Am Rande merke ich an, dass es schön gewesen wäre, wenn der SPD-Gesetzentwurf gegendert worden wäre. Hier liegt ein kleines Defizit.
Trotz der genannten Unterschiede ist der SPD-Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung. Deshalb werden wir ihm zustimmen.
Nicht zustimmen können wir dem zweiten Gesetzentwurf, mit dem die Aufnahme der Integration in die Verfassung begehrt wird. Denn wir sind der Meinung, dass die Bayerische Verfassung so umfassend gilt, dass es nicht nötig ist, sie um zusätzliche Bereiche zu erweitern. Nach unserer Überzeugung beinhaltet die Verfassung diese Bereiche bereits. Es mangelt höchstens an der konsequenten Umsetzung der Verfassung. Die Umsetzung müssen wir natürlich befördern. Wir befördern sie aber nicht dadurch, dass wir weitere Teilbereiche aufnehmen. Täten wir dies, bestünde die Gefahr, dass sich weitere Köpfe erheben und sagen: Auch unser Anliegen muss in die Verfassung aufgenommen werden.
Die Bayerische Verfassung ist gut. Sie ist jedenfalls ausreichend. Wir müssen sie nur richtig interpretieren und umsetzen. Deshalb werden wir den zweiten Gesetzentwurf ablehnen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Debatte stehen heute in Erster Lesung zwei Gesetzentwürfe der SPD-Fraktion, die das Thema Integration zum Inhalt haben. Die FDP-Fraktion hat ein solches Gesetz bereits im Rahmen ihrer Winterklausurtagung 2010 für Bayern zum ersten Mal öffentlich für notwendig erklärt und gefordert.
Leider haben wir mit unserem ersten Vorstoß bei unserem Koalitionspartner keine große Zustimmung gefunden. Umso mehr begrüße ich, dass heute vom Integrationsbeauftragten, Herrn Neumeyer, Signale kamen wie: Wir brauchen verbindliche Regelungen.
Die FDP-Fraktion hält die Debatte um ein Integrationsgesetz für überfällig. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn wir ein solches Gesetz für notwendig erachten, heißt das noch lange nicht, dass wir den konzipierten Vorschlag für unterstützenswert halten.
Wir treffen uns in der Beurteilung darin, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Allein in Bayern hat jeder fünfte Einwohner Migrationshintergrund. Die Menschen unterschiedlicher Herkunft sind größtenteils längst fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Wir sehen sie als eine Bereicherung an.
Daher müssen wir endlich Versäumnisse in der Integrationspolitik und in der Integration benennen und die Ärmel hochkrempeln, damit wir die Weichen für die Zukunft richtig stellen.
Basis einer Integrationspolitik nach unserem Verständnis - da treffen wir uns, Herr Kollege Pfaffmann ist die Schaffung eines Wir-Gefühls in der Gesellschaft, verbunden mit der Vermittlung unserer gemeinsamen Werte. Wir brauchen ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das nicht ausgrenzt, sondern in das sich alle Menschen unserer Gesellschaft mit all ihren unterschiedlichen Hintergründen im Rahmen unserer gemeinsamen Werte einbringen und artikulieren können. Wir brauchen eine Willkommenskultur in den Köpfen aller Menschen. Da müssen wir, wie es Herr Kollege Neumeyer gesagt hat, alle Menschen mitneh
Aber dieser Prozess wird sich noch über viele Jahre hinziehen. Er kann nicht durch gesetzliche Vorschriften verordnet werden. Oberster Leitsatz in der Integrationspolitik ist für uns der Leitsatz "Fordern und Fördern", und der muss sich natürlich auch in einem Bayerischen Integrationsgesetz wiederfinden. Die pluralistische Gesellschaft braucht gemeinsame Regeln und Werte, die Voraussetzung für ein friedliches und kooperatives Zusammenleben von Menschen sind. Dies sind in Deutschland unser Grundgesetz und die dort verankerten Grundrechte, die für alle Bürger dieses Landes Geltung haben. Unbestritten ist Bildung dabei ein ganz wichtiger Faktor. Auch wir wollen - und da sind wir uns wieder einig - Kinder von Anfang an in unsere Gesellschaft integrieren und ihnen die deutsche Sprache bestmöglich vermitteln. Wir alle wissen: Das sichere Beherrschen der deutschen Sprache ist der Schlüssel zur Bildung und der Schlüssel zur Teilhabe.
