Für zusätzliche Elternarbeit wurde keine Zeit eingeplant. Die Elternarbeit ist immens wichtig. Je bildungsferner ein Elternhaus ist, desto mehr muss es an die Schule herangeholt werden. Die Schule muss zu den Elternhäusern hinausgehen. Das soll offenbar nebenbei gemacht werden, am letzten Schultag oder beim Sommerfest, wo man den Eltern klarmachen muss, warum kein Alkohol ausgeschenkt wird.
Schlimm ist, dass sich viele Lehrkräfte inzwischen allein gelassen fühlen. Sie werden überschwemmt mit Reformen, mit Projekten und Evaluationen. Jetzt haben Sie noch das Monitoring entdeckt. Neulich haben mich Grundschullehrer angerufen, die von Ihnen gebeten worden sind, ihre Meinung zum Übertrittsverfahren abzugeben. Sie haben mich gefragt, was sie sagen sollen. Daraufhin habe ich ihnen gesagt, es kommt darauf an, ob sie weiterkommen wollen oder ob sie Grundschullehrer bleiben wollen. Das alles ist doch Bürokratismus pur, der von der eigentlichen Arbeit nur abhält.
Wir haben bei den Lehrern nach wie vor keine Supervision, obwohl wir wissen, wie nötig sie wäre. Wir haben bei den Ärzten und bei den Psychologen eine Supervision, wir haben sie aber nicht bei dem wichtigen Berufsstand des Lehrers. Der Lehrer ist ein Einzelkämpfer. Er wird nicht gehoben, er kann sich nirgendwo ausweinen, was ab und zu absolut nötig wäre. Dafür könnten Sie wirklich einmal ein Projekt aufstellen, aber nicht ein Einzelprojekt, sondern ein flächendeckendes.
Die Supervision für Lehrer wurde in den Achtzigerjahren einmal entwickelt. Als Sie gemerkt haben, wie teuer das werden könnte, haben Sie ganz schnell die Finger davon gelassen.
Sie ignorieren nach wie vor, dass es in Wirklichkeit doch auf die Rahmenbedingungen ankommt. Sie können sich ganze Seiten mit diesen vielen Zahlen sparen, wenn Sie die Grundforderung beachten: Wir brauchen kleine Klassen und mehr Lehrer.
Herr Kollege Eisenreich, es hilft mir nichts, wenn Sie darauf hinweisen, dass es anderswo noch schlechter ist. Wir leben in einem Land mit einem hohen Standard. Auf diesem Standard müssen wir uns weiterentwickeln und nicht auf der Grundlage von Vergleichen mit Ländern, die wir fünf Minuten zuvor zur Schnecke gemacht haben.
Die Maßnahmen im Zusammenhang mit Migrationshintergrund sind doch nur Tröpfchen auf den heißen Stein und nicht mehr. Sie müssen sich das einmal in der Praxis vorstellen. Wenn in einer Schule eine Klasse mehr als 50 % Kinder mit Migrationshintergrund hat, dürfen es nicht mehr als 25 Schüler sein. Sie haben dann 13 Schüler mit Migrationshintergrund und 12 Schüler ohne Migrationshintergrund. Das wird als tolles System dargestellt. So eine Klasse dürfte maximal nur 15 Schüler haben und nicht 25. Unterrichten Sie doch einmal mit zwölf solchen und dreizehn anderen Schülern! Hier zeigt sich auch wieder die Bürokratie. Was passiert, wenn Sie in einer Klasse nur zwölf Schüler mit Migrationshintergrund und 13 Schüler ohne Migrationshintergrund haben? Dann wird die Klasse nicht geteilt. Sie nehmen auf die Situation vor Ort Rücksicht. Das ist nur Bürokratie, das sind Vorschriften, und in der Praxis muss man versuchen, die Vorschriften wenigstens ein bisschen zu umgehen. Das ist dann die Innovation eines Schulleiters.
Sie weisen hier auf die individuelle Förderung hin. Herr Kollege Pfaffmann hat sie schon ziemlich zerpflückt. Sie machen doch nichts anderes als herumzujonglieren. Sie verschieben nur etwas, was es schon gegeben hat. Den Ergänzungsunterricht an der Realschule hat es auch schon gegeben. Den durfte ich im ersten Halbjahr machen. Ich durfte maximal so viele Ergänzungsunterrichtsstunden halten, wie ich fünfte Klassen hatte. Im Februar musste ich den Ergänzungsunterricht in einen Förderunterricht für die umwandeln, die kurz vor dem Durchfallen standen. Der Wahlunterricht wurde mit dem Förderunterricht verrechnet. Sie erhöhen die Budgets nicht. Das Ganze ist nur Spielerei: Wer kann besser mit den Figuren auf dem Spielfeld spielen? Sie erhöhen die Zahl der Spielfiguren aber nicht. Genau das bräuchten wir aber.
