Protocol of the Session on June 10, 2010

(Beifall bei den GRÜNEN)

Welches Ergebnis brauchen wir? - Wir brauchen - da haben Sie Recht - einen größeren Anreiz für die Bundesländer, die Ihnen zustehenden Steuern auch tatsächlich zu erheben, denn bisher gilt für Geber- und für Nehmerländer, also für beide, dass das, was sie zusätzlich an Steuern einnehmen, zu einem großen Teil durch entsprechende Verringerungen im Finanzausgleich wieder abfließt. Der Länderfinanzausgleich in der heutigen Gestaltung führt also sowohl bei Geber- als auch bei Nehmerländern zu falschen Anreizen. Weshalb sollte denn ein Bundesland zum Beispiel mehr Geld für eine effektive Steuerfahndung ausgeben? Deshalb ist diese falsche systematische Konstruktion Ursache für Mindereinnahmen in der Bundesrepublik in zweistelliger Milliardenhöhe. Deshalb muss das gesamte Verfahren neu gebastelt werden. Diese Aufgabe wird Ihnen kein Verfassungsgericht abnehmen. Das ist Aufgabe der Politik.

In Ihrem Antrag fehlt dazu leider, leider alles. Zu den notwendigen Reforminhalten fehlt alles. Das ist bedauerlich, aber heilbar, weil wir Ihnen das in unserem hochgezogenen Dringlichkeitsantrag vorgelegt haben.

Wir gehen davon aus, dass die Verfassungsaufgabe der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland zunächst einmal Aufgabe des Bundes, nicht aber der Länder ist. Deshalb wollen wir den bisherigen horizontalen Länderfinanzausgleich, wie das im Übrigen auch innerhalb Bayerns mit dem kommunalen Finanzausgleich der Fall ist, durch einen vertikalen Ausgleich ersetzen. Das bedeutet, dass die Finanzkraft der Länder nicht mehr durch Ausgleichszahlungen zwischen den Ländern, sondern durch Zahlungen des Bundes an die Länder sichergestellt wird und der Bund dafür höhere Anteile an den

Gemeinschaftssteuern erhält. Es geht also nicht um mehr Geld.

Ein solcher Systemwechsel vom horizontalen zum vertikalen Finanzausgleich hätte bedeutende Vorteile. Der Anreiz für die Länder steigt, in ausreichendem Maße Finanzbeamte einzustellen. Insoweit kämen wir Ihnen entgegen, wenn Sie sagen: Die Länder müssen die Steuern, die sie dann erheben, auch behalten können. Insgesamt würde das zu höheren Steuereinnahmen auf allen Ebenen führen, und schließlich müssten wir uns - verzeihen Sie uns, der Opposition, dass wir das sagen - das so wohlfeile wie folgenlose "Wir müssen immer zahlen"-Gejammere der Geberländer, das ja die Vertreter der Regierungsfraktionen auch heute losgelassen haben, endlich nicht mehr anhören.

Deshalb sage ich Ihnen: Hören Sie mit Ihrem Populismus auf. Treten Sie stattdessen in eine verantwortliche, fundierte und ökonomisch begründete Debatte über die Neuordnung des föderalen Finanzausgleichs ein. Ein erster Schritt zu dieser neuen Ernsthaftigkeit ist: Stimmen Sie heute unserem Antrag zu.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Um das Wort zum Thema hat Herr Finanzminister Fahrenschon gebeten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte ja in den Beratungen zum Nachtragshaushalt schon auf die strukturellen Probleme hingewiesen, die wir im Länderfinanzausgleich haben. Ich glaube, dass wir heute die Zeit gut nutzen, um uns die weiteren Verfahren vor Augen zu führen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schon einmal gesagt worden: Bayern war im letzten Jahr der stärkste Zahler im Länderfinanzausgleich. Noch viel wesentlicher ist eine andere Relation. Es geht nicht nur darum, dass wir aufgrund guter wirtschaftlicher Positionierung das stärkste Zahlerland sind. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ungesund dieses System ist, zeigt, dass ich Ihnen heute sagen muss: Wir bestreiten mit den 3,4 Milliarden Euro, die aus dem bayerischen Staatshaushalt, also aus den unternehmerischen Erfolgen des Mittelstands in Bayern und aus den Erfolgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stammen, die Hälfte des Länderfinanzausgleichs. Das ist ein Punkt, den wir herausarbeiten müssen. Es ist nicht nur die ungesunde Relation, es sind nicht nur die fehlenden Anreize und die falschen Anreize, Herr Kollege Hallitzky, sondern es geht auch um die Tatsache, dass nur noch

