Protocol of the Session on February 22, 2011

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das Armutsrisiko der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren sinkt jedes Jahr weiter.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

Zu dem von Ihnen mit großer Vehemenz seit Jahren immer wieder bekämpften Landeserziehungsgeld, das Sie auch morgen wieder im Haushaltsausschuss bekämpfen werden, möchte ich Folgendes sagen: Unabhängig davon, dass Eltern zur Erziehung dazu gehören, was Ihrer Ideologie nicht entspricht,

(Unruhe bei der SPD)

ist das Landeserziehungsgeld für uns ein wichtiges Mittel, um die Armutsrisiken von Alleinerziehenden abzufedern. Immerhin werden 88 % der Alleinerziehenden in Bayern durch das Landeserziehungsgeld unterstützt. Es ist also eine ganz wichtige Maßnahme, um Kinderarmut zu vermeiden, denn wir wissen: Kinderarmut ist abgeleitete Armut.

Zur Kinderbetreuung ist genug gesagt worden; ich möchte hier nur noch auf die Pflege eingehen. Aus meiner Sicht sind sämtliche Ankündigungen verzichtbar. Die brauche ich nicht, weil ich Fakten schaffe, und auch meine Vorgängerin, Christa Stewens, hat Fakten geschaffen. In Sachen Pflege kann man von Bayern lernen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir begnügen uns nämlich nicht mit einem Transparenzkonzept, wie das eine Ulla Schmidt mit auf den Weg gebracht hat, bei dem schwere Pflegemängel damit ausgeglichen werden können, dass die Speisekarte schön gedruckt wird. Wir haben stattdessen einen Prüfleitfaden, der "Ergebnisqualität" misst und der sich wirklich darum kümmert, ob die Pflegeleistung bei den Menschen ankommt.

Wir haben die Pflegestützpunkte vom Bund sozusagen als Kopfgeburt für Bayern übergestülpt bekom

men, obwohl wir in Bayern schon längst entsprechende neutrale Beratungsstellen hatten. Das war in anderen Bundesländern nicht der Fall. Deswegen ist es sinnvoll, wenn viele Kommunen bei den Fachstellen für pflegende Angehörige bleiben. Auch wir haben diese Fachstellen. Sie machen seit Jahren gute Arbeit und werden von den Menschen angenommen.

Wir werden jetzt keine Doppelstruktur aufbauen und keinen von den Kassen betriebenen Pflegestützpunkt danebenstellen. Der Bund gibt gesetzliche Rahmenbedingungen vor, initiiert von Ulla Schmidt. Für Bayern wurde eine Allgemeinverfügung erlassen. Diese stammt aus meinem Hause. Sie können mir das vorwerfen, aber es ist okay. Ich füge hinzu: Andere Bundesländer setzen noch nicht einmal dies um; die haben noch nicht einmal die Rahmenvereinbarung für Pflegestützpunkte getroffen. Die Entscheidung sollte bei den Kommunen liegen. Dort befinden sich die Bürger. Doppelstrukturen sollte es nicht geben.

Kommen wir zu den Menschen mit Behinderung. Es gibt einen Aktionsplan. Er ist so gut wie fertig. Das ist Ihnen bekannt. Er wird im Frühling vorgelegt. Wir in Bayern hatten übrigens eines der ersten Behindertengleichstellungsgesetze bundesweit.

Liebe Frau Ackermann, wenn Sie im Haushaltsplan das Wort "Inklusion" nicht finden, dann darf ich Ihnen da weiterhelfen: Der Haushaltsplan enthält Zahlen, aber keine politischen Absichtserklärungen. Zum Thema Inklusion sage ich noch etwas. Wir leben Inklusion in Bayern schon lange. Das sieht man an unseren Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir haben mit dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, das Christa Stewens auf den Weg gebracht hat, Integration in der Kinderbetreuung vorgelebt. Wir haben integrative Gruppen. Wir haben eine erhöhte Förderung für Kinder, die diese brauchen. Unabhängig davon haben wir in allen Bereichen umfassende Fördermaßnahmen für Menschen mit Behinderung. Das ist Ihnen bekannt.

Ich komme noch einmal zu den Haushaltsansätzen. Die Leistungen für Menschen mit Behinderung im Einzelplan 10 betrugen 2008 283 Millionen Euro, 2009 287 Millionen Euro, 2010 288 Millionen Euro. Sie betragen 2011, wenn der Haushalt so beschlossen wird, 290 Millionen Euro. Zusätzlich gab es aufgrund des Zukunftsinvestitionsgesetzes 2009 und 2010 17,8 bzw. 19,3 Millionen Euro ausschließlich für Investitionen zugunsten von Menschen mit Behinderung.

Wer die Zahlen mitverfolgt hat, erkennt, dass sie sich von Jahr zu Jahr gesteigert haben. Deswegen ist es schlichtweg falsch, wenn Sie hier erklären, die Zahlen

gingen zurück. Natürlich gibt es da und dort Positionen, für die ich gern ein bisschen mehr Geld gehabt hätte. Mit den Beratungen sind wir ja noch nicht am Ende. Wir werden in Ruhe miteinander darüber noch sprechen.

