Protocol of the Session on February 2, 2011

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein ganz anderer Punkt ist mir beim Stichwort soziale Gerechtigkeit wichtig, nämlich Inklusion. Hierbei dürfen wir keine ideologischen Debatten auf Kosten der behinderten Menschen führen. Fakt ist: Wir - das gilt auch in Bayern - sind verpflichtet, Menschen mit Behinderung zu inkludieren. Soweit es den Menschen mit speziellen Bedürfnissen gut tut, müssen wir das tun. Ich verspreche Ihnen auch: Das wäre ein Gewinn für uns alle.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Inklusion ist geltendes internationales Recht. Was passiert aber hier in Bayern? Es gibt keinen Haushaltsansatz in diesem Entwurf der Staatsregierung, um diese besondere Herausforderung, diesen Paradigmenwechsel nach und nach umzusetzen. Stattdessen wird bei der Behindertenhilfe sogar noch gekürzt, und zwar um eine eigentlich lächerliche Summe, näm

lich drei Millionen Euro. Dass Sie sich das überhaupt antun! Der Kurs müsste aber genau in die andere Richtung gehen: Wir brauchen Inklusion, weil es geltendes Recht ist. Aber Sie kürzen bei der Behindertenhilfe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So wird eine vermeintliche Konsolidierung des Haushalts wieder einmal auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen. In diesem Zusammenhang zitiere ich den Präsidenten der Diakonie, der sagt, - die Aussage war auf ein anderes Feld der Sozialpolitik bezogen -, man beschränke sich in Bayern auf Ankündigungen und finde für Probleme, die schon seit Jahren bekannt seien, keine Lösung. Das trifft auch haargenau bei der Inklusion zu.

Das, was Ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde in Berlin machen, nämlich ein Gesetz nach dem anderen auf Kosten der Ärmsten zu beschließen - Stichwort Streichung des Elterngelds für Alg-II-Empfängerinnen und -Empfänger -, setzen Sie in Bayern fort. Stattdessen werden im Zusammenhang mit dem "Aufbruch Bayern" nette Geschenke verteilt, und zwar an Firmen, die kein einziges Kriterium der Nachhaltigkeit oder der sozialen Gerechtigkeit erfüllen. Kunststofftechnik, Rüstungsbauer und Motorradbauer kriegen so mal eben ein paar Millionen Euro, und zwar ohne dass sie überhaupt einen Förderantrag stellen müssen. Da freuen wir uns natürlich alle riesig über die Arbeitsplätze in Bayern. Bezüglich der bayerischen Motorradbauer sind es sogar zehn Arbeitsplätze, die nach Bayern kommen. Ich sage nur: "Aufbruch Bayern".

Ganz dringend müssen wir als öffentliche Hand natürlich unbedingt der Bavaria GmbH eine neue Filmhalle im Wert von zehn Millionen Euro hinstellen. In der Zeitung war zu lesen, dass der Geschäftsführer gesagt hat: Ich weiß gar nicht so genau, wie diese Filmhalle aussehen muss; aber wir brauchen sie unbedingt, um international bestehen zu können. - Deswegen wird sie eben von der öffentlichen Hand bezahlt. Warum sollte die Filmhalle auch nicht bezahlt werden? Bereits im Jahr 2002 hat der Oberste Rechnungshof kritisiert, dass die Steuerzahler der Bavaria GmbH eine Filmhalle bezahlt haben. "Aufbruch Bayern" steht also in guter Tradition.

Doch eigentlich hat der Landtag damals beschlossen, bezogen auf die Rüge des Obersten Rechnungshofs: Erstens müsse die finanzielle Leistungskraft nachhaltig einbezogen werden, damit die Maßnahmen keinesfalls voll aus staatlichen Mitteln finanziert werden. Zweitens stelle die Filmhalle allerdings als wichtige Infrastrukturmaßnahme für den Medienstandort Bay

ern einen Sonderfall dar, bei dem eine volle Finanzierung aus staatlichen Mitteln ausnahmsweise zulässig sei. Das ist Beschluss des Landtags.

Wenn wir schon von überflüssigen Geldausgaben reden, muss ich sagen: Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass es die FDP-Stadtratsfraktion in München offenbar geschafft hat, von der Unsinnigkeit des Münchener S-Bahn-Tunnels zu überzeugen; denn die Verpflichtungsermächtigungen für den Tunnel sind in diesem Haushalt nicht mehr drin.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Staatsregierung, allen voran Herr Zeil, hat also eingesehen: Es gibt bessere und gute Alternativen zu diesem Tunnel.

(Tobias Thalhammer (FDP): Wenn man in die Poccistraße möchte, ja!)

