Protocol of the Session on November 23, 2010

Ich meine, 200.000 Euro sind viel Geld. Gerade in Zeiten, wo das Geld knapper wird, wo wir uns im Rahmen der Haushaltsberatungen unheimlich anstrengen, alle Positionen noch einmal überprüfen, brauchen wir Transparenz gerade auf dem wichtigen Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Entwicklungszusammenarbeit muss aber auch noch effektiver werden. Momentan ist es so, dass für die Entwicklungszusammenarbeit zum einen das Wirtschaftsministerium, zum anderen die Staatskanzlei zuständig ist. Keiner weiß eigentlich so genau, wer wann zuständig ist. Wir meinen, die Zuständigkeiten müssen klar geregelt werden, die Kompetenzen müssen gebündelt werden. Wir glauben, dass die Entwicklungszusammenarbeit viel besser und effektiver gestaltet werden kann, wenn künftig nur noch die Staatskanzlei dafür zuständig ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen mit unserem Gesetzentwurf auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit, das uns als Sozialdemokraten sehr am Herzen liegt, dazu beitragen, dass auch in Bayern etwas vorangeht. Wir wollen die Entwicklungszusammenarbeit auf sichere, auf moderne Beine stellen. Dazu brauchen wir unseren Gesetzentwurf.

Ich möchte Sie bitten, diesem Gesetzentwurf heute zuzustimmen. Wir nehmen gerne Ihre Veränderungsund Verbesserungsvorschläge auf. Ich freue mich auf die anregende Diskussion mit Ihnen und hoffe, dass wir damit gemeinsam den Bereich der Entwicklungs

zusammenarbeit, der noch nicht gar so oft Thema im Landtag war, etwas erreichen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Rahmen der Aussprache erhält Herr Kollege Imhof das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wir haben die Möglichkeit, Frau Kollegin Strohmayr, uns in den jeweiligen Ausschüssen, wohin wir Ihren Gesetzentwurf verweisen werden, im Detail damit auseinanderzusetzen. Ich kann Ihnen schon verraten, dass wir den Entwurf als Fraktion ablehnen werden, und zwar aus folgenden Gründen:

Es ist zum einen mehr als fragwürdig, dass Bayern hier Gesetzgebungskompetenz hat. Das leitet sich schlichtweg aus dem Grundgesetz ab. Allenfalls kann Bayern an dieser Stelle flankierend tätig sein. Wir wünschen uns alle, wenn ich die Sprecher der einzelnen Fraktionen richtig verstanden habe, dass wir in Bayern etwas voranbringen und Verantwortung übernehmen.

Aber selbst dann, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn wir ein Stück weit Gesetzgebungskompetenz für uns in Anspruch nähmen, käme man spätestens mit dem Subsidiaritätsprinzip in Konflikt. Denn wir haben uns 2003 als Norm vorgegeben, dass wir nur dort gesetzliche Regelungen schaffen, wo sie absolut notwendig sind. Anders würde es zu Doppelstrukturen kommen, und es ist nicht sinnvoll, eine Masse von Bürokratie mit damit verbundenen immensen Kosten aufzubauen.

Wir sind doch nicht gefesselt. Der Landtag hat jede Menge Möglichkeiten, Zweckbindungen von Haushaltsmitteln auszusprechen und dadurch Einfluss zu nehmen sowie Berichte von der Staatsregierung einzufordern. Das tun wir auch, Frau Kollegin Strohmayr, auch gemeinsam als entwicklungspolitische Sprecherin und Sprecher. Es sind auch gemeinsame Anträge in Vorbereitung, wie Sie wissen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es besteht grundsätzlich das Einverständnis aller Parteien, dass wir die entwicklungspolitischen Leitlinien, die aus dem Jahr 1992 stammen und zum großen Teil veraltet sind, weiterentwickeln und überarbeiten. Dazu haben wir wichtige Dialogpartner. Das sind die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die NGOs, mit denen wir sehr gut im Gespräch sind. Das muss vertieft werden. Sie verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz in Theorie und Praxis. Sie geben der Arbeit ein Stück weit Fundament.

Wenn diese Leitlinien am Ende neu aufgelegt und überarbeitet sind, dann würde ich das als eine Art Leitplanke bezeichnen, die uns, den Landtag und die Staatsregierung, auffordert, unser Handeln danach auszurichten.

