Protocol of the Session on May 17, 2011

Zum anderen möchte ich darauf hinweisen, dass Sie in Ihrem Antrag die Situation in Augsburg und die Situation in Bayern völlig vermischen. Beides ist aber sorgfältig zu trennen. Wenn Sie den Bericht, der im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes gegeben worden ist, gelesen hätten, hätten Sie auch erkannt, welche regionalen Besonderheiten am Amtsgericht Augsburg bestanden haben. Das war eben nicht nur Personalmangel in besonders hohem Maß, sondern eben auch die Art der Organisation, die arbeitsteilige Organisation in der Geschäftsstelle, die arbeitsteilige Organisation im Gericht insgesamt. Es ist schnell Abhilfe geleistet worden. In kürzester Zeit wurde zusätzliches Personal nach Augsburg geschickt. Dem Amtsgericht Augsburg wurde eine Orga

nisationsberatung angeboten, und die Rückstände konnten aufgearbeitet werden.

Davon zu trennen ist die Situation in Bayern insgesamt. Ja, es ist richtig, dass unsere Richterinnen und Richter, unsere Staatsanwälte unter äußerster Belastung arbeiten. Ja, es ist richtig, dass unsere Justiz vor allem deshalb so gut funktioniert, weil unsere Richter hoch engagiert sind, weil sie eine hoch motivierte Truppe sind und weil sie hervorragende Arbeit leisten. Dafür verdienen sie Respekt und Anerkennung.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der SPD: Davon können sie sich nichts kaufen!)

Es ist aber auch richtig, dass innerhalb der letzten fünf Jahre die Belastung zurückgegangen ist. Das ist kein Grund, sich zurückzulehnen. Wir wissen, dass 385 Stellen für Richter und Staatsanwälte fehlen. Wir wissen, dass 160 Rechtspfleger fehlen. Wir wissen auch - ich sage das für Sie, Kollege Streibl, weil Sie das offensichtlich im Ausschussprotokoll nicht nachgelesen haben -, dass 30 bis 50 Service-Stellen fehlen. Das steht nämlich im Bericht. All das ist nicht zufriedenstellend. Richtig ist aber auch, dass die Koalition handelt. Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass 400 neue Stellen in der Justiz geschaffen werden. Davon sind 234 Stellen bereits umgesetzt. Der Großteil dieser Stellen kam dem Strafvollzug zugute. Für die FDP-Fraktion bedeutet das in der Konsequenz, dass nun vor allem Richter und Staatsanwälte eingestellt werden müssen. Die restlichen 200 Stellen müssen baldmöglichst realisiert werden.

Wir haben in den Haushaltsberatungen Klartext geredet. Die Justiz braucht Verstärkung. Die Staatsministerin kann sich hierbei auf die Unterstützung der FDP verlassen.

(Beifall bei der FDP - Dr. Paul Wengert (SPD): Oje!)

Zum Abschluss dieser Debatte darf ich Frau Staatsministerin Dr. Merk das Wort erteilen.

Herr Präsident, Hohes Haus! Wenn ich hier "Oje" höre, muss ich feststellen, dass Sie einfach nicht hinhören wollen. Das finde ich einfach erbärmlich.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Das galt dem Vorredner!)

Ich möchte eines sagen: Herr Kollege Güller, wer macht es sich einfach, derjenige, der fordert und sich keine Gedanken darüber macht, wie ein Haushalt finanziert wird, oder derjenige, der einerseits einen

ausgeglichenen Haushalt will, sich aber andererseits auch Gedanken darüber macht, wie man einen solchen Haushalt erreicht?

(Beifall bei der CSU und der FDP - Christa Naaß (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Wir konnten diesen ausgeglichenen Haushalt deshalb erreichen, weil wir keine neuen Stellen geschaffen haben, außer bei der Bildung. Im Übrigen haben wir diesmal darauf verzichtet. Es stimmt nicht, dass ich die Situation der Justiz in irgendeiner Weise schöngemalt oder schöngeredet hätte. Wir sind nicht auf Rosen gebettet. Das haben wir in den Berichten, die Ihnen rechtzeitig gegeben wurden, ganz deutlich gemacht.

Der Bericht, den Herr Küspert gegeben hat, war umfassend; denn er ist der für dieses Thema zuständige Referent. Dieser Bericht wurde auch unverzüglich gegeben; denn es wurde verlangt, dass vor den Haushaltsberatungen berichtet wird. Auf der einen Seite wird geschimpft, dass der Bericht zu schnell gegeben wurde, auf der anderen Seite wurde verlangt, dass er schnell kommt. Das sind Forderungen, die nicht miteinander vereinbar sind.

(Harald Güller (SPD): Geben Sie zu, dass nicht ich es war, der gesagt hat, dass der Bericht zu schnell vorgelegt wurde?)

- Ich habe Sie hier auch nicht genannt.

