Protocol of the Session on October 27, 2010

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie stellen sich hier ein Armutszeugnis aus. Den einen Grund für diese Feststellung habe ich gerade genannt. Der andere Grund liegt darin, dass alle Fraktionen einen Zeitfahrplan miteinander vereinbart hatten. An den

halten Sie sich nicht mehr. Herr Kollege Rohde, Sie haben schon nach Pfingsten versucht, eine Initiative zu starten, die wir, Herr Kollege Hanisch, mit dem Hinweis auf den vereinbarten Zeitplan noch abwehren konnten. Jetzt haben Sie über den Dreh des Dringlichkeitsantrags eine Möglichkeit gefunden, diesen Zeitplan doch auszuhebeln. Das finde ich schäbig, das finde ich nicht in Ordnung, aber so sind Sie eben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Inhaltlich positiv sind drei Dinge, das sage ich ausdrücklich. Zum Ersten wird die Briefwahlmöglichkeit erleichtert. Zum Zweiten wird die Mindestaufenthaltsdauer im Wahlkreis für die Ausübung des aktiven Wahlrechts verkürzt, wobei Sie unserer Meinung nach nicht weit genug gehen. Wenn Sie einmal auf das Land Nordrhein-Westfalen schauen, das heute schon mehrfach als Beispiel angeführt wurde

(Zuruf von der CSU: Das gelobte Land!)

- Herr Kollege, Sie sprechen mir aus der Seele -, werden Sie feststellen,

(Zuruf der Abgeordneten Renate Dodell (CSU))

dass 16 Tage ausreichen. Sie wollen von drei Monaten auf zwei Monate zurückgehen. Wir halten vier Wochen für ausreichend. Machen Sie sich doch Gedanken darüber, ob eine weitere Verkürzung der Lebenswirklichkeit der Menschen in Bayern nicht besser Rechnung tragen würde.

Drittens empfinde ich als positiv, dass die Altersgrenze für die Wählbarkeit der Ersten Bürgermeister und Landräte auf 18 Jahre abgesenkt wird. Das haben wir schon im Vorfeld mit einem Gesetzentwurf eingebracht.

Damit ist es auch schon vorbei mit dem, was als positiv bezeichnet werden kann. Wir sind strikt dagegen, dass Sie zukünftig den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen bzw. das Wohnortprinzip als Voraussetzung für die Wählbarkeit bei Gemeinde- und Landkreiswahlen gänzlich aufheben wollen. Das Bild, das Sie und auch Kollegin Kamm von den GRÜNEN soeben heraufbeschwören wollten, dass nämlich der Arme, der im Landkreis ein Häuschen geerbt hat und unglücklicherweise in der Stadt arbeiten muss, nicht gewählt werden könne, ist einfach falsch. Das stimmt mit der jetzigen Gesetzesrealität nicht überein;

(Jörg Rohde (FDP): Das habe ich nicht behauptet!)

Das heutige Prinzip des Lebensmittelpunktes lässt das bereits zu. Weshalb wollen Sie dann eine Neure

gelung? Ihr Antrag und auch der Antrag der GRÜNEN will, dass eine vollkommene Beliebigkeit anstelle des Prinzips des Lebensmittelpunktes eintritt. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht, dass der Star XY in jeder attraktiven Kommune gewählt werden kann, zum Beispiel Guttenberg in München oder Schweinsteiger sonst wo. Wir wollen eine Beziehung zum Wahlort haben.

Ich will auch noch die falsch verstandene Liberalisierung beim Rücktritt vom Ehrenamt eines Bürgermeisters, eines Gemeinde- oder Stadtrats herausgreifen. Sie wollen, dass diese Ehrenämter in Zukunft vollkommen ohne Begründung abgegeben werden dürfen. Wenn jemand bei der Abgabe seines Ehrenamtes keinen Grund mehr angeben muss, sondern nur noch zu sagen braucht, er mag nicht mehr, wird das einem kommunalen Ehrenamt nicht gerecht. Die Leute wissen vorher, wofür sie kandidieren, und dann müssen sie eben auch die sechs Jahre durchhalten, es sei denn, sie haben gewichtige Gründe. Diese gewichtigen Gründe lassen jetzt schon einen Rücktritt zu, und so soll es auch bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Zur Höchstaltersgrenze hat Kollege Prof. Dr. Gantzer schon die Position unserer Fraktion dargestellt. Da trauen Sie sich nicht. Warum wollen Sie denn nur bis zur Grenze von 67 Jahren gehen, und warum wollen Sie das erst ab 2020? Das zeigt nur Ihre Hilflosigkeit und Ihre Intention, so manche amtierende Würdenträger auf kommunaler Ebene zu verhindern. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Souveränität sieht anders aus.