drei große Länder die restlichen Bundesländer finanzieren, und Bayern steht für die Hälfte des Betrages gerade, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Preisbereinigt - auch das gehört zur Problembeschreibung - haben die Bayern insbesondere in den Fünfzigerjahren bis in die Siebzigerjahre 9,5 Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich erhalten. Es war diese Hilfe, aber es waren natürlich auch die stabilen politischen Verhältnisse und eine Vielzahl von richtigen wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen, die Bayern den Aufstieg ermöglicht haben, den dieses Land hinbekommen hat. Wir haben es geschafft, aus einem ärmlichen Agrarstaat einen wesentlichen wirtschaftlichen Motor der Bundesrepublik Deutschland zu machen. Wenn ich sage "wir", dann meine ich die Menschen in Bayern, die sich mit neuen Ideen, mit ihrer Leistung und ihrer Arbeitskraft erfolgreich durchgesetzt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Deshalb muss man auf zwei Dinge hinweisen. Erstens: Wir in Bayern werden die notwendige Solidarität, die wir in Deutschland brauchen, nicht aufkündigen. Zweitens: Bayern ist aber das einzige Bundesland, das in diesem System des Länderfinanzausgleichs eine Veränderung erreicht hat. Nur die Bayern haben es von einem schlechten Ausgangspunkt tatsächlich zu einer besseren Position geschafft. In diesem Zusammenhang sagen wir: Es kann nicht sein, dass das System so bestehen bleibt. Wenn sich in diesem System nur ein einziges Bundesland vom Nehmerland zum Zahlerland entwickelt hat, dann sind zu wenig Anreize im System hinterlegt. Das wollen wir ändern, und das, glaube ich, aus gutem Grund.

(Beifall bei der CSU)

Ich meine, dass wir uns an dieser Stelle damit auseinandersetzen müssen, dass wir ein gerechteres und auch ein effizienteres System brauchen. Wir stehen zu dem im Sommer 2001 geschlossenen Gesamtkompromiss und damit auch zum Solidarpakt II für den Aufbau Ost. Damals wurden auch einige Verbesserungen erreicht. Am Ende ist aber offensichtlich: Das System ist heute noch zu leistungsfeindlich, und vor allem ist es weit davon entfernt, so zu funktionieren, dass es sich im Zeitverlauf selbst überflüssig macht, indem es den Schwächeren wirklich auf die Füße hilft. Die Hilfe zur Selbsthilfe, dieses zentrale Momentum, ist im deutschen Länderfinanzausgleich zu wenig entwickelt. Das wollen wir verstärken, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Dazu gibt es auch Vorschläge. Wir könnten das System an zwei entscheidenden Stellen nachhaltig neu und besser ausrichten: Erstens brauchen wir mehr Leistungsanreize. Alle Länder, ganz gleich, ob Nehmer- oder Geberländer, müssen von ihren eigenen Steuerzuwächsen angemessene Eigenanteile behalten. Gemeint ist Folgendes - das weiß jeder aus der Betriebswirtschaft -: Wir brauchen einen höheren Grenznutzen als Anreiz, damit es heißt: Ich habe eine erfolgreiche Wirtschaft, ich mache gute, richtige Haushalts-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik in meinem eigenen Land, um von dem Mehraufwand auch tatsächlich zu profitieren und wieder etwas anzulegen. Der bisherige Anreiz ist zu gering. Deshalb werden sich insbesondere die kleineren Länder, denen wir aus Bayern, aus Baden-Württemberg und aus Hessen die Haushalte finanzieren, nicht mit den richtigen Fragen auseinandersetzen. Das wollen, das müssen wir ändern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der SPD)

Zweitens geht es eben nicht darum, den Empfängerländern ihre Haushaltsautonomie streitig zu machen. Das ist eine falsche Verkürzung. Es geht jetzt darum: Wenn wir schon über die Finanzausgleichsmittel sowohl des Bundes als auch der zahlungspflichtigen Länder den finanzschwachen Ländern gemeinsam unter die Arme greifen, dann haben wir meines Erachtens auch das Recht, danach zu fragen, wo denn das Geld ausgegeben wird, um strukturelle Verbesserungen zu erhalten. Denn wir wollen ja helfen, dass die Länder in eine starke Position kommen. Wir wollen nicht nur Geld geben, sondern wir wollen auch Veränderungen erreichen, damit am Ende alle 16 Bundesländer in der Lage sind, mit dem Geld der Steuerzahler auszukommen. Deshalb geht es uns um strukturelle Veränderungen und nicht um Eingriffe in die Haushaltsautonomie.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist ein kostenfreies drittes Kindergartenjahr oder vielleicht auch der Verzicht auf Studiengebühren eine feine Sache; aber das kann man eben nur machen, wenn man es sich leisten kann. Es kann nicht sein, dass Länder im Norden solche Entscheidungen treffen und der Süden der Republik finanziert diese Entscheidungen. Das ist der wunde Punkt, den wir in der Debatte auch ansprechen müssen.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)

