durchaus. Sie waren ja mit dem Transrapid mit Volldampf in der falschen Richtung unterwegs und müssen jetzt Ihre Insassen davon überzeugen, dass in Kürze die Wand kommt und wir umsteigen müssen.
Wir müssen genau in die andere Richtung fahren. Ich weiß, dass es für Sie nicht leicht ist. Deshalb würdige ich Ihre Situation.
Aber gleichzeitig sehe ich, dass hinten zu viele sind, die Sand ins Getriebe streuen. Wenn dann die Wirtschaftsleute - vielleicht kann ich stellvertretend Herrn Sinn nennen - sagen, sie seien vom Ausstieg nicht
überzeugt und es müsse wie bisher weitergehen, dann muss man die Frage stellen: Gilt denn das Wort der Bevölkerungsmehrheit nichts mehr? Lange genug ist gegen die absolute Mehrheit der Bevölkerung regiert worden. Die Bevölkerung wollte ja zu 70 bis 80 % den Atomausstieg haben, aber heute müssen wir ihn den Lobbyisten teuer abringen.
Ich weiß nicht, wieweit man hier im Wort steht, wieweit man hier Zugeständnisse machen muss, und zwar nach dem Motto: Wenn ihr nicht gegen den Ausstieg klagt, dann kriegt ihr die Netze von morgen finanziert oder dann helfen wir euch, das Energiemonopol beizubehalten; wir lassen die Kleinen nicht hochkommen.
Wir können es ja lesen, welche Aussagen von den Wirtschaftsleuten und den Netzbetreibern gemacht werden. Die wollen gar nicht, dass dezentrale Selbstversorgungsstrukturen entstehen. Das kann ich verstehen. Aber wir sind nicht dazu da, diesen Herren zuzuarbeiten, sondern sind in der Politik dazu da, für unsere Bevölkerung zu arbeiten.
Deshalb erhebe ich die klare Forderung, diesen Leuten mehr als bisher die Stirn zu bieten. Man darf nicht, nur weil ein Lobbyist seine Bedenken anmeldet, sagen: Liebe bayerische Bevölkerung, es tut uns leid, aber es geht nicht anders. Man darf auch nicht der Bevölkerung schöne Aussichten machen, wenn man gleichzeitig weiß, dass sie nicht erfüllt werden können, weil man dies nicht will. Wenn man es aber will, dann geht es.
Sie haben - nicht nur persönlich, aber auch persönlich - bis vor Fukushima die Notwendigkeit der Atomlaufzeitverlängerung bis in die 2040er-Jahre alternativlos vertreten. Aber jetzt sagen Sie - das ist okay -: Die Vorzeichen haben sich geändert. Wenn man es also will, dann geht es. Jetzt müssen wir wollen.
Aus all den bekannten kleinen Beispielen müssen wir uns die geänderte Situation herunterrechnen lassen und den Umstieg vor der Bevölkerung glaubwürdig organisieren.
Damit komme ich auf den Anfang meiner Rede zurück: Bürger und Kommunen müssen die Energieerzeuger der Zukunft sein. Die Netzbetreiber und die großen Monopole sehen wir nicht per se als Feind an, aber auch nicht als diejenigen, denen unsere erste Obhut gilt. Deshalb müssen wir den Netzbetreibern auf die Finger schauen.
Es ist bezeichnend, wenn mittlerweile australische Investmentgesellschaften unsere Netze beherrschen,
wenn die niederländische TenneT oder eine belgische Firma auf unseren Netzen sitzt und sagt: Der Steuerzahler muss Milliarden auf den Tisch legen, damit die Netze ausgebaut werden. Wir sollen denen also die Wohnung renovieren. Entweder gehört uns das Haus oder denen. Denen gehören die Netze, aber um deren Ausbau soll sich der Steuerzahler bemühen. Das passt für mich nicht zusammen.
Also auch hier spreche ich die klare Botschaft aus: Das Netzgeschäft muss wieder aus kommunaler Sicht und aus staatlicher Sicht gesehen werden. Damals haben auch die Netze in einem gewissen Gebiet in Bayern der öffentlichen Hand gehört. Man muss also wieder genauer hinsehen, ob mit uns hier nicht Katz und Maus gespielt wird. Vielleicht müssen wir diesen Herren eine andere Antwort auf ihre Verweigerungshaltung geben, und vielleicht können wir den gesamten Netzausbau etwas dadurch unterlaufen, dass wir kleine dezentrale Versorgungsstrukturen schaffen, sodass wir den angeblich so nötigen, ganz großen Netzausbau gar nicht brauchen.