Was Sie tun, nämlich die Menschen zu verunsichern, indem Sie schlichtweg falsche Zahlen in die Welt blasen, ist unverantwortlich. Das hat nichts mehr mit Oppositionspolitik zu tun, sondern ist reine Stimmungsmache.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich sage Folgendes ganz grundsätzlich. Für uns ist die beste Sozialpolitik eine Politik, die die Menschen und die Familien in die Lage versetzt, sich selber zu erhalten. Deswegen ist gute Sozialpolitik bei uns über alle Ressorts verteilt. Sie findet insbesondere auch im Bildungsressort statt. Bildungspolitik ist die Sozialpolitik der Zukunft. Sie findet aber auch bei der Förderung des Ehrenamts und im Innenministerium statt. Dabei denke ich an die vielen Bauinvestitionen.

Deswegen wundert mich immer wieder Ihre sehr häufig einseitige Sichtweise, die sich auf einige Haushaltsstellen konzentriert. Wir sehen die Dinge ganzheitlich. Deswegen steht Bayern so gut da. Deswegen werden sich die Menschen weiterhin in Bayern am wohlsten fühlen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Interpellation der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Prof. (Univ Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FW) Landesentwicklung und Regionalplanung in Bayern (Drs. 16/6426)

Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt nach unserer Geschäftsordnung 20 Minuten pro Fraktion. Als Ersten darf ich Herrn Kollegen Muthmann für die Freien Wähler ans Redepult bitten.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Staatsministerin, ich schätze Ihre Anwesenheit sehr. Sehr lieb wäre es mir aber gewesen, wenn auch der Chef des Hauses hier wäre, da es um eine grundsätzliche Debatte über Fragen der Landesentwicklung in Bayern geht.

Herr Kollege, ich darf Sie hier unterbrechen und eine Information geben, damit wir wissen, worüber wir hier reden.

Sie haben angemahnt, dass ein Staatsminister nicht hier sei. Der Herr Ministerpräsident befindet sich in Berlin in der Sitzung des Vermittlungsausschusses. Staatsminister Zeil ist Stellvertreter des Ministerpräsidenten und ist jetzt mit dem Herrn Bundespräsidenten unterwegs. Ich denke, das ist am heutigen Tag angemessen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Und eine Staatssekretärin ist im Gegensatz zu anderen Bundesländern und zum Bund bei uns Mitglied des Kabinetts.

Herzlichen Dank für diese Hinweise. Ich denke, mein Wunsch dürfte an dieser Stelle artikuliert sein.

Bei Landesentwicklung und Landesplanung geht es in Wahrheit um die einzige längerfristig angelegte, verbindliche Willenserklärung der Staatsregierung in Form des Landesentwicklungsprogramms (LEP) als einer Rechtsverordnung, die mit Zustimmung des Landtags verabschiedet wird. Dabei geht es um überörtliche Fragen, um überfachliche Ansätze und ein verbindliches Arbeitsprogramm, das die Leitvorstellungen zur Raumordnung für ganz Bayern zusammenfasst.

Über das dem zugrunde liegende Leitziel sind wir uns einig: gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen für ganz Bayern. Da geht es um die Fragen einer wohnortnahen Daseinsvorsorge. Und es geht darum, wie wir mit dem Vorhalteprinzip umgehen. Vor allem spielt die landesweit wichtige Frage eine Rolle, wie wir den demografischen Wandel bewältigen. Das sind ganz zentrale, klassische Fragestellungen zur Entwicklung der Zukunft in Bayern. Da geht es nicht nur um Einzelthemen wie den Sonderflughafen Oberpfaffenhofen oder um die Frage, ob die Verkaufsfläche eines Lebensmittelmarktes 800 oder 1.200 Quadratmeter betragen darf. Es geht nicht nur um Fragen zur Sicherung von Bodenschätzen, nicht nur um Einzeldebatten über Vorranggebiete für Windkraftanlagen.

Wenn es um das Landesentwicklungsprogramm geht, sind vielmehr Grundsatzfragen angesprochen, die die Staatsregierung im Rahmen des Landesentwicklungsprogramms beantworten kann und muss. Es sind viele Beteiligte vorgeschaltet, die eingebunden werden. Das sind Behörden, Verbände und die Öffentlichkeit. Es handelt sich um ein Zukunftskonzept unter klassischer, auch öffentlicher Beteiligung, nicht um ein - so habe ich es dieser Tage leidvoll erlebt - Zukunfts

konzept, das von 22 handverlesenen Spezialisten und Vertretern einer Elite stammt. Ein solches Konzept kann ein aufwendiges, angemessenes Verfahren zur Gesamtentwicklung bayerischer Zukunftspolitik nicht ersetzen.