Gestatten Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, noch einige Anregungen. Ich sage Ihnen ganz persönlich, aber ich weiß es auch von den entwicklungspolitischen Organisationen, dem Eine-WeltNetzwerk Bayern, dem 40 bis 60 Organisationen angeschlossen sind, dass Ihr Gesetzentwurf zur erheblichen Irritationen geführt hat. Es geht mir so als Sprecher, es geht den anderen Sprechern so, die das wahrscheinlich artikulieren werden und die über diese Fragen in einem ganz intensiven Austausch sind. Ich kann nur spekulieren, was Sie dazu angetrieben hat, so ein Gesetz vorzulegen, das in keiner Weise ausgereift ist. Es scheint mir Stückwerk zu sein, zusammengesetzt, in keiner Weise stimmig, in dem viele Dinge ausgelassen wurden, Prinzipien in den einzelnen Artikeln vergessen wurden, also lückenhaft in jeder Weise. Was Sie da also vorhaben, ist unpräzise ausgeführt, unübersichtlich und nicht nachzuvollziehen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Gott, jetzt langt es langsam!)

- Ich werde das in den jeweiligen Ausschüssen für unsere Fraktion schon entsprechend begründen, Frau Kollegin. Wir haben dann die Zeit, das Ganze in den Ausschüssen ausgiebig zu diskutieren.

Ich bin völlig unzufrieden mit der Art und Weise, wie Sie den Entwurf vorgelegt haben. Das ist auch eine Frage des Stils und des Umgangs miteinander. Hinzu kommt die Fachlichkeit. Ich glaube schon, dass die NGOs erwartet hätten, mit Ihnen in einen engen Dialog einzutreten, bevor Sie einen solchen Gesetzentwurf vorlegen. Im Übrigen lehnen wir ihn in dieser Form ab und wollen das Ganze an die Ausschüsse überweisen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke schön. Nächster Redner ist Herr Kollege Fahn. Herr Dr. Fahn, bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich sage gleich zu Beginn: Die bayerische Entwicklungszusammenarbeit muss nicht zwingend auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Darüber müssen wir noch im Detail diskutieren.

Es gibt - das wurde gerade gesagt - dieses Eine-WeltNetzwerk in Bayern. Das ist eine Dachorganisation von 106 entwicklungspolitischen Gruppen. Diese leis

ten eine hervorragende Arbeit und hinterfragen auch immer die Zukunftsfähigkeit unserer Lebensweise.

Meine Damen und Herren, es liegt in unserer Verantwortung, die Lebensqualität der gegenwärtigen Generation zu sichern, ohne zukünftigen Generationen die Wahlmöglichkeiten zur Gestaltung ihres Lebens zu nehmen. Dieses Eine-Welt-Netzwerk hat in der Vergangenheit hervorragende Veranstaltungen organisiert, so zum Beispiel in Augsburg im Juli letzten Jahres. In regelmäßigen Abständen werden auch die verschiedenen politischen Gruppen zu einem freien Meinungsaustausch eingeladen.

Wir treffen uns regelmäßig mit dem Eine-Welt-Netzwerk und haben in den letzten Monaten parteiübergreifend, also CSU, FDP, Freie Wähler, GRÜNE und SPD, versucht, einen Konsens zu finden. Wir haben auch drei gemeinsame Anträge entwickelt, von denen zwei inzwischen eingereicht sind. Es geht um die Zuständigkeit der Bayerischen Staatsregierung für die Eine-Welt-Politik und die Überarbeitung der Grundsätze bayerischer Entwicklungszusammenarbeit aus dem Jahre 1992. Da muss natürlich einiges verändert werden. Darüber sind wir uns alle einig. Und es geht um einen jährlichen Bericht der Staatsregierung über die entwicklungspolitischen Aktivitäten. Da sind fünf Millionen Euro im Spiel und es ist durchaus wichtig, konkret zu erfahren, was mit diesen Geldern geschieht.

Im Übrigen sind wir uns doch wahrscheinlich auch einig, dass Aussagen zur Eine-Welt-Politik - so habe ich das mitbekommen - in den vergangenen Wochen und Monaten gemeinsam von allen Fraktionen erarbeitet wurden.

Ich darf auch noch einmal an den vorbildlichen Beschluss gegen ausbeuterische Kinderarbeit im Jahre 2007 erinnern. Dieser Beschluss war damals nur möglich, weil sich alle Fraktionen entsprechend abgesprochen hatten.