Die zig Milliarden, die für den Netzausbau angesetzt sind, können wir mit Sicherheit deutlich reduzieren, wenn wir nicht am Ende ein Großkraftwerk hinstellen und von dort wie bei einem Spinnennetz die Leitungen führen müssen, sondern in den Privathaushalten, wie Sie es sehr richtig angesprochen haben, in kleinen Dörfern, in Stadtvierteln und dergleichen mehr mit kleinen dezentralen Blockheizkraftwerken usw. die Energieversorgung der Zukunft organisieren. Diese ist bezahlbar, vor allem auch sicher.
Eines ist jedoch ganz gewiss nicht sicher. Einige wenige Großanlagen können störanfällig sein. Wenn da etwas passiert, können Netze zusammenbrechen. Es wird immer das Szenario des Blackout in den Raum gestellt, weil wir die Kernkraft vielleicht zu schnell vom Netz nehmen. Aber daran sehen wir, dass diese Energieversorgung nicht sicher war, womit ich die Versorgungssicherheit meine. Wenn man ein paar Kernkraftwerke zu Unrecht und zur unrechten Zeit abschaltet und dann eventuell die Netze zusammenbrechen, dann muss man sagen: Wir sitzen auf einer Kanonenkugel; wir sitzen in einem Minenfeld und wissen nicht, wann die Minen hochgehen. Stabiler sind die Netze, wenn wir uns möglichst dezentral aufstellen. Das muss die Ausbauplanung der Zukunft sein.
Ich bitte Sie, diese Entwicklung in die Hand zu nehmen. Bürger und Kommunen müssen das vorneweg tun. Planungssicherheit muss durch Regionalität und Dezentralität erreicht werden. Den Lobbyisten muss ganz offen gesagt werden: Ihr habt die letzten Jahre genug verdient; wir sind euch zwar nicht neidisch, aber steht der Bevölkerungsmehrheit bitte nicht länger
im Weg; bitte sagt nicht länger, das gehe nicht; bitte sagt nicht länger, ihr macht nur dann mit, wenn der Steuerzahler seine Taschen öffnet.
Wir müssen Manns genug sein, als Bayerische Staatsregierung oder als Bundesregierung, wo Sie ja beteiligt sind, diesen Leuten zu sagen: Wir haben ein Ziel; wir haben die Bevölkerung hinter uns; damit gehen wir in eine Energiepolitik, die sich deutlich von dem unterscheidet, was in den letzten Jahrzehnten gelaufen ist.
Alles auf dieser Welt hat eine Epoche. Die bisherige Epoche muss irgendwann zu Ende gehen. Dabei dürfen nicht vier große Monopolisten bestimmen, was in Deutschland passiert, sondern bestimmen müssen 80 Millionen Bürger.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident! Wenn wir die heutige Rede von Horst Seehofer und aktuelle Beiträge von Seehofer, Söder und anderen in der CSU, aber auch aus der CDU und der FDP zur Energiepolitik, zur Atomkraft und zu erneuerbaren Energien vor einem halben Jahr gehört oder gelesen hätten, hätten wir gedacht: Wir träumen. Oder wir hätten vermutet, wir hätten die eine oder andere Maß des guten bayerischen Bieres zu viel zu uns genommen.
Wir dürfen in der Energie- und Atompolitik eine Zeitenwende, ein Drehen um fast 180 Grad erleben. Seehofer und Söder singen das Hohelied der erneuerbaren Energien und sprechen vom Standortfaktor und vom Wettbewerbsvorteil. Heute haben wir gehört, wie Sie, Herr Seehofer, wortwörtlich gesagt haben, es handle sich jetzt um ein einziges großes Konjunkturpaket. Das freut uns selbstverständlich, auch weil unsere jahrzehntelange Ansage, "Umwelt- und Klimaschutz als Standortfaktor" oder "Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben", endlich angekommen zu sein scheint.
Schön war es auch, erleben zu dürfen, wie in der Münchener Runde Herr Ministerpräsident Seehofer dem etwas verdutzten VBW-Chef Rodenstock erklärt hat, dass und weshalb die GRÜNEN schon immer recht gehabt haben.
Es war ein wunderbares Erlebnis, Herr Ministerpräsident, für das wir uns ganz herzlich bedanken dürfen.
- Ja, es war eine sehr nette Runde. Ihr heutiger Beitrag ist uns ein bisschen so vorgekommen: Sie predigen uns jetzt das, was wir Ihnen jahrelang gepredigt haben. Kollegin Bause hat vorhin zu mir gesagt: Der Saulus wird zum Paulus und erklärt dann den anderen wiederum die Religion. Das Bild passt doch ganz gut.
Spannend ist auch die Entwicklung zur Südschiene. Erst vor wenigen Wochen sind Sie lautstark aufgetreten und haben die Südschiene aufgekündigt. Sie wurde blitzschnell wiederbelebt. Ich darf aus "Spiegel online" zitieren, Herr Ministerpräsident. Dort heißt es:
Von wegen Ende der Südschiene und so, Seite an Seite mit Horst Seehofer, dem CSU-Kollegen aus München, macht der erste grüne Regierungschef der Republik mal eben einige zentrale Beschlüsse des schwarz-gelben Atomausstiegsplans rückgängig, mit demselben Seehofer, der noch zu Wochenbeginn das in der Nacht zuvor vereinbarte Koalitionskonzept bis ins Detail gepriesen und verteidigt hatte.
