Protocol of the Session on October 14, 2010

In der frühkindlichen Bildung, die für mich in der Integrationsdebatte der effektivste Ansatz ist, zeigt die Integrationsstudie, die letzte Woche vorgestellt worden ist, Ergebnisse auf, die eindeutig belegen, dass Kinder mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich oft bereits jetzt den Kindergarten besuchen und von diesem profitieren.

(Beifall bei der FDP)

Ich freue mich darüber und sehe es als ein überaus positives Signal in der Integrationsdebatte, dass gerade heute beschlossen wurde, einen Lehrstuhl für Islamwissenschaften einzurichten, selbst wenn das bedauerlicherweise nicht in Bayern geschieht. Das ist ein ganz wichtiges Signal in dieser Debatte.

(Beifall bei der FDP)

Die Erwerbsquote von Menschen mit Migrationshintergrund im Freistaat ist höher als in jedem anderen Bundesland. Ich appelliere hier wirklich an alle, die sich an der Integrationsdebatte beteiligen, politische Sensibilität an den Tag zu legen. Wir als Politiker haben eine ganz besondere Verantwortung. Ich appelliere dabei an alle - das sage ich ganz bewusst und in alle Richtungen, weder Ängste und Ressentiments zu schüren noch leichtfertig auf eine Selbsterledigung des Integrationsprozesses zu setzen. Wir haben mit dem gemeinsamen Antrag, den wir als Dringlichkeitsantrag nachgezogen haben, ein deutliches Signal gesetzt. Wir wollen zur Versachlichung und zum Miteinander dieser Koalition beitragen. Wir sehen auch eine Möglichkeit in der Schaffung eines Integrationsgesetzes für Bayern, das auf der Werteordnung des Grundgesetzes aufsetzt. Wir haben guten Grund, auf umsichtige Integrationsfähigkeit in Bayern zu hoffen, darauf, dass auch alle unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger diese Fähigkeit haben.

Ich möchte es noch einmal sagen: Wir sehen in der Schaffung eines Integrationsgesetzes einen Weg, wo Bayern wieder einmal eine Vorreiterrolle übernehmen könnte.

(Beifall bei der FDP)

Folgen wir der Vision vom Integrationsland Bayern und arbeiten wir gemeinsam daran, eine Vision in die Wirklichkeit zu führen! - Ich bedanke mich bei Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Meyer, darf ich Sie noch mal kurz ans Mikrofon bitten. Da kommt eben noch eine Zwischenintervention. Bitte.

Frau Meyer, Sie haben gerade gesagt, dass Sie Ihrem eigenen Antrag zustimmen werden. Das verstehe ich, ganz klar.

(Heiterkeit)

Auch die Freien Wähler haben einen Antrag gestellt: Einwanderung und Integration nicht zu parteipolitischen Zwecken missbrauchen. Stimmen Sie dem Antrag der Freien Wähler zu?

(Von der Rednerin nicht autori- siert) Wenn ich den Antrag der Freien Wähler, den ich mir sehr genau angeschaut habe, in seiner ganzen Differenziertheit sehe, dann kann ich ihm nicht zustimmen, weil er nicht ganz dem Prinzip der Sachlichkeit entspricht, wie wir uns das vorstellen.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt, Herr Kollege Dr. Kirschner, haben Sie das Wort. Nach Herrn Dr. Kirschner sehe ich keine Wortmeldung mehr. Dann kommt noch Herr Staatsminister Herrmann zu Wort. Zunächst Herr Dr. Kirschner, bitte schön.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin Frau Meyer hat die Dinge unter sozialen Gesichtspunkten aufgearbeitet. Ich schließe mich dem an und füge den Satz hinzu: Diese Arbeiten müssten eigentlich schon im Kindergarten beginnen und nicht erst dann, wenn die Kinder 15, 16 oder 17 Jahre alt sind.

Was meinen Beitrag anbelangt, darf ich mit dem Satz beginnen: Die Aussage, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen, lehnen wir ab.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Dies tun wir nicht aus ideologischen oder parteiideologischen Gründen, sondern aus ethischen, moralischen und wirtschaftlichen, aber auch aus demografischen Gründen. Letzteres kurz in Fakten: Die Bundesrepublik Deutschland schrumpft, auch Bayern schrumpft, wenn auch nicht so stark wie der Osten. Ich frage mich: Wer soll denn unser Sozialsystem aufrechterhalten? Wer soll unsere Renten bezahlen oder die Renten der jüngeren Abgeordneten?

(Heiterkeit)

Sie sind doch jünger, oder?

(Ulrike Gote (GRÜNE): Mich kann er nicht meinen!)

Dies gelingt nur dann, wenn wir die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik Deutschland erhalten und möglichst viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze erhalten und ausbauen können.

(Beifall bei der FDP)

Ziel der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik muss es sein, dass Fachkräfte im notwendigen Umfang und in entsprechender Qualität zur Verfügung stehen. Die Versorgung mit ausreichend qualifizierten Fachkräften ist angesichts der demografischen Entwicklung infrage gestellt. Von der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitsplätze hängen Standortsicherung, struktureller Wandel, gesellschaftliche Innovation und Wohlstand entscheidend ab. Dies gilt insbesondere für den Freistaat Bayern mit seiner überdurchschnittlichen Dynamik und Exportabhängigkeit.

Die Zahlen sprechen für sich. Wenn keine Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt eintreten, droht Deutschland im Jahre 2030 ein Fachkräftemangel von 5 Millionen Personen. Bereits 2015 werden 3 Millionen Personen fehlen. Bayern ist innerhalb Deutschlands am stärksten betroffen mit 1,1 Millionen. Das ist keine Studie von mir, sondern eine wissenschaftliche Studie.

