Protocol of the Session on April 14, 2010

Es ist also ganz logisch, dass wir den Inhalt des Gesetzentwurfs der SPD unterstützen. Ich möchte auch gern noch mit ein paar Argumenten erläutern - es sind natürlich nicht alle, denn es gibt eine Vielzahl von Argumenten -, warum uns das Thema "Mehr Demokratie und Partizipation von Jugendlichen" so wichtig ist.

Erstens. Die frühzeitige Einbeziehung in und Beteiligung an den politischen Entscheidungsprozessen bringt den Jugendlichen gegenüber zum Ausdruck, dass ihre Interessen ernst genommen werden.

Zweitens. Mit der Senkung des Wahlalters animieren wir die Jugendlichen, sich frühzeitig für die politischen Zusammenhänge zu interessieren. Natürlich muss hier auch der Bildungsbereich entsprechend tätig werden. Das ist klar.

Drittens. Wir machen den Jugendlichen gegenüber deutlich, dass es darauf ankommt und dass es sich auch lohnt, das eigene Umfeld, die eigene Zukunft selbst zu gestalten, sich selbst aktiv einzubringen.

Viertens. Ein abgesenktes Wahlalter wirkt auch der viel beklagten Politikverdrossenheit entgegen, und dies ist gerade bei der jungen Generation wichtig.

Aus diesen und vielen anderen Gründen fordern der Deutsche und der Bayerische Jugendring sogar die Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre. Die Forderung nach dem Wahlalter 16 ist also noch sehr zurückhaltend. Es gibt bereits vielfältige positive Erfahrungen. Wir wären also nicht die Ersten mit dem Wahlalter 16. In sechs Bundesländern gilt das Wahlalter 16 für die kommunale Ebene. Bremen hat es für die Bürgerschaftswahlen eingeführt, und in Österreich gilt es für die Europawahlen. Sie wollen sich vielleicht nicht unbedingt an Österreich messen, aber wir sollten uns an dem Genannten doch ein Beispiel nehmen und ein Zeichen für mehr Demokratie setzen; denn es ist an der Zeit, auf die jungen Menschen zuzugehen, statt ihnen das frühzeitige Wahlrecht weiterhin vorzuenthalten.

Tatsächlich ist die Urteilskraft Jugendlicher viel früher ausgeprägt, als viele von Ihnen vielleicht annehmen mögen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Viele Kommissionen und Wissenschaftler haben sich bereits intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt. Beispielsweise geht der Jugendforscher Prof. Klaus Hurrelmann von der Uni Bielefeld sogar davon aus, dass mit etwa zwölf Jahren eine stabile intellektuelle Basis und Urteilsfähigkeit erreicht ist, die es möglich machen, politische Urteile zu treffen. Er geht also sogar von einem Alter von zwölf Jahren aus, in dem sich die Jugendlichen bereits politisch betätigen können sollten.

Die Argumente von Kollegen Lorenz hinsichtlich der Parallelität von Geschäftsfähigkeit und Wahlrecht kann ich nicht gelten lassen. Es gibt in vielen Bereichen ganz andere Abstufungen. Ich erinnere zum Beispiel an die Strafmündigkeit mit 14 Jahren, die Sie von der konservativen Seite immer senken wollen, oder daran, dass ein Jugendlicher mit 14 Jahren bereits aus der Kirche austreten kann. Dort wollen Sie das Alter natürlich wieder anheben. Also, dieses Argument ist rein formal, und ich lasse es wirklich nicht gelten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Danke schön, Frau Tausendfreund. Der nächste Redner ist, wie bereits angekündigt, Herr Kollege Fischer.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Wahlrecht ist eine der tragenden Säulen unserer Demokratie. Das Wahlrecht ist ein Privileg, um das auch heute noch Millionen von Menschen rund um den Erdball kämpfen. Es ist vielleicht das wichtigste demokratische Recht überhaupt. Deswegen kommt der Frage, wer dieses Recht ausübt, natürlich hohe Bedeutung zu.

