Protocol of the Session on March 17, 2011

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn ich mir heute Ihre Erklärungen anhöre, und das ist das Ärgerliche daran, dann muss ich feststellen: Sie, Herr Staatsminister Söder, waren mit mir in der Enquete-Kommission "Mit neuer Energie ins nächste Jahrtausend". Sie hätten daraus Ihre Schlüsse ziehen können. Was haben Sie und Ihre glorreiche Fraktion aber gemacht? - Alle Anträge, die wir gestellt und die letzten Endes Wissenschaftler erarbeitet haben, haben Sie mit dem Hinweis heruntergebügelt: Das braucht es nicht, das machen wir schon, das ist schon erledigt.

Herr Kollege Wörner, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Professor Dr. Barfuß gestatten?

Das machen wir im Nachgang, Herr Kollege.

Dann fahren Sie bitte fort.

Ich darf Sie daran erinnern, dass all diese Anträge abgelehnt wurden. Wenn Sie heute davon reden, dass erst neue Pläne erarbeitet werden müssten, dann rate ich Ihnen, greifen Sie doch in die Schublade. Wir haben diese Pläne, wir haben sie zehn Jahre lang hier gepredigt und darüber diskutiert. Sie haben sie abgelehnt. Rutschen Sie endlich vom Schoß der Energieerzeuger herunter, machen Sie eigenständige Politik, die nicht von der Philosophie der Kernenergie geprägt ist, gehen Sie mit uns den Weg in eine regenerative Zukunft.

(Beifall bei der SPD)

Wir könnten das längst zum großen Teil erledigt haben. Das haben Sie aber bisher verhindert.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt, angesichts der Debatte, wachen Sie auf.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

- Lieber Herr Sinner, ausgerechnet Sie waren in dieser Zeit, als die CSU das alles verhindert hat, Staatsminister. Trotzdem trauen Sie sich heute, etwas dazu zu sagen? - Mit welcher Chuzpe trauen Sie sich

heute, das zu sagen? Mit welcher Chuzpe trauen Sie sich heute überhaupt, hier den Mund aufzumachen?

(Eberhard Sinner (CSU): Ich habe Sie etwas gefragt!)

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass Herr Kollege Blume, der nicht anwesend ist, anlässlich einer Diskussion mit Herrn Kollegen Reiß gesagt hat, die Debatte um die Kernenergie komme ihm vor wie der Film: "Und täglich grüßt das Murmeltier". - Guten Morgen, ihr Schnarchzapfen, sage ich heute.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es gäbe hier viele Zitate anzuführen. Auch ein Herr von Lerchenfeld hat sich hier hervorgetan - im Moment muss er sich dort hinten mit einer Kollegin unterhalten, das ist jetzt wichtiger, das kann ich verstehen - und hat uns kritisiert, weil wir darauf hingewiesen haben, dass in Schleswig-Holstein mit einem Kernkraftwerk etwas nicht in Ordnung sei. Herr Kollege von Lerchenfeld, heute regen Sie sich über Japan auf. Japan ist aber viel weiter weg. Hätten Sie damals nicht Kritik geübt, sondern uns ernst genommen, dann wären wir heute auch hier einen Schritt weiter.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, mit Ihrer unsäglichen Atomenergie haben Sie die Menschen in Bayern in die Irre geführt. Sie waren die Ideologen der Sicherheit, des Festhaltens, des Herunterspielens und des Negierens von Gefahren.

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Schon wieder eine rückwärtsgewandte Rede!)

Wissen Sie, wenn das ein Wirtschaftspolitiker macht, dann sage ich mir: Nichts Besseres hat er gelernt, er will halt Geld verdienen. - Wenn das aber ein Umweltpolitiker macht, dann wird es schwierig. Herr Kollege Hünnerkopf, ich kann es Ihnen nicht schenken: Auch Sie haben erst kürzlich gesagt: Ich bin stolz, dass wir in Bayern Atomkraftwerke haben. - Sagen Sie das auch noch heute? Sagen Sie heute wirklich noch, dass Sie darauf stolz sein können? - Ich sage Nein.

(Alexander König (CSU): Ein echter Wörner-Zynismus!)

Kolleginnen und Kollegen, als wir festgestellt haben, dass es einen Riss in Grafenrheinfeld gibt, der im Nachhinein gemeldet wurde, wurde aus dem Riss ein Ereignis. Aus dem Riss wurde ein Ereignis, bei dem man nicht einmal die Dynamik feststellen konnte, obwohl man wusste, dass der Riss immer größer wurde.

Die Schweizer haben das entsprechende Teil ausgetauscht. Wir sagen: Na ja, ein wenig hält es schon noch. Würden Sie das heute auch noch sagen? Auch dem Staatsministerium muss man noch einmal sagen: Rutschen Sie herunter vom Schoß der Kernenergieerzeuger! Rutschen Sie von Ihrer Ideologie herunter und glauben Sie nicht mehr alles, was Ihnen zum Beispiel der TÜV sagt, wenn Ihnen bei dem Gutachten des Bundes bescheinigt wird,

(Karl Freller (CSU): Herr Wörner, Sie sind Jahre hinterher!)

dass der TÜV zu nahe an den Energieerzeugern ist. Das können Sie gern nachlesen. Angeblich hat das Umweltministerium das nicht; sonst haben Sie aber doch auch alles. Ich kann es Ihnen gern zur Verfügung stellen.

(Christa Naaß (SPD): Wo ist eigentlich Herr Söder?)

- Ich weiß nicht, wo er hingegangen ist.

Möglicherweise ist Herr Söder bekehrt, darf aber nicht das sagen, was er sagen will, da immer noch der Einfluss von Herrn Wiesheu und Herrn Huber besteht, den Ewiggestrigen der Atomlobby, die heute und gestern in ihrer Fraktion wieder zu sagen versucht haben, wo es langgeht. Ich darf Sie daran erinnern, Herr Ministerpräsident und Herr Söder, auch wenn Sie nicht anwesend sind, dass Sie mit Mühe im Landesentwicklungsprogramm vor wenigen Jahren einen weiteren Kernkraftwerksstandort in der Nähe von Rosenheim gestrichen haben, den Herr Wiesheu immer noch mit einem Gutachten belegen wollte.

(Erwin Huber (CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

- Er wollte das, natürlich! Professor Voß hat ihm das Gutachten geschrieben. Das Gutachten gibt es, das können Sie gern nachlesen. Herr Huber, dass Sie manches nicht mehr wissen, ist von anderen Ebenen her bekannt.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und den GRÜ- NEN)

Da müssen Sie sich heute überhaupt nicht so gerieren, denn über Sie muss man wirklich das Mäntelchen des Vergessens decken, und das möglichst bald und schnell. Sie haben diese Schäden, vor denen wir heute stehen, mit angerichtet und mitgetragen.

(Hubert Aiwanger (FW): Für das Protokoll: Der Ministerpräsident lächelt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen seit langer Zeit den Ausstieg und den Umstieg. Wenn Sie unserem Ausstiegsszenario gefolgt wären und es nicht verändert hätten - fahrlässig, wissentlich, willentlich -, dann müssten wir heute nicht diskutieren.

(Zuruf des Abgeordneten Karl Freller (CSU))

- Zu Ihnen komme ich noch einmal gesondert beim Saatgut, denn Sie machen die Büchse der Pandora ja schon wieder auf. Mein lieber Mann, was Sie sich leisten, ist klasse. Das gefällt mir wirklich gut.

Meine Damen und Herren, wir wollen einen Ausbau, wie schon immer gefordert: Windkraft, aber nicht tausend Windräder, wie Herr Söder das schon wieder in einem Schreckensszenario darstellt. - Schmarrn! Wir brauchen einen vernünftigen Energiemix, in dem Windkraft eine angemessene Rolle spielt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Söder geht natürlich zwangsläufig immer nur von seiner Ideologie aus. Sie lautet: Mit 62 % Kernenergie sind wir gut dabei. Wenn er dieses in ein einzelnes Segment der regenerativen Energien übernimmt, muss man sich nicht wundern, dass für Bayern tausend Windräder herauskommen. Wir sagen: Biomasse und Landschaft, wir sagen: Pumpspeicherkraftwerke - im Übrigen ein schönes Thema. Wir haben hier den Bau des Pumpspeicherkraftwerkes gefordert und gefordert, Positionen in das Landesentwicklungsprogramm aufzunehmen, wo diese gebaut werden können. Wer hat das abgelehnt? Sie waren es doch! Nicht wir, Sie. Wir haben es vorgeschlagen, Sie haben es abgelehnt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Karl Freller (CSU): Das entspricht nicht der Wahrheit!)

Wir wollen die regenerativen Energien stärken und fördern, aber wir müssen zeitgleich sparen. Das heißt, wir dürfen nicht die Mittel für die energetische Sanierung streichen, wie Sie es beim Wohnungsbau gemacht haben, und gnadenlos herunterfahren. Das waren Sie und Herr Ramsauer in diesem Haushalt. Schauen Sie nach, Herr Ministerpräsident. Sie müssen gar nicht so schauen. Wenn Sie Ihren Haushalt im Entwurf nicht kennen, ist das Ihr Problem, nicht meines. Ich sage Ihnen: Wir haben das nachgerechnet und Sie haben es abgelehnt. Wir brauchen mehr Geld, um sicherzustellen, dass diese Maßnahmen sofort greifen und schneller vollzogen werden - übrigens ein ausgezeichnetes Programm, um unseren Mittelstand, den der Kollege gerade so gelobt hat, noch besser als bisher zu fördern.

Wenn wir einen Euro in regenerative und einen Euro in energetische Sanierung stecken, dann kommen jeweils sieben Euro heraus. Das ist ein gutes Geschäft, würde ich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten das fördern und vorantreiben. Wir meinen, es ist notwendig, und wir werden die Effizienz erhöhen müssen. Aber auch da muss man genauer hinschauen, wie das gemacht wird. Wir müssen jedoch eines tun, und dabei sind Sie, Herr Ministerpräsident, zuerst gefordert: Wir müssen rasant die Umstellung des Haushalts betreiben.

Wenn wir das alles wollen, müssen wir im Haushalt umschichten, oder wir nehmen einen gewissen Teil Neuverschuldung in Kauf, um sicherzustellen, dass wir mit sicheren Energien in die Zukunft gehen. Das müssen wir abwägen, darin gebe ich Ihnen recht. Aber die entscheidende Frage ist: Bekommen wir es hin, den Haushalt genau an diesen Stellen so schnell wie möglich umzuschichten oder aufzustocken? Ich habe heute einige Aspekte dazu gehört, aber ich bin nun zwölf Jahre hier und ich sage Ihnen: Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Meine Damen und Herren, ich möchte, auch wenn er jetzt nicht da ist, etwas zu der "begnadeten" Rede von Herrn Staatsminister Söder sagen. - Ach, da hinten ist er. Herr Minister Söder, Sie sagen, nicht einmal in Japan mit seiner Hochtechnologie war das unter Kontrolle zu halten; Sie haben aber bisher immer so getan, als könnten wir dies. Ich gehe davon aus, dass Sie anschließend, wenn Sie erwidern, sagen: Nein, wir können es auch nicht. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie das so sagen.

Ich möchte Ihnen einmal Folgendes undenkbare Szenario vorspielen, denn in Japan war das, was jetzt passiert ist, in dieser Form auch undenkbar - bis heute: Stellen Sie sich einmal vor, der Sylvensteinspeicher ist im Frühjahr voll, und aus irgendeinem Grund bricht er. Was ist dann mit Isar 1 und Ohu? Dasselbe wie in Japan, nur haben Sie in Isar 1 einen Behälter, in dem die Brennstäbe stehen, der maximal 14 Minuten ohne Kühlung aushält. Meine Damen und Herren, nun können Sie sagen: Das ist Schreck und Horror; das gebe ich zu. Aber wir haben festgestellt, das Undenkbare muss denkbar sein; und da müssten Sie sich eigentlich etwas überlegen.

Nur einmal ein kleiner Hinweis darauf, was möglich wäre, wenn man sich einmal traut, das Undenkbare zu denken; Japan hat es bewiesen. Wer heute sagt: "Erdbeben - bei uns?", und dann nach dem lieben Gott ruft, der hat Gottvertrauen, und das wünsche ich uns allen. Aber verlassen würde ich mich nicht darauf.

Meine Damen und Herren! Für uns in Bayern bedeutet dieses Ereignis nach menschlichem Ermessen keine Gefährdung - da hat er recht -, was den Eintrag aus Japan betrifft, wenn wir Glück haben. Aber das Restrisiko unserer Kraftwerke ist existent, und, meine Damen und Herren, wir sollten uns endlich wieder einmal ganz ehrlich bewusst machen: Restrisiko bei einem Auto bedeutet, dass die Bremse nicht funktioniert. Wenn es ganz dumm läuft, passiert etwas, dann gibt es Tote. Aber das Restrisiko bei einem Kernkraftwerk bedeutet Tod und Elend, und das ist der feine, aber dramatische Unterschied zwischen dem und dem, was immer so nivellierend gesagt wird. Wir benutzen alle das Wort "Restrisiko" als ein Stück Selbstschutz, weil wir es sonst nicht ertragen können. Aber wir sollten anders damit umgehen, und ich hoffe, dass das in die Zukunft hinein geschieht. Wenn Sie, Herr Staatsminister Söder und Herr Ministerpräsident, sagen, Sie nehmen die Sorgen der Menschen in Bayern ernst, dann muss ich Ihnen sagen: Dann hätten Sie längst Abschied nehmen müssen. Sie hätten den von uns aufgezeigten Pfad des Ausstiegs mitgehen müssen. Sie hätten diesen nicht verändern dürfen, und Sie wissen jetzt nicht, wie Sie aus der Falle, die Sie sich selbst gebaut haben - im Übrigen auch juristisch -, herauskommen. Sie wissen genau, dass wir durch die Laufzeitverlängerung ein dickes Problem haben. Sie haben gesagt, unsere Kraftwerke seien absolut sicher. Wie wollen Sie das Abschalten dann juristisch durchstehen? Um das hinzubiegen, brauchen Sie viele Juristen. Ich wünsche uns allen, dass es gelingt.

Aber da kommt der nächste Punkt. Ich meine schon, dass wir uns wieder einmal auf das besinnen müssen, was wir sind, nämlich die Politiker des Landes Bayern. Wir sind für die Interessen der Menschen in Bayern gewählt. Meine Damen und Herren, wir müssen uns deshalb die Frage stellen: Nehmen wir das Primat der Politik noch ernst, oder werden wir zu Marionetten von irgendjemandem? Ich nehme für mich in Anspruch, das Primat der Politik ernst zu nehmen. Ich kenne viele, die das auch tun. Wir alle gemeinsam sollten es ernst nehmen und uns nicht zu Marionetten von Leuten machen lassen, die - aus ihrer Ideologie heraus: berechtigt - nur Gewinnstreben auf ihre Fahnen geschrieben haben, nicht aber die Minimierung des Risikos und die Schaffung größtmöglicher Sicherheit.