Sie sagen, Augsburg sei überall. Man kann seriös sagen: Augsburg ist überall; denn Augsburg liegt im Durchschnitt. Hier gab es aber eine besondere Situation, wie wir gerade gehört haben. Dort sind Krankheitsfälle in erhöhtem Maße aufgetreten. In solchen Fällen bekommt ein Gericht ein Problem. Das ist vollkommen klar. Wir haben - das muss man auch sagen - keinen Pool, aus dem wir beliebig schöpfen könnten, um krankheitsbedingte Ausfälle zu ergänzen. Ein solcher Pool wäre schön, aber wir haben keinen. Wir haben aber zum Beispiel IT-Beauftragte, die die Einführung neuer Systeme vor Ort begleiten.

Ich habe mit einer Menge Richtern an unterschiedlichsten Gerichten gesprochen. Wenn ein solches neues System eingeführt wird, gibt es Schwierigkeiten. Gerade am Anfang ist es manchmal tatsächlich langwieriger, eine Arbeit am Computer zu erledigen statt sie von Hand zu machen. Schließlich sind unsere Leute geschickt und können mit Formblättern arbeiten. Bei der Einführung eines neuen Systems gibt es also in fast jedem Gericht Schwierigkeiten. Es hilft auch gar nichts, von irgendwoher andere Richter zu holen. Die Richter vor Ort müssen das neue System verinnerlichen. Sie werden dabei begleitet.

Herr Güller, jetzt komme ich wieder zu Ihnen: Sie haben von einem Systemfehler gesprochen und damit das OLG gemeint. Sie wissen ganz genau, dass ich dem OLG in dieser Richtung keine Vorhaltungen machen dürfte. Das ist meines Erachtens auch gar nicht nötig; denn ich habe gestern mit dem Präsidenten des Oberlandesgerichts München gesprochen. Er hat ganz klar gesagt, bei der Einführung solcher Systeme würden die organisatorischen Vorschläge selbstverständlich von den Vertretern des Oberlandesgerichts intensiv begleitet. Auch diesen Vorwurf muss ich deshalb schlichtweg zurückweisen.

(Harald Güller (SPD): Warum wurde das Referat dann trotzdem aufgelöst?)

Ich komme damit zum Amtsgericht Wolfratshausen. Dort gab es zum 31. Dezember bei der Richterschaft tatsächlich eine Arbeitsbelastung von 144 %. Lassen Sie mich bitte auch sagen, warum dies der Fall war. Der dortige Direktor war sehr schwer krank und ist dann verstorben. Zum neuen Jahr wurde deshalb eine neue Direktorin eingesetzt, sodass sich die Situation bei den dort tätigen sieben Richtern dramatisch entkrampft hat. Das sind Fälle, mit denen wir leben müssen. Als frühere Beamtin sage ich Ihnen, dass man solche Fälle über einen gewissen Zeitraum auffangen muss. Wenn das nicht möglich ist, hat sich das OLG noch immer in der Lage gesehen, Abhilfe zu schaffen und zu helfen.

In Wolfratshausen haben wir auch Krankheitsfälle. Der dortige Servicebereich ist jedoch nicht überlastet. Die Arbeitsbelastung liegt dort bei 114 %, der Landesdurchschnitt liegt bei 103 %. Meine sehr verehrten Damen und Herrn, mit einer Arbeitsbelastung von 103 % kann man leben. Dass sich die Belastung in einzelnen Bereichen auch einmal hochschrauben kann, ist klar. Hier haben wir aber, wie gesagt, die Möglichkeit, über das Oberlandesgericht Abhilfe zu schaffen.

Natürlich stammt die Personalverstärkung, die wir nach Augsburg gegeben haben, aus dem vorhandenen Personal. Wir wollen aber den Koalitionsvertrag erfüllen und werden uns massiv dafür einsetzen, dass die zweite Tranche auf den Bereich der Richter und Staatsanwälte bezogen wird. Das haben Herr Kollege Dr. Fischer und Herr Kollege Dr. Rieger sehr deutlich gesagt. Zusätzliche Stellen, die wir aufgrund der Rechtsprechung im Vollzug benötigen werden, haben mit diesen 400 Stellen gar nichts zu tun. Dies ist etwas Außergewöhnliches, was außerhalb dieser Tranche angegangen werden muss.

In den Jahren 2006, 2007 und 2008 haben wir bei der Richterschaft eine deutliche Entspannung erreicht.

