Protocol of the Session on February 2, 2011

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Runge, das Wort dazu wird aber von hier oben erteilt. - Herr Dr. Fischer, bitte schön.

Herr Kollege Runge, ich habe drei Fragen. Vielleicht schaffen Sie es, sie in zwei Minuten zu beantworten.

Zur ersten Frage. Wir haben uns heute ausführlich über gleichwertige Lebensbedingungen im ländlichen Raum unterhalten. Mir kommt es so vor, als ob es die typische grüne Politik ist, dass, wenn verbal etwas für den ländlichen Raum getan werden soll, Ja gesagt wird, aber Nein gesagt wird, wenn es konkret werden soll.

Dazu habe ich die Frage: Sind solche größeren Zentren, wie Sie sie eben in drastischen Farben geschildert haben, im Großstadtbereich attraktiver als im ländlichen Raum? Meinen Sie, dass man von gleichwertigen Lebensbedingungen sprechen kann, wenn

im ländlichen Raum die nötigen Möglichkeiten nicht bestehen, während sie in den Metropolregionen bestehen?

Zweite Frage: Können Sie sich vorstellen, dass es mittelständische Betriebe im ländlichen Raum gibt ich denke hier nicht an irgendwelche große Ketten, sondern an normale mittelständische Betriebe -, die Interesse haben, in diesem Raum ihre Produkte zu verkaufen? Wir haben doch Betriebe, die darauf angewiesen sind, dass es im ländlichen Raum größere Verkaufsflächen gibt.

Dritte Frage: Glauben Sie wirklich, dass Sie durch Verbotspolitik die Abstimmung mit den Füßen verhindern können? Die Menschen gehen, wenn sie im ländlichen Raum bestimmte Verkaufsangebote vermissen, den Weg in die Städte.

Ich bin auf Ihre Antworten gespannt.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Herr Kollege Fischer, Ihre Fragen zeigen ganz klar: Sie kennen weder das bisherige Landesentwicklungsprogramm noch den Beschluss des Kabinetts noch die Briefe, die dann an die Bezirksregierungen gegangen sind.

Es geht überhaupt nicht um Einkaufszentren. Jeder Ort im ländlichen Raum darf maximal einen Vollsortimenter zulassen, ohne dass es ein Zielabweichungsverfahren gibt. Der Vollsortimenter wird jetzt als ein Betrieb definiert, dessen Verkaufsfläche bis zu 1.200

m2 umfasst.

Bisher, Herr Kollege Fischer, haben wir im LEP das Ziel 1.2.1.2. In diesem Ziel gibt es eine Ausnahmeregelung. Wenn es nämlich keine Versorgung gibt, dürfen sehr wohl auch schon jetzt Betriebe ohne Zielabweichungsverfahren zugelassen werden. Was Sie als Notwendigkeit skizziert haben, ist also tatsächlich nicht redlich.

Es geht nicht um Einkaufszentren, auch nicht um

10.000 - m2 - Läden, sondern um das Aufbohren der

bisherigen zulässigen 800 m2 auf jetzt 1.200 m2 Verkaufsfläche.

Sie haben gesagt, in manchen Orten äußerten die Bürger ihren Willen. Ich bin immer für Bürgerbefragung und Bürgerentscheide. Nur sollte es dabei redlich zugehen. Ihr Kollege Herr Zeil hat neulich als Beispiel auf die Gemeinde Türkenfeld verwiesen. Ich muss ganz klar sagen: Dort sind die Bürger angelogen worden. Es gab ein CMA-Gutachten und ein an

deres Gutachten. In diesen sind bestimmte Kaufkraftab- und -zuflüsse falsch berechnet worden. Es wurde gesagt, dass zum Beispiel Bürger aus Landsberied oder Aich nach Türkenfeld zum Einkaufen fahren, statt nur drei Kilometer weit in die Kreisstadt Fürstenfeldbruck. Es ist also mit völlig falschen Zahlen gearbeitet worden. So etwas sollte man unterlassen.

Herr Kollege Fischer, die Ausnahme für den ländlichen Raum gibt es schon bisher. Sie ist aufgebohrt

worden, indem um 400 m2 Verkaufsfläche aufgestockt wurde. Aber Sie vernichten damit die gleichwertigen Bedingungen. Damit werden nämlich zahlreiche kleine Geschäfte kaputt gemacht. So sorgt man für die Verödung der Innenbereiche. Sie machen Handwerksbetriebe kaputt.

Ich zeige Ihnen einmal Anzeigen aus Tegernsee. Ich nenne Ihnen die Geschäfte, die vor der Schließung stehen.

Herr Kollege Dr. Runge, schon zwei Minuten sind herum.

Herr Präsident, ich habe sehnsüchtig geguckt, ob mir jemand noch weitere zwei Minuten geben will.

Ihre Fraktion hat noch Redezeit von zwei Minuten und 20 Sekunden.