Genauso ist es mit den Intensivierungsstunden. Weil Sie wissen, dass es vor Ort mit diesen Stunden extreme Verschiebebahnhöfe gibt, haben Sie verboten, Intensivierungsstunden für Unterrichtsausfälle zu verwenden. Was machen wir aber, wenn Lehrer krank sind? Wissen Sie, wie es in der Unterrichtswirklichkeit aussieht? Eine durchschnittliche Realschule ist froh, wenn sie im Schuljahr auf maximal vier bis fünf Schulwochen kommt, in denen ein normaler Unterricht ohne Ausfälle und ohne Ausflüge stattfindet. Wir haben unseren Stundenplan mit einem Sternchen versehen, wenn wir eine normale Schulwoche hatten.
Die hat man zählen können. Sonst musste ich fragen, wie ich den Schultag gestalte, ohne dass die Eltern auf der Matte stehen. Sie provozieren das auch noch. Bei Ihnen hat nur die Vernebelungstaktik Qualität; denn Unterrichtsausfall liegt nach Ihrer Definition nur vor, wenn ich die Schüler heimschicke. Wenn ich zwischen zwei benachbarten Klassen die Türe öffne, um beide betreuen zu können, ist das kein Unterrichtsausfall. Es gibt sieben Möglichkeiten, zu reagieren, wenn ein Lehrer fehlt. Nur wenn ich die Klasse heimschicke, ist das Unterrichtsausfall. So kommen Ihre Zahlen zustande.
Qualität erreichen Sie im Übrigen auch durch Konkurrenz. Keine Automobilfirma würde überleben, wenn es keine Konkurrenz auf dem Markt gäbe. Sie lassen die Konkurrenz nicht zu. Mit dem Gesetz, das gestern verabschiedet worden ist, haben Sie der Konkurrenz bei den Grundschulen das Wasser abgedreht, indem Sie keine Anrechnungsstunden mehr zur Verfügung stellen. Sie wollen gar keine Konkurrenzprodukte auf dem Markt, obwohl wir absolut positive Erfahrungen damit gemacht haben. Sie lassen keine regionale Schulentwicklung zu. Gehen Sie doch einmal nach Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz. Dort gibt es bei den Grundschulen Ersatzschulen, von denen man auch auf das Gymnasium übertreten kann. Lassen Sie diese Schulen doch zu. Die Eltern sind nicht so blöde, wie Sie sie dauernd einschätzen. Die Eltern merken schon, welche Schule funktioniert und zu guten Erfolgen führt und welche Schule nicht funktioniert. Die Eltern werden dann mit den Füßen abstimmen. Lassen Sie solche Angebote doch zu und halten Sie nicht alles am Gängelband, wobei Sie gar nicht mehr wissen, wie das Gängelband ausschaut.
In keinem Beitrag von heute war von Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Unterrichtsqualität die Rede. Die Nachhaltigkeit kann ich nicht mit Zahlen messen. Ich bestreite nicht, dass es super Ergebnisse sind. Sie können sich aber nicht nur auf die Schulter klopfen. So ist es jedoch heute gewesen. Sie sagen, Mensch, sind wir toll. Im Vergleich mit anderen sind wir tatsächlich toll, aber wir müssen noch besser werden. Dazu sehe ich keine Ansätze.
Ihr zweiter Punkt ist die Differenzierung. Sie haben ein riesiges Problem. Sie müssen zwischen der CSU, die für das gegliederte Schulsystem steht, und der FDP in Bayern, die für die Auflösung dieses Systems ist, den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. Ich frage mich momentan schon, warum die FDP in Ham
burg nicht auf der Straße steht. In Hamburg fordert die FDP: Wir wollen lernen, und zwar nach der vierten Klasse. In Hamburg gibt es dazu zig Plakate. Frau Will und Frau Sandt, ich empfehle Ihnen momentan keinen Urlaub in Hamburg. Sie würden dort vielleicht nach der bayerischen Bildungspolitik gefragt und müssten sagen, dass Ihre Plakate anders aussehen. Natürlich haben wir ein Problem, wenn zwei so verschiedene Koalitionspartner zusammenarbeiten. Das merkt man auch. Ihre Differenzierung ist momentan gleichzeitig eine Auflösung der Differenzierung.
