Protocol of the Session on February 22, 2011

(Beifall bei der SPD)

Der Staat muss für Ausgleich sorgen, damit Lebensverhältnisse gleichwertig werden können. Denn sozialer Ausgleich und soziale Gerechtigkeit haben auch eine räumliche Dimension und müssen deshalb quasi Leitstern bei der Ausarbeitung des neuen Landesentwicklungsprogramms sein. Dazu gehört, bei einem Marktversagen einzugreifen, aber bitte nicht um Jahre verspätet wie beim DSL-Ausbau.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört, dass man nicht nur gut laufende Motoren immer noch mit dem neuesten Hightech-Öl ausstattet, sondern auch, dass man vor allen Dingen stotternde Motoren in den Stand versetzt, wieder rund zu laufen. Das bedeutet, den Fokus auf die Region zu richten, die es am nötigsten braucht und nicht immer nur die Starken zu stärken. Wenn wir das auf den Raum übertragen, kommen wir zu folgenden Grundüberzeugungen:

Erstens. Die ländlichen Räume stehen gleichrangig neben anderen Raumtypen.

Zweitens. Metropolen und ländliche Regionen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Drittens. Ländliche Räume sind keine Resträume, die den Platz zwischen den Metropolen ausfüllen, sondern sind Regionen, die lebens- und liebenswert sind und die gewillt sind, die regionalen Potenziale und Besonderheiten zu nutzen, sowie fähig und willens, Herausforderungen kraftvoll anzupacken.

Dies drückt sich vor allen Dingen in dem besonderen Engagement der Menschen in den ländlichen Regio

nen füreinander und für ihre eigene Heimat aus. Wir auf dem Land sind stolz darauf, dass wir uns umeinander kümmern, sei es in Nachbarschaftshilfe oder im Ehrenamt. Wir sind stolz auf unsere Traditionen und Werte, auf das Miteinander im Unterschied zu dem Nebeneinander, das oft in den Städten herrscht. Wir sind stolz auf unsere Gastfreundlichkeit und Gastlichkeit sowie auf die Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen. Diese Lebensqualitäten und unsere schönen Regionen als Lebensraum für junge Menschen, für Familien und Senioren gilt es zu erhalten.

Dazu brauchen wir eine kraftvolle Politik gegen Abwanderung. Es ist keine Lösung, immer mehr Menschen zu Pendlern über immer weitere Strecken zu machen. Das ist ökologisch unsinnig und für die Lebensqualität vor Ort vollkommen kontraproduktiv.

(Beifall bei der SPD)

Wer soll denn noch den Jugendleiter in den Vereinen machen, wer soll den Nachwuchs für die freiwillige Feuerwehr ausbilden und wer soll das viel gepriesene Ehrenamt ausüben, wenn die Menschen in ihrer Freizeit entweder im Zug sitzen oder in einer leeren Wohnung, einer städtischen Behausung leben, weil sie in den Städten arbeiten?

(Beifall bei der SPD)

Wie sollen Familien auf Dauer funktionieren, wenn sich Eltern und Kinder nur noch ein paar Stunden in der Woche sehen? Das alles fördert nicht die Bereitschaft junger Menschen, Kinder in die Welt zu setzen, und verschärft damit das Demografieproblem noch ein Stück weiter.

Lassen Sie mich einige Handlungsfelder und Ziele für eine kraftvolle Politik exemplarisch benennen: Wir brauchen den Erhalt und die Stärkung von Wirtschaftskraft. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze und Wertschöpfung verbessern. Wir müssen aus dem Datenfeldweg auf dem Land endlich eine Datenautobahn machen, und das bedeutet deutlich mehr als ein Megabit pro Sekunde, denn das ist technologische Steinzeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe mit Freude gelesen, dass Frau Aigner gesagt hat, die Breitbandversorgung müsse eine Aufgabe der Daseinsvorsorge werden. Da kann ich nur sagen: Guten Morgen, Frau Aigner, das fordern wir seit drei Jahren. Leider macht Herr Brüderle jetzt den Huber und will das verhindern. Ich aber hoffe auf die Einsicht der Politik in Berlin.

