Protocol of the Session on June 9, 2011

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich nach den markigen Worten und den Beiträgen der Opposition ein paar Punkte vorausschicken. Erstens. Wir haben in Bayern ein hervorragendes Wahlrecht, in meinen Augen das beste Wahlrecht in der Bundesrepublik Deutschland, ein Wahlrecht, das garantiert, dass die Bezirke vertreten sind, weil es Wahlkreise

und keine einheitliche Landesliste gibt. Zweitens. Eine Landtagswahl eignet sich nicht für politische Sandkastenspiele oder rechtliche Experimente.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Wenn ich Ihren Beitrag, Kollege Meyer, werte, dann muss ich sagen, das läuft nach dem Motto: "Probieren wir mal, ob es passt und warten, was das Verfassungsgericht sagt."

(Alexander König (CSU): Unverantwortlich!)

Das ist keine verantwortliche Politik. Über diese Rechtsunsicherheit kann Ihnen auch keine Anhörung im Bayerischen Landtag hinweghelfen, weil auch die keine rechtliche Klarheit bringen wird. Das ist nicht verantwortlich!

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Mein Fazit lautet deswegen, die Anpassung der Verteilung der Abgeordnetenmandate auf die Wahlkreise, also auf die bayerischen Bezirke, ist keine politische Entscheidung, sondern eine verfassungsrechtlich notwendige Reaktion. Es ist deshalb schade, dass die Opposition das Angebot nicht nutzt, gemeinsam zu handeln, sondern das Ganze für billige Polemik missbraucht.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Zuruf der Ab- geordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD) - Unruhe bei der SPD)

Verfassungsrechtlich notwendig ist das Ganze, weil die Stimme jedes bayerischen Bürgers annähernd das gleiche Gewicht haben muss.

(Zuruf des Abgeordneten Bernhard Roos (SPD))

Die Zahl der Abgeordneten in den Wahlkreisen muss deshalb der Bevölkerungsentwicklung angepasst werden. Ich glaube, es ist ein völlig verfehlter Ansatz, wenn man meint, über die Mandatszahl Politik für den ländlichen Raum machen zu können. Diese Politik ist wichtig, aber der Ansatz muss woanders sein.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Ale- xander König (CSU))

Wir sollten uns als Politiker auch nicht so wichtig nehmen. Die Menschen ziehen nicht weg, weil es in Oberfranken künftig 16 statt 17 Volksvertreter gibt. Sie ziehen weg, weil sie keine Arbeit finden, die Schule oder der Arzt fehlt. Da müssen wir ansetzen, und da setzt die Staatsregierung längst an.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Christa Stei- ger (SPD): Ach was! - Unruhe bei der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Es gibt also sehr wohl sachliche, zwingende Gründe, eine Anpassung vorzunehmen. Es gibt auch zwingende Gründe, dass Oberbayern zusätzliche Mandate erhalten muss. Gestaltungsspielräume gehören in das Reich der Phantasie. Damit ist allerdings nicht gesagt, auch das möchte ich betonen, wie das Ganze vorzunehmen ist. Ich danke hier dem Bayerischen Staatsminister des Innern ausdrücklich, dass er gesagt hat, das Ganze sei eine Diskussionsgrundlage. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass in den Ausschüssen ergebnisoffene Diskussionen geführt werden müssen.

Es gibt natürlich gute Gründe für die vorgeschlagenen Stimmkreiszuschnitte. Selbstverständlich sind aber immer auch andere Lösungen denkbar. Augenfällig wird das ganz deutlich im Wahlkreis Oberbayern, wo die Begründung zum Gesetzentwurf selbst Argumente anführt, warum in den neu zu bildenden Stimmkreis Neuburg-Schrobenhausen zu integrierende Gemeinden nicht aus dem Landkreis Pfaffenhofen - hier sind das die Gemeinden Hohenwart, Gerolsbach und Scheyern -, sondern aus dem Landkreis Eichstätt herausgelöst werden müssen. Wir müssen eine ergebnisoffene Diskussion führen. Frau Kollegin Tausendfreund, es kann deshalb keine Rede davon sein, dass irgendetwas weggewischt worden ist.

Wir sind am Anfang der Diskussion, wir sind in der Ersten Lesung. Klar sind nur die Eckpunkte, nach denen das vorzunehmen ist. Die Eckpunkte aber sind für mich zwei ganz zentrale Punkte. Das Erste ist eine möglichst geringe Abweichung der Bevölkerungszahl vom Wahlkreisdurchschnitt - das haben Sie angesprochen -, um möglichst gleich große Stimmkreise zu bekommen. Das wird nie ganz genau gelingen, aber man sollte möglichst nahe an dieses Ziel kommen wollen. Das Zweite ist eine sachliche Verbindung, eine Zusammengehörigkeit in einem Stimmkreis. Eine solche sachliche Verbindung ergibt sich in erster Linie, aber nicht ausschließlich, durch die Landkreisgrenzen. Sie ergibt sich keinesfalls aufgrund einer Verbindung, die durch politische Wünsche entsteht. Eine solche Verbindung wollen wir nicht, der werden wir auch nicht das Wort reden.