(Beifall bei der SPD)

Ein Thema sparen Sie in Ihren Anträgen völlig aus, nämlich das Thema Integration. Integration ist zwar auch bei Ihnen in aller Munde, aber wenn es darum geht, den verbalen Bekundungen Taten folgen zu lassen, ist Fehlanzeige auf der ganzen Linie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie Integration wirklich ernst nehmen, bedeutet das auch, Menschen, die hier schon lange leben und auch Steuern zahlen, zumindest das Kommunalwahlrecht zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Das ist unser Ziel. Hier werden wir auch nicht locker lassen. Diesen Punkt begrüßen wir ausdrücklich im Antrag der GRÜNEN.

Aus den genannten Gründen lehnen wir den Antrag von CSU und FDP ab. Beim Antrag der GRÜNEN können wir nicht mittragen, dass Sie das Lebensmittelpunktprinzip ganz abschaffen wollen. Wenn Sie die Ziffer 6 aus Ihrem Dringlichkeitsantrag streichen würden, könnten wir dem Antrag zustimmen; ansonsten würden wir Ihren Antrag ablehnen.

Zum Antrag der Freien Wähler, der im Wesentlichen unseren Intentionen entspricht, ist nur kurz Folgendes zu sagen: Ziffer 2 Ihres Antrags, wonach Wahlbewerber vor der Wahl eine eidesstattliche Erklärung abgeben müssen, ist interessant und durchaus diskussionswürdig. Ziffer 9 können wir hingegen nicht zustimmen. Die Frage, ob ein Bezirkstagspräsident künftig direkt gewählt werden kann, bedarf einer intensiveren Diskussion. Sie haben bereits Auswirkungen genannt, die diese Regelung haben könnte. Wir verschließen uns dem zwar nicht generell, aber ich finde, diese Regelung sollte aus diesem Dringlichkeitsantrag herausgenommen werden. Wenn Sie das tun, könnten wir Ihrem Antrag zustimmen; ansonsten würden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Dringlichkeitsantrag enthalten.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, bitte bleiben Sie in meiner Nähe. Herr Kollege Rohde möchte eine Zwischenintervention machen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin, Sie haben richtig beobachtet, dass ich manchmal ein wenig ungeduldig bin. Wir haben die Form des Dringlichkeitsantrags gewählt, weil wir die Angelegenheit damit sehr einfach auf die Tagesordnung setzen können und weil wir damit die verschiedenen Themen, die in vielen - ich weiß nicht, in wie vielen - Einzelanträgen bereits diskutiert werden, jetzt en bloc auf einmal diskutieren können. Das spart auch viel parlamentarische Beratungszeit.

Ich wollte Sie nur noch ansprechen auf Ihr Selbstverständnis als Parlamentarier, weil Sie gesagt haben, es sei ein Armutszeugnis, wenn wir als Parlament die Regierung auffordern, einen Gesetzentwurf zu schreiben. Ich halte das für das Normalste der Welt. Wir sind hier die Legislative. Wir sind als Abgeordnete mit entsprechenden Mitarbeitern ausgestattet - der Herr Kollege Innenminister hat ein paar Mitarbeiter mehr -, die langjährige Erfahrung im Kommunalwahlbereich haben. Wir geben als Parlament durch einen Antrag mit verschiedenen Punkten die Vorgabe, was wir uns von der Staatsregierung wünschen, wie das auszusehen hat. Wir hoffen dann auf die entsprechende Umsetzung durch das Ministerium, und dann werden wir noch einmal beraten und können Änderungsanträge

im parlamentarischen Verfahren stellen. Das ist der normalste Gang der Dinge. Ich kann nicht verstehen, dass Sie als Parlamentarier darauf verzichten wollen, einer Regierung entsprechende Aufträge zu geben. Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Vielen Dank, Herr Kollege Rohde.

Frau Kollegin Dodell hat für ihre Fraktion namentliche Abstimmung zum Antrag 16/6109 von CSU und FDP beantragt. - Entschuldigung, Herr Huber, ich muss dem Folge leisten. Wir sind brav.

Frau Kollegin Schmitt-Bussinger, bitte.

Verehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Rohde, diesen Wortbeitrag hätten Sie lieber bleiben lassen, denn damit schauen Sie auch nicht besser aus. Als Parlament werden wir selbstverständlich unsere Möglichkeiten, Initiativen einzubringen, auch wahrnehmen, aber in der vereinbarten Art und Weise. Das haben Sie mit den anderen Fraktionen, mit uns vereinbart. Nämlich dann, wenn ein Gesetzentwurf der Staatsregierung vorliegt, werden wir unsere eigenen Vorstellungen einbringen. Da hätten Sie auch Ihre Vorstellungen einbringen können. Das werden Sie möglicherweise auch noch tun. Aber Sie wollten vermutlich jetzt hier aktiv werden.

(Jörg Rohde (FDP): Und mit Ihnen diskutieren!)

Das zeigt, dass Sie sich an parlamentarische Vereinbarungen nicht halten wollen. Das habe ich kritisiert. Und ich habe kritisiert, dass Sie in Ihrem Dringlichkeitsantrag die Staatsregierung auffordern, zu der Sie als Koalitionspartner mehr oder weniger gehören. Das ist ein eher ungewöhnlicher Weg, aber wir nehmen das so hin, wie Sie uns das heute gezeigt haben.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank.

Jetzt habe ich nur noch den Kollegen Herrmann. Herr Staatsminister, Sie haben das Wort. Die Zeit bis zur namentlichen Abstimmung läuft? - Gut. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass es im Sinne dieses Hohen Hauses ist, wenn ich nicht so lange rede, bis die Frist für die namentliche Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag abgelaufen ist. Das müssen wir nachher nachholen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann in aller Kürze sagen: Ich werde aller Voraussicht nach noch vor Weihnachten dem Ministerrat einen Gesetzentwurf zur Änderung des kommunalen Wahlrechts vorlegen, in dem wir einen Großteil der Themen, die heute angesprochen worden sind, aufgreifen,

(Zuruf des Abgeordneten Hans Joachim Werner (SPD))

wie das dem in Aussicht genommenen Verfahren entspricht. Dann wird der Gesetzentwurf in die übliche Verbandsanhörung zu den kommunalen Spitzenverbänden gehen.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Herr Kollege, es ist doch einfach sinnvoll, dass ich Ihnen berichte, was zu erwarten ist, oder nicht?

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Herr Rohde stand doch schon in den "Nürnberger Nachrichten"!)

Ich sage Ihnen jetzt nur, was die Staatsregierung vorhat, bzw. was ich vorhabe. Dann wird das entsprechend hier eingebracht werden. Dann werden wir sicherlich in aller Breite über die verschiedenen Themen diskutieren können. Darum erspare ich Ihnen und mir, jetzt auf jedes Detail, das angesprochen worden ist, näher einzugehen.

Ich will nur zu einem Punkt, Frau Kollegin Kamm, etwas sagen: Die EU-Bürger dürfen alle bei der Kommunalwahl wählen. Es ist schon wichtig, dass wir in der öffentlichen Diskussion deutlich machen, dass Sie von allen Ausländern außerhalb der EU reden, wenn Sie vom Ausländerwahlrecht reden. Das ist wichtig im Hinblick auf die Prozentsätze von Einwohneranteilen, über die Sie gesprochen haben. Sie müssen nämlich erst die EU-Bürger herausrechnen. Die dürfen nämlich alle mitwählen. Dann ist der Teil derjenigen, der nicht wählen darf, schon wesentlich geringer.

Dann bleibe ich persönlich jedenfalls klar dabei, dass es richtig ist, dass sich jemand zuerst integriert und dann wählen kann und nicht meint, mit der Verleihung von Wahlrechten könne man einen Integrationsprozess beschleunigen. Ich sage Ihnen klar, da Sie von Elternarbeit und ähnlichem mehr gesprochen haben: Kein Mensch ist daran gehindert, an Elternarbeit in Schulen und Kindergärten teilzunehmen. Dafür ist eine Staatsangehörigkeit überhaupt nicht Voraussetzung. Da kann sich jeder ausländische Elternteil entsprechend einbringen. Insofern führt uns das nicht wesentlich weiter.

Noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen: In wenigen Wochen wird der Gesetzentwurf vorliegen. Dann werden wir ihn sehr sorgfältig - es handelt sich in der Tat um eine wichtige Materie - in den Ausschüssen beraten können. Ich freue mich auf die Debatte mit Ihnen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.