gendwelchen Betroffenen darüber reden, sondern endlich Fakten schaffen, auch wenn wir wissen, dass dieses Gesetz nur ein Vehikel zur Umsetzung von Integration und nicht die Lösung der Probleme ist.
In der Aussprache geht es mit Herrn Kollegen Neumeyer weiter. Herr Kollege Felbinger kann sich schon einmal bereithalten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Frau Zacharias gute Besserung wünschen. Ich hoffe, sie kann sich zuhause ausruhen.
Integration ist wahrlich ein Megathema. Ich bin der SPD dankbar, dass sie diese Gesetzentwürfe einbringt. Wir müssen über alles reden. Ich bin ebenfalls für verbindliche Regelungen in der Zukunft. Ob es aber explizit die Regelungen sein müssen, die Sie heute vorschlagen, bezweifle ich. Herr Pfaffmann, bei Ihrem Gesetzentwurf handelt es sich nicht um das erste, sondern um das zweite Integrationsgesetz in einem Landtag. Berlin hat ein Integrationsgesetz bereits im Dezember verabschiedet. Mehr als 50 % der Formulierungen des Berliner Gesetzes haben Sie in Ihre Gesetzentwürfe übernommen. In Berlin haben die GRÜNEN gegen das Gesetz gestimmt und sich enthalten. Die Juristen der Senatskanzlei haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Auf die Frage der Finanzierung hat der Regierende Bürgermeister Wowereit gesagt: Mehr Geld kann nicht die Antwort sein. Heinz Buschkowsky, der bekannteste Bezirksbürgermeister Berlins, sagt zu diesem Gesetz: Pillepalle. Dieses Gesetz ist in Berlin ohne die Betroffenen entstanden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Teile Ihres Gesetzes kann ich unterschreiben. Andere Teile atmen immer noch den Geist der Zeit der ideologischen Schaukämpfe. Das Thema ist jedoch zu wichtig, um für Parteipolitik genützt zu werden. Ich habe das Gefühl, die SPD stellt sich immer folgende Fragen: Wie schade ich der Staatsregierung? Wie schwäche ich den Integrationsbeauftragten? Das ist parlamentarischer Wettbewerb. In der Presse muss ich lesen: Die Stelle des Integrationsbeauftragten ist der angedockte Blinddarm am Sozialministerium. Dann stelle ich mir schon die Frage: Ist der Inhalt oder die Show wichtig?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Integrationsbeauftragte ist für die gesamte Staatsregierung zuständig. Er ist Berater und Ansprechpartner für
viele Anfragen. Die SPD hat am 28. November beantragt, den Integrationsbeauftragten beim Landtag anzusiedeln. Ich frage Sie: Wer hat den Integrationsbeauftragten im Wahlprogramm gefordert? Das war die FDP. Deswegen steht er in der Koalitionsvereinbarung.
Im Nachhinein riskieren Sie eine dicke Lippe. Wenn der Integrationsbeauftragte beim Landtag angesiedelt wäre, würden Sie sagen: Warum nicht bei der Staatskanzlei oder beim Sozialministerium? Das bringt uns definitiv nicht weiter.
Die Bundestagsabgeordnete Dr. Maria Böhmer wurde mit den Stimmen der SPD zur Integrationsbeauftragten gewählt, zumindest in der Großen Koalition.
Ich habe immer noch das Gefühl, dass Sie sich im Schwarz-Weiß-Denken verlieren. Auf der einen Seite befinden sich Ihrer Ansicht nach die diskriminierten Zuwanderer und die chancenlosen Kinder und auf der anderen Seite die Mehrheitsgesellschaft, die nur unter Zwang offen und tolerant sein kann. Herr Pfaffmann, Sie haben es richtig formuliert: Ein Gesetz erledigt nicht alles. Bei einem Gesetz handelt es sich um ein notwendiges oder regulatives Papier. Die Realität ist jedoch ganz anders. Die Menschen in Bayern sind bereit für die Integration. Bayern ist nicht der Hort der Reaktion. Die Migranten tun sich in Bayern nicht besonders schwer, sondern besonders leicht. Einem indischen Bekannten von mir aus Berlin ist Bayern als reaktionäres Land beschrieben worden. Derzeit lebt er glücklich in Bayern und will nie wieder weggehen. Die Wahrheit ist eine andere.
Fragen Sie doch einmal die Bevölkerung, wo die meisten Ausländer wohnen. Die meisten werden Hamburg, Berlin, Bremen und den Ruhrpott nennen. Nein, die meisten Ausländer leben in Bayern. 36 % der Münchner haben einen Migrationshintergrund. Das ist der Beweis. Bayern hat viele Zuwanderer und wenige Probleme. Ein Herr Sarrazin hätte in Bayern niemals sein Buch geschrieben. Eine Frau Heisig hätte ihr Buch ebenfalls nie in Bayern verfasst. In Bayern gibt es auch keine Scharia-Auswüchse.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotzdem stehen wir vor einer riesigen Herausforderung. Wir haben viel Arbeit vor uns. Gemeinsam können wir viel schaffen. Bayern ist nicht schlecht. Das liegt natürlich auch an der Wirtschaftslage. Die Menschen finden in
Bayern Arbeit. Sie haben Perspektiven und Chancen, wenn sie wollen. Liberalitas Bavariae ist keine Floskel, sondern Realität.