Herr Ministerpräsident, das heißt, Sie haben hier auf Herrn Kretschmann gehört. Sie sind ihm gefolgt, denn vorher haben Sie das Gegenteil verteidigt.
Im Konstrukt der Bundesregierung gab es einige ganz maßgebliche Fehler. Ein Fehler war vor allem das geplante blockweise Abschalten der noch am Netz verbleibenden neun Reaktoren in den Jahren 2021 und 2022. Dieser Fehler ist mit einem Stufenplan geheilt worden. Das Abschalten nach einem klaren Fahrplan ist gut für die Planungssicherheit und die Investitionssicherheit bei den erneuerbaren Energien, bei den Gaskraftwerken und anderen Energiequellen. Herzlichen Dank für dieses Lernen.
Wir hätten uns auch nicht träumen lassen, dass es beispielsweise einen DIW-Wochenbericht gibt, in dessen Überschrift "Chancen der Energiewende" steht. Die Überschriften der einzelnen Kapitel darf ich kurz zitieren. Die erste lautet: "Atommoratorium, keine Stromausfälle zu befürchten." Zweitens heißt es: "Die Lichter gehen nicht aus." Die dritte Überschrift lautet: "Ökonomische Chancen und Struktureffekte einer
nachhaltigen Energieversorgung." Viertens heißt es: "Öffnung des Strommarktes für erneuerbare Energien - das Netz muss besser genutzt werden." Der letzte Beitrag ist dann wie folgt überschrieben: "Atomausstieg - Deutschland kann ein Vorbild werden."
Das ist das, was ich mit der Zeitenwende und dem Umsteuern meinte. Man muss ganz klar festhalten Sie haben es vorhin selber angesprochen -: Auslöser für das Umdenken und Umsteuern in den Teilen der Politik und der Gesellschaft, die vorher dazu nicht bereit waren, waren sicherlich die tragischen Geschehnisse in Fukushima.
Wir GRÜNEN können uns alle allerdings auf die Fahne schreiben, dass wir das für den Umstieg notwendige Klima in jahrzehntelanger Kleinarbeit, Überzeugungsarbeit und in vielen Auseinandersetzungen geschaffen haben. Dieses Klima können wir uns schon auf die Fahne schreiben.
Eine unserer Wurzeln und tragenden Säulen ist und war bekanntlich der Kampf gegen die Atomenergie, wie sie von Leber, Schmidt und Strauß propagiert und gefördert worden ist, sowie der Kampf für Energiesparen und erneuerbare Energien.
Herr Ministerpräsident, ich hoffe, Sie korrigieren sich auch ziemlich schnell in folgendem Punkt; denn wir müssen auch gegen den eben zitierten Herrn Sinn und andere dieses Schlages dagegenhalten: Atomenergie ist auch nicht CO2-frei. Wir haben einen Ausstoß von ungefähr 30 bis 60 Gramm je Kilowattstunde. Das ist mit einem modernen gasbetriebenen Blockheizkraftwerk vergleichbar. Dieser CO2-Ausstoß hängt davon ab, dass erst einmal Uranerz abgebaut und aufgearbeitet werden muss. Es sind Transporte notwendig. Atom ist auch alles andere als eine heimische Energiequelle. Wir haben uns sehr hochgradig von fremden Quellen abhängig gemacht. Atomenergie ist alles andere als preiswert. Die Subventionierung ist schon angesprochen worden. Die Kosten werden auf andere Zeiten und auch auf andere Menschen abgewälzt.
Vor allem gibt es weiterhin die ungelöste Entsorgungsfrage. Der letzte Punkt - das war für Sie der Auslöser, umzudenken - sind Stör- und Unfälle, die nie auszuschließen sind und die einen katastrophalen Ausgang haben können. Tschernobyl und Fukushima sollten endlich Fanal genug sein.
von Menschen hatten endgültig ihre Heimat verloren. Zigtausende von Menschen sind von Gefahren für Leib und Leben bedroht. Herr Zeil, jetzt darf ich Sie ansprechen: Vor diesem Hintergrund verbieten sich Sätze, wie Sie sie vor wenigen Wochen noch gebracht haben, als Sie gesagt haben, Atomausstieg und Energiewende dürften auf keinen Fall zulasten der Lebensqualität gehen. Vor dem Hintergrund der Bilder, die wir gesehen haben, und dessen, was die Menschen in Japan erlebt haben, ist ein solcher Satz schlicht und ergreifend zynisch.