Wir brauchen einen Ausbau der Straßen- und Eisenbahninfrastruktur, auch im ländlichen Raum. Wir werden sehr sorgfältig beobachten, dass der Siebte Staatsstraßenausbauplan, der unter dem Diktat der Kürzung der Mittel steht, nicht wieder den ländlichen Raum vernachlässigt. Wir brauchen eine Stärkung der regionalen Wertschöpfungspotenziale bei erneuerbaren Energien. Es muss gelten: Regional erzeugt, regional verteilt und regional der Gewinn kassiert. Auf diesem Feld, Frau Staatssekretärin, wäre eine große Chance für eine sinnvolle Deregulierung. Streichen Sie endlich die unnötigen Fesseln für erneuerbare Energien im Landesentwicklungsprogramm.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen einen Fokus auf Bildung, wir brauchen den Erhalt der bayerischen kleinteiligen Landwirtschaft. Es darf kein Disneyland entstehen, in dem die Bauern dafür bezahlt werden, dass sie eine gestriegelte Kuh auf eine schön gemähte Wiese setzen. Landwirtschaft muss die Betreiber ernähren, muss die Menschen mit Nahrungsmitteln versorgen und muss sicherstellen, dass die Kulturlandschaften erhalten bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen das Zentrale-Orte-Prinzip so ausrichten, dass die Netze starke Knoten haben und nicht zunehmend Löcher bekommen. Im neuen Landesplanungsgesetz gibt es nur ein Bekenntnis zu dem Prinzip an sich. Es wird nicht drinstehen, ob es so wie vorher bleibt, ob wir nur noch drei Kategorien haben oder ob wir nur noch entscheiden zwischen zentral oder nicht zentral. Vonseiten der Vertreter der Regierungsfraktionen hat es hierzu leider keine Meinungen gegeben. Vielleicht hat es auch keine Einigung gegeben; das weiß ich nicht. Jedenfalls hat man beschlossen, die Sache unter Verweis auf das Landesentwicklungsprogramm zu vertagen. Wir sind gespannt. Irgendwann werden Sie sich entscheiden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen natürlich den Erhalt kommunaler Infrastrukturen und auch die Nahversorgung als Lebensnerv des ländlichen Raums. Wir müssen Lösungsmodelle gegen den Verfall von Dorfkernen entwickeln, denn aktive innerörtliche Kerne sind ein großer Faktor für Lebensqualität im ländlichen Raum. Aber das alles geht nur mit einer Landesentwicklungspolitik von unten, die den Menschen in den Fokus nimmt, den Menschen mit seinen Bedürfnissen und seinen Fähigkeiten. Wir müssen die Politik aus dem Fokus der Menschen im ländlichen Raum gestalten. Das ist deutlich mehr, als die theoretische Verankerung eines Vorrangprinzips im Landesentwicklungsprogramm.

Dazu gehört zum Beispiel - jetzt bekommen Sie Ihre Hinweise, Herr König - die Schaffung von Regionalbudgets bei der regionalen Wirtschaftsförderung, denn die Menschen vor Ort wissen am besten, was sie mit dem Geld machen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen, denn das schönste Selbstverwaltungsrecht der Kommunen nützt nichts, wenn außer der Erfüllung der Pflichtaufgaben nichts mehr zu entscheiden und nichts mehr zu verteilen ist, weil einfach kein Geld da ist. Deshalb fordern wir die Einführung eines Demografiefaktors auch bei den Schlüsselzuweisungen, aber auch beim ÖPNV. Gerade der ÖPNV wird tendenziell immer teurer, je weniger Menschen ich über weitere Strecken befördern muss. Hier brauchen wir neue Mittel und Wege, um die Standards zu halten und auch den älteren Menschen in den ländlichen Regionen die Möglichkeit zu geben, zum Arzt und zum Einkaufen zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Die Landesentwicklung im Landesentwicklungsprogramm muss den gestaltenden Rahmen sowie die Ziele und Wege dorthin vorgeben und ein Controlling ermöglichen, damit nicht unter den Schlagwörtern der Deregulierung und Entbürokratisierung die Axt an die strategische Entwicklung der Regionen gelegt wird.