Der Fachkräftemangel erstreckt sich über alle Qualifikationsstufen vom Ingenieur bis hin zum Facharbeiter. In 2010 waren in Deutschland bereits 36.000 Ingenieurstellen unbesetzt. Dies ist umso problematischer, da die mit Ingenieuren besetzten Wirtschaftszweige überdurchschnittlich zum Exporterfolg beitragen, insbesondere in Bayern. Zwei Drittel der Unternehmen in Bayern haben teilweise Schwierigkeiten, ihre offenen Stellen zu besetzen. Nach einer Erhebung der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern waren bereits Ende 2009 beim bayerischen Handwerk 8.100 Ausbildungsplätze nicht besetzt. Gleichermaßen meldet sich die Leitökonomie Tourismus, auch wieder Bayern und hier insbesondere das bayerische Oberland, das Bäderdreieck und der Bayerische Wald. Es ist wirtschaftspolitische Aufgabe des Staates, diese Aktivitäten zu flankieren - vordringlich durch die Nutzung der inländischen Ressourcen. Aber nicht nur jede Stelle für eine Facharbeitskraft ist aus dem Pool der Arbeitslosen zu decken, wie Sie das angesprochen haben, sehr verehrter Herr Schmid. Das schaffen wir nicht, weil wir nahezu auf die Vollbeschäftigung zusteuern.

(Georg Schmid (CSU): 1,5 Millionen haben wir in Fortbildung, Weiterbildung und Umschulung!)

Wir schaffen das nicht. Dafür gibt es Nachweise. Das ist keine Meinung von mir, sondern das sind wissenschaftliche Studien.

(Georg Schmid (CSU): Was Sie nicht alles glauben!)

Daher muss Deutschland attraktiv für die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland werden. Eine Parallelität von Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel ist wirtschaftlich und sozialpolitisch nicht hinnehmbar.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Darum braucht Deutschland ein geregeltes Zuwanderungssystem und ein Zuwanderungsrecht.

Mittelfristig muss das Zuwanderungsrecht umgebaut werden. Nur mit einem unbürokratischen und flexiblen Zuwanderungssystem können wir im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen. Notwendig ist eine langfristige Strategie mit positivem Image. Der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt muss künftig über ein bedarfs- und qualifikationsorientiertes System ermöglicht werden. Die Parameter sind Ausbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse.

Darüber hinaus müssen die internationalen Abschlüsse eine bessere Anerkennung finden. Flankierend zur Zuwanderungssteuerung gilt es, den Standort Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiv zu gestalten. Ich habe das heute bereits erwähnt beim Thema Forschung und Entwicklung. Forschungsfeindlichkeit und diese Dinge spielen eine Rolle. Voraussetzung sind gute Studien- und Forschungsbedingungen. Es muss ein Aufenthaltsrecht geben, und es muss den Einwanderern in die Bundesrepublik Deutschland eine Perspektive eröffnet werden.

Zudem gilt es, weltweit aktiv für den Standort Deutschland zu werben. Deutschland ist ein attraktives Land, in dem man gut und sicher leben kann und in dem die Infrastruktur funktioniert.

Ich fasse zusammen: 2015 werden ein Viertel der Lehrer und Erzieher fehlen, ein Fünftel der Mediziner, insbesondere im ländlichen Raum, und es fehlen Ingenieure.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Kirschner. Im Rahmen der Ausspra

che habe ich noch eine Wortmeldung von Herrn Kollegen Aiwanger.

(Vom Redner nicht autori- siert) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe soeben mit Frau Meyer gesprochen und habe sie gefragt, welche Passage in unserem Antrag unsachlich sei, der sie nicht zustimmen könne. Sie hat auf den letzten Satz verwiesen, der lautet:

Parteipolitische Manöver und ein öffentlicher Schlagabtausch um das Thema Einwanderung und Integration vergiften das Klima in der Gesellschaft, erschweren die Integration und sind somit zu unterlassen.

An diesem Satz hat sie sich gestoßen. Wir lassen diesen Satz weg und geben den Rest zur Abstimmung.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank, Herr Kollege Aiwanger. Wir vermerken, dass die Antragsteller ihren Antrag um diesen Satz kürzen und den Antrag so verändert zur Abstimmung stellen.

Ich sehe keine Wortmeldungen mehr. Dann gebe ich zum Abschluss dieser Debatte Herrn Staatsminister Herrmann das Wort.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Im Rahmen dieser Debatte! Wir können uns noch einmal melden!)

- Im Rahmen dieser Debatte, jawohl. Absolut richtig. Herr Kollege Herrmann.

(Christa Naaß (SPD): Ganz ruhig, Herr Minister!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über die Begeisterung, die in diesem Hohen Hause allseits vor allen Dingen über ausländische Fachkräfte herrscht. Das ist - das will ich unterstreichen - nicht nur in diesem Hohen Hause, sondern selbstverständlich auch in der Staatsregierung völlig unstrittig. Wir haben erst in der vergangenen Woche auf Vorschlag des Kollegen Heubisch völlig einmütig Kirill Petrenko zum neuen Generalmusikdirektor der Staatsoper als Nachfolger von Kent Nagano hier in München berufen. Wir stehen in diesem Wettbewerb um die besten Köpfe der Welt, und die tummeln sich gerne hier in München. Die fühlen sich wohl hier in München. Ich bin sicher, sie werden das auch in Zukunft tun. Das ist völlig unstrittig, liebe Kolleginnen und Kollegen.