Deshalb denke ich, dass wir auch ein angemessenes Instrument brauchen, um die Hilfen, die der Bund und die Länder geben wollen, zielgerichtet einzusetzen, ganz im Sinne einer tatsächlich wirksamen Hilfe zur

Selbsthilfe. Darum geht es uns, wenn wir jetzt sagen: Das System funktioniert nicht gut und muss verbessert werden.

Ich will darauf hinweisen, dass der Antrag der Regierungsfraktionen in die richtige Richtung weist, ganz im Gegensatz zu den Anträgen der Opposition. Meine sehr verehrten Damen und Herren der Fraktion der GRÜNEN, man muss sich durchaus noch einmal mit Ihrem nachfristig eingereichten Antrag auseinandersetzen. Einerseits gehen Sie in der Kernposition, dass der Finanzausgleich wesentlich anreizstärker und effektiver werden soll, konform. Sie haben also durchaus Sympathie dafür, zu sagen: So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben. Aber das, was Sie vorschlagen, nämlich den Weg über die Vertikalisierung zu gehen, ist alles andere als positiv. Ich glaube sogar, man muss sagen: Dieser Ansatz der Fraktion der GRÜNEN ist grundfalsch.

(Beifall bei der CSU)

Können sich die übrigen Länder wirklich verbessern, wenn der Länderfinanzausgleich künftig vom Bund bestimmt wird? Am Ende ist es doch auch ein Fehler in der Grundstruktur, wenn Sie jetzt sagen: Wir geben Steueraufkommen der Länder, Steueraufkommen der bayerischen Bürgerinnen und Bürger an den Bund ab, um dann in der Gemeinsamkeit aller Länder quasi als Bittsteller vor den Bund zu treten und zu sagen: Jetzt gib uns bitte wieder einen Teil des Geldes zurück. Anders herum wird ein Schuh daraus. Der Bund setzt sich aus den Ländern zusammen. Die Steuern, die wir in Bayern erwirtschaften, gehören nach Bayern. Wir stehen zu unserer Solidarität, aber wir werden doch bitte nicht die Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland zu Bittstellern gegenüber der Bundesrepublik machen. Diesen Weg darf man nicht einschlagen. Deshalb ist Ihr Antrag, Herr Kollege Hallitzky, in diesem Punkt grundfalsch.

(Beifall bei der CSU)

Sie stellen mit Ihrem Antrag die Verhältnisse auf den Kopf. Am Ende stünde sogar zu befürchten, dass es in der Bundesrepublik Deutschland einen Finanzausgleich je nach Kassenlage des Bundes gäbe. Das ist nicht unser Bild von einem gesunden Föderalismus. Deshalb dürfen Sie, Herr Halbleib, dem Antrag der Fraktion der GRÜNEN auch nicht zustimmen; denn wenn Sie für den Föderalismus sprechen, können Sie den Antrag der GRÜNEN nicht mittragen.

(Beifall bei der CSU)

Genauso verhält es sich mit dem Antrag der SPD-Opposition. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, es hilft nichts, dieses schwierige Thema jetzt