- Nicht nur da.

Stichwort Landesbank: Hier geht es wieder um die Mär vom schuldenfreien Haushalt. 2008 hat Bayern mal eben einen Kredit von zehn Milliarden Euro aufgenommen, um die Landesbank zu stützen. Wir sagen nicht, dass das falsch war. Aber hören Sie auf, die Unwahrheit zu sagen. In dieser Woche haben wir den langfristigen Finanzplan bekommen. Darin findet man die Pro-Kopf-Verschuldung jedes einzelnen bayerischen Bürgers. In dieser Hinsicht stehen wir ganz gut da; das muss ich wiederholen. Trotzdem ist festzustellen: Der Landesbankkredit ist nicht mit eingerechnet. Ich frage mich, warum Sie das jedes Mal so machen.

Auf die Frage, warum Sie den Landesbankkredit in die genannte Pro-Kopf-Verschuldung nicht einrechnen, gibt es einfach keine vernünftige Antwort.

Die Landesbank musste für die 10 Milliarden Euro bis dato keine Gebühr zahlen. Aber wir zahlen jedes Jahr für die Landesbank circa 400 Millionen Euro. Dieses Geld fehlt uns in Bayern für Investitionen in die Zukunft.

Bis hierher habe ich kaum über die Einnahmenseite gesprochen. Aber sie darf nicht außer Acht gelassen werden; das haben wir heute auch schon gehört. Stichwort: die starken Schultern mehr belasten, sowohl in Berlin als auch hier. Ich zähle kurz auf, worum es geht: Vermögensabgabe, Nichtabschaffung der Erbschaftsteuer, Anhebung des Spitzensteuersatzes. Ich will nicht näher hierauf eingehen. Die Musik spielt meistens in Berlin. Jedenfalls müssen wir die Einnahmenseite im Blick behalten; sie muss gestärkt werden.

Als ich mich auf unsere Erste Lesung vorbereitete, habe ich ein bisschen in den Ersten Lesungen der Vorgängerhaushalte geschmökert. Da kann ich nur sagen: Ich bin echt froh, dass ich ein Neuling bin. Da wiederholt sich jedenfalls alles, aber auch wirklich alles. Vor 20 Jahren ist an dieser Stelle festgestellt worden: Man könnte in Bayern mehr Steuern einnehmen, wenn es mehr Prüfungen gäbe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da drängt sich der Verdacht auf: Liegt hier eine Absicht vor? Will Bayern ein bisschen Schweiz light sein? Und was, bitte schön, soll noch geschehen? An dieser Stelle wird Jahr für Jahr darüber diskutiert.

Die Einnahmenseite würde sich verbessern, wenn mehr Finanzbeamte da wären. Der ORH hat das festgestellt. In diesem Jahr hat es sogar der Finanzminister zugegeben. Aber was geschieht stattdessen? Die Wiederbesetzungssperre gilt ohne Ausnahme auch für den Steuervollzug. Wie sinnvoll! Da sollen also Stellen nicht gleich besetzt werden, obwohl sie uns sogar Geld brächten. Oder warten Sie, bis Wikileaks auch in Bayern die Namen von Steuersündern veröffentlicht?

Überhaupt ist die Verlängerung der Wiederbesetzungssperre um neun Monate sehr fragwürdig. Okay, es gibt ein paar Ausnahmen für den Bereich Hochschule, und zwar wegen des doppelten Abiturjahrgangs. Auch in der Justiz - das haben wir heute schon gehört - gelten Ausnahmen. Aber diese reichen nicht aus. Nach dem ganz offiziellen Stellenplan des Ministeriums fehlen 385 Richter und Staatsanwälte.

Der Bayerische Richterverein ist gerade dabei, eine Klage vorzubereiten. Ich wünsche ihm wirklich viel Glück. Es ist eine Schweinerei, was mit den Beamtinnen und Beamten passiert. Es ist aber auch eine Schweinerei, wenn bei der Justiz alles so langsam vor sich geht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt komme ich zu den Sofortmaßnahmen vom vergangenen Herbst. Da wird es deutlich, wie Sie, liebe Staatsregierung, die Haushaltspolitik machen und verstehen. Sie setzen sich hin, zählen ein bisschen im Geldbeutel, und dann beschließen Sie, egal ob es sinnvoll ist oder nicht, Sofortmaßnahmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand hungrig ist oder nicht oder durstig ist oder nicht. So haushaltet noch nicht einmal die viel zitierte schwäbische Hausfrau. Ein öffentlicher Haushalt hat nun einmal andere Strukturen und muss schon deswegen ganz anders aufgestellt sein.