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Karl von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns eben schon über die Auswirkungen sinkender Bevölkerungszahlen im ländlichen Raum unterhalten. Natürlich ist die Sicherstellung der Nahversorgung einer der Punkte, über die wir uns Gedanken machen müssen. Wir müssen uns überlegen, wie wir hier zu einem Optimum kommen.

Dieses Thema wird immer zusammen mit der Ansiedlung von Handelsgroßprojekten diskutiert, obwohl beides zunächst einmal nicht viel miteinander zu tun zu haben scheint. Der hoch umstrittene Bereich des Einzelhandels war Anlass für die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms. Jetzt entsteht ja eine komplette Neufassung. Natürlich muss man anlässlich der Neufassung wie bei anderen solchen Vorhaben die betroffenen Verbände anhören und die parlamentarische Beratung durchführen.

Deswegen verwundert es uns nachhaltig, wenn vom Kabinett unter dem Deckmantel der Sicherstellung der Nahversorgung bei einem der heikelsten Punkte des Einzelhandels Tatsachen an allen Gremien vorbei ge

schaffen werden. Die Erhöhung der Verkaufsfläche

von 800 auf 1.200 m2 ist nämlich mitnichten eine moderate Erhöhung. Es ist immerhin eine Erhöhung um 50 %. Wenn Sie das für moderat halten, bitte ich, den Bildungshaushalt ähnlich moderat zu erhöhen. Dann könnten wir viele weitere Lehrer einstellen, und die Eltern würden es uns danken.

(Beifall bei der SPD)

Sie schaffen mit der Verwaltungsanordnung Fakten, die angeblich jedem Dorf einen neuen Supermarkt bescheren. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Konzentrationsprozesse, die wir schon jetzt beobachten, werden zunehmen. Die Kommunen werden untereinander in eine immer größere Konkurrenz um die besten Standorte getrieben.

Wenn unser ländlicher Raum etwas braucht, dann ist es keine Darwinsche Auslese unter den Kommunen, sondern vielmehr eine interkommunale Zusammenarbeit. Deshalb fordern wir integrierte Einzelhandelsentwicklungskonzepte. Sie müssen verbindlich im LEP festgeschrieben werden, damit die interkommunale Zusammenarbeit stattfinden kann.

Wir werden dem Antrag der GRÜNEN zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der Freien Wähler spricht jetzt Kollege Muthmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bezüglich des Verfahrens schließen wir uns den Bewertungen der Kollegen der SPD und der GRÜNEN an. Denn das, was wir da erlebt haben, ist empörend.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Es ist ein Saustall!)

Herr Dr. Runge hat gesagt, es sei ein Saustall. Diese Formulierung würde ich nicht wählen wollen. Aber die Sache ist empörend.

Lieber Kollege Stöttner, wir haben zu diesem Thema schon einmal im Rahmen unseres Antrages gesprochen, weil wir eine Teilfortschreibung zu diesem Thema für richtig halten und nicht warten wollen, bis eine Gesamtfortschreibung zu einer Auflösung dieser Problematik führt.

Kollege Stöttner ist auch schon von Herrn Dr. Runge zitiert worden. Ich will das kurz ergänzen. Sie haben damals im Plenum gesagt, die Staatsregierung gehe sehr verantwortungsvoll mit dem Thema Landesentwicklung um. Das Wirtschaftsministerium habe einen

offenen Dialog mit den zuständigen kommunalen Spitzenverbänden, mit den regionalen Planungsverbänden, den Wirtschaftsverbänden, den Kammern und den Obersten Baubehörden geführt.

Der Ministerrat hat am 02.12.2009 den Zeitplan festgelegt und angekündigt, Ende 2010 einen LEP-Entwurf vorzulegen. Das haben Sie uns damals erzählt. Jetzt müssten Sie doch auch in den Chor derer einstimmen, die da sagen, so kann man nicht damit umgehen, nämlich zunächst in dem ohnehin vorgesehenen Verfahren nicht vorwärtszukommen und dann sozusagen aus dem Stand per Verwaltungsanweisung die Probleme bewältigen zu wollen. Das geht schon verfahrensmäßig in dieser Form nicht.

Im Übrigen, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, habe ich mich bei der Regierung von Niederbayern darum bemüht, das Schreiben aus dem Wirtschaftsministerium zu dieser Thematik zu bekommen; denn ich wollte als Abgeordneter wissen, wie die Exekutive mit diesem Verwaltungsverfahren umgeht. Da ist mir gesagt worden, das dürfe nicht herausgegeben werden.

Daraufhin habe ich mich an das Ministerium gewandt und mich auch dort um dieses Schreiben bemüht. Auch dort ist mir gesagt worden, dass das nicht zur Verfügung gestellt werden könne. Wo sind wir denn da? Was für ein Staatsverständnis ist das denn?

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Was für ein Staatsverständnis ist das, wenn die Exekutive der Legislative nicht sagen will, was im Vollzug der Vorschriften geschieht, die mit Zustimmung des Landtages zustande gekommen sind?

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist grausam!)

Ich bitte, hier dringend einen ordnungsgemäßen Weg auch unter Würdigung dessen, was wir erwarten dürfen, einzuschlagen.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)