Was haben Sie mit den Übertrittsbedingungen gemacht? Der Notenschnitt von 2,66 für die Realschule hat nichts mehr mit Differenzierung zu tun. 42 % der Schüler besuchen das Gymnasium. Sie wollen 42 % Eliteabiturienten mit drei Fremdsprachen haben, die die Universitäten gar nicht aufnehmen können. Schauen Sie einmal, wie Ihr Haus rechnet. Wir kommen aus der Praxis und haben letztes Jahr gefragt, mit wie vielen zusätzlichen Realschülern Sie bei einem Notenschnitt von 2,66 rechnen. Sie haben genau gerechnet und gesagt, Sie würden mit 2.040 mehr rechnen. Jetzt haben Sie 3.700 mehr. Das ist eine Verschätzung um 80 %. Wenn das einer in der Wirtschaft macht, wird er gekündigt.
Sie stehen zur Differenzierung. Sie haben aber noch nicht erkannt, dass die Differenzierung umso mehr akzeptiert wird, je mehr die Eltern einbezogen werden. Wir haben an den Schulen Bayerns keine Kultur der Elternarbeit. Ich kann nicht einfach sagen, jetzt sollen die Eltern mitreden. Eine Elternmitwirkung muss kultiviert werden. Ich muss die Eltern vom Kindergarten weg in die Schulen mit hineinnehmen. Ich muss nicht jeden Unterrichtsbesuch von Eltern vom Lehrerkollegium absegnen lassen. Es ist eine falsche Einstellung, wenn die Lehrer das Gefühl haben, dass Elternbesuche Kontrolle durch die Eltern seien. Das ist eine Kontrolle der Eltern. Wenn wir ein Miteinander wollen, müssen wir die unterrichtlichen Entscheidungen für die Eltern transparenter und für sie nachvollziehbar machen. Das funktioniert. Dann kann man in Absprache mit den Lehrkräften, Eltern und Kindern Etappenziele entwickeln lassen. Das kostet Zeit, aber das funktioniert. Damit werden die Eltern die Lehrerentscheidungen besser akzeptieren. In keinem Land gibt es so wenig Elternmitsprache, die vorbereitet werden muss, wie in Bayern.
Hier sind vor allem die Sparten Beratungslehrer, Schulpsychologen usw. gefragt. All unsere Anträge, dafür mehr Anrechnungsstunden zuzubilligen, haben Sie abgelehnt. - Haben wir nicht nötig! Das Personal an den Schaltstellen zum Elternhaus, das wahrscheinlich noch wichtiger ist als zusätzliche Lehrkräfte, setzen Sie nicht ein. Ein Beratungslehrer an einer Realschule hat mit einer zusätzlichen Stunde 800 Schüler zu betreuen. Das ist doch Pipifax. Das wissen Sie selbst.
Die Durchlässigkeit ist nötig. Sie sagen, wir hätten sie bei den verschiedenen Schnittstellen. Erste Schnittstelle: der Schuleintritt. KiDZ - Kindergarten der Zukunft -, ein Superprojekt, getragen von der Stiftung Bildungspakt und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, ist zu Ende gegangen, obwohl man aus dem Projekt Erfahrungen gewonnen hat und etwas mitnehmen könnte. Der Idealfall "KiDZ für alle" geht wahrscheinlich nicht, weil das zu teuer wäre. Aber man könnte es einfließen lassen.
Die flexible Eingangsklasse - hier stimmen wir zu - ist absolut in Ordnung. Sie ist nichts Neues; sie gibt es in anderen Bundesländern. Es ist lobenswert, dass sie in Bayern gemacht wird. Warum nur 20 Klassen? Warum nur so wenig? Das Zielführende müsste viel stärker forciert werden. Aber so wie es aussieht, wird auf die nächste Legislaturperiode gewartet.
Die weitere Schnittstelle: die weiterführende Schule. Ich kann es nicht mehr hören. "Kind- und begabungsgerechter Übergang" klingt wunderbar. Aber das geht an der Realität vorbei. Die Eltern sind unterschiedlicher Meinung wegen der prüfungsfreien Phasen und der Prüfungsphasen. In der Realität gestaltet sich das schwierig. Wenn sich eine Klasse für irgendetwas interessiert, kann nicht weitergemacht werden, weil die Klasse in die Prüfungsphase übergehen muss. Pädagogische Aspekte zählen in dem Übertrittsverfahren wesentlich weniger als juristische. Das ist wieder ein Systemfehler.
