Protocol of the Session on June 10, 2010

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Frau Gote, Ihre Argumente möchte ich wirklich gerne hören. Schauen wir uns das Ganze doch einmal objektiv an. Ich freue mich, dass die Zuschauertribüne so gut gefüllt ist und dass wir dieses Thema so offen vor interessiertem Publikum diskutieren können.

Schauen Sie sich doch einmal bezüglich des Bildungsstreiks an der Universität an, was da gestern los war. Ich sage jetzt bewusst provozierend, "was los war". - Nämlich nichts. Beim Thema Verfasste Studierendenschaft ist die Luft raus. Wir haben andere Probleme.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Und was ist mit dem Bildungsstreik, den Demonstrationen und vielem mehr!)

- Herr Kollege, Sie können sich zu Wort melden und Ihre Fragen hier vorn stellen. Ich werde dann qualifiziert darauf antworten.

Wofür Sie mich gewinnen können, ist, eine Sicherheit für die Studierenden einzubauen, mit welchem finanziellen Rahmen sie arbeiten können. Die Studierenden müssen wissen, wie sie sich selbst verwalten können.

Dafür brauchen sie einen Rahmen und auch Räumlichkeiten. Das kann nicht irgendwo außerhalb des Campus geschehen, sondern es muss zentral im Campusgelände sein. Außerdem muss man überlegen, ob sie auch Arbeitskräfte brauchen. Die kleineren Hochschulen für angewandte Wissenschaften brauchen so etwas sicherlich nicht, die großen wie die LMU oder die TU brauchen so etwas. Denen wird das im Übrigen bereits heute zur Verfügung gestellt. Es geschieht zwar auf freiwilliger Basis, aber es ist sei Jahren Usus und es gibt hier auch keine Probleme.

Ich habe das Thema auch schon des Öfteren angesprochen. Ich setze mich einmal im Jahr mit den Studierenden zusammen und da wurde bereits beim letzten Mal die Kritik von einer Hochschule für angewandte Wissenschaften laut, dass sie letztlich über jeden Cent nicht nur Rechenschaft ablegen müsse - das ist selbstverständlich -, sondern eventuell auch fragen müsse, ob sie einen - jetzt übertreibe ich einmal - Radiergummi kaufen dürfe.

So etwas geht nicht an. Einem Studierenden, der es erreicht hat, eine bayerische Hochschule zu besuchen, muss man selbstverständlich das Recht geben, über solche Dinge entscheiden zu können. Da müssen wir die Bürokratie entsprechend abbauen.

Bei bereits einer weiteren Sitzung in Nürnberg Anfang des Semesters hat der Studierendenvertreter dieser Hochschule für angewandte Wissenschaften dann festgestellt, dass die Situation erheblich besser geworden sei. Die Chemie stimme jetzt. Per se habe ich an dieser Stelle keine negative Kritik mehr gehört. Gleichwohl will ich das Ganze fixieren, um die Rechte der Studierenden zu stärken.

Und noch etwas zur Verfassten Studierendenschaft. Es gibt bereits demokratische Gremien der Studierenden. Es gibt die gewählten Fachschaftsvertretungen, es gibt den Konvent und den Studierendenrat. Und in der Universität Augsburg wird das Ganze durch eine individuelle Vereinbarung noch einmal potenziert. Auch da höre ich Positives, nämlich dass eine gute Zusammenarbeit besteht. Wir haben also diese demokratischen Organisationen.

Ich weiß nicht, warum ich dann noch etwas draufsetzen sollte. Der Vorwurf, man könnte sich nicht gemeinsam treffen, stimmt nicht. Die Betroffenen können Reisekosten aus ihren Kassen bestreiten und sich auch treffen. Darüber gibt es keinen Dissens.

Ich fasse zusammen: So wenig Bürokratie wie möglich und so viel Effizienz wie nur möglich, ist die Forderung. Damit sind die guten Argumente absolut aufseiten der Koalitionsregierung in Bayern.

(Beifall bei der FDP)

So viel zur Verfassten Studierendenschaft und den Mitwirkungsrechten.