Herr Pfaffmann, Sie haben recht: Wir müssen Rahmenbedingungen für die Sprachförderung, die Bildung und die Arbeit schaffen. Vieles ist schon von der Frau Ministerin in ihrer Regierungserklärung gesagt worden. Ich bin dafür, dass diese Programme und Projekte nicht als Showprojekte fungieren, sondern evaluiert werden. Sie sollten den Menschen und nicht den Zeitungen etwas bringen. Die Projekte müssen evaluiert werden.
Ein weiterer Zusatz zur Schulpolitik: Sehr viele bayerische Schüler mit Migrationshintergrund sind besser als die Altersgenossen ohne Migrationshintergrund in manch anderen Bundesländern. Wir müssen mehr tun. Wir brauchen alle jungen Menschen. Jeder Euro, der in die Integration investiert wird, ist ein guter Euro. Allein wegen der demografischen Entwicklung ist die Integration ein Megathema.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, mit Ihren Gesetzentwürfen fordern Sie die Berücksichtigung der interkulturellen Kompetenz im Curricculum der Universitätsausbildung. Wir sprechen uns ebenfalls für den Islamunterricht aus. Da unterscheiden wir uns nicht. Herr Pfaffmann, aber Ihre Forderung nach Migrantenschulen überrascht mich schon. Diese Schülerinnen und Schüler kommen mit schlechteren Voraussetzungen in die Schulen. Wir wollen eine integrative Schule und keine Segregation.
In Ihrem Gesetz fehlen die Stadtentwicklung im Sinne einer sozialen Stadt und das Quartiersmanagement.
Mich stören weniger die Inhalte, aber mich befremdet Ihr Versuch, die Integrationspolitik weg von den Menschen hin zu den Gremien zu bringen. Anstatt einen gesamtgesellschaftlichen Dialog zu führen, fordern Sie Landesbeiräte. Den Integrationsbeauftragten nutzen Sie als Feigenblatt. Wichtiger als Verbände und Organisationen sind die Bürger. In Bayern machen wir das ganz anders. Wir haben den Bayerischen Integrationsrat. Dort fordern wir Verbände und Persönlichkeiten mit Migrationshintergrund aus 17 Nationen dazu auf, ihren Beitrag zur Integration zu leisten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die CSU ist das Thema Integration ein gesamtgesellschaftliches Thema. Bei dieser Debatte geht es um Zuwanderer. Allerdings geht es auch noch um einen zweiten Betroffenen, ohne den wir keine Politik machen kön
nen. Das ist die Mehrheitsgesellschaft. Ohne die Aufnahme dieser Menschen in die Debatte werden wir keine Chancen haben. Die Migranten und die Mehrheitsgesellschaft dürfen nicht getrennt werden. Die SPD sagt in einem Artikel zur Vorstellung des Gesetzes: Das Thema muss endlich weg von den Stammtischen. Wie arrogant sind Sie? Da sind doch die Menschen.
Integration ist nicht ausschließlich ein Thema für Eliten und Gremien. Nein danke. Sie ist ein Thema für alle Bürger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Fakt ist, viele Einheimische machen sich Sorgen. Sie machen sich Sorgen, weil die Gesellschaft bunter wird. Sie haben Angst, weil sich die Gesellschaft verändert. Sie haben Angst um ihren Arbeitsplatz, weil dieser vielleicht von einer billigeren Arbeitskraft besetzt wird. Oft sind diese Vorurteile unbegründet. Wir müssen diese Sorgen aber ernst nehmen. Wir müssen die Bevölkerung mitnehmen, nicht überreden, sondern überzeugen und in den Integrationsprozess einbinden. Das fehlt bei dem Gesetz. Alle müssen teilhaben, sowohl die Zuwanderer als auch die Mehrheitsgesellschaft. Das ist unser Weg.
Zum Thema Sprache habe ich am 11.11.2010 hier schon gesagt, dass die Integration im Kreißsaal beginnt. Wir werden bei Bildung und Sprache keine Chance haben, wenn wir den Teil, den Sie im Gesetz vergessen haben, nicht mitnehmen. Dieser Teil - Familie und Eltern - entscheidet darüber, ob die Integration ein Erfolg oder Misserfolg wird. Es kann nicht sein, dass der Staat jegliche Verantwortung übernimmt.