Der jetzt von der SPD vorgelegte Gesetzentwurf ist das muss ich leider so sagen - kontraproduktiv, weil er die bisherigen gemeinsamen Absprachen einfach negiert. Scheinbar will sich die SPD auf Kosten der anderen Fraktionen profilieren. Das schadet der gemeinsamen Sache, die gerade bei diesem Thema sehr wichtig ist.

Wenn man sich den Gesetzentwurf der SPD nun näher ansieht, entdeckt man, dass diese drei Anträge, die alle Fraktionen gemeinsam erarbeitet haben, praktisch enthalten sind, aber es wird so getan, als sei das allein die Idee der SPD. Nein, letztendlich sind die gemeinsamen Anträge der verschiedenen Parteien hier integriert.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dann müssten Sie doch kein Problem haben!)

Nun, das finde ich in dieser Form unfair, denn wir haben uns bisher an die Absprachen gehalten.

In Artikel 6 wird von Ihnen ein Fachbeirat gefordert. Darüber kann man diskutieren. Aber man muss konkret überlegen, ob das nicht eine Entwertung des Eine-Welt-Netzwerkes in Bayern bedeutet, das bisher eine hervorragende Arbeit geleistet hat. Ich habe mit Herrn Dr. Fonari darüber gesprochen. Er hat mir geschrieben, ich zitiere: Auch wir waren sehr überrascht von der teilweise seltsamen und schlecht vorbereiteten Initiative. Was bringt es also, meine Damen und Herren, einen Gesetzentwurf zu präsentieren, der vom Eine-Welt-Netzwerk in dieser Form nicht gewollt ist?

In Artikel 4 werden verschiedene Maßnahmen aufgezählt, wobei sich die Frage ergibt, ob man sich durch die Aufzählung solch vieler Maßnahmen im Gesetz nicht von vornherein zu stark festlegt. Ein Gesetz sollte eigentlich nur Rahmenbedingungen festlegen und nicht zu sehr ins Detail gehen. Bei vielen Dingen, die da enthalten sind, muss man sich auch fragen, ob das nicht Bundessache ist. In Artikel 32 des Grundgesetzes steht, dass das eigentlich Sache des Bundes ist. Deshalb muss man auch fragen, ob wir in Bayern überhaupt ein solches Gesetz für die Entwicklungszusammenarbeit brauchen.

Aber gut, es gibt auch ein Bayerisches Wassergesetz und es soll ein Bayerisches Naturschutzgesetz geben. Also vielleicht kann es dann auch ein Bayerisches Entwicklungszusammenarbeitsgesetz geben.

Wir von den Freien Wählern vermissen einige Bereiche, die wir uns in einem solchen Gesetz gewünscht hätten. Ich denke da an die Überlegungen zur nachhaltigen Entwicklung, die in diesem Gesetz stärker verankert werden könnten. Wichtig ist uns auch die kommunale Entwicklungsarbeit. Die wird nur am Rande erwähnt. Nach Ansicht der Freien Wähler nehmen die Kommunen aber eine Schlüsselstellung bei der Umsetzung eines solchen Gesetzes ein. Es gibt bisher nur 40 Kommunen in Bayern, die einen Beschluss gegen ausbeuterische Kinderarbeit gefasst haben. Es könnten durchaus mehr sein.

In Artikel 2 werden Ziele wie die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts genannt. Da hätte auch der Klimaschutz seinen Niederschlag finden müssen.

Wir wünschen uns mehr Planungssicherheit für das Eine-Welt-Netzwerk, so zum Beispiel mehrjährige statt einjährige Projektbewilligungen oder eine Stif

tung "Bayern Eine Welt". Darüber wurde auch bereits gesprochen.

Fazit: Der Gesetzentwurf der SPD ist mager. Es ist sozusagen nur ein laues Lüftchen, das da weht. Außerdem wurden die fraktionsübergreifenden Absprachen leider negiert. Das ist sehr schade. Mein Vorschlag geht dahin, dass sich alle Fraktionen trotzdem noch einmal zusammensetzen, um auch die Frage zu klären, ob ein Gesetz in dieser Form überhaupt notwendig ist.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächster Redner: Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Befassung mit einer EineWelt-Politik, mit Einer-Welt-Gerechtigkeit ist zweifelsohne wichtiger denn je. Das ist gar keine Frage. In vielen Teilen der Erde kommt es zur Verschärfung ökologischer und sozialer Krisen. Es gibt immer mehr Instabilität, kriegerische Konflikte, Armut und Hunger.