Und nun ein Wort zum Haushalt. Ich möchte darauf hinweisen, dass Kollege Klein dazu allgemein gesprochen hat und jetzt nicht den Wissenschafts-, den Forschungs- oder den Kunstminister angesprochen hat. Es war ein allgemeiner Aufruf, wie er heute gut in die Landschaft passt. Aber auch da kann ich Ihnen die guten Argumente an die Hand liefern. Wir sparen nicht an der Bildung. Ich habe den Anspruch, in der Bundesrepublik in vorderster Reihe zu stehen. Dort will ich auch bleiben. Deshalb fordere ich hier die entsprechenden Gelder und die entsprechende Unterstützung für die Forschung und Wissenschaft weiterhin ein. Wenn Sie nun sagen, ich habe einen Haushalt eingefordert, der 10 % höher liege, so äußere ich mich zu diesen Dingen nicht. Sie können davon ausgehen, dass der Forschungs- und Wissenschaftsminister selbstverständlich ein Plus gefordert hat. Das ist ganz klar, auch wenn nicht auf die Prozentstelle genau auszumachen ist, wie viel es sein wird. Lassen Sie uns doch zunächst in die Verhandlungen gehen. Es wird - das ist der wichtigste Punkt - keine Kürzung im Bildungsbereich allgemein gesprochen und in der Wissenschaft und Forschung in Bayern geben.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Zukunft unseres Freistaates Bayern liegt ganz entscheidend bei den Jugendlichen. Da müssen und werden wir investieren. Ich habe bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass ich mich dafür nachhaltig einsetzen werde. Dabei wird es auch bleiben. Spielräume sehe ich nirgendwo. Ich gehe aber mit großer Zuversicht in die Verhandlungen mit dem Finanzminister; denn die Äußerungen der Bayerischen Staatsregierung sagen ganz deutlich, es wird im Bildungsbereich nicht gekürzt.- Das war die erste Runde.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Vielen Dank Herr Staatsminister. Zu einer weiteren Frage hat sich noch einmal Herr Professor Piazolo gemeldet.

Ich verzichte!

Gut, Sie verzichten. Dann trage ich zunächst einmal die Liste vor, wer sich bisher alles zu Wort gemeldet hat: Es sind der Kollege Nadler, die Frau Kollegin Zacharias, die Frau Kollegin Gote, der Kollege Dr. Fahn und die Frau Kollegin Dr. Bulfon. Das sind diejenigen, die sich

bisher für Fragen gemeldet haben. Als Nächster hat das Wort der Kollege Nadler. Bitte sehr, Herr Kollege.

Herr Staatsminister, Sie haben eben die Leitlinie für die Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses angesprochen. Ich denke, wir alle wollen die Kritik am Bologna-Prozess ernst nehmen und möglichst schnell konkrete Verbesserungen herbeiführen. Ich frage Sie deshalb Folgendes:

Erstens. Welche Verbesserungen wurden bereits jetzt angesichts der Bildungsstreiks im vergangenen Wintersemester an unseren Hochschulen in die Wege geleitet?

Zweitens. Die Reformen des Bologna-Prozesses berühren die verfassungsrechtlich garantierte Lehrfreiheit. Die genannten Leitlinien haben daher für die Hochschulen keinen verpflichtenden Charakter. Mit welchen Maßnahmen sichern Sie, dass diese Leitlinien mit den entsprechenden, die konkrete Lage vor Ort berücksichtigenden Modifikationen auch umgesetzt werden?

Erlauben Sie mir eine Frage zu den steigenden Studierendenzahlen. Qualität und Gerechtigkeit sind zwei Grundsätze, die Kultusminister Dr. Spaenle als zentrale Leitlinien seiner bildungspolitischen Arbeit in dieser Legislaturperiode vorgestellt hat. Nach Auffassung unserer Fraktion gelten diese Prinzipien mit der gleichen herausragenden Bedeutung auch für die Hochschulen. Wir müssen den betroffenen jungen Menschen die gleichen qualitätsvollen akademischen Bedingungen bieten wie den Jahrgängen vor ihnen. Zu diesem Zweck haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode als Bestandteil unseres Programms "Zukunft Bayern 2020" das bundesweit ambitionierteste Hochschulausbauprogramm auf den Weg gebracht.

Ich frage Sie deshalb erstens: Wie ist der derzeitige Stand der Umsetzung dieses Programms in seiner personellen und seiner räumlichen Komponente?