Die Staatsregierung bemüht immer das Bild der Leuchttürme. Leuchttürme sind sehr schöne Lichtgeber, aber bei diesem Bild wird eines übersehen: Sie strahlen nämlich in die Ferne und lassen das nähere Umfeld im Dunkeln. In diesem Sinne ist es nett, sich mit Kalifornien im Wettbewerb zu sehen, aber es geht zuallererst darum, die Hausaufgaben vor Ort im Rahmen der Landesentwicklung zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen in Bayern zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse für unsere Kinder und Enkel keine Leuchttürme, sondern viele kleine und große Lichterketten, verteilt über unsere schöne Heimat. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Packen wir es an.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Jetzt hat Herr Kollege Mütze für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle

gen! Lieber Herr Kollege König, es bleibt Ihnen nicht erspart, dass ich Ihre Rede kommentiere. Entweder leiden Sie unter Amnesie oder Sie sind von Ihrer Fraktion einer Gehirnwäsche unterzogen worden.

(Zuruf von der CSU: Er ist topfit!)

- Er ist topfit? So sieht er jedenfalls aus, aber ich weiß nicht, wie es bei ihm innen aussieht.

Es hat mich schon überrascht, Herr Kollege König, dass Sie hier das Hohelied der Regionen und des ländlichen Raumes gesungen haben. Ich kann mich gut erinnern: Als wir vor Kurzem im Gärtnerplatztheater waren, haben Sie sich vorher aufgeregt, dass schon wieder Geld nach München und nicht nach Oberfranken fließt. Wie oft haben wir hier darüber geredet, dass wir dem demografischen Wandel schon Rechnung tragen und die Bevölkerung in den Regionen Oberfrankens und der Oberpfalz immer weiter zurückgeht. Sie haben die Klasse und die Leistungsfähigkeit aller Regionen hervorgehoben - das stelle ich nicht in Abrede -, jedoch die Probleme völlig unter den Tisch gekehrt. Lieber Herr Kollege König, das ist Ihr Problem. Probleme können nur gelöst werden, wenn man sie sieht. Die Probleme scheinen Sie allerdings wenig zu berühren.

Ähnlich ist es im Haus des Ministers und der Staatssekretärin, die nicht in der Lage waren, einen beratungsfähigen Entwurf des Landesentwicklungsplanes und des Landesplanungsgesetzes, den sogenannten großen Wurf, vorzulegen, der den eigenen Kriterien von Entbürokratisierung, Deregulierung und Kommunalisierung entspräche. So müssen wir anhand der Interpellation, die die Freien Wähler dankenswerterweise angeleiert haben, über Landesentwicklung und Regionalplanung in Bayern reden. Eigentlich könnte man es kurz machen. Die Staatsregierung hat geantwortet: Wir sind noch nicht so weit. Die Fragen der Freien Wähler in der Interpellation sind kurz abgehandelt worden. So einfach möchte ich es Ihnen jedoch nicht machen. Ich habe 20 Minuten Redezeit. Die wollen schließlich gefüllt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf des Abgeordne- ten Alexander König (CSU))

- Das muss nicht sein. Das weiß ich. Lieber Herr Kollege König, es wird noch besser.

Ich möchte an der Stelle eingreifen, an der Sie sagen, dass es nicht möglich sei, in der Zwischenzeit Teilfortschreibungen vorzulegen, weil diese massiv in die Landes- und Regionalplanung eingriffen. Zu einem Punkt waren sie sehr wohl in der Lage, keine Teilfortschreibung, aber einen Ministerratsbeschluss zu erlassen: Dabei ging es um die Einzelhandelsstandorte.

Das ist der Punkt, der während der Anhörung zur letzten Fortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes für den meisten Wirbel gesorgt hat. Die Hälfte aller Anregungen hat sich auf die Einzelhandelsstandorte bezogen. In diesem Rahmen war es sehr wohl möglich, eine Einzelentscheidung bei der Genehmigungspraxis für die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten zu treffen. Zu diesem Zeitpunkt war es möglich, diese zu lockern, obwohl Sie mit dieser Regelung massiv in die regionale Landesplanung eingreifen.