Daher setzen wir uns massiv für eine gute Sprachförderung und Bildung im frühkindlichen Bereich ein. Bereits in den ersten Lebensjahren werden die Grundvoraussetzungen für spätere Kompetenzen herausgebildet und Werte erlernt. Das Ziel einer zukunftsorientierten Integrations- und Bildungspolitik muss es daher sein, die Rahmenbedingungen in den Kitas so zu gestalten, dass in den einzelnen Einrichtungen eine hohe Qualität an Bildung gewährleistet werden kann. Dies muss bei Kindern mit Migrationshintergrund auch für uns mit einer intensiven Sprachförderung verbunden werden, damit wir von Anfang an von einer echten Chancengleichheit sprechen können. Für uns Liberale - ich meine, ich darf auch für die Koalition sprechen - hat deshalb die Verbesserung der Qualität in den Kitas, zum Beispiel hinsichtlich des Anstellungsschlüssels, absolute Priorität.
Nachdem man dort, wo man in der Regierungsverantwortung steht, nicht einfach nur fordern kann, ohne Finanzierungsvorschläge zu haben, sagen wir: Die Kostenfreiheit im Kindergarten, die wir uns natürlich genauso wünschen wie Sie, kommt bei uns mit Blick auf die Haushaltslage an zweiter Stelle - Priorität hat die Qualitätsverbesserung. Man muss, meine ich, ganz genau hinschauen und das Geld wirklich an der richtigen Stelle einsetzen. Daher ist sehr wohl die Frage zu stellen, ob das kostenfreie letzte Kindergartenjahr die richtige Stelle ist oder ob man nicht sehr
viel früher damit anfangen müsste. Alles das spricht für eine Qualitätsverbesserung. Schon heute sehen wir einen Anstieg der Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund. Deshalb betone ich noch einmal: Das Ziel, das letzte Kindergartenjahr kostenfrei zu regeln, muss diskutiert und überdacht werden.
In der Schule brauchen wir eine gute Integration, einen gezielten Sprachförderunterricht und den Ausbau der Ganztagsbetreuung. Erklärtes Ziel der Koalition ist es, bis zum Schuljahr 2012/2013 ein flächendeckendes Angebot von Ganztagsschulen in Bayern aufgebaut zu haben. Hierfür haben wir Liberalen uns intensiv eingesetzt. Der Ausbau geht bisher gut voran. Einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz, wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, ihn fordern, lehnen wir ab. Wir halten ihn auch aus Kostengründen momentan überhaupt nicht für realisierbar.
Dem Spracherwerb dienlich sind unbestritten kleinere Klassen. In diesem Bereich hat die Koalition bereits Signale gesetzt in Richtung Klassenhöchstzahlen von 25 Kindern an Grund- und Hauptschulen bzw. von 30 an den übrigen Schulen. Doch die Klassenstärke ist für den Spracherwerb nicht allein entscheidend. Für die gezielte Sprachförderung sind die bayerischen Lehrkräfte mit der Zusatzlehrbefähigung "Deutsch als Zweitsprache" bestens ausgebildet. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, aber wollen Kinder mit rudimentären Sprachkenntnissen aus dem Regelschulbetrieb herausnehmen. Das hat mich beim Lesen schon sehr überrascht. Wollen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nun Integration oder Ausgrenzung erreichen?
Wir Liberale sehen in Mehrsprachigkeit und Interkulturalität keine Defizite, sondern Potenziale, die nicht verschenkt werden sollten. Daher sollten nach unserer Ansicht in den Schulen vermehrt die Herkunftssprachen der Schüler als Unterrichtsfach angeboten werden. Oberstes Ziel aber muss die Beherrschung der deutschen Sprache bleiben. Wir wünschen uns eine verstärkte Einstellung von Lehrern mit Migrationshintergrund; denn diese könnten neben zahlreichen anderen Vorteilen durch ihr Vorbild auch eine hohe Motivation bei den Schülern fördern.
Auch beim Thema Islamischer Religionsunterricht sind wir uns einig. Wir wollen den islamischen Religionsunterricht ebenfalls an der Schule haben, aber zu den rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung gehört, dass sich der religiös-weltanschaulich neutrale Staat einer Religionsgemeinschaft als Ansprechpartner gegenübersieht, die legitimiert ist, Aussagen über
Glaubensinhalte zu treffen. Trotz aller Bemühungen vonseiten des Staates und der Gesellschaft ist eine einheitliche islamische Religionsgemeinschaft nicht erkennbar.
Daher kann in Bayern derzeit kein islamischer Religionsunterricht im formellen Sinne eingerichtet werden. Um der Nachfrage aber gerecht zu werden, treten Übergangslösungen an diese Stelle. Als eine solche ist der Modellversuch "Islamischer Unterricht" konzipiert, welchen die Liberalen sehr befürworten. Ich meine, auch Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, sollten anerkennen, dass die Integration an den Schulen - das haben Sie, Herr Kollege Pfaffmann, gesagt - intensiv betrieben wird. Wir räumen ein, für Erwachsene sind die Integrationskurse in ihrer Ausgestaltung noch verbesserungswürdig und nach Leistungsniveau zu differenzieren.