Zweitens: Welche besonderen Vorkehrungen werden für den im nächsten Jahr anstehenden doppelten Abiturjahrgang getroffen?

Drittens: Kann der Zeitplan aus Ihrer Sicht eingehalten werden, oder gibt es besondere Probleme an einzelnen Hochschulstandorten, auf die etwa im Rahmen des anstehenden Doppelhaushalts reagiert werden muss?

Lassen Sie mich eine letzte Frage zur Hochschulreform stellen. Ich denke, wir wollen und müssen in Zukunft die Quote der Hochschulabsolventinnen und absolventen steigern. Dazu müssen wir auch neue Bildungsreserven erschließen und zusätzliche Bil

dungsperspektiven entwickeln. Ein wesentlicher Baustein hierfür ist nach Auffassung unseres gemeinsamen Arbeitskreises die möglichst flächendeckende Einführung von Teilzeit-Bachelorstudiengängen, die von besonders qualifizierten Berufstätigen auch neben ihrer Erwerbsarbeit absolviert werden können. Wie steht die Staatsregierung, wie stehen Sie, Herr Staatsminister, zu diesem Vorhaben?

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Ich würde mir die Fragen geben lassen, die liegen ja schriftlich vor!)

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Herr Abgeordneter Nadler, zum ersten Bereich, dem Bologna-Prozess, habe ich vorhin schon deutlich gemacht, welche weitgehenden Maßnahmen inzwischen erfolgt sind. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass diese Leitlinien Anregungen sind. Diese Anregungen werden natürlich von den Hochschulverbünden in ihre Hochschulen, also in die angewandte Wissenschaft, eingebracht.

Wenn Sie mich fragen, was im Rahmen des BolognaProzesses bereits umgesetzt wurde, dann muss ich das in der Tat ablesen, weil es so eine Menge von Maßnahmen ist, dass ich sie auch nur ausschnittsweise wiedergeben will. Zum Beispiel an der Universität Augsburg wurden Arbeitsgruppen in allen Fakultäten zur Überprüfung jedes einzelnen Bachelor- und Masterstudiengangs mit Bezug auf die Anforderungen in den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen eingerichtet. Das führt bereits im Sommersemester 2010, also jetzt, zu neu konzipierten Studiengängen, zum Beispiel zum Bachelorstudiengang Mathematik.

An der Hochschule Deggendorf werden die Modulbeschreibungen aller Studiengänge mit dem Ziel einer verstärkten Kompetenzorientierung bis zum Jahresende 2010 überarbeitet.

An der Universität Erlangen-Nürnberg gilt die Änderung von insgesamt 70 Prüfungsordnungen bereits seit dem Sommersemester 2009.

An den Universitäten Bayreuth, Regensburg und an der TU München gibt es eine Entwicklung von Leitfäden zur zügigen Überarbeitung der Curricula im Kontext der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in der Lehre.

An der Universität Passau werden Standards zur Überprüfung der Curricula in einer universitätsweiten Arbeitsgruppe erarbeitet.

Das sind die Punkte, die ich beispielhaft herausgreife. Ich erwarte mir durch die Leitlinien weitere Unterstützung in diesem Bereich. Wir müssen den Universitäten und Hochschulen signalisieren, dass sie den Mut haben sollen, weiterzugehen und freier zu agieren. Eine Hochschule agiert niemals für sich allein, sondern immer zusammen mit den Studierendenvertretern.

Das Zweite, was Sie angesprochen haben, waren die steigenden Studierendenzahlen und der doppelte Abiturjahrgang 2011 sowie das Bayerische Hochschulausbauprogramm. Da kann ich Ihnen bestätigen, dass dieses Ziel weiter angestrebt wird. Die Umsetzung ist in vollem Gange, auf gutem Weg und weiter, als wir in den Zielvereinbarungen jeder Hochschule in Bayern individuell vereinbart hatten. Diese Maßnahmen werden zurzeit umgesetzt. Wir haben von den 3.000 Lehrstellen, also Professorinnen/Professoren und akademischer Mittelbau, über 1.600 Stellen neu geschaffen. Je nach Hochschule konnten die zugewiesenen Stellen bis zu 90 % umgesetzt werden. Es gibt an der einen oder anderen Hochschule noch Defizite. Da muss man nacharbeiten, die Zeit ist vorhanden. Das weiß man dort auch, man kennt die Zahlen der anderen Hochschulen, sodass man das sicher aufholen wird. - Das ist die personelle Maßnahme.

