Gerade wir in Bayern erfahren mit dem Länderfinanzausgleich und den Zahlungen von 3,4 Milliarden Euro für 2009 jeden Tag, was das bedeutet.
Deutschland würde als wirtschaftsstärkste Nation in Europa die gleiche Rolle spielen, und das Gegenteil ist jetzt notwendig. Leistungsträger darf man nicht bestrafen, indem man sie zu Zahlmeistern macht, weder in Deutschland noch in Europa. Aus diesem Grund werden wir in den nächsten Tagen darauf achten, dass wir nicht in eine falsche Richtung abbiegen.
Deshalb, weil wir keinen schleichenden Übergang zu einer Transferunion wollen, ist für uns von zentraler Bedeutung, dass der Rettungsschirm zwingend auf drei Jahre zu begrenzen ist. Es muss im Gesetz, auch im nationalen Gesetz der Bundesrepublik Deutschland, fest- und sichergestellt sein, dass hieraus kein dauerhafter Hilfsmechanismus abgeleitet werden kann.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, dürfen die notwendigen Hilfen aus dem Rettungsschirm nur unter strengsten Bedingungen gewährt werden. Dazu gehört unter anderem die Auszahlung von Raten nur Zug um Zug gegen tatsächlich erzielte Sanierungs- und Strukturierungsfortschritte. Deshalb ist die Einschaltung des Haushaltsausschusses des
Bundestages entscheidend. Sie dient nicht nur der parlamentarischen Legitimation, sondern sie schützt uns auch vor einem Automatismus für diese Hilfen, dem wir uns klar entgegenstellen.
Darüber hinaus brauchen wir einen Sonderbeauftragten der Europäischen Kommission für jeden unserer Mitgliedstaaten, der diese Hilfe in Anspruch nimmt. Dieser Sonderbeauftragte hat die Aufgabe, die Fortschritte sorgfältig zu beobachten und abermals den nationalen Parlamenten zu berichten. Wir weisen aus unserer Sicht auch darauf hin, dass die Bundesregierung zum Schutz der Steuerzahler darauf zu drängen hat, dass staatliche Kreditgarantien aus dem Rettungsschirm mindestens so behandelt werden wie die Kredite des Währungsfonds. Wir müssen an dieser Stelle auch über die Rangfolge diskutieren.
Neben diesen Punkten im Zusammenhang mit dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren brauchen wir aber auch Maßnahmen, die sich mit der Verschärfung des Stabilitätspaktes auseinandersetzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen eine Übereinkunft zum nachhaltigen Abbau der Schulden in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, eine "Europäische Schuldenbremse". Dazu gehört unter anderem, die Tragfähigkeit des Haushaltsgebarens in Zukunft nicht mehr durch die Kommission, sondern durch eine unabhängige Institution, zum Beispiel die Europäische Zentralbank, prüfen zu lassen und am Ende auch dafür Sorge zu tragen, dass die Beweislast umgekehrt wird. Das System, dass die Mitgliedstaaten argumentieren, wie sie mit den Hilfen umgehen, wie sie ihren Beitrag für Europa leisten, ist gescheitert. Wir müssen den Spieß umdrehen. Es muss am Ende von den Mitgliedstaaten selbst bewiesen werden, dass die Mitgliedstaaten nicht schludern, sondern ihren Aufgaben nachkommen.
Das wäre in der Wirkung ein großer Schritt hin zu einer Schuldenbremse, wie sie im deutschen Grundgesetz für den Bund und die 16 Bundesländer hinterlegt ist.
Zum Zweiten müssen wir die 2005 auf Initiative der damaligen rot-grünen Bundesregierung erfolgte Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts wieder rückgängig machen. Es war eine Fehlentscheidung, die Griechen ohne Auflagen Mitglied in der Währungsunion werden zu lassen. Es war auch eine Fehlentscheidung, dass Deutschland als Erfinder des Stabilitäts- und Wachstumspakts unter der Regierung von Gerhard Schröder und Hans Eichel den Stabilitätspakt aufgeweicht hat.
Statistikfälschungen dürfen nicht mehr auf der Tagesordnung stehen, und wir brauchen auch endlich ein automatisches Defizitverfahren, das durch unabhängige Institutionen wie die Europäische Zentralbank einzuleiten ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht weniger wichtig ist, dass wir auch die Sanktionen gegen die Defizitsünder verändern müssen. Wir brauchen automatische Sanktionen, weil es am Ende nicht funktioniert, wenn Sünder über Sünder entscheiden. Mittlerweile sind 20 der 27 europäischen Staaten Teil des Defizitverfahrens. Wenn wir nicht automatische Sanktionen durchsetzen, werden wir die Bedingungen für eine stabile Währung, die wir für unsere Wirtschaft brauchen, nicht erreichen. Wir brauchen automatische Sanktionen und wir brauchen Sanktionen, die die Mitgliedstaaten auch empfindlich treffen. Deshalb tritt die Bayerische Staatsregierung für die Kürzung europäischer Zuschüsse und für Maßnahmen ein, um Mitgliedstaaten im Zweifelsfall auch Stimmrechte zu entziehen.