Wir werden uns dafür einsetzen, dort noch weitere Entspannungen zu erreichen. Klar ist, wir wollen Situationen mit einer Arbeitsbelastung in der Größenordnung von 140 % nicht haben. Die Regierungskoalition wird daran arbeiten, solche Situationen zu verhindern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 16/7123 - das ist der Tagesordnungspunkt 13 - abstimmen. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/8442 die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Frau Kollegin Dr. Pauli. Wer möchte diesem Antrag nicht zustimmen? - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der SPD auf der Drucksache 16/7132. Das ist der Tagesordnungspunkt 14. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/8426 wiederum die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Frau Kollegin Dr. Pauli. Wer möchte diesen Antrag ablehnen? - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Enthaltungen? - Keine. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die

Tagesordnungspunkte 15 bis 19 auf:

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) S-Bahn München - Einsatz von Langzügen in der Hauptverkehrszeit (S-Bahn München 2010 I) (Drs. 16/3225)

und

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

S-Bahn München - 10-Minuten-Takt auch am Freitagnachmittag (S-Bahn München 2010 II) (Drs. 16/3226)

und

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) S-Bahn München - Taktlücken in den späten Nachtstunden schließen (S-Bahn München 2010 III) (Drs. 16/3227)

und

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) S-Bahn München - Durchgehende Bedienung in den Nächten vor Feiertagen und an Wochenenden (S-Bahn München 2010 IV) (Drs. 16/3228)

und

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) S-Bahn München - Einsatz von Vollzügen in den Nachtstunden (S-Bahn München 2010 V) (Drs. 16/3229)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Der erste Redner ist der Vorsitzende der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Herr Kollege Dr. Runge. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Anlass für uns, diese Anträge ins Plenum hochzuziehen, war das unselige Argumentations- und Abstimmungsverhalten einer Mehrheit im Haushaltsausschuss vor wenigen Wochen. Nachdem jetzt aber signalisiert worden ist, dass die genannte Mehrheit doch gerne wieder den Beschlussempfehlungen des federführenden Wirtschaftsausschusses zustimmen will, sind wir etwas milder gestimmt. Es handelt sich um fünf Anträge, die der Präsident dankenswerterweise schon vorgetragen hat. Ich gehe sie ganz schnell der Reihe nach durch.

Mit dem ersten Antrag auf Einsatz von Langzügen in der Hauptverkehrszeit fordern wir die Staatsregierung auf, dafür zu sorgen, dass in der Hauptverkehrszeit dort, wo es die Gleis- und Bahnsteigkapazitäten erlauben, Langzüge eingesetzt werden. Primär haben wir die Linien genannt, auf denen es besonders voll ist und auf denen nicht mehr als ein 20-Minuten-Takt angeboten werden kann.

Mit dem zweiten Antrag fordern wir, dass dort, wo der 10-Minuten-Takt angeboten wird, dieser auch am Freitagnachmittag gefahren wird. Der Gedanke, am Freitagnachmittag sei weniger los, passt nicht mehr in die heutige Zeit. Das zeigen die Erfahrungen, und das zeigen auch die Fahrgastzahlen.

Der dritte Antrag fordert, die Taktlücken in den späten Nachtstunden zu schließen. Es ist alles andere als erfreulich, wenn ein Ehepaar abends mit der S-Bahn ins Theater oder ins Konzert fährt, bei der Rückfahrt aber 40 Minuten warten muss. Die fahren beim nächsten Mal nicht mehr mit der S-Bahn.

Mit dem vierten Antrag fordern wir die durchgehende Bedienung in den Nächten vor Feiertagen und an Wochenenden. Das klingt viel dramatischer, als es ist. Der Betriebsschluss ist zur Zeit etwa um zwei Uhr nachts. Zwischen vier Uhr und fünf Uhr geht es aber schon wieder los. Die durchgehende Bedienung würde bei einer stündlichen Bedienung zwei oder drei Züge mehr je Tag bedeuten.

Mit dem fünften und letzten Antrag fordern wird, dass auch in den späten Abendstunden Vollzüge eingesetzt werden. Für ältere Menschen ist es nicht besonders angenehm, über einen längeren Zeitraum im Zug stehen zu müssen.

Ich komme zur Frage, warum wir uns hier für die Münchner S-Bahn einsetzen. Es wird immer argumentiert, nach München fließe ohnehin so viel Geld. Ich nenne nur die schöne Zahlenreihe 20, 40, 60 oder 60, 40, 20. Wir geben weniger als 20 % unserer Bestellgelder für die S-Bahn München aus. Dafür werden aber 40 % der Personenkilometerleistung im gesamten bayerischen Schienenpersonennahverkehr erbracht und 60 % der Fahrgäste befördert. Dies erklärt schlicht und einfach das Prinzip Sardinenbüchse, mit dem wir es zurzeit zu tun haben.

Zum ersten Antrag. Man muss sich nicht wundern, wenn von Engpässen auf der Stammstrecke gesprochen wird, wenn man gleichzeitig zu hören bekommt, dass drei Viertel aller Züge in der Hauptverkehrszeit keine Langzüge sind. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es macht keinen Sinn, auf milliardenschwere Investitionen zu hoffen, die vielleicht in 10, 15 oder 30 Jahren greifen. Wir müssen jetzt schon für Verbesserungen sorgen. Soweit solche Verbesserungen möglich sind, sollten wir sie auch anschieben.