Hier stehen wir vor einer echten Herausforderung, mit der wir uns im Bayerischen Landtag befassen müssen. Ich hätte von Ihnen, Frau Ministerin, hierzu heute eine Position erwartet. Bund, Länder und Kommunen müssen hier eine gemeinsame Position entwickeln. Es muss auf der politischen Ebene gelöst werden, auch mit Brüssel und mit Berlin, und wir sollten auch hier im Bayerischen Landtag darüber diskutieren, wie Programme in den Heimatländern gefördert und finanziert werden können, die den Menschen dort eine Lebensperspektive ermöglichen.
Meine Damen und Herren, Frau Ministerin! Ich komme zum Ende und fasse zusammen: Ihre mutlose Regierungserklärung ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Sie hat den formulierten Anspruch bei Weitem verfehlt, über den Parteitagsbeifall hinaus dem großen Nachholbedarf an gesellschaftlicher Orientierung und öffentlicher Positionsbestimmung zu entsprechen. Diese Regierungserklärung hatte, wenn man genauer hinschaut, auch nur ein einziges Ziel: Sie sollte gewissermaßen im Vorfeld und im Umfeld des CSU-Parteitages identitätsstiftend für die CSU wirken. Ob das am Ende gereicht hat, das weiß ich nicht. Auffällig war, dass aus den Reihen der FDP kein einziges Mal bei Ihrer Regierungserklärung applaudiert wurde, kein einziges Mal.
Ich möchte meinen Beitrag tatsächlich versöhnlich beenden, bevor später meine Kollegin Isabell Zacharias nochmals einige konkrete Punkte für die SPD benennen wird. Denn die Regierungserklärung ist tatsächlich immerhin ein Anfang, und wenn wir von nun an jährlich einen bayerischen Integrationsbericht hier im Bayerischen Landtag debattieren werden, kommen wir möglicherweise einige Schritte voran, auch wenn wir das ernst nähmen, was Bundespräsident Johannes Rau in einer bemerkenswerten Rede bereits am 12. Mai 2000 eingefordert hat, nämlich "eine neue Anstrengung für das Zusammenleben aller Menschen in Deutschland ohne Angst und ohne Träumerei".
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass 1994 genau zu diesem Thema eine Debatte stattgefunden hat mit dem Schwerpunkt Integration und Erlernen der deutschen Sprache als Schlüssel zur Integration?
- Genau! - Ist Ihnen bekannt, dass die Forderung des damaligen Innenministers Dr. Günther Beckstein, Deutsch als Schlüssel zur Integration zu lernen, von Ihrer Fraktion und der Fraktion der GRÜNEN mit Hohn und Spott und den Begriffen "Deutschtümelei" und "Zwangsgermanisierung" quittiert wurde?
Ist Ihnen klar, dass Sie mit dem Vorgaukeln der Vision einer multikulturellen Gesellschaft einen wesentlichen Anteil daran haben, dass wertvolle Jahre zur nachhaltigen Integration vertan wurden?
Sie haben Auswüchse wie Zwangsverheiratungen immer als einen multikulturellen Kollateralschaden hingenommen und akzeptiert.
Herr Kollege, es ist in der bundesdeutschen Politik parteiübergreifend mittlerweile völlig unbestritten, dass Deutsch das Instrumentarium zur Integration überhaupt ist. Deshalb frage ich mich, weshalb Sie heute mit einer solchen Polemik wieder den Konsens aufkündigen und anderen mit parteipolitischen Vorhaltungen an den Karren fahren wollen.
Klar ist, dass Ihre Kollegin, die Frau Ministerin, deutlich gemacht hat - so steht es zumindest in dem ursprünglichen Entwurf -, dass dies die erste Regierungserklärung überhaupt zum Thema Integration ist. Mir ist selbstverständlich bekannt, dass 1994 darüber diskutiert wurde. Der Bayerische Landtag hat integrationspolitische Debatten allerdings auch schon früher geführt, aber offensichtlich nicht im Anschluss an eine Regierungserklärung, sondern meistens im Anschluss an Dringlichkeitsanträge oder Anträge aus der Opposition.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank, liebe Christine, für deinen Bericht. Er ist eine gute Grundlage für eine weiterhin gute Integrationspolitik für den Freistaat Bayern.
