Protocol of the Session on July 15, 2010

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zustände in der Unterkunft für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sind für uns alle mit Sicherheit unerträglich. Deswegen bin ich - das muss ich ehrlich gestehen - den GRÜNEN sehr dankbar, dass sie diesen Missstand vor einiger Zeit aufgegriffen und im Ausschuss mit einem Antrag darauf hingewiesen haben.

Ich möchte deutlich machen, dass es uns allen ein großes Anliegen ist, hier zu einer Verbesserung zu kommen. Es muss sofort und spontan etwas geschehen. Wir haben in der damaligen Sitzung um einen Beschluss gerungen, um deutlich zu machen, dass sofort Veränderungen vorgenommen werden müssen. In dem gemeinsamen Beschluss waren auch Übergangslösungen enthalten. Wir wollten die Verbesserungen nicht hinausschieben, denn wir waren uns alle darüber im Klaren: Die Situation muss sofort geändert werden.

Deswegen verstehe ich nicht so ganz, dass heute dieser Dringlichkeitsantrag gestellt wird. Von der Staatsregierung ist ein Bericht gegeben worden, in dem deutlich wurde, dass man sich bemüht und versucht, gemeinsam mit der Stadt München - was nicht so einfach ist - Jugendhilfeplätze zu finden. Wenn man sieht, dass sich etwas bewegt, sollte man es anerken

nen. Das Schicksal der jungen Menschen, die allein, ohne Eltern in unser Land kommen und dann völlig allein dastehen, bewegt uns alle. Man muss diese Tatsachen zur Kenntnis nehmen und dafür sorgen, dass etwas unternommen wird.

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass es jetzt nicht um eine Verbesserung der momentanen Situation geht, sondern dass wir eine langfristige Lösung brauchen. Das ist auch deutlich geworden, als Frau Ministerin Haderthauer auf die Überprüfung der UNKonvention hingewiesen hat. Ich bin wirklich froh und dankbar, dass es in der Bundesregierung gelungen ist, den betreffenden Vorbehalt zurückzunehmen. Jetzt haben die Länder die Aufgabe, sich der Situation anzupassen.

Den Antrag werden wir jetzt ablehnen. Zwar ist die Situation noch nicht so, dass man mit ihr zufrieden sein könnte, aber der Antrag ist nicht mehr notwendig, weil überall Bewegung in die Situation gekommen ist.

Jetzt ist eine namentliche Abstimmung beantragt. Wenn wir dagegenstimmen, dann muss ich herausstellen: Uns allen liegt eine Lösung genauso am Herzen wie Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Für die GRÜNEN hat sich noch einmal Frau Kollegin Renate Ackermann zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal begründen, warum wir heute diesen Antrag stellen mussten. Wir konnten und wollten nicht bis Herbst warten; denn der Bericht, der in der letzten Sitzung des Sozialausschusses gegeben wurde, war für uns völlig unbefriedigend. Uns wurde gesagt, dass kein zusätzliches Personal eingestellt wurde - bis zum letzten Donnerstag - und dass zwei weitere Zimmer zur Verfügung gestellt wurden, die aber beim besten Willen nicht 80 Flüchtlinge auffangen konnten; die Einrichtung ist nur für 20 Flüchtlinge ausgelegt.

Um den unerträglichen Zustand nicht über die Sommerpause hinaus bestehen zu lassen, haben wir die Chance des Dringlichkeitsantrags genutzt. Ich glaube, das ist legitim, wenn am anderen Ende von München hundert unbegleitete Minderjährige in einer unerträglichen Erstaufnahmeeinrichtung schmoren und wir darüber zu befinden haben, ob das so weitergehen soll.

Ich möchte einmal etwas aus der Stellungnahme des Bundesfachverbandes zitieren:

Das Problem der Erstaufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist akut, weil seit mehreren Jahren die Einrichtung in der Baierbrunner Straße um ein Vielfaches überbelegt ist und vonseiten der Regierung von Oberbayern sehr unflexibel auf diese Veränderung reagiert wird.

Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, Sie könnten nicht zaubern. Das weiß ich, und Zaubern verlange ich auch gar nicht. Aber wenn diese Einrichtung seit mehreren Jahren überbelegt ist, dann war auch seit mehreren Jahren Zeit, darauf zu reagieren, und genau das ist nicht passiert.