Wenn sich der Ministerpräsident nur von Eliten soufflieren lässt, dann kann das unsere Zustimmung nicht finden. Die Zusammensetzung des Zukunftsrats war schon systemisch nicht geeignet, ein Gesamtentwicklungskonzept für Bayern zu entwerfen. Es gibt erhebliche Mängel zu kritisieren, was zum Beispiel die regionale Verteilung bei der Zusammensetzung des Zukunftsrates angeht. Es war kein Raumwissenschaftler dabei. Auch von mittelständischen Vertretern ist in dem Zukunftsrat leider nichts zu spüren gewesen. Das prägt natürlich auch die Arbeit und die Ergebnisse. Bei Sonntagsreden werden die Mittelständler angesichts ihrer Bedeutung für die gesamtbayerische Entwicklung zu Recht hoch gewürdigt. Aber wenn es um die Beteiligung an solchen Konzepten ging, haben wir leider auch die Beteiligung des kleineren Mittelstandes vermisst. Nur Eliten zu haben, ist zu wenig. Ich bin sehr für Leistung, für Leistungsorientierung und Leistungsförderung, aber nicht im Sinne der Ausschließlichkeit. Der Bundespräsident hat heute in seiner Rede auch vom Ausgleich als ganz wichtigem Element der Politik, vom Ausgleich zwischen Groß und Klein, zwischen Jung und Alt und zwischen verschiedenen Regionen gesprochen. Das ist richtig und wichtig. Auch das ist eine Aufgabe, die die Bayerische Staatsregierung im Rahmen der Landesentwicklungsplanung leisten kann und muss. Diese Aufgabe ist wichtig und dringend.

Erstens: Diese Aufgabe ist wichtig. Darin sind wir uns einig. Das haben wir auch in der Antwort auf die Fragen im Rahmen der Interpellation hören und lesen können. Denn die Staatsregierung antwortet auf die Frage, ob eine vorausschauende Einflussnahme auf die Ordnung und Entwicklung des Staatsgebietes und seiner Teilräume zu den unverzichtbaren Aufgaben des Staates gehört, mit einem eindeutigen Ja. Sie stellt fest, dies sei ein wesentlicher Bestandteil des staatlichen Gemeinwohlauftrags, so die Staatsregierung.

(Alexander König (CSU): Sehr gut!)

Zweitens: Die Bayerische Staatsregierung hat auf die Frage, ob sie an der Leitvorstellung festhält, gleichwertige und gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen zu schaffen und zu erhalten, geantwortet: Ja, das ist der Fall.

(Alexander König (CSU): Sehr gut!)

Der demografische Wandel ist nach Überzeugung der Bayerischen Staatsregierung kein Grund, das Leitziel der gleichwertigen und gesunden Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen zu relativieren oder gar infrage zu stellen. Das ist auch unsere Einschätzung. Wir begrüßen diese Feststellung. Da können wir Übereinstimmung feststellen.

Die Aufgabe mit dieser Zielsetzung ist aber nicht nur wichtig, sondern auch dringend, weil wir uns in Bayern von gleichwertigen Lebensbedingungen mehr und mehr entfernen. Ich darf Ihnen hierzu zwei Bewertungen bzw. Einschätzungen in Erinnerung bringen. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Zitat vortragen:

Die Entwicklung der Metropolregion München und von Oberbayern wird von der Bayerischen Staatsregierung auch weiterhin gefördert, obwohl damit zwangsläufig das Gefälle zwischen den bayerischen Regionen verstärkt wird. Damit hat die bayerische Wirtschaftspolitik das Ziel "gleichwertige Lebensbedingungen in allen Regionen" de facto gänzlich aufgegeben.

Das ist nicht Zukunftsrat. Das ist auch nicht böse Opposition, sondern stammt aus einem Werk mit dem Titel "Wirtschaftsgeschichte Bayerns im 19. und 20. Jahrhundert" von Herrn Professor Götschmann, Inhaber des Würzburger Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte, das 2010 veröffentlicht wurde. Professor Götschmann ist ein durchaus anerkannter Wirtschaftshistoriker.

(Alexander König (CSU): Der spricht aber nicht für die Staatsregierung, oder?)

Wenn Sie eine weitere Bewertung hören wollen, kann ich Ihnen den Zukunftsrat anbieten. Ich zitiere von Seite 40: "Die regionale Betrachtung zeigt aber auch, dass Bayern bereits heute ein Land mit großen regionalen Disparitäten ist." Des Weiteren heißt es dazu auf Seite 66 zur Betrachtung Bayerns im weltwirtschaftlichen Konzert:

Die größte Gefahr für einen Wirtschaftsstandort wie Bayern besteht in der Abwanderung seiner Talente. Die Globalisierung der Wirtschaft hat es mit sich gebracht, dass akademisch ausgebildete Spitzenkräfte der Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland folgen und dass sich im Umfeld dieser neuen Wirtschaftszentren nunmehr neue Wissenszentren formieren.

Und nun die Bewertung dazu:

Diese Push-Pull-Effekte bedrohen nicht nur die Metropolregionen München und Nürnberg. Sie werden im Falle ausbleibender Gegenmaßnah

men auch zur Entleerung und Verödung der ländlichen Räume führen.