Es ist schon bezeichnend, Herr Kollege Schindler, dass Sie sich in Ihrem Beitrag zum Stimmkreiszuschnitt mehr mit den Sünden der Vergangenheit als mit dem aktuell vorliegenden Gesetzentwurf beschäftigt haben. Das zeigt, dass dieser Entwurf, und das meine ich, eine gute Diskussionsgrundlage ist. Auf dieser Diskussionsgrundlage werden wir entscheiden.

Abgeschlossen ist die Diskussion über das Wie dieser Reform noch lange nicht.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Thomas Mütze, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung der Bayerischen Bauordnung (Drs. 16/6309) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Erste Rednerin für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist Frau Christine Kamm. Sie haben das Wort, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Klimaschutz ist eine existenzielle Aufgabe, und die energetische Sanierung unseres Gebäudebestandes ist hierfür von grundlegender Bedeutung. Viele Bürgerinnen und Bürger investieren beträchtliche Eigenmittel, um ihre Gebäude möglichst optimal zu sanieren. Auch der Staat leistet hierbei über die KfW-Förderprogramme erhebliche Unterstützung.

Es sollte selbstverständlich sein, dass den Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Immobilien energetisch sanieren wollen, keine bürokratischen Hemmnisse und Steine in den Weg gelegt werden, wie sie momentan in den Bauabstandsflächen-Regelungen der Bayerischen Bauordnung zu finden sind. Die Bayerische Bauordnung sieht vor, dass Abstandsflächen entweder auf dem Grundstück selbst liegen müssen oder, sollte dies nicht möglich sein, der Nachbar gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schriftlich, aber nicht in elektronischer Form, zustimmen muss. Hierbei muss der Nachbar auf die Inanspruchnahme dieser Flächen künftig verzichten. Diese Regelungen im Baugesetzbuch machen Sinn, wenn es sich um normale Bauvorhaben handelt. Wenn es sich aber nur um die Anbringung einer Außendämmung handelt, dann sind sie fragwürdig und führen zu höchst abstrusen Ergebnissen. Ich kenne Gebäude, die sind aus diesem Grund

an drei Seiten energetisch saniert, an einer Seite jedoch nicht. So kann es nicht sein. Es darf nicht sein, dass durch solche Regelungen wichtige Energiesanierungsmaßnahmen blockiert bzw. verhindert werden. Insbesondere in Baugebieten, in denen mit den Abstandsflächen genau geplant worden ist und diese ausgeschöpft worden sind, ist die Anbringung von Dämmmaterialien kaum möglich.

Gegenwärtig gehen Hausbesitzer, Nachbarn und auch manche Bauämter in den Gemeinden mit der Problematik höchst unterschiedlich um. Einige verfahren nach dem Motto: "Das ignorieren wir nicht einmal"; andere nehmen es ganz genau - zulasten energetisch optimaler Sanierungen.

Um diesen Zustand - rechtliche Grauzone mit unklaren Folgewirkungen - möglichst rasch zu beenden, schlagen wir Ihnen vor, die Bayerische Bauordnung zu ergänzen, das heißt, in Artikel 6 Absatz 8 die Ausnahmetatbestände bei der Bemessung von Abstandsflächen um den Punkt "Fassaden- und Dachaußendämmungen", wenn diese der energetischen Sanierung dienen, zu erweitern. Das ist ein höchst unbürokratischer, pragmatischer, einfacher, klarer Vorschlag, der von Ihnen von heute auf morgen realisiert werden könnte und die nötige Klarheit schaffen würde.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, man kann Ihnen nicht vorwerfen, Sie hätten das Problem nicht erkannt. In dem von Ihnen eingebrachten Antrag, Drucksache 16/7789, legen Sie Ihre Auffassung dar, der Bundesgesetzgeber müsse tätig werden und das Bundesbaurecht ändern, damit das Problem gelöst werden könne. Ich kenne leider keine entsprechenden Initiativen des Bundesbauministeriums. Auch habe ich keine Antwort auf die Frage erhalten, wann auf Bundesebene tatsächlich eine entsprechende Novelle des Bundesbaugesetzbuches zustande komme und wann die Baunutzungsverordnung geändert werde. Momentan findet man weder auf den Internetseiten des Bundesbauministeriums noch in anderen Verlautbarungen die Ankündigung, dass diesbezüglich gehandelt werde.

Ich bitte Sie daher: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! Handeln Sie hier und heute, schaffen Sie möglichst rasch Rechtssicherheit und Klarheit für die Bürgerinnen und Bürger, bauen Sie Bürokratie ab! Handeln Sie jetzt!

Falls auch der Bundesgesetzgeber handelt, wäre die Änderung der Bayerischen Bauordnung keineswegs hinderlich; vielmehr würde die rechtliche Grundlage dadurch ergänzt.