Sie haben eben gesagt, dass zusätzliches Personal eingestellt worden ist. Dies begrüße ich ausdrücklich. Ich weiß aber auch, dass die Beschäftigung des zusätzlichen Personals bis Weihnachten befristet ist. Dies halte ich nicht für richtig. Es ist einerseits gegenüber den Mitarbeitern nicht gut, wenn sie vielleicht von Juli bis Weihnachten beschäftigt sind, und andererseits ist es auch für die unbegleiteten Minderjährigen nicht gut; denn sie sind auf eine personelle Kontinuität angewiesen. Wenn Mitarbeiter zu Weihnachten wieder ausscheiden müssen, dann wirkt sich das schlecht auf die Flüchtlinge aus.

Frau Weikert hat sich zu den Obdachlosenheimen geäußert. Dazu möchte ich etwas sagen. Wir lehnen nicht die Anmietung einer Pension ab. Wir lehnen es aber ab, dass die Leute zusammen mit Obdachlosen und weiteren Menschen in einer Notunterkunft untergebracht sind. Wir müssen uns vor Augen halten, was das für Jugendliche bedeutet. Die werden dadurch doch traumatisiert. Es handelt sich nicht um Jugendliche, die hier einen Jugendherbergsaufenthalt machen, sondern um kranke, psychisch angeschlagene Menschen. Um diese müssen wir uns besonders kümmern. Deswegen haben wir geschrieben, dass wir keine Vermischung wollen. Wir haben uns damit durchaus sensibel verhalten, Frau Weikert.

Wir sind hier und heute dafür, dass eine tragbare Übergangslösung gefunden wird. Ich habe vorhin schon ausgeführt: Die Lösung sieht sowieso anders aus. Die Lösung muss so aussehen, dass die Flüchtlinge eine eigene Unterkunft bekommen, in der sie ihren Bedürfnissen angemessen aufgefangen und betreut werden können. Das ist die Lösung. Heute reden wir über die Zwischenlösung. Es muss sofort, nachhaltig und zur Zufriedenheit der Jugendlichen in der Einrichtung gehandelt werden. Eine Lösung, wie zum Beispiel die zeitliche Befristung der Stellen der Mitarbeiter, ist ungenügend. Das wäre zu kurz gegriffen. Das will ich hier ganz klar sagen. Bisher waren die Betreuerinnen und Betreuer der Inneren Mission, für

deren Arbeit Sie sich regelmäßig bedanken, überlastet, aber sie haben ihre Arbeit trotzdem sehr gut erledigt. Das Personal um zwei befristete Stellen aufzustocken, ist viel zu wenig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Fahn hat sich zu einer Zwischenfrage gemeldet, zu der er jetzt das Wort erhält. Bitte schön.

(Vom Redner nicht au- torisiert) In Ihrem Antrag steht:

Dem Landtag ist bis zum 31. Juli 2010 über die getroffenen Maßnahmen zur kurzfristigen Unterbringung der Jugendlichen schriftlich Bericht zu erstatten.

Bestehen Sie auf diesem Satz? Die Ministerin hat schon Erläuterungen gegeben. Jetzt soll bis zum 31. Juli - das ist schon in einigen Tagen - noch einmal berichtet werden. Ist das unbedingt notwendig? Wäre es nicht günstiger, wenn wir die Maßnahmen, die für den August vorgesehen sind, abwarten und dann den schriftlichen Bericht anfordern würden? Warum muss es gerade der 31. Juli sein?