Darüber hinaus müssen wir im Zuge der laufenden Überprüfungsarbeiten auch die Frage stellen, wie notfalls eine Staatsinsolvenz unter Einbeziehung der Altgläubiger geregelt werden kann. Es muss geprüft werden, quasi als Ultima Ratio, wie ein Staat aus der Währungsunion ausgeschlossen werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, schließlich gilt auch für die Zukunft: Wir dürfen uns nicht nur mit den Altfällen auseinandersetzen, sondern wir brauchen auch Veränderungen in der Zukunft. Bei künftigen Beitrittsanträgen zur Währungsunion muss strenger verfahren werden. Ein Stichwort aus der Sicht der Bayerischen Staatsregierung lautet deshalb, einen längeren Prüfungszeitraum zur Grundlage der Entscheidung zu machen.
Mit diesen Schärfungen des Stabilitätspakts gehen wir an die zentrale Ursache der Krise: die mangelnde fiskalpolitische Disziplin in einigen Euroländern, insbesondere in Griechenland, und die nur mangelhaft wahrgenommene Kontrolle durch die Kommission und die Mitgliedstaaten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, um es deutlich zu sagen: Das Rettungspaket kann eben nicht nur alleine Spekulanten zugerechnet werden. Die Auswirkungen von Spekulationsgeschäften am Markt allein machen solche Ausschläge nicht möglich. Wir müssen an dieser Stelle Spekulanten
das Handwerk legen. Wir müssen aber auch erkennen: Es ist die fiskalpolitische Disziplin, die darüber entscheidet, ob unsere gemeinschaftliche Währung funktioniert und auch in Zukunft stabil bleiben wird und inwieweit Kontrollmechanismen so gelegt werden, dass so ein Fehler kein zweites Mal mehr passieren kann.
Dennoch müssen wir auch im Bereich der Regulierung der Finanzmärkte Änderungen vornehmen. Viele spekulative Geschäfte sind heute ohne oder fast ohne Eigenkapital möglich. Wer Kredite vergeben will, der soll dafür Eigenkapital vorhalten müssen. Aber wer an dieser Stelle mit dem Geld, das die Banken in den letzten 18 Monaten von den Zentralbanken und von den Steuerzahlern zur Verfügung gestellt bekommen haben, Eigenhandel betreibt, der muss kaum Auflagen erfüllen.
So ein Ungleichgewicht können wir nicht stehen lassen. Wir brauchen eine Eigenkapitalhinterlegung, die sich am Risikowert des Geschäfts orientiert. Die Unterscheidung zwischen dem Eigenhandel, der ohne Eigenkapital funktionieren kann, und dem Kredithandel der Banken muss aufgelöst werden.
Zur Frage der Eigenkapitalregulierung gehört zudem: Solange, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vereinigten Staaten Basel II, das sie miterfunden haben, noch keinen einzigen Tag anwenden, so lange sollten wir in Europa nicht über Basel III diskutieren.
Wir brauchen auch dringend unabhängige europäische Ratingagenturen, die ihre Ratings vollständig transparent machen. Die bestehenden Ratingagenturen sind noch strenger zu kontrollieren, um mögliche Marktmanipulationen zu verhindern. Aber wir müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Absolutheit dieser Ratings anzweifeln. Wenn am Ende das Rating einer nicht transparenten Agentur mit Sitz in den Vereinigten Staaten automatisch zur Folge hat, dass die Bankaufsicht hier in Deutschland Maßnahmen ergreift, muss das in der jetzigen Zeit hinterfragt werden.
Für uns gilt: Weltweit sind alle Finanzprodukte und alle Finanzmarktteilnehmer zu regulieren. Künftig darf kein Finanzmarkt, kein Finanzmarktakteur und kein
Finanzmarktprodukt ohne Regulierung, Aufsicht und Haftung bleiben. Deshalb sind beispielsweise Hedgefonds zu regulieren. Die Entscheidungen der Europäischen Union in den letzten Tagen auch gegen die Interessenlage der City of London sind daher zu begrüßen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen in Deutschland sehr wohl, dass eine soziale Marktwirtschaft nur funktionieren kann, wenn es klare Regeln gibt. Deswegen können wir nicht allein auf die freiwillige Einsicht der Akteure setzen. Es muss auch Verbote geben. Dort, wo kein Nutzen für die reale Wirtschaft besteht, muss man auch die Kraft haben, Verbote durchzusetzen. Deshalb steht die Bayerische Staatsregierung hinter der Entscheidung, dass die Aufsicht in den letzten 24 Stunden ungedeckte Leerkäufe ausgesetzt hat. Wir fragen uns aber: Warum hat das so lange gedauert? Warum waren wir nicht schneller in der Lage, diese Maßnahmen durchzusetzen?