Sie drehen hier ein Schräubchen und da ein Schräubchen. Die werden mal ein bisschen enger gezogen. Woanders werden sie ein bisschen lockerer gemacht. Aber strukturell ändert sich nichts. Damit zeigen Sie: Sie haben nicht verstanden, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Sie machen weiter wie gehabt.

Trotz der guten Steuereinnahmen schaffen Sie es zum Beispiel nicht, den Versorgungsfonds für die Beamten zu bedienen, in den Klimaschutz zu investieren oder die Hochschulen zu versorgen. Wir sind da zwar ein bisschen auf einem besseren Weg, aber die Hochschulen müssen so versorgt werden, dass dort Lernen unter sinnvollen Bedingungen stattfinden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber wann, wenn nicht jetzt?

Trotz der guten Steuereinnahmen beträgt der Finanzierungssaldo laut Ihrem Entwurf in diesem Jahr 1,7 Milliarden Euro, im nächsten Jahr 700 Millionen Euro. Das heißt, Ausgaben und Einnahmen klaffen in diesem Jahr um 1,7 Milliarden Euro auseinander. - So viel zu der Frage des ausgeglichenen Haushalts.

Die Rücklagen betrugen Ende 2009 noch gut 3 Milliarden Euro. Ende 2012 werden dies laut Ihrem Entwurf nur noch gut 20 Millionen Euro sein. Die Rücklagen sind also nach Ihren eigenen Planungen und Angaben so gut wie aufgebraucht.

Mit "Aufbruch Bayern" und dem Doppelhaushalt haben Sie alles andere gemacht, als den Haushaltsgrundsätzen der Klarheit und der Wahrheit zu entsprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie versuchen, zu sparen und gleichzeitig Geschenke zu machen, hauptsächlich dadurch, dass Sie Altbekanntes in Geschenkpapier verpacken und eine Schleife da herum machen. Beides geschieht allerdings ohne Konzept und ohne Prioritätensetzung.

Sparen à la Rasenmäher, wie in diesem Entwurf beim Bauunterhalt und bei den Beamten geschehen, ist absolut der falsche Ansatz. Nur unter dem Gesichtspunkt der Aufgabenkritik kann sinnvoll gespart werden.

Grüne Haushaltspolitik setzt klare Prioritäten, sowohl auf der Ausgaben- als auch auf der Einnahmenseite. Unsere Haushaltspolitik steht für Nachhaltigkeit und für Gerechtigkeit zwischen den Generationen, aber auch zwischen den sozial Bedürftigen und sozial weniger Bedürftigen. Dazu werden wir im Laufe der

Haushaltsberatungen Anträge stellen. Sie enthalten ähnliche Appelle wie die Anträge der anderen Opposition. Mit unseren Anträgen wollen wir natürlich auch Titel streichen. Da wollen wir sparen, wie wir es immer machen. Außerdem setzen wir mit unseren Anträgen Prioritäten.

Wir wollen einmal sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ob Sie einmal nicht, wie Sie es sonst tun, gegen unsere sinnvollen Anträge stimmen. Vielleicht sind Sie dann ausnahmsweise einmal nicht die Dagegen-Partei. Lassen Sie uns diesen Haushalt gemeinsam nachhaltiger und gerechter gestalten!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Karsten Klein das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Bürgerinnen und Bürger eines von der Politik erwarten dürfen, dann ist das Stabilität. Stabilität bedeutet zuallererst Anstrengungen in Finanz- und Haushaltspolitik, und sie bedeutet, dass wir mit dem, was wir über Steuern und Abgaben einnehmen, auskommen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Ale- xander König (CSU))

Deshalb hat der ausgeglichene Haushalt, den wir jetzt zum vierten Mal in Folge in dieser Regierungskoalition, die sich dann im vierten Jahr befinden wird, diesem Parlament vorlegen, für die FDP-Fraktion und die Koalition höchste Priorität.

(Alexander König (CSU): Insgesamt sieben Mal!)

- Wir sind aber erst zum vierten Mal dabei, Herr Kollege.

Die Einnahmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen bei 42,6 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen belaufen sich auf 31 Milliarden Euro. Das ist der zweithöchste Stand nach 2008, den es je für den Freistaat gegeben hat.

Das sage ich an alle, die, wie die GRÜNEN und die SPD, immer wieder die Steuern erhöhen wollen: Wir haben bei den Steuern die höchsten Einnahmen aller Zeiten und deshalb auch kein Einnahmeproblem. Lösen Sie sich endlich von der Idee, dass wir noch mehr einnehmen müssten, um Ihre Träume verwirklichen zu können. Der Staat verfügt über genügend Einnahmen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Ale- xander König (CSU))