Wir haben den 31. Juli gewählt, weil dann die parlamentarische Sommerpause beginnt. Wir wollen, dass vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause ein Bericht darüber gegeben wird, welche Maßnahmen als Übergangslösung ergriffen worden sind. Es ist angesichts der Tatsache, dass die Jugendlichen unter so schlechten Verhältnissen leben, nicht zu viel verlangt, wenn im Sozialministerium ein Bericht über die Maßnahmen verfasst wird, die getroffen worden sind. Ich glaube, dass das durchaus vom Sozialministerium bis zum 31. Juli zu leisten ist. Wir bleiben dabei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur angekündigten namentlichen Abstimmung. Die gläsernen Urnen für Ihre Stimmkarten sind an den üblichen Plätzen aufgestellt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/5469 seine Zustimmung geben will, der möge die entsprechende Karte einwerfen. Ich eröffne die Abstimmung. Es stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 13.32 bis 13.37 Uhr)

Die Abstimmung ist geschlossen. Das Ergebnis wird außerhalb des Saales ermittelt und Ihnen wie üblich im Laufe der Beratungen mitgeteilt.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Otto Bertermann, Tobias Thalhammer, Dr. Andreas Fischer u. a. und Fraktion (FDP) Hygienezustand in bayerischen Krankenhäusern (Drs. 16/5470)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Bertermann für die FDP-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Dringlichkeitsantrag, den wir Liberale gestellt haben, befasst sich mit dem Thema Hygiene. Der Anlass für diesen Dringlichkeitsantrag sind die katastrophalen hygienischen Verhältnisse in Münchner städtischen Krankenhäusern. Wir möchten keine Vorverurteilung vornehmen, aber mir kommen in der ganzen Diskussion im Moment die Patienten ein wenig zu kurz. Es wird viel zu wenig von den betroffenen Patienten gesprochen.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Wir sprechen über Organisationsversagen und über Verstöße gegen das Medizinproduktegesetz, aber wir sprechen nicht über fahrlässige Körperverletzung. Für uns Liberale stehen der Patient und die Patientenrechte im Mittelpunkt.

Lassen Sie mich in der kurzen Zeit die sachliche und die politische Ebene beleuchten. Womit haben wir es eigentlich zu tun? Es geht um Infektionen. Wenn ich mich im Krankenhaus behandeln lasse, möchte ich nicht kränker herauskommen, als ich hineingegangen bin. Ich möchte vielmehr im Krankenhaus gesund werden. In Deutschland gibt es jährlich circa 20.000 Todesfälle, die durch Infektionen bedingt sind. Sie können sich vorstellen, wie wichtig eine gute Hygiene im Krankenhaus ist. Die mangelnde Hygiene in deutschen Krankenhäusern verursacht Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist einer der Gründe, warum wir die Hygiene in Krankenhäusern im Bayerischen Landtag thematisieren wollten. Bayern war schon immer vorne, wenn es darum ging, Verantwortung für den Rest Deutschlands zu übernehmen.

In einem Gutachten vom 18. Mai wurden gravierende hygienische Mängel in den städtischen Kliniken festgestellt. Erst am 2. Juli, also zwei Monate später, wurde darauf reagiert. Das heißt, es wurde zwei Monate mit dem Wissen operiert, dass die Hygiene nicht in Ordnung war. Das muss aufgeklärt werden. Es gab

in diesem Gutachten drei oder vier Beispiele - ich möchte das jetzt nicht ausführlich darstellen - für erhebliche Mängel im Qualitätsmanagement. Es wurde moniert, dass die Arbeitsanleitungen an den Arbeitsplätzen gefehlt haben, und es gibt das klare Statement, dass einige Mitarbeiter den erforderlichen Ausbildungsstand zurzeit nicht nachweisen können. Selbst einfache Tätigkeiten, zum Beispiel wie man eine Schere reinigt, werden nicht beherrscht. So muss diese zuerst grob gereinigt und darf erst dann zur Desinfektion weitergegeben werden. Manche Mitarbeiter wussten das wegen ihrer mangelnden Ausbildung nicht. Erst nach zwei Monaten wurde politisch gehandelt. Über die personellen Konsequenzen haben die Medien aufgeklärt.