Also: Tun Sie sofort etwas und schieben Sie die Verantwortung nicht nach Berlin. Es ist unklar, wann von dort entsprechende Verbesserungen zu erwarten sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die CSU-Fraktion darf ich nun Herrn Kollegen Dr. Otmar Bernhard an das Redepult bitten.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! In der Tat sind wir uns über das Thema Klimaschutz insoweit einig, als wir Hemmnisse, die der Erreichung dieses Ziels hinderlich sind, beseitigen wollen. Der Bund entwickelt im Moment alle möglichen Vorstellungen zu dem Thema; gedacht ist an Abschreibungsregelungen und andere Maßnahmen.

Es ist in der Tat so, dass in dem vor 1985 errichteten Gebäudebestand sehr großes Potenzial für die energetische Sanierung, übrigens auch für die Verminderung des CO2-Austoßes, steckt. Jetzt stellt sich die Frage nach dem richtigen Weg. Frau Kollegin Kamm, Sie haben die unterschiedliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Land schon angesprochen.

Frau Kamm, Sie und Ihre Fraktion streben eine Änderung der Bayerischen Bauordnung an. Wir sind der Meinung, dass das nicht der richtige Ansatz ist, weil eine solche Änderung leerliefe. Das Bauen auch in diesem Bereich ist weitgehend durch bundesrechtliche Vorschriften oder durch solche Vorschriften, die auf der Grundlage von Bundesrecht ergangen sind, geregelt. Denken Sie nur an den Bebauungsplan und die Punkte überbaubare Grundstücksflächen, Baulinien, Baugrenzen, Maß der baulichen Nutzung, Gebäudehöhe. All das beeinflusst Abstandsflächenregelungen und geht insoweit dem Bauordnungsrecht des Landes vor.

Es hat aus unserer Sicht keinen Sinn, jetzt in Bayern eine Regelung zu treffen, die wir dann möglicherweise doch wieder anpassen müssten. Übrigens sagt uns die Oberste Baubehörde, dass es nicht viele Fälle gibt, in denen die Wärmedämmung an den genannten Problemen gescheitert ist. Ausnahmen bzw. Befreiungen können schon mit dem gegenwärtigen Instrumentarium erlassen werden.

Wir haben einen Antrag eingebracht - Frau Kamm, Sie haben es erwähnt -, dessen Kernforderung darin besteht, dass sich die Staatsregierung beim Bund dafür einsetzt, dass sowohl das Baugesetzbuch als auch die Baunutzungsverordnung entsprechend anpasst werden, damit das Problem möglicher Abwei

chungen von den Abstandsflächen bei Außensanierungen gelöst werden kann. Aber auch die Frage der Ermittlung der Geschoss- und der Grundflächen spielt hier eine Rolle; alles hängt miteinander zusammen. Eine geringfügige Überschreitung der Grundstücksgrenzen durch Maßnahmen der Außenwärmedämmung darf keine Rückwirkungen auf die Bauweise in diesem Gebiet haben. Das alles ist wichtig. Aber nur der Bund kann das regeln, und der Bund soll das regeln.

Frau Kamm, Sie haben Zweifel geäußert, ob der Bund in nächster Zeit das Baugesetzbuch ändern werde. Ich sage: Er wird es ändern. Es gibt, soweit ich weiß, schon einen Referentenentwurf. Im Rahmen der Energiewende wird das Baurecht des Bundes in nächster Zeit ohnehin geändert. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, in dem die Staatsregierung aufgefordert wird, entsprechend tätig zu werden, damit dieses Detailproblem bei einer Änderung des Baugesetzbuches des Bundes berücksichtigt wird.

Ich wiederhole: Wir haben durchaus nicht unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der Frage, ob eine Regelung für Überbauungen, die durch Maßnahmen der Wärmedämmung entstehen, notwendig ist. Wir unterscheiden uns aber, was den Weg angeht. Für sinnvoller halten wir insoweit eine Änderung des Baugesetzbuches des Bundes und der Baunutzungsverordnung.

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ich bin schon am Ende meines Redebeitrags; ich habe unsere Meinung ganz klar dargestellt.

Dann leiten wir zu einer Zwischenbemerkung über?

Es ist schön, wenn jemand eine Meinung hat; es stellt sich bloß die Frage, ob sie weiterführt.

Das eine: Kennen Sie tatsächlich Befreiungsregelungen im Rahmen der jetzigen Rechtslage? Was ich kenne, ist lediglich, dass man das Problem schlichtweg ignoriert - mit unklaren Folgen. Eine richtige Befreiungsregelung für die Außendämmung, wenn es um die Bemessung der Abstandsflächen geht, müssten Sie mir zeigen.

Das andere: Wieso wurde Artikel 6 der Bayerischen Bauordnung mit seinen Ausnahmetatbeständen überhaupt geschaffen? Warum unterfallen andere Tatbestände der Ausnahmeregelung, nicht jedoch die Au

ßendämmung? Weshalb regelt man diesen Tatbestand nicht genauso?