Vielleicht lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort sagen, das deutlich machen soll, dass es auch von Vorteil ist, dass Bayern als bevölkerungsreiches Land diese Umstellung frühzeitig und rechtzeitig vorgenommen hat. Der Markt für Professorinnen und Professoren wird zunehmend enger werden, wenn die anderen Bundesländer in den folgenden Jahren auch ihre doppelten Abiturjahrgänge haben werden. Da sind wir im Vorteil zusammen mit Niedersachsen, aber da gibt es auch schon eine räumliche Distanz, die gerade im Bereich der Fachhochschulen deutlich zu spüren ist. Wir haben also Vorteile bei der Akquirierung dieses Personals. Es ist auch in der heutigen Zeit nicht so einfach, qualitativ hochstehendes Personal zu gewinnen.

Das Nächste sind die Ausbaumaßnahmen. Wir brauchen 130.000 Quadratmeter neuen Raum. Da sind wir auf einem guten Weg auch im Zusammenhang mit Anmietungen. Wir müssen nicht alles selbst bauen. Auch vor diesem Hintergrund sehen Sie, dass wir absolut richtig im Timing sind.

Das Nächste, was ich ansprechen will, sind Maßnahmen zum Beispiel für den doppelten Abiturjahrgang. Ich will mich nicht breit auslassen. Es geht um die harten NC-Fächer. Da hat Bayern im Übrigen seine Hausaufgaben seit 2005 gemacht. Sie wissen, dass ich für den Studienbereich Medizin zumindest temporär eine Ausweitung von 10 % gefordert habe. Wir

haben diesen Bereich seit 2005 um 8 % ausgeweitet, sind also auch da auf einem guten Weg.

Das ist aber auf der anderen Seite auch eine Krux. Sie beklagen immer wieder die Betreuungsrelation. Wir müssen ganz intensiv darauf achten, dass wir mit Einstellungen die Kapazität nicht wieder so erweitern, dass uns die Gerichte dann wieder sagen: Ihr müsst soundso viel Studierende aufnehmen. Das ist in Deutschland immer eine Krux. Ich habe mir das System in der Schweiz angesehen, die kennen so etwas ich sage einmal: Gott sei Dank - nicht. Sie können ihre Betreuungsrelationen entsprechend niedriger halten als in der Bundesrepublik. Das ist bundesweit ein Thema und kein rein bayerisches. Aber ich wollte es ganz bewusst ansprechen.

Sie hatten dann noch, Herr Abgeordneter Nadler, die Fortsetzung der Hochschulreform angefragt. Diese ist in der Tat auf den Weg gebracht. Ich habe vor, in Bayern Teilzeitstudiengänge zu etablieren. Das wirft natürlich eine Menge rechtlicher Fragen auf: Was ist mit dem BAföG? Können wir das aufteilen? Da spielt natürlich stark der Bund mit hinein. Ich muss mich also bundesweit bemühen, eine Regelung herbeizuführen. Da sind wir sicher mit vorne dran. Das wollen wir machen.

Außerdem will ich berufsbegleitende Studiengänge einführen. Das wird für die Hochschulen völliges Neuland. Dann muss man die Lehrveranstaltungen abends anbieten, am Wochenende, im Blockunterricht und in den Semesterferien. Das ist eine gewaltige Herausforderung und natürlich auch mit Mehrkosten verbunden. Aber wir wollen das machen.

Im letzten Jahr haben wir die erste Novelle des Hochschulgesetzes verabschiedet mit der Zugangsmöglichkeit für Meister und beruflich Qualifizierte, die wahrscheinlich zum Großteil weiterarbeiten wollen. Diesen Leuten muss ich am Abend und in den freien Zeiten ein Angebot machen. Das ist eine organisatorische und eine rechtliche Herausforderung. Zurzeit kleiden wir dieses Vorhaben in Gesetzesform. Wir werden den Entwurf dem Landtag rechtzeitig vorlegen, damit Bayern an dieser Stelle Vorreiter ist.

(Beifall des Abgeordneten Bernd Sibler (CSU))