Auch Kreditausfallversicherungen, sogenannte CDS, sind als Spekulationsobjekte zu verbieten. Wir brauchen zwar Risikoversicherungen, um Risiken aufzuteilen und nicht an einer Stelle mit besonderen Risiken in höchste Schwierigkeiten zu gelangen, aber Spekulationsgeschäfte, ohne dass es überhaupt einen realen Hintergrund für diese Versicherung gibt, braucht der Markt nicht. Diese müssen verboten werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Genauso muss uns beschäftigen, dass Verbriefungen ohne signifikanten Selbstbehalt einen Fehlanreiz setzen. Ja, Verbriefungen sind wichtig. Wenn aber am Ende der Manager ein Geschäft eingeht, ohne dass er überhaupt einen Teil eines Ausfallrisikos selbst zu verbuchen hat, dann ist das eine Fehlsteuerung, die wir jetzt aus dem System herausnehmen müssen. Risiko und Haftung müssen zusammenbleiben, sie dürfen nicht getrennt werden. Wenn man Risiko und Haftung voneinander trennt, so passiert das Desaster, das uns der internationale Finanzmarkt gezeigt hat.
Last but not least ist der Finanzsektor an den Kosten der Krisenfolgen zu beteiligen. Die Bundesregierung hat den Vorschlag einer Bankenabgabe beschlossen. Klar ist, diese muss nach dem Risiko ausgestaltet sein. Sparkassen und Genossenschaftsinstitute sowie
die kleineren Privatbanken dürfen nicht über Gebühr belastet werden; denn sie haben die Krise nicht verursacht.
Darüber hinaus hat der Berliner Koalitionsausschuss gestern beschlossen, dass sich die Bundesregierung auf europäischer und globaler Ebene für eine wirksame Finanzmarktsteuer einsetzt. Das kann eine Finanztransaktionssteuer oder eine Finanzaktivitätssteuer sein.
Im Wesentlichen geht es darum: Wir brauchen jetzt die Entscheidung für den Finanzsektor in seiner Gänze, ohne dass man die internationalen Fonds, ohne dass man die großen Investmentbanken, die von Amerika aus operieren, ausnimmt. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass sich alle Akteure an diesen Folgen beteiligen.
Schließlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss die wirtschaftspolitische Koordinierung innerhalb der Koalition, insbesondere im Euro-Raum, verbessert werden. Jedes Land muss seine Probleme und auch seine Wettbewerbsrückstände identifizieren und selbst aufarbeiten. Dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, braucht es aber keine europäische Wirtschaftsregierung, im Gegenteil. Wir erteilen denjenigen, die uns vorschreiben wollen, wie wir unseren Standort zu schwächen haben, eine klare Absage. Wir müssen gemeinsam arbeiten und koordiniert vorgehen. Das darf nicht dazu führen, dass über eine Wirtschaftspolitik der Europäischen Union in die Maßnahmen der Nationalstaaten und auch der deutschen Bundesländer eingegriffen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen noch vor großen Herausforderungen. Das bayerische Kabinett hat sich gestern mehrere Stunden lang mit namhaften Experten ausgetauscht. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass wir die notwendigen Schritte zu einer nachhaltigen Stabilisierung der Gemeinschaftswährung unterstützen. Wir sagen aber auch, die gewonnene Zeit muss genutzt werden. Die Bundesregierung muss daher weitreichende Strukturreformen zum europäischen Stabilitätspakt, wirksame Mechanismen zur Finanzmarktregulierung und eine spürbare Beteiligung des Finanzsektors einfordern. Hierüber muss bis Freitag Klarheit geschaffen sein. Die Entscheidungen des Koalitionsausschusses in Berlin von gestern bilden dafür eine gute Grundlage. Nur wenn wir in allen diesen drei Punkten vorankommen, kann, meine sehr verehrten Damen und Herren,
aus dieser Krise eine Chance werden - eine Chance, mehr Stabilität zu erreichen, in Europa, in Deutschland und in Bayern.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich eröffne die Aussprache. Die Fraktionen haben hierzu eine Redezeit von 30 Minuten pro Fraktion vereinbart. Als erster Redner hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Rinderspacher, das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die SPD in Bayern und die sozialdemokratische Landtagsfraktion sind sich dessen vollkommen bewusst, dass die Gesetzgebung, die in dieser Woche zur Stabilisierung der Euro-Zone in Berlin auf den Weg gebracht wird, für die Zukunft unserer Währung und unseres Landes von grundlegender, ja von maßgeblicher Bedeutung ist. Dieses Gesetz muss jedoch einhergehen mit einer Prämisse, dass nämlich demokratisch legitimierte Politik wieder Vorrang hat vor den wirtschaftlichen Interessen der Finanz- und Kapitalmärkte.