Anstatt die Menschen zu versklaven sagen wir, die Familie muss für ihre Kinder die Verantwortung übernehmen. Wir müssen dabei helfen und die Rahmenbedingungen schaffen. Verantwortlich für die Kinder sind aber die Eltern. Das ist unser persönlicher Weg. Wer verweigert, das sage ich ganz ehrlich, muss mit Sanktionen rechnen. Heinz Buschkowsky sagte in diesem Haus -
Er hat gesagt: Kommt ein Kind nicht in die Schule, geht das Geld nicht auf das Konto. Das ist krass. Aber das ist die Aussage: Wir müssen Zwang ausüben, damit die Kinder eine Chance haben.
Ihr Gesetz hat auch einen humoristischen Teil. Ich habe ihn zumindest entdeckt: Aus "Bürgerversammlungen" wollen Sie "Einwohnerversammlungen" machen. Wenn es in Bayern oder Deutschland keine Bürger mehr gibt, gibt es auch keine Bürgermeister mehr, dann hätten wir einen "Einwohnermeister". Das ist nicht der richtige Weg. Sie wollen die "Einwohnerversammlung" installieren, damit alle reden können. Wir sind der Meinung, dass wir mit allen reden müssen, egal welchen Pass jemand hat oder welcher Nation er angehört. Nennen Sie mir bitte Gemeinden, in denen jemand nicht reden darf, weil er einen anderen Pass hat. Hätten wir "Einwohnerversammlungen", wäre Christian Ude der "Obereinwohnermeister". Liebe Freunde, machen wir weniger Show und mehr Inhalte!
Ich denke, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind auf einem guten Weg. Die Debatte über ein solches Gesetz finde ich gut. Wir werden an der Diskussion teilhaben, weil wir verbindliche Regelungen brauchen.
Herr Kollege Neumeyer, bleiben Sie bitte am Redepult. Wir haben eine Zwischenbemerkung. Danke, Herr Neumeyer. Herr Wörner, bitte.
(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Neumeyer, würden Sie, obwohl Sie wahrscheinlich mit Ihrem Job fast überlastet sind, zur Kenntnis nehmen, dass der Abbau des als so wichtig beschriebenen Programms "Soziale Stadt" von Ihrem CSU-Kollegen, Bundesminister Ramsauer, so radikal durchgeführt wurde, dass für Südbayern gerade mal 445.000 Euro für neue Projekte übrig bleiben? Damit können Sie nicht einmal ein Straßenfest feiern, wenn Sie es großzügig aufziehen wollen.
Nehmen Sie zum Zweiten zur Kenntnis, dass ich in einem Stadtteil mit 46 % Ausländeranteil wohne und dort seit rund dreißig Jahren versuche, die Bevölkerung zusammenzuführen, was gut gelingt. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es erbärmlich ist, wenn ein Migrant bei einer Bürgerversammlung jemanden bitten muss, seine Wortmeldung zu übernehmen und zur Abstimmung zu stellen. Das wollen wir mit dem Gesetz beheben. Wir finden es schräg, dass man einen Paten braucht, der dabei hilft, das vorzutragen,
was man zum Stadtteil vortragen will. Hierin liegen wir nicht weit auseinander. Das hat nichts mit "Bürger" oder "Oberbürger" zu tun, sondern damit, dass jemand, der in Bürgerversammlungen geht, zeigt, dass er das Gesellschaftssystem akzeptiert und etwas tun will. Es muss sichergestellt werden, dass er kein Bittsteller ist und keinen Paten braucht.
Ich nehme beides zur Kenntnis, Herr Wörner. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass Sie mit diesen Millionen ein relativ großes Straßenfest feiern wollen. Das wird jedenfalls ein richtig soziales Fest. Da komme ich auch vorbei.
Mir tut es auch leid, dass die Mittel für die "Soziale Stadt" gekürzt worden sind, weil ich weiß, wie erfolgreich das Programm ist. Ich war in einigen Städten wie Donauwörth oder Bad Kissingen, wo die "Soziale Stadt" funktioniert. Ich habe an Minister Ramsauer geschrieben und ihn um Hilfe gebeten; die Kürzung ist mit dem bayerischen Weg abgemildert worden. Aber das Geld reicht nicht. Ich gebe Ihnen völlig recht; wir sind darin nicht unterschiedlicher Meinung. Ich habe kürzlich das Hasenbergl besucht. Es ist nicht einfach, wenn das Quartiersmanagement abgesagt werden muss. Es wäre an diesen Orten bei Weitem besser, wenn das Programm unverändert fortgeführt werden könnte.
Bei uns kann jeder auf Bürgerversammlungen reden. Ich meine, es ist nicht sehr dramatisch, wenn man einen Paten braucht, der die Sache vorträgt. Im Übrigen ist das auch in unseren Ausschusssitzungen so. Ein Petent kann nur reden, wenn für ihn das Wort frei gemacht wird. Das ist kein sehr großer Hinderungsgrund zu reden.