Was eine Absenkung der Altersgrenze betrifft, bin ich skeptisch, muss ich sagen. Nein, es geht dabei nicht um Misstrauen gegenüber jungen Menschen; es geht nicht darum, dass man pauschal jungen Menschen fehlende Reife unterstellt; und schon gar nicht geht es um Angst vor diesen jungen Menschen, sondern es geht darum, ob man das wichtigste demokratische Recht unserer Gesellschaft Menschen zugesteht, ohne ihnen zuzugestehen, dass sie ohne Einwilligung ihrer Eltern einen Handyvertrag abschließen können.

Es gibt aus gutem Grund eine Kopplung zwischen Wahlrecht und Geschäftsfähigkeit. Wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, Jugendliche müssten die Chance erhalten, die Politik aktiv mitzugestalten, dann frage ich Sie: Trauen Sie Jugendlichen die politische Entscheidung eher zu als den Abschluss eines Kaufvertrags?

Völlig unbestritten gibt es eine Reihe von 16-Jährigen, die klüger und vernünftiger sind als manche 40- oder 50-Jährige. Es gibt aber auch viele Jugendliche, die mit ihrem Geld verantwortungsbewusster umgehen als Erwachsene. Trotzdem sind junge Menschen erst mit 18 uneingeschränkt geschäftsfähig. Sie sind erst dann volljährig, sie dürfen erst dann harte Alkoholika trinken und schwere Motorräder fahren. Aus guten Gründen will daran keiner etwas ändern. Diesen inneren Zusammenhang sollten wir, meine ich, nicht aus dem Blick verlieren.

Es gibt aber noch eine Reihe weiterer Aspekte, die ich ansprechen möchte. Einer davon ist die Einheitlichkeit.

Alle deutschen Länder mit Ausnahme Bremens haben beim Landtagswahlrecht die Altersgrenze 18, und auch bei den Bundestagswahlen gilt, dass man mit 18 Jahren wählen darf. Ist es sinnvoll, hier einen Unterschied zu machen, oder ist nicht die Gefahr enthalten, das Wahlrecht zum Landtag zu einem Wahlrecht zweiter Klasse zu machen?

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Ich halte das für problematisch.

Ein weiterer Aspekt ist die Meinung der Betroffenen. Ich finde es hoch interessant, dass sich bei Schülergruppen - das ist eine Erfahrung, die ich seit vielen Monaten mache - immer wieder nur ein verschwindend geringer Anteil für eine Absenkung der Altersgrenze beim Wahlrecht ausspricht. Das sollte uns zu denken geben.

Und schließlich als Letztes zu Ihrem Lieblingsargument, zur Politikverdrossenheit: Politikverdrossenheit hat viele Gründe. Ein zu hohes Wahlalter gehört nicht dazu. Denn seit Jahrzehnten gibt es eine konstante Beziehung zwischen Alter und Wahlbeteiligung: Je älter die Bürger sind, desto eher gehen sie zur Wahl. Das dreht sich erst im hohen Alter. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn 16-Jährige wählen dürften. Im Gegenteil, statistisch würde die Politikverdrossenheit steigen. Da junge Leute eben seltener zur Wahl gehen, würde die Wahlbeteiligung insgesamt sinken. Das wäre wohl kaum ein wünschenswertes Signal.

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Das Wahlrecht ab 16 als Mittel gegen Politikverdrossenheit zu preisen ist ein klassischer Zirkelschluss. Am wirksamsten gegen Politikverdrossenheit ist eine Politik, die weniger verdrossen macht. Es liegt an uns, die jungen Leute zu motivieren und sie für eine gesellschaftliche und politische Teilhabe zu begeistern. Das erfordert mehr, als am Wahlrecht zu fummeln.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Markus Rinder- spacher (SPD): Mit so einer Rede werden Sie es bestimmt schaffen, die jungen Leute zu begeistern!)

Danke schön. Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Damit ist die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 3 b geschlossen.

Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht

damit Einverständnis? - Das ist so. Dann wird auch so verfahren.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, gebe ich Ihnen noch die Ergebnisse der vorhin durchgeführten namentlichen Abstimmungen bekannt.