Nun eine Ergänzung zum Beitrag von Frau Strohmayr: Seit der Beschlussfassung zu den Milleniumszielen im Jahre 2000 haben wir etwa 400 Millionen Hungertote zu registrieren. Das Finanzmarktdebakel hat mehrere hundert Millionen Menschen zurück unter die Armutsgrenze geworfen. Wir haben es mit den drohenden Auswirkungen des Klimawandels zu tun, der vor allem in den ärmeren Ländern vorrangig zuschlägt.

Wir haben die Welternährungskrise, gegen die es auch noch keine Absicherung gibt. Das sind alles Dinge, die uns sehr nachdenklich machen müssten. Selbstverständlich brauchen wir auch in Bayern eine Eine-Welt-Politik. Das heißt, dass politische Entscheidungen bei uns im Maßstab globaler Verantwortung getroffen werden müssen und dass sie im Sinne von Nachhaltigkeit zu treffen sind.

Eine-Welt-Politik in Bayern bedeutet auch "in Bayern für Bayern". So ist es ganz wichtig, sich auch in der schulischen Bildung mit diesen Themen zu beschäftigen und generell eine breitere Bewusstseinsbildung für globale Zusammenhänge herzustellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, wir hier im Bayerischen Landtag haben tatsächlich schon vieles erreicht und vorangebracht. Ich mache das Geschäft nun seit zwölf Jahren. Am Anfang war es tatsächlich das Bohren dicker Bretter; jeder Antrag wurde abgeschmettert. Seit einigen Jahren haben wir dank der Zusam

menarbeit der Fraktionen immer mehr erreicht. Ein Höhepunkt war dieser Antrag gegen ausbeuterische Kinderarbeit. Er ist schon genannt worden. Da stand nicht nur drin, dass die staatliche Seite, also der Freistaat Bayern und alle seine Satelliten und Unternehmen künftig nur mehr Produkte nachfragen sollten, bei denen solche Kinderarbeit ausgeschlossen ist, sondern es ging da auch um Öffentlichkeitsarbeit. Darin ist zum Beispiel auch die Aufforderung an den Bund enthalten, das Vergaberecht dahingehend zu ändern, dass zweifelsfrei ökologische und soziale Kriterien bei der öffentlichen Beschaffung abgefragt werden können. Das waren Meilensteine. Der Bund hat diese Überlegungen mit der Änderung des Vergaberechtsgesetzes umgesetzt.

Ich wiederhole also, dass mittlerweile ein Großteil der anderen Bundesländer und der anderen Landtage diesen bayerischen Antrag übernommen und beschlossen hat. Wir sind hier tatsächlich vorangekommen, aber es reicht leider nicht.

Es gibt nämlich noch viel zu tun. Kollege Fahn hat schon das Antragspaket angesprochen, welches wir, beginnend vor einem Jahr, gemeinsam erarbeitet haben. Es enthält genau die drei Punkte, die auch Kern des Gesetzentwurfs sind: Das ist zum Ersten die kontinuierliche Berichterstattung. Vorher haben wir halt jedes Jahr zwei, drei Anfragen gestellt, darum tun wir uns etwas leichter, wenn der Bericht von Haus aus kommt. Das ist zum Zweiten die institutionelle Verankerung, also die Frage, wer in der Staatsregierung die Federführung hat, und zum Dritten, dass die Grundsätze der bayerischen Entwicklungszusammenarbeit endlich überarbeitet werden.

Es klemmt noch bei einem dieser drei Anliegen, nämlich bei der institutionellen Verankerung. Da müssen wir prüfen, wie wir das dann handhaben. Aber zwei der Punkte sind mittlerweile auf den Weg gebracht. Interessanterweise sind, wie gesagt, diese drei Anliegen Bestandteil des Gesetzentwurfs. Ich mag jetzt nicht über die Motivation, die dahintersteckt, spekulieren. Es ist schon ausgeführt worden, wie dies beispielsweise bei den verschiedenen Eine-Welt-Gruppen, vor allem bei den großen Mitgliedsgruppen, im Netzwerk angekommen ist. Wir steigen dann in die Beratungen ein. Die Frage ist, ob es ein Gesetz braucht. Das ist zu diskutieren. Auch die andere Frage, ob der Gesetzentwurf zielführend, stringent und umfassend genug ist, werden wir diskutieren. Ich halte das schon für fraglich. Wir könnten jetzt auch noch den einen oder anderen Punkt benennen, wenn es die Zeit zulassen würde. Wir sollten uns damit schon etwas Mühe geben, damit wir alle gemeinsam im Sinne der Sache und des Anliegens vorankommen.