Deutschland schrumpft immer schneller. Wir haben einen starken Geburtenrückgang und immer weniger Eltern - dies stand kürzlich in der "Süddeutschen Zeitung". Die Demografie ist eine der ganz großen Herausforderungen unserer Zeit. Leider ist diese Erkenntnis noch nicht so in unserem gesellschaftlichen Bewusstsein, wie wir es brauchen. Die Dynamik und die Dimension wurden lange nicht oder kaum registriert. Wir müssen heute aber insbesondere die Antworten für morgen finden.
Die Gesellschaft hat sich verändert. Wir haben eine hohe Lebenserwartung. Es gibt geringere Geburtenzahlen und Zuwanderung aus verschiedenen anderen Kulturkreisen. Diese Situation lässt sich nicht immer nur verwalten, sondern muss gestaltet werden.
Wenn wir einen Blick in die Kindergärten und die Grundschulen werfen, sehen wir, dass die Gesellschaft immer bunter wird. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund steigt und die Zuwanderer werden immer jünger. Die Aufwärtsbewegung wird weiterhin stattfinden. Dieses Phänomen, das anfangs nur in großen Städten festzustellen war, greift mittlerweile auch auf den ländlichen Bereich über.
Ich möchte eine Zahl nennen. In meinem Heimatlandkreis Kelheim liegt Mainburg. Mainburg ist die viertgrößte türkische Stadt der Republik, gemessen am Anteil der Türken. Solche Dimensionen haben jetzt viele Kommunen erreicht. Über Integration diskutieren wir endlich auch öffentlich und in allen Gesellschaftsschichten.
Integration ist auch eine soziale Frage. Die beste Integrationspolitik ist die Bildungspolitik, weil sie Chancengerechtigkeit schafft.
Die Zahl der Schulabbrecher unter den jungen Menschen mit Migrationshintergrund ist in Bayern zurückgegangen. Die Zahl der Abiturienten steigt auch bei dem türkischen Bevölkerungsanteil. Vorhin wurde schon gesagt, dass sehr viele Kinder aus dem asiatischen Bereich und aus Polen das Abitur machen. Auch bei den Türken in Bayern ist da momentan eine Steigerung festzustellen. Ich finde das hervorragend.
Wir brauchen alle diese Menschen. Wir brauchen diese Potenziale für Bayern, weil wir Innovation brauchen, weil wir die Ideen der jungen Menschen brauchen und unseren Wohlstand sichern wollen.
Die Integration läuft über Sprache, Berufstätigkeit und gesellschaftliche Teilhabe. Bei der gesellschaftlichen Teilhabe sind alle gefordert: die Vereine, die Firmen, die Kommunen und die Parteien.
Sprache ist ein Schlüssel. Lernt die Sprache, und zwar fließend und ohne Akzent! Das hat Abdullah Gül, der Staatspräsidenten der Türkei, vor wenigen Tagen gesagt. Einer predigt das Hohelied auf die deutsche Leitkultur, nämlich der Europaminister aus der Türkei, Herr Bagis.
Es ändert sich also etwas. Es wird neu diskutiert. Das ist ein wichtiges und richtiges Zeichen für unsere Diskussion.
Die Sprache allein reicht nicht, notwendig - und entscheidender - ist auch der Wille zur Integration. In Frankreich reden fast alle Französisch. Entsprechend verhält sich auch die Bevölkerung in Holland und in
Dazu noch etwas: Wenn in einem Haushalt in Deutschland nicht Deutsch gesprochen wird, steigt das Arbeitslosigkeitsrisiko gegenüber Deutschen um 60 %. Man muss in den Familien also Deutsch reden. Es hilft nicht, mit Schüsseln nur türkische oder arabische Sender zu empfangen; es ist notwendig, deutsche Sender zu empfangen. Es ist auch notwendig, deutsche Zeitungen zu lesen und Deutsch zu reden. Darin liegt die Entscheidung für unsere Gesellschaft.