Erstens die Abstimmung zum interfraktionellen Dringlichkeitsantrag von FDP und CSU, betreffend "Gesamtkonzept Bahnknoten München zügig umsetzen", Drucksache 16/4454. Mit Ja haben gestimmt 120, mit Nein 36, Stimmenthaltungen 9. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Der Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, betreffend "Nein zu den aktuellen Planungen zur Ertüchtigung des Bahnknotens München", Drucksache 16/4457, ist dagegen abgelehnt. Mit Ja haben gestimmt 17, mit Nein 144, Stimmenthaltungen 2.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Und schließlich der nachgezogene Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion betreffend, "Zukunftskonzept Bahnknoten München ohne jegliche weitere Verzögerung umsetzen", Drs. 16/4471. Dieser wurde angenommen. Mit Ja haben gestimmt 113, mit Nein 45, und fünf Stimmenthaltungen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Damit rufe ich den spannenden

Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetzentwurf nach Art. 74 BV zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz - GSG) Kurzbezeichnung: "Für echten Nichtraucherschutz!" (Drs. 16/3158) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt 15 Minuten. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Stewens. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Man könnte eigentlich sagen: Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Nun endlich muss der Bürger das Wort haben. Das heißt: Wir wollen einen Volksentscheid am 4. Juli in Bayern.

Am Bürgerbegehren haben sich 14 % der Bevölkerung beteiligt und eingetragen. Letztendlich wissen wir ganz genau, dass 86 % der Menschen ihre Meinung dazu nicht geäußert haben. Ich möchte deutlich sagen: Scheinheiligkeit ist hier wirklich fehl am Platze. Wir wissen, dass quer durch alle Fraktionen unterschiedliche Meinungen zum Gesundheitsschutzgesetz bestehen. Hier im Haus und in den Ausschüssen ist sehr intensiv diskutiert worden und unterschiedlichste Argumente sind abgewogen worden. Ich bin der festen Überzeugung - das habe ich schon bei der Ersten Lesung gesagt -, wir sollten mehr Demokratie wagen und vor diesem Hintergrund dann auch Ja zu dem Volksentscheid sagen, um 100 % der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, hier abzustimmen.

Ich möchte einen Punkt besonders erwähnen, weil er mich persönlich immer sehr intensiv bewegt hat, den Kinder- und Jugendschutz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf des Volksbegehrens hat einen entscheidenden Webfehler. Da ist wirklich geschlampt worden. Bei den Jugendfreizeiteinrichtungen ist vergessen worden, den Zusatz zu streichen "soweit sie öffentlich zugänglich sind".

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Sonnenholzner, Sie haben bei der Ersten Lesung die Zahlen im Bereich Raucherquote bei den 14- und 15-Jährigen vorgetragen. Das kann man im Protokoll nachlesen. Da steigen die Zahlen insbesondere bei jungen Mädchen. In den Jugendfreizeiteinrichtungen ermöglicht der Gesetzentwurf des Volksbegehrens wieder die Unsitte der Raucherklubs. Das haben Sie vergessen. Gerade bei Jugendlichen ist der Nichtraucherschutz nach meiner Überzeugung ungeheuer wichtig. Vor diesem Hintergrund kann ich nur auch vor dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens warnen.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Auch?)

- Das "auch" kann ich streichen. Sie passen wenigstens sehr genau auf. - Denn hier wird der Kinder- und Jugendschutz nicht eingehalten. Hier werden Tür und Tor geöffnet für Raucherklubs bei Jugendfreizeiteinrichtungen. Vor diesem Hintergrund muss ich feststellen: Hier ist schlampig gearbeitet worden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das muss man auch draußen deutlich thematisieren.

Ich möchte noch einen Punkt erwähnen. In den Osterferien habe ich über den Volksentscheid sehr viel diskutiert. Mir ist aufgefallen, dass sehr viele Bürgerinnen und Bürger sagen: So, wie es jetzt ist, passt es doch eigentlich. - Das ist doch interessant.