Protocol of the Session on September 29, 2010

(Beifall bei der SPD - Erwin Huber (CSU): Das, was Sie sagen, ist absurd!)

Ich nehme gerne Ihre Ideologie auf. Sie erzählen überall, dass wir unserer Jugend für die Zukunft keine Schulden hinterlassen sollen, denn die Jugendlichen sollen in Zukunft auch noch etwas machen können. Gilt diese Ideologie nicht genauso für die Frage der Endlagerung? Herr Kollege Reiß, Sie reden von "ein bisserl" Abfall. Dieses Bisserl sind bei einer Verlängerung der Laufzeiten in Bayern immerhin 140 Tonnen pro Jahr. Sie können sich das gerne hochrechnen. Sie sind ganz schnell bei der riesigen Zahl von 140.000 Tonnen. Sie können es ausrechnen, was das Bisserl bei Ihnen ist. Wir laden es gerne bei Ihnen im Garten ab, damit Sie eine Vorstellung davon haben, welche Menge Sie den Menschen für die Zukunft zumuten. Ich habe wie viele andere meine Zweifel daran, dass Gorleben jemals in Betrieb geht. Möglicherweise wird diese Menge gar nicht in das Lager hineinpassen, und wir werden noch mehr Lagerfläche brauchen.

Der Herr Lebensminister ist im Moment nicht hier. Herr Zeil, Sie wollten sogar Laufzeiten bis in die Ewigkeit, wenn man es richtig liest. Ein einziger junger Mensch bei Ihnen hat einmal laut gedacht. Dem wurde aber sofort der Deckel verpasst. Heute hat er sich sehr vorsichtig ausgedrückt. Nach dem neuen Gutachten kann man Isar 1 schon weiterlaufen lassen. Ich bewundere einen Niederbayern, der sich das zutraut, der auch noch in der Nähe wohnt. Ich verstehe es nicht. Ich halte es für unmöglich, Isar 1 weiterlaufen zu lassen.

Im Übrigen halte ich es auch für unmöglich, wie dieses Thema gestern im Bundeskabinett durchgepeitscht wurde. Zu den Gutachten war keine Frage zulässig. Nicht einmal Expertenanhörungen sollen zu den Gutachten durchgeführt werden, obwohl es diese Gutachten zu hinterfragen gilt. Selbst wohlwollende Menschen halten diese Gutachten für Gefälligkeitsgutachten, die mit Geld von der Lobby derer, die von der Laufzeitverlängerung profitieren, erkauft wurden. Bei Hotels kann man so etwas vielleicht noch machen. Wenn es aber um die Existenz von Ländern geht, wird es sehr schwierig. Ich meine, die Entscheidung war falsch. Wir werden sie so schnell wie möglich revidieren, und wir werden dazu auch auf die Straße gehen.

Einer Ihrer vermeintlich großen Ministerpräsidenten in Bayern hat auch einmal von einer Fahrradspeichenfabrik geredet. Er hat das, was in Wackersdorf geschehen soll, verniedlicht und verheimlicht. Auch dort haben Sie eins auf die Mütze bekommen. Wir wollen mit dieser unsäglichen Verlängerung der Laufzeiten den sozialen Frieden in Bayern nicht stören, sondern wir wollen, dass Sie mit uns den Konsens tragen, der einmal gefunden worden ist. Offensichtlich darf aber in Ihrer Fraktion selbst der umweltpolitische Sprecher sagen, er sei glücklich darüber, dass es Atomkraftwerke gibt. Wer so etwas sagt, muss völlig neben der Kappe sein.

(Widerspruch des Abgeordneten Dr. Otto Hün- nerkopf (CSU))

- Sie können es gern im Protokoll nachlesen. Dort steht, dass Sie es so gesagt haben. Bestreiten Sie es nicht, denn es war so.

Aufräumen darf ich auch noch mit einer Mär. Die Uranherstellung ist nicht CO2-neutral. Das Kernkraftwerk ist CO2-neutral - aber auch nur der Betrieb, nicht jedoch Bau und Abbruch. Beim Erzeugen von Brennstäben werden gigantische Mengen an CO2 produziert. Auch das sollten Sie nicht verheimlichen. Sie sollten in solchen Fragen bei der Wahrheit bleiben, dann müssen Sie Ihre Aussagen später nicht permanent revidieren. Herr Huber, diese Bundesregierung will nicht 80 % an erneuerbaren Energien erreichen, sondern seit heute Nacht nur mehr 60 %. Viel Spaß dabei!

(Beifall bei der SPD - Erwin Huber (CSU): 80 %!)

Als Nächster hat Herr Kollege Markus Blume das Wort.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Man muss wirklich fragen, warum diese Stunde heute Aktuelle Stunde heißt. Diese Argumente haben wir in dieser Legislaturperiode schon mehr als einmal ausgetauscht. Gerade aufseiten der Opposition muss ich feststellen, dass die Lernkurve in dieser Frage sehr flach ist.