Fördermaßnahmen sind da zwar sinnvoll. Aber letztlich sind sie nur Reparaturmaßnahmen. Wir müssen frühzeitig reagieren. Probleme müssen vorher gelöst werden. Bayern tut viel dafür, das Sozialministerium, das Kultusministerium und der Freistaat Bayern insgesamt. Nachbessern ist gut, aber Vorbeugen ist bei Weitem besser.
Wir haben 1961 auf der Grundlage eines Vertrages Gastarbeiter, insbesondere aus der Türkei, nach Deutschland geholt. In dem Vertrag steht ein Rotationsprinzip: Hier sollte zwei Jahre gearbeitet werden, damit dann "frische Arbeitskräfte", wie es in der Formulierung heißt, da sind. Die Sprache war in Richtung Qualifikation früher also überhaupt kein Thema; denn nach zwei Jahren geht man ja nach Hause, dann braucht man nicht die deutsche, sondern die türkische Sprache.
Integration muss im Kreißsaal beginnen - um es einmal drastisch auszudrücken. Die Integration muss bei der frühkindlichen Entwicklung und Erziehung von Anfang an ansetzen. Wir brauchen dazu verstärkt und auf allen gesellschaftlichen Ebenen eine interkulturelle Kompetenz. Diese bedeutet, dass wir wissen müssen, wie die anderen leben und warum sie so leben. Dies muss uns gegenseitig bereichern. Dazu gehören auch Schulungen für Erzieherinnen und Erzieher in interkultureller Kompetenz.
Bildung ist nicht allein Sache der Schule und des Staates. Bildung ist nicht möglich ohne die Familie. Bildung ist nur möglich, wenn die Familien mitspielen, wenn die Mütter mitspielen. Ohne Frauen funktioniert es nicht. Wir können in den Schulen mit vielen Millionen Euro zwar etwas bewegen. Aber wenn die Familien bei der sprachlichen Bildung nicht mitspielen, wenn dort nicht über Sprache und Literatur gesprochen wird, dann haben wir keine Chance.
Ohne Eltern geht es nicht. Mein persönlicher Wunsch ist eine Elternschule. "Elternschule" steht als Synonym für Hilfe für Eltern, die nicht wissen, wie Erziehung funktioniert. Eine solche Hilfe ist wirklich notwendig. Wir machen zum Beispiel pilotprojektartig Elternabende speziell für muslimische Mütter, um ihnen die 15 Wege zum Abitur und die 12 Wege zur mittleren Reife aufzuzeigen. Das machen wir, und es funktioniert.
Aber Sie können nicht davon ausgehen, dass man das ganz locker mit einem Elternbrief machen könnte. Es funktioniert auch nicht dadurch, dass man in der Tageszeitung inseriert. Es ist vielmehr notwendig, die Eltern aufzusuchen, anzuklopfen, zu telefonieren und zu sagen: Heute Abend ist der Abend für dein Kind, bitte übernimm die Verantwortung für dein Kind. Die Verantwortung darf also nicht an der Schule abgegeben werden, sondern die Eltern müssen selbst Verantwortung übernehmen.
Für die Bedeutung der Bildung für die eigenen Kinder müssen wir die Eltern sensibilisieren. In der Türkei ist es so: Wenn ich die Kinder an der Schule abgebe, übernimmt der Lehrer die volle Verantwortung. Bei uns ist das nicht so. Das muss ich sagen. Jeder Mensch braucht drei Dinge: Erstens Bildung, zweitens Bildung und drittens Bildung. Aus dieser Bildung entstehen Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung. Nur eines braucht man nicht, nämlich die Einbildung, wegen seiner Nation oder seiner Religion etwas Besseres zu sein.