mit dem Holzhammer aufzuarbeiten, so wie Sie es mit Ihrem Dringlichkeitsantrag versuchen. Verhandlungen ohne fundierte Vorbereitungen sind angesichts des Mehrheitsverhältnisses von 3 : 13 wenig aussichtsreich. Deshalb geht es jetzt darum, einen neuen, einen gerechten, einen effizienten Finanzausgleich aufzubereiten. Wir brauchen Ihre Unterstützung, meine Damen und Herren von der SPD; denn es gibt - Stand von heute - kein einziges SPD-regiertes Land auf der Zahlerseite, andererseits wird jedoch die Empfängerseite nicht nur von Berlin dominiert, das am Ende ein Ausgleichsvolumen von 42 % absorbiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einem ersten Schritt wird im Auftrag von Baden-Württemberg, Bayern und wohl auch Hessen Herr Professor Seiler von der Universität Tübingen ein Gutachten erstellen, das die Problematik des Länderfinanzausgleichs beleuchtet. Dieses Gutachten dürfte noch im Laufe des Jahres vorliegen. Aufgrund der Ergebnisse werden wir dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Ich fordere Sie auf: Geben Sie heute Ihre Stimme dem Antrag der beiden Regierungsfraktionen und lehnen Sie die anderen Anträge zu dem Thema ab. Denn es geht um vitale bayerische Interessen. Wir wollen, verfassungsrechtlich verankert, das Neuverschuldungsverbot einhalten. Wenn aber Hessen Schulden aufnehmen muss, um den Länderfinanzausgleich zu bezahlen, dann stimmt etwas nicht in diesem System. Deshalb wollen wir entsprechende Veränderungen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Staatsminister, ich darf Sie bitten, noch einen Moment am Rednerpult zu bleiben. Herr Kollege Halbleib hat sich zu einer Zwischenintervention gemeldet.

Herr Staatsminister, drei Anmerkungen, die mir am Herzen liegen.

Erstens. Der Antrag der GRÜNEN ist auch in dem Punkt, den Sie kritisiert haben und bei dem ich durchaus eher Ihrer Meinung zuneige als der dezidierten Auffassung der GRÜNEN, durchaus interessant, weil damit auch die Alternativen zu dem, was man eingeführt hat, um die neuen Bundesländer zu unterstützen, deutlich würden. Ich habe in meinem Beitrag darauf hingewiesen, dass die Summe des bayerischen Länderfinanzausgleichs, die genannt wurde, deshalb so hoch ist, weil man sich für eine andere Variante und eben nicht dafür entschieden hat, diesen Ausgleich vom Bund aus zu machen. Insofern, denke ich, schadet es nicht, wenn wir einmal Alternativen auch von der Staatsregierung durchgerechnet bekommen und die Argumente dazu erhalten.

Zweite Bemerkung. Sie haben die SPD-Bundesländer angesprochen. Ich würde mich schon darüber freuen, Herr Staatsminister, wenn Sie auch einmal ansprechen würden, dass das Steueraufkommen in Bayern dort am höchsten ist - und dies weit überproportional -, wo Sozialdemokraten seit Jahr und Tag regieren, nämlich in der Landeshauptstadt München.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich meine das gar nicht polemisch. Ich meine, dass es dazugehört anzuerkennen, dass wir auch in Bayern strukturelle Vorteile haben, die mit der Wirtschaftspolitik, wie immer man sie beurteilt, gar nichts zu tun haben. Wir sind vielmehr auch Profiteure des Falls des Eisernen Vorhangs; wir haben wie kaum andere davon profitiert. Ich denke, man sollte durchaus anerkennen, dass auch in der Landeshauptstadt München Rahmenbedingungen für sozialdemokratische Wirtschaftspolitik herrschen, die durchaus zu diesem Ergebnis beitragen.

Letzte Bemerkung.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sie sagen, Sie wollten die finanzschwachen Länder stärken. Mich würde schon interessieren, warum Sie so stark betonen, dass Sie gerade im Bereich des Steuerlichen - ich nenne jetzt die Erbschaftsteuer; wir haben schon öfter darüber diskutiert - einen Wettbewerbsföderalismus predigen, der im Prinzip heißt: Wir wollen unsere Erbschaftsteuereinnahmen durch Regionalisierung nach oben bringen und auf Kosten anderer Länder Anreize bieten - also niedrigere Steuersätze, um mehr einzunehmen -, damit Unternehmer nach Bayern gehen. Wettbewerbsföderalismus in der Ausprägung, wie Sie ihn vorhaben, schwächt die Bundesländer, die Sie mit Ihrem Antrag vermeintlich stärken wollen.

Das ist ein wichtiger Aspekt, auf den ich noch einmal hinweisen wollte.

Danke schön. Herr Staatsminister, bitte.

Herr Kollege Halbleib, zum Ersten glaube ich, dass Sie an dieser Stelle, am Beginn schwierigster Verhandlungen, mit einer Wischiwaschi-Position keinen Erfolg haben werden.

(Beifall bei der CSU - Zurufe der Abgeordneten Eike Hallitzky (GRÜNE) und Christa Naaß (SPD))

Sie müssen sich heute schon entscheiden, ob Sie in der Grundüberzeugung, dass die Länder den Bund