Zur Gelenkklasse möchte ich mich eigentlich nicht mehr äußern, weil ich mich jedes Mal sehr aufrege. Das ist eine Lüge - so muss man es bezeichnen -, weil nichts anderes passiert, als dass das Ding einen neuen Namen bekommen hat. Eine Orientierungs
klasse kann nicht mit einer einzigen zusätzlichen Förderstunde funktionieren. Als Ergänzungsunterricht gibt es die Stunde sowieso. Damit ist kein Lehrplan möglich, der zumindest einen Unterricht auf unterschiedlichem Niveau zulässt, sodass ein Wechsel möglich wird. Alles, was Sie mit der Gelenkklasse anstreben, gibt es bereits. Ein Kind, das in der fünften Klasse Realschule einen Notendruchschnitt von 2,0 hat, kann ohne Weiteres in die 6. Klasse des Gymnasiums überwechseln usw. Das ist der Fall. Das macht aber kaum ein Kind, und das wird auch in Zukunft kaum ein Kind machen, weil Sie dafür die Rahmenbedingungen nicht schaffen. Deswegen ist das eigentlich Betrug.
Letzte Schnittstelle: der Schulabschluss, der in das Berufsleben oder in die Studienberechtigung führt. Vorhin waren viele Kollegen anwesend, um die Zahlen von Ihnen erläutert zu bekommen. Sie sind alle Stimmkreisabgeordnete, die mit den Handwerkern und dem Mittelstand in den Landkreisen zusammen sind. Wahrscheinlich haben Sie auch dort gehört, dass die Kompetenz in Englisch und Deutsch toll sei und dass der Übergang in das Berufsleben wunderbar sei. Anscheinend haben Sie nicht gehört, dass ein Teil der Jugendlichen berufsunfähig ist, ihnen Schlüsselkompetenzen fehlen usw. Das ist nicht ein Großteil, Herr Wägemann, aber Sie wissen von Ihrem Stimmkreis, wie viele Schulabgänger der Schule, der Sie nahestehen, nicht den Quali schaffen und nicht in das Berufsleben hinübergeführt werden. Diese Probleme haben wir. Damit können wir nicht zufrieden sein.
Warum wagen Sie den Schritt zur zehnjährigen Mittelschule nicht? - Wie es vor zwanzig bis dreißig Jahren nötig war, von der achtjährigen zur neunjährigen Schule überzugehen, ist es jetzt nötig, zur zehnjährigen Hauptschule bzw. Mittelschule überzugehen egal, wie die Schule heißt.
Wir leisten es uns, die Schüler mit dem höchsten Förderbedarf nach neun Schuljahren zu entlassen und, wenn das nicht funktioniert, von der Arbeitsagentur oder von privaten Einrichtungen auffangen zu lassen.
Die Volkswirtschaft kommt das teuer zu stehen. Herr Zeil müsste eigentlich noch mehr graue Haare bekommen, wenn er sieht, was wir mit unseren Schulab
Von der fehlenden Durchlässigkeit der Schullaufbahn von oben nach unten mag ich gar nicht reden. Von unten nach oben ist sie in Ordnung. Ich kann nicht verstehen, dass man die Schullaufbahn Hauptschule Realschule - Gymnasium als Einbahnstraße sieht; denn die Schüler können heute von jedem Schultyp in den nächsthöheren aufsteigen. Man kann aber nicht von den höheren in den tieferen Typ steigen. Einem Gymnasiasten ab der achten Klasse bleibt, wenn er das Schulziel nicht erreicht, nichts anderes mehr, als in die Hauptschule zu gehen. Selbst dort wird er bald ein Problem bekommen, weil in der Hauptschule demnächst auch differenziert wird. Das ist keine Wegbegleitung von Schülern, die nicht den einfachen Weg gehen, weil sie das nicht können oder nicht wollen.
Herr Spaenle, Sie zeigten sich in den letzten beiden Jahren, in denen Sie mir als Kultusminister begegnet sind, als reiner Schulverwalter. Darüber bin ich am meisten enttäuscht. Man könnte sagen, dass das zu dem Ministerium passe, das die größte Bürokratie im Lande hat. Ich dachte, dass ein Kultusminister ein Ideengeber, ein Visionär ist. Was SPD und GRÜNE an Visionen zu viel haben, haben Sie eindeutig zu wenig.