Zur Komplettierung des Bildungsbereiches gehört in ein mögliches Integrationsgesetz auch für uns unbedingt die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen. Hieran wird derzeit auf Bundesebene massiv gearbeitet. Auch die FDP-Fraktion befürwortet die bessere Partizipation am gesellschaftlichen Leben. Damit Menschen mit Migrationshintergrund besser an unserer Gesellschaft teilhaben können und nicht in Parallelgesellschaften abwandern, möchten wir das kommunale Wahlrecht für Ausländer, welche mindestens seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland leben. Ich möchte weiterhin von "Bürgern" und nicht von "Einwohnern" sprechen; denn die Menschen, die bei uns leben, sind Bürger. Ich möchte also keine Differenzierung haben.
Wir halten auch nichts von Ihrer Forderung nach einem Landesintegrationsbeauftragten und von pflichtgemäß eingerichteten Integrationsbeiräten in den Gemeinden. Wir haben in Bayern auf Betreiben der FDP-Fraktion in dieser Legislaturperiode die Funktion eines Integrationsbeauftragten installiert. Er macht einen guten Job. Die Sache funktioniert. Daher verstehe ich nicht, warum wir das jetzt ändern sollen.
Ich darf abschließend festhalten: Auch die FDP-Fraktion hält ein Integrationsgesetz im Grunde für wichtig, doch sollte man bei allen Gesetzesforderungen eines nicht vergessen: Ob Integration gelingt, das hängt ganz wesentlich von den Menschen selbst ab. Die so notwendige Willkommenskultur muss in jeder noch so kleinen Gemeinde von unten erwachsen und kann nicht gesetzlich verordnet werden.
Danke, Frau Kollegin Meyer. - Von seiner Restredezeit, eine Minute und 45 Sekunden, möchte Herr Pfaffmann für die SPD-Fraktion noch Gebrauch machen. Bitte schön.
Wenn man selbst keine Entwürfe zur Beratung vorlegt, ist es natürlich einfach, die vorliegenden zu kritisieren. Lieber Herr Felbinger, was Sie hier geboten haben, war schon interessant: kein einziges Wort der Problemlösung, nur Kritik am vorliegenden Entwurf. So kann man natürlich auch Politik machen, aber recht glaubhaft ist das nicht.
Zweitens. Die Themen Lernmittelfreiheit und Ganztagsplätze sind mehrmals angesprochen worden. Selbstverständlich kann man Lernmittelfreiheit nicht nur für Kinder mit Migrationshintergrund regeln - das steht so auch nicht in dem Gesetzentwurf; Lesen erweitert durchaus die Kenntnis über den Gesetzentwurf -, sondern sie ist sehr wohl für alle Menschen gedacht. Dasselbe gilt in Bezug auf den Ganztagsplatz.
Mehrmals ist die Frage der Sprachlernklassen angesprochen worden, also die Herausnahme von Kindern mit Migrationshintergrund aus dem Pflichtunterricht zum Erwerb der deutschen Sprache. Das ist möglicherweise ein innovativer Vorschlag, der als solcher so beurteilt wird. Ich kann Ihnen nur sagen: Alle - oder fast alle - Einwanderungsländer der OECD machen das bereits so. Schauen Sie sich das klassische Einwanderungsland Kanada an. Dort werden die Kinder zum Spracherwerb zunächst einmal ein halbes Jahr lang in kleinen Sprachlernklassen beschult, damit sie hinterher im Regelunterricht mitkommen können. Das ist doch der Sinn der ganzen Geschichte. Ich weiß gar nicht, was daran schlecht sein soll. Noch zur Debatte: Ich freue mich - ich bin gleich fertig - auf die Aussprache. Ich erwarte Ihre Änderungsanträge, nachdem ich heute so viele Vorschläge zur Integration gehört habe. Ich erwarte Ihre Änderungsvorschläge, die über die Kritik hinausgehen. Dann werden wir sehen, wie wir auf diesem Feld weiterkommen.
Meine lieben Kollegen, ich glaube, es müssen sich alle an die Nase fassen, was das Überziehen der Zeitvorgaben anbelangt. Ich werde genau darauf achten, dass jeder in dem Maße berücksichtigt wird, wie es ihm nach der Geschäftsordnung zusteht.
Es liegen uns keine weiteren Wortmeldungen vor, deswegen können wir die Aussprache für geschlossen erklären. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Ich gehe davon aus, dass damit Einverständnis besteht. - Dem ist so. Dann ist das auch so beschlossen.
Abstimmung über Verfassungsstreitigkeiten und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. a. Anlage 2)
Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen können Sie anhand der vor Ihnen auf dem Tisch liegenden Liste die Abstimmung nachvollziehen.