(Beifall bei der CSU - Zuruf von der SPD: Sie werden das noch öfter hören!)

Herr Wörner, Sie haben es gerade angesprochen. Es ist geradezu fahrlässig, auf welchem Niveau hier diskutiert wird. Sie haben dieses Niveau der Oppositionsbeiträge im Übrigen nahtlos fortgesetzt. Es ist schon fahrlässig, wenn hier darüber diskutiert wird, wie wir quasi über Nacht zwei Drittel der bayerischen Stromerzeugung ausknipsen, ohne ein Anschlusskonzept vorzulegen.

(Thomas Mütze (GRÜNE): Das ist doch lächerlich! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sie agieren hier mit einem Höchstmaß an Unehrlichkeit.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Unehrlich sind Sie!)

Sie sagen den Menschen nicht, was es kostet, diesen Weg weiterzugehen, der von Ihnen angestrebt wird. Es sind jährlich Milliardenbeträge. Uns geht es darum, einen vernünftigen Weg zu finden.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wer sagt denn nicht, was verlangt wird? Sie tun das!)

Sie belügen am Ende auch die Menschen, weil die Energiewende so, wie Sie sie wollen, gar nicht zu schaffen ist.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Sie belügen die Menschen!)

- Frau Kollegin, hier hilft Ihnen auch das Schreien nichts.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Lügen hilft aber auch nichts!)

Wenn Sie schon einen massiven Zuwachs an erneuerbarer Energie wollen, müssen Sie auch zu anderen Maßnahmen Ja sagen. Dazu höre ich von Ihnen kein Ja. Wenn wir über neue Pumpspeicherkraftwerke reden, stehen die Bedenkenträger aus Ihren Reihen als Erste auf den Barrikaden. Sie entdecken dann irgendwelche Frösche, Lurche und Molche, die von dem Gerüttel irritiert werden könnten.

(Hubert Aiwanger (FW): Die werden auch nicht gefragt, wenn die Teiche trockengelegt werden!)

Wenn wir über Leitungsbau reden, stehen Sie als Erste auf den Barrikaden und reden den Menschen ein, der Elektrosmog sei so gefährlich, dass diese Leitung nicht gebaut werden darf.

Meine Damen und Herren, so erreichen Sie nie ein konsistentes Konzept. Das fehlt bei Ihnen seit Jahren.

(Zuruf von der SPD: Gott sei Dank sind Sie nicht energiepolitischer Sprecher Ihrer Fraktion!)

Sie verunsichern die Menschen, weil Sie suggerieren, die bayerischen Kernkraftwerke oder die Kernkraftwerke überhaupt seien nicht sicher. Immerhin hat ein Umweltminister Trittin einmal gesagt, dass die deutschen Kernkraftwerke die sichersten auf der ganzen Welt seien. Das fand ich damals einigermaßen be

merkenswert. Die Wahrheit ist doch: Wer heute bei den bayerischen Kernkraftwerken aussteigt, steigt morgen in Temelin ein.

Ich bin an dieser Stelle dem bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil sehr dankbar, dass er trotz des vereinzelten Gegenwinds aus den Reihen seiner Landtagsfraktion in der Angelegenheit standhaft geblieben ist und signalisiert hat, dass die bayerischen Kernkraftwerke sehr wohl so sicher sind, dass wir die Laufzeit verlängern können.

(Hubert Aiwanger (FW): Das hat der Wirtschaftsminister festgestellt!)

Ich danke insbesondere unserem Umwelt- und Lebensminister Markus Söder, der mit aller Kraft in Berlin für die bayerischen Interessen eingestanden ist. Sicherlich wäre es leicht, als Umweltminister zu sagen, man wolle am besten schon morgen auch ohne Anschlusskonzept aussteigen, wie Sie das machten.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das ist doch eine Lüge!)

Das ist der einfachste Weg, aber das ist der unehrliche Weg. Ich danke Markus Söder, dass er den unbequemen Weg gegangen ist.

(Beifall bei der CSU - Ulrike Gote (GRÜNE): Bleiben Sie doch bei der Wahrheit! - Alexander König (CSU): Hören Sie mit dem Schreien auf, Frau Gote, das Gequietsche ist schrecklich! - Ulrike Gote (GRÜNE): Sie hören doch sonst nicht zu!)