Lassen Sie mich dazu kommen, welche Konsequenzen wir aus dem Skandal ziehen müssen. Wir müssen den Patienten und seine Sorgen ernst nehmen. Das ist das Wichtigste. Ein professionelles Krisenmanagement hätte eingerichtet werden müssen, etwa eine Hotline für Patienten, die nicht wissen, was mit ihnen im Krankenhaus passiert ist. Diese Hotline hätte sicherlich dazu beigetragen, das Ganze ein bisserl zu beruhigen. Was wir brauchen, ist eine rasche und lückenlose, aber auch eine transparente Aufklärung. Wir brauchen zum Beispiel die Mitteilung - die sehr leicht zu machen ist, und ich fordere die Chefärzte in Bogenhausen und in Neuperlach auf, das zu zeigen -, dass in der Zeit, in der die Hygieneproblematik bestanden hat, kein Patient dadurch zu Schaden gekommen ist, dass die Infektionsrate unter dem Durchschnitt liegt. Ich habe heute Morgen noch mit einem der Chefärzte gesprochen. Wenn Sie das der Öffentlichkeit sagen, dann heißt das im Endeffekt, dass kein Patient zu Schaden gekommen ist. Das muss aber transparent gemacht und auch an die Öffentlichkeit gebracht werden.

Die politischen Konsequenzen haben Sie in den Medien erfahren. Da ist knallhart die Geschäftsführerebene, die fachlich nicht kompetent war, ausgetauscht worden. Wir hoffen, dass jetzt im neuen Management erfahrene und kompetente Manager arbeiten, die in der Lage sind, Kliniken zu managen.

Ein für mich wichtiger Punkt: Man hat die Kritik der Ärzte, die schon seit 2008 bestanden, nicht ernst genommen. Es ist eine Führungsebene auf die Kliniken gesetzt worden, die eine Geschäftsführerebene war. Es war aber kein Arzt, kein kompetenter Ansprechpartner mit in dieser Ebene. Auch das ist ein gravierender Vorwurf, den wir der Klinikleitung machen müssen.

Was bedeutet das für Bayern? Herr Söder ist da. Ich möchte heute Herrn Söder ein Kompliment ausspre

chen; denn unseren Investitionsverpflichtungen sind wir nachgekommen, sowohl was die baulichen als auch die technischen Voraussetzungen betrifft. Lieber Herr Söder, wir sind zwar noch nicht bei dem Investitionsvolumen von 2002 in Höhe von 600 Millionen Euro angekommen. Aber mittlerweile sind wir schon bei 500 Millionen Euro, und das ist ein guter und richtiger Weg. Deshalb Glückwunsch zu diesen Investitionsvorhaben!

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Wir müssen die Kontrolle, den Vollzug und die Überwachung verstärken, und zwar an allen Krankenhäusern. Das gilt nicht nur für Bayern, sondern auch für die anderen Krankenhäuser.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Auch personell!)

- Auch personell muss aufgestockt werden; denn das, was wir in das Personal stecken, kommt im Endeffekt drei- oder vierfach billiger zurück.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Sie waren noch nicht im Landtag, da haben wir schon zahlreiche Anträge gestellt!)

- Liebe Frau Sonnenholzner, ich respektiere Sie und lerne immer auch noch von Ihnen. Aber ich werde am Schluss auch einmal etwas zu Ihnen sagen. Die FDP macht einen Vorschlag. Dieser Vorschlag heißt: Lassen Sie die Krankenhäuser in den Qualitätsberichten, die sie abgeben müssen, wo regelmäßig dokumentiert wird, die Infektionsraten freiwillig angeben. Machen Sie diese Infektionsraten der Öffentlichkeit zugänglich, sodass der Bürger weiß, in das Krankenhaus kann er gehen, das hat eine niedrige Infektionsrate. Aber es muss öffentlich gesagt werden.

Liebe Frau Bause, ich habe mir lange überlegt, wie ich diese Rede beenden soll; denn es waren überwiegend die GRÜNEN in der Verantwortung. Wir haben einen Artikel über den Landtag aus dem Jahr 1990 gefunden. Da heißt es: In der Sitzung vom 24. Oktober 1990 spricht Frau Ruth Paulig zur Wahl des Ministerpräsidenten Max Streibl. Weiter heißt es:

Zum Abschluss ihrer Rede breitet die Grüne ein schwarzes Filztuch über das Rednerpult und zählt Streibls Aufsichtsmandate auf. Ihr Fazit: Eigentlich müsste immer ein schwarzer Filz auf dem Rednerpult liegen, um augenfällig zu machen, wenn die CSU spricht, wenn Regierungsvertreter und -vertreterinnen sprechen, wessen Interessen hier vertreten werden.