Diese Entscheidung war absolut kontraproduktiv, egal unter welcher Zielvorstellung. Sie verstärkt den Wettbewerb unter den Kommunen. Wenn jede Kommune einen Markt mit 1.200 Quadratmetern Verkaufsfläche einspruchsfrei anwerben kann, wird dies jede Kommune, die sich das leisten kann, ermöglichen. Die Ansiedlung der Märkte wird nicht zentral erfolgen, sondern am Rande der Orte auf der berühmten grünen Wiese. Die hässliche Architektur vor den Toren der Siedlung kennen wir alle: Diese nicht unterscheidbaren Konglomerate von Aldi, Lidl und wie sie alle heißen. Das kennt jeder, der durch die bayerische Landschaft fährt.

Das heißt, dass Sie mit dieser Entscheidung zur weiteren Zersiedelung Bayerns beitragen. Sie tragen ferner dazu bei, dass mehr Verkehr erzeugt wird. Die Menschen müssen in ihre Fahrzeuge steigen, um diese Märkte zu erreichen. In der Regel sind diese nicht an den ÖPNV angebunden.

Nicht zuletzt versündigen Sie sich an allem, was uns der demografische Wandel - Kollege König hat es bereits erwähnt - an Aufgaben im ländlichen Raum auferlegt. Als Antwort auf den demografischen Wandel brauchen wir die zentrale Versorgung und keine Versorgung, die den älteren Teil der Bevölkerung ausgrenzt, weil sie die Läden nicht mehr erreichen kann. Wenn Sie unter Zentralität den Laden auf der grünen Wiese verstehen, verstehen Sie etwas falsch.

Sie stellen sich hier hin und sagen, eine Teilfortschreibung würden Sie nicht vornehmen. Das finde ich dreist. Dass Sie damit dem großen Wurf, den wir bald erwarten, einen Bärendienst erweisen, dürfte ebenfalls klar sein. Worum geht es denn bei diesem großen Wurf? Worum geht es bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes? Es geht darum, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern zu garantieren. Das haben Sie in Ihrer Antwort auch bestätigt. Vielmehr stellen Sie sogar fest - ich zitiere aus Seite fünf der Antwort -: "In Bezug auf das Leitziel gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen geht es vielmehr darum, Chancengerechtigkeit in allen Landesteilen zu gewährleisten". Das ist richtig. Chan

cengerechtigkeit definieren Sie als Zugang zu allen Grunddaseinsfunktionen wie Bildung, Arbeit, Erholung, Versorgung, Kommunikation und Verkehr. Das sehen wir genauso. Das würden wir noch ergänzen das fehlte bisher vollkommen -: "Dies gilt umso mehr angesichts der Herausforderungen durch den demografischen Wandel."

Was sollten wir vor allem bei der Fortschreibung des LEP beachten? Wie müssen wir die künftigen Anforderungen definieren? Der demografische Wandel ist als Erstes zu beachten. Lieber Kollege König, natürlich ist es schön, wenn die Menschen gesünder älter werden. Wir müssen jedoch ganz andere Anforderungen an eine Gesellschaft stellen, in der die Menschen länger leben, älter werden und nicht immer gesund bleiben. Darauf müssen wir erst die Antworten finden. Das LEP muss diese Antworten auch vorweisen, wenn es als Zukunftsprogramm für die Landesplanung fungieren soll.

Dem alten Programm ist noch Bevölkerungswachstum zugrunde gelegt worden. Bayern wird zwar in seiner Gänze nicht an Bevölkerung verlieren, jedoch wird eine Bevölkerungsverschiebung von Norden nach Süden stattfinden. Die Untersuchungen, die uns vorliegen, haben dies verdeutlicht. Andere Anforderungen kommen im Bereich des Verkehrs, der Infrastruktur und der Versorgung auf uns zu. Lieber Kollege König, Das Vorhalteprinzip hat absolute Priorität. Ich bin gespannt, ob das im kommenden Landesentwicklungsprogramm so berücksichtigt wird, wie Sie dies angekündigt haben.