Am Ende, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind Sie scheinheilig, weil Sie während Ihrer Regierungszeit auf Bundesebene versäumt haben, ein schlüssiges Konzept vorzulegen. Sie haben die Ausstiegsformel nicht um ein Anschlusskonzept ergänzt. Sie hatten kein Konzept für ein Endlager. Sie haben das Endlager sogar torpediert. Sie haben auf Zwischenlager gesetzt. Sie haben nicht über die Brennelementesteuer nachgedacht, sondern eine Pseudo-Ökosteuer eingeführt. Sie haben auch nicht über Verbesserungen der Sicherheit geredet,

(Ulrike Gote (GRÜNE): Eine so dumme Rede habe ich schon lange nicht mehr gehört!)

sondern ein Reststrom-Mengen-Geschachere auf den Weg gebracht. Das ist scheinheilig.

Da wir gerade bei der Scheinheiligkeit sind und von den Freien Wähler die Stadtwerke angesprochen worden sind, lieber Herr Aiwanger, will ich dazu bemerken: Bei den Krokodilstränen, die die Stadtwerke München vergießen, weil die Verlängerung schlimm sei, muss ich fragen, ob das an Untreue grenzt; denn

wenn man einen 25-prozentigen Anteil an einem Kernkraftwerk hält, dann sind die zusätzlichen Erlöse deutlich mehr als das, über das gesprochen wird. Das ist der Gipfel der Scheinheiligkeit.

(Beifall bei der CSU - Natascha Kohnen (SPD): Die wissen, was sie tun!)

Letztendlich haben wir ein Energiekonzept der Bundesregierung, das viel besser ist - weil es viel umfänglicher ist -, als alles, was in der Vergangenheit diskutiert wurde. Ich schlage vor, dass Sie, bevor wir die Diskussion fortsetzen, das Energiekonzept studieren, insbesondere Sie, Herr Hartmann; denn von den 40 Seiten des Energiekonzepts befassen sich immerhin nur eineinhalb Seiten mit der Kernenergie.

Jemand hat vom "heißen Herbst" geredet. Ich meine, es war eher ein laues Lüftchen zu spüren. Ich bitte Sie, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Und zur Wahrheit gehört auch, dass wir in der nächsten Zeit ohne Kernkraft nicht auskommen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Als nächster Redner hat Herr Staatsminister Zeil das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bayerische Staatsregierung begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesregierung gestern das neue Energiekonzept für Deutschland beschlossen hat. Wir begrüßen es auch deshalb, weil wir in Bayern dafür wertvolle Vorarbeiten geleistet haben, sodass Kollege Söder und ich in den Beratungen wesentliche Anstöße geben konnten.

Das Energiekonzept ist nicht nur wertvoll, weil es das erste energiepolitische Gesamtkonzept der Bundesregierung seit über drei Jahrzehnten ist, sondern, meine Damen und Herren, entscheidend ist, dass Deutschland zum ersten Mal über ein konkretes Konzept mit äußerst ambitionierten Zielsetzungen für die CO2-Reduzierung, die Steigerung der Energieeffizienz und gleichzeitig den Ausbau der erneuerbaren Energien verfügt. In keinem vergleichbaren bedeutenden Industrieland der Welt gibt es ein solches Konzept. Es zeichnet den Weg Deutschlands vor, nämlich hin zu einer extrem energieeffizienten, ressourcen- und klimaschonenden Volkswirtschaft. Dieses Konzept schafft bei allen Unwägbarkeiten Sicherheit für Investitionen, für alle Beteiligten und insbesondere für unsere energieintensive Industrie.

Die maßvolle Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke ist dabei ein wichtiges Element, aber es ist bei

Weitem nicht das Einzige. Man hat in der Diskussion manchmal den Eindruck, als ginge es nur um diese Frage. Nein, es geht um das Konzept insgesamt. Die Laufzeitverlängerung - Kollege Söder wird noch auf die Aspekte der Sicherheit eingehen - verschafft uns Zeit für den Umbau unserer Stromversorgung. Wir wollen langfristig den größten Teil unseres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken. Der dafür notwendige Ausbau der Netze und der Bau von Speichern sind technische, finanzielle und planerische Kraftakte, die in wenigen Jahren realistisch nicht zu schaffen sind. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Laufzeitverlängerung an Bedeutung, weil sie die Möglichkeit bietet, durch die Abschöpfung eines großen Teils der Zusatzgewinne die finanziellen Mittel, die wir für ein höheres Tempo bei der Energieeinsparung und beim Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen, zu erschließen. Die Laufzeitverlängerung sorgt auch dafür, dass der Strom während dieses Umbaus für Bürger und Betriebe bezahlbar bleibt.

Ich will hinzufügen: Energiepolitik ist Standortpolitik. Wir merken das in vielen Gesprächen mit den energieintensiven Unternehmen in Bayern. Meine Damen und Herren, nehmen Sie das Beispiel des Chemiedreiecks in Ostbayern. Mehr als 25.000 Arbeitsplätze hängen davon ab. Auch um deren Zukunft geht es. Wer sich hier verweigert, verspielt die Zukunftschancen unseres Landes.