Protocol of the Session on April 14, 2010

Dieses Konzept wird sich der Herausforderung stellen, zukünftig eine sichere, klimafreundliche und bezahlbare Energieversorgung in Bayern sicherzustellen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Warum haben Sie das denn nicht schon? - Tobias Thalhammer (FDP): Wir haben hier keinen Parteitag, Herr Kollege!)

Dieses Konzept wird einen großen Schwerpunkt auf die erneuerbaren Energien legen, denn, wie Sie in Ihrem Antrag richtig formulieren, den erneuerbaren Energien gehört die Zukunft. Die Kernenergie steht den erneuerbaren Energien aber nicht im Weg, deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU - Ulrike Gote (GRÜNE): Und wo kommt der Atommüll hin?)

- Der Müll und die Endlagerfrage sind wohl von der Laufzeitfrage unabhängig. Wir müssen ohnehin ein Endlager schaffen.

(Harald Güller (SPD): Längere Laufzeiten bedeuten doch mehr Müll! - Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN)

Es besteht die Möglichkeit zu Zwischenbemerkungen. - Für die Freien Wähler hat sich Herr Dr. Fahn zu Wort gemeldet. Bitte schön. - Möchten Sie nicht, Herr Dr. Fahn?

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Doch, doch. Ich dachte nur, es gibt eine Zwischenbemerkung!)

Wenn sich niemand meldet, dann nütze ich das gnadenlos aus. Wenn jemand nicht aufpasst, dann gebe ich das Wort sofort weiter. Also dann, bitte, Herr Dr. Fahn.

Vielen Dank, dass Sie so großzügig sind und mich noch zu Wort kommen lassen.

Um die Spannung gleich vorweg zu lösen: Wir sagen Ja zum Dringlichkeitsantrag der SPD.

(Beifall bei der SPD)

Wir sagen Ja zum Atomausstieg und Ja zu den erneuerbaren Energien. Die Atomkraft steht dieser Technologie im Weg, das sagen auch wir.

Heute Morgen war im "Handelsblatt" das neue Energiekonzept der CSU zu lesen. Die CSU will eine Verlängerung der Restlaufzeit der Atomkraftwerke. Trotzdem betont die CSU immer wieder, die Atomkraft sei eine Brückentechnologie. Wie lang soll diese Brücke denn sein? Soll sie 50 Jahre betragen, 60 Jahre oder kommen Sie irgendwann darauf, diese Zeit soll 70 oder gar 80 oder vielleicht sogar 100 Jahre betragen? - Das ist für uns sehr unglaubhaft. Das ist eine Zick-Zack-Politik am Bürger vorbei. Sie wollen den Bürgerinnen und Bürgern wieder Sand in die Augen streuen. Sie jonglieren mit den Restlaufzeiten und mit Brücken. Wir hingegen sagen, der greise Risikopatient Atomkraft soll nach dem Willen der Regierungskoalition noch einmal vom Sterbebett auf die Intensivstation zurückverlegt werden. Es werden noch einmal Organe und Gliedmaßen transplantiert, ausgetauscht. Der biologischen Altersgrenze soll noch einmal ein Schnippchen geschlagen werden, anstatt die Atomkraft in Würde sterben zu lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Wir sagen, die Atomkraft ist keine Brückentechnologie, sondern sie ist eine Krückentechnologie. Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Atomenergie.

(Zuruf von der SPD: Wir schon!)

Es geht hier vielmehr um den Konsens, der beschlossen wurde, und der soll eingehalten werden. Wir haben schon viel darüber diskutiert, und Sie wissen, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung - einmal sind es 60 %, dann wieder 70 % - das Ausstiegskonzept befürwortet. Zum dem Risikofaktor wird sicher auch noch Herr Hartmann etwas sagen. Er wird sich sicherlich auf das Atomkraftwerk Isar 1 beziehen. Was sagt man zu dem unkalkulierbaren Sicherheitsrisiko? - Sollen wir auch Isar 1 noch 50 Jahre weiterlaufen lassen? Auch das ist ein Diskussionspunkt.

Auch zum Atommüll wurde etwas Falsches gesagt. Je länger die Laufzeit der Atomkraftwerke ist, umso mehr Atommüll gibt es. Die Frage eines Endlagers ist noch nicht gelöst. Es dürfen nicht immer längere Laufzeiten geplant werden, wenn man noch nicht weiß, was man mit dem radioaktiven Abfall machen soll.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD - Zu- rufe von der CSU)

Unser Konzept lautet klar und knapp: Wir müssen die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien verbessern und sollten nicht laufend über die Restlaufzeiten der Atomkraftwerke diskutieren. Die CSU ist sehr aktiv, das begrüßen wir, denn täglich lesen wir von einem neuen Energiekonzept. Schön und gut, Sie überlegen inzwischen, Sie kommen sogar in die Defensive.

Vielleicht haben Sie von der CSU oder von der FDP schon von den "100 %-Erneuerbare-Energie-Regionen" gehört. Das wäre auch für einen CSU-Parteitag ein interessantes Thema. Sie könnten überlegen, wie möglichst alle Kommunen und Landkreise in Bayern mittel- und langfristig zu einer 100-prozentigen Versorgung mit erneuerbaren Energien kommen. Das wäre durch eine Verminderung des Energieverbrauchs, durch Einsparungen und durch die Entwicklung von erneuerbaren Energien möglich. Sie mögen sagen, das geht nicht, aber 16 von 71 Landkreisen - das sind zum großen Teil Landkreise mit CSU-Landräten - haben hier in Bayern schon entsprechende Kreistagsbeschlüsse gefasst. Das sind beispielsweise Ebersberg, Fürstenfeldbruck, München, Starnberg, Freising, Traunstein, Amberg-Sulzbach, Neumarkt, die Region Oberland, Dachau, Rosenheim, Altötting, Garmisch-Partenkirchen, Weilheim, Berchtesgadener Land. All diese Landkreise haben Beschlüsse in ihren Kreistagen gefasst. Diese Politik müsste man forcieren. Es gibt auch schon viele Städte mit ähnlichen Beschlüssen. Wir meinen deshalb, das Ziel muss sein, im Jahr 2030 oder 2050 die Energiewende flächendeckend von unten nach oben in Bayern umzusetzen.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD - Zu- rufe von der CSU)

Alle Landkreise sollten gewonnen werden, bei diesem Konzept mitzumachen. Das wäre ein ehrgeiziges Energiekonzept, bei dem die CSU und die FDP ihre ganze Energie einsetzen könnten. Das wäre auch eine echte Revolution im Sinne einer Energieautonomie. Wie ich schon gesagt habe: Wir stimmen dem Antrag der SPD zu.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank, Herr Kollege Fahn. Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Kollegen Hartmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Für die heutige Atomdebatte im Hohen Haus liefert die Energiewirtschaft das beste Argument. Zur jetzigen Stunde, den ganzen Tag heute, die gesamte Woche schon laufen sieben von 17 AKWs in Deutschland nicht auf Höchstlast, sondern auf gedrosselter Last, das heißt mit angezogener Handbremse. Dabei werden 70 % der Leistung nicht abgerufen. Fünf dieser AKWs stehen aus technischen Gründen still. Herr Huber, Sie haben groß in der Presse verkündet, was Sie am Samstag alles vorstellen wollen. Ich frage mich erst einmal, was Sie am Samstag wirklich vorstellen.

Für mich ist entscheidend: Wenn Sie den Atomkonsens gelesen hätten, dann bräuchten Sie keine Panik vor

einer Stromlücke zu machen. Es geht auch nicht darum, kurzfristig etwas zu ersetzen. Der aktuelle Atomkonsens in Form des Atomgesetzes sieht vor, dass in den nächsten vier Jahren sieben AKWs vom Netz gehen. Fünf sind - wie gerade erwähnt - zurzeit nicht am Netz und weitere zwei laufen mit angezogener Handbremse, mit nicht einmal 30 % der Höchstleistung. Damit liefern die AKW-Betreiber ein deutliches Argument, dass wir mit dem beschlossenen Atomkonsens ohne Weiteres klar kommen. Diese Strommenge wird definitiv nicht benötigt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allen Menschen, die sich abseits aller alten Gräben ernsthaft mit der Energiepolitik auseinandersetzen und nicht krampfhaft an der Kernkraft festhalten wollen, ist diese Entwicklung auch ganz klar. In den letzten zehn Jahren sind in diesem Land die erneuerbaren Energien gigantisch gewachsen. Das Erstaunliche ist: Zu den erneuerbaren Energien wird von Unionsseite zurzeit gar nichts mehr gesagt. Vor zehn Jahren haben Sie infrage gestellt, ob es überhaupt möglich ist, den entsprechenden Anteil zu erreichen. Dieser Anteil ist erreicht worden. Wir sind jetzt bei einem Anteil von 16 % auf Bundesebene.

Sehr geehrter Herr Kollege Reiß, der Vergleich mit der Bundesebene hinkt. Zum einen betrifft das die historisch bedingte Wasserkraft in Bayern, die bereits vor circa 80 Jahren genutzt worden ist. Wir sind hinsichtlich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nicht einmal Spitzenreiter und haben dabei einige Bundesländer bereits überholt. So hat Sachsen-Anhalt zum Beispiel durch die Windkraft einen größeren Anteil. Dieses Land deckt fast 40 % seines Jahresstrombedarfs durch Windkraft. Wir sind nicht mehr ganz vorne; wir waren vor ein paar Jahren vorne. Ich finde es schade, wenn man ein Argument, das nicht mehr den Tatsachen entspricht, ausgräbt.

Ein weiterer interessanter Punkt: Man hat bei den Kollegen der CSU den Eindruck, sie hätten hinsichtlich der Atompolitik eine Lotterie erfunden: Jeden Tag eine neue Zahl über die Laufzeitlängen. Umweltminister Söder hat im Januar von zehn Jahren gesprochen. Der Bundesumweltminister wollte sich als Atomkraftgegner outen, hat aber zeitgleich eine Verlängerung um acht Jahre gefordert. Jetzt hören wir hier gerade eine Zahl von 20 Jahren. Volker Kauder hat 28 Jahre gefordert. Ingo Friedrich hat gemeint, es solle auf Ewigkeit die Möglichkeit dieser Energieerzeugung geschaffen werden. Es ist erstaunlich, woher diese Zahlen bei Ihnen kommen. Was mich am meisten erstaunt: Keiner hat ein ernstes Argument, warum das so sein muss. Sie haben Zahlen ohne irgendwelche Argumente aus dem Hut gezaubert. Wie gesagt: Fünf AKWs laufen zurzeit nicht.

Wir reden von einem Ausstieg, von einer - wie immer betont wird - Brücke. Wir reden nicht davon, heute alle AKWs abzuschalten. Wir reden davon, an einem verlässlichen Ausstiegsplan festzuhalten, der in diesem Land einen gesellschaftlich-politischen Konsens darstellt.

Es ist ein Plan, an welchem sich die Energiewirtschaft auszurichten hat. Es war eine zeitliche Vorgabe und zeitgleich zum Ausstieg hat man durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG - dafür gesorgt, Alternativen zu schaffen. Zurzeit wird hinsichtlich der Energieerzeugung durch erneuerbare Energien rechnerisch eine Strommenge von zehn Kraftwerken der Größe von Isar 1 erreicht. Es ist für mich eine wichtige Sache, dass Sie sich damit nicht durchsetzen. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass bei den Unionsparteien und der FDP der Gedanke bezüglich mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt greift. Man kann keine Forderungen in Bezug auf Laufzeiten von 50 Jahren aufstellen. Es wäre Wahnsinn, diese Monopolstruktur für die nächsten Jahre zu zementieren.

Von CSU-Kollegen höre ich, man wolle sich für eine dezentrale Energieversorgung einsetzen: Wie machen Sie das eigentