Frau Kollegin Kamm, ich habe den Eindruck, dass Sie gar nicht auf meine Antwort warten; Sie wollten im Grunde nur Ihre Agitation absetzen.
Warum sind Sie denn nicht bereit, einfach einzugestehen, dass eine Verfügung nach § 19 Absatz 3 des Atomgesetzes, nach der jetzt sieben Kernkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen werden, in Ihrem Sinne ist?
Sie mäkeln herum, Sie kritisieren und stellen lediglich alles in Frage. Nehmen Sie das Ganze doch als Tatsache und sagen: Es ist eine gute Tat. In Ihrer grünen Verblendung sind Sie dazu aber leider nicht in der Lage.
Herr Kollege Huber, im Hohen Hause wurde heute mehrfach darüber berichtet, dass die CSU-Fraktion gestern eine bemerkenswerte dreieinhalbstündige Debatte über die Atomproblematik geführt hat. Im Nachgang gab es offensichtlich auch Interviews mit Landtagskorrespon
denten. Auch Sie haben sich gegenüber den Medien geäußert. So werden Sie heute vom Korrespondenten der "Nürnberger Nachrichten" mit den Worten zitiert: "Ja", sagt Erwin Huber, "die CSU hat ein Glaubwürdigkeitsproblem." Angesichts Ihres flammenden Plädoyers für die Atomkraft - so musste Ihre Rede verstanden werden - tragen Sie zu diesem Glaubwürdigkeitsproblem momentan massiv bei.
Sie liefern die Begründung für die Glaubwürdigkeitsproblematik gleich mit weiteren wörtlichen Zitaten. So sagen Sie:
Wir haben die Laufzeitverlängerung durchgesetzt. Wir können nicht über den Haufen werfen, was vor einer Woche noch gegolten hat.
Huber ist fassungslos. All die Gefahren, vor denen seine Partei plötzlich warne, vor den Flugzeugen oder Terroristen, sagt er, seien nicht neu. Doch jetzt tue die CSU, als sei "mit Japan plötzlich die Erleuchtung gekommen, dass die Kraftwerke in der Nähe des Flughafens liegen".
Herr Huber, könnten Sie uns dieses Zitat der "Nürnberger Nachrichten", die CSU habe ein Glaubwürdigkeitsproblem, noch einmal etwas genauer erläutern? Zum Zweiten: Wie wollen Sie aus diesem Glaubwürdigkeitsdilemma herauskommen?
Wenn Sie heute genau zugehört haben, haben Sie zwischen dem Umweltsprecher Otto Hünnerkopf und mir keine Unterschiede erkannt.
Herr Kollege Hünnerkopf und ich haben das Gleiche gesagt, nämlich, dass wir jetzt und heute auf den Einsatz der Kernenergie nicht verzichten können. Wir brauchen sie für eine Übergangszeit als Brückentechnologie. In dieser Zeit müssen die regenerativen Energien parallel aufgebaut werden. Sie werden es nicht schaffen, einen Spalt in die CSU-Fraktion hineinzutragen.
Das Glaubwürdigkeitsproblem bezieht sich darauf, dass man jetzt nicht fordern kann, dass sofort alles stillgelegt wird. Wir haben gesagt, dass die Verlängerung der Laufzeit möglich ist, weil wir die sichersten Kernkraftwerke und die schärfsten Vorschriften der Welt haben. Das hat sich auch durch Japan nicht geändert. Ich habe aber gesagt, dass wir die dortigen Erkenntnisse im Hinblick auf Notstromaggregate und Kühlaggregate selbstverständlich für uns nutzen müssen. Das ist eine Weiterentwicklung der Erkenntnisse. Wenn wir dies nicht täten, hätten wir in der Tat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Für uns kommt es überhaupt nicht in Frage, zur Tagesordnung überzugehen und zu sagen: Das ist weit weg; das juckt uns nicht. Ich sage ganz deutlich: Was der Umweltminister heute als Konsequenz aus den Vorfällen in Fukushima dargestellt hat, ist absolut richtig und notwendig und hat unsere volle Unterstützung.
Jetzt muss ich etwas zur Landeshauptstadt München sagen. Sie ist seit 1988 am Kernkraftwerk Isar 2 mit einem Anteil von 25 % beteiligt. Das bedeutet: Die Stadtwerke München beziehen 40 bis 50 % ihres Stroms aus der Kernenergie. Die Landeshauptstadt München bekommt einen Haufen Geld von den Stadtwerken München. Das ist Geld aus der Kernenergie. Sich hierherzustellen und zu sagen, dass es unverantwortlich sei, Kernkraftwerke zu betreiben, aber den Haushalt der Landeshauptstadt München damit zu füttern, ist Scheinheiligkeit im Quadrat.
Für die Aussprache liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit schließe ich die Aussprache. Für eine zusammenfassende Stellungnahme erteile ich nun Herrn Staatsminister Dr. Markus Söder das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist alles sehr ausführlich diskutiert worden. Deshalb möchte ich nur noch ein paar wenige Bemerkungen machen.
Ich habe Ihnen heute Morgen vor dem Hintergrund von sterbenden Menschen und von weltweiten Sorgen nicht aus Gründen der Taktik, sondern aus einem ernstgemeinten Bemühen heraus ein Angebot zum Dialog gemacht. Frau Kollegin Kohnen, ich habe nicht den Eindruck, dass Sie dieses Angebot ernsthaft erwogen haben. Es gab viele Blicke zurück. Es gab auch viele Unterstellungen. Verzeihen Sie mir, wenn ich sage: Ich hatte fast den Eindruck, Sie sind ein bisschen beleidigt, dass wir diese neuen Initiativen ergriffen haben.
Gestern hat Herr Kollege Ländner in unserer Fraktion gesagt: Es gibt Tage, an denen am Abend alles anders ist als am Morgen. Dieser Satz hat mich sehr beeindruckt. Bitte akzeptieren auch Sie, dass wir jetzt in einer anderen Zeit mit veränderten Denkmustern leben. Wir müssen gemeinsam versuchen, eine Lösung zu finden, und zwar nicht in den Schablonen der Vergangenheit.
- Frau Noichl, es freut mich, dass Sie auch noch da sind. Die Frage, ob der Bürger diese Initiative für glaubwürdig hält, überlassen Sie bitte dem Bürger.
71 % der Bürger sagen, dass die Kernkraft weiterlaufen sollte. Wissen Sie, was ich nicht für glaubwürdig halte? Ich halte es nicht für glaubwürdig, wenn man unabhängig von den einzelnen Reaktoren sagt, dass jeder Reaktor ein nicht zu verantwortendes Risiko darstelle, und zwar generell und per se.
Wer so etwas sagt, darf nicht gleichzeitig akzeptieren, dass die Reaktoren noch mindestens zehn Jahre weiterlaufen sollen. Entweder - Oder, sonst sind Sie nicht glaubwürdig.
Recht und Gesetz definieren sich nach dem Atomrecht und den daraus folgenden Sicherheitsstandards. Verschiedene Redner haben zu Recht auf die aktuelle Gesetzeslage hingewiesen. Die aktuelle Gesetzeslage hat sich in den letzten Jahren primär in der Zeit der rot-grünen Regierung entwickelt. Sie wurde in der Großen Koalition weiterentwickelt und durch verschiedene Regeln verändert, die noch im Jahre 2009 in einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen dem da
maligen Bundesumweltminister Gabriel und den Standortländern festgelegt wurden. Genau nach diesen gesetzlichen Bestimmungen sind alle Sicherheitsfragen, die heute diskutiert worden sind, sauber bearbeitet worden.
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass sich die Atomaufsicht in Bayern, wie übrigens auch sonst in Deutschland, nach Recht und Gesetz verhält. Das gilt für die Zwischenlager, für die Dichte der Reaktoren und und und. Deshalb möchte ich noch einmal sagen: Nach den gesetzlichen Maßstäben, die wir gemeinsam - bis auf die Freien Wähler, die auf Bundesebene nicht vertreten sind - in Deutschland definiert haben, sind die deutschen und die bayerischen Reaktoren sicher. Dies kann man für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes feststellen.
Die einzige Frage, die übrigens danach auch nicht bewertet wurde, ist das Thema Flugzeug. Frau Kollegin Tolle, das Kraftwerk Grafenrheinfeld ist nicht nur gegen eine Militärmaschine der Amerikaner baulich gesichert - genauso wie Isar 1 -, sondern wie alle anderen vier von fünf Reaktoren auch gegen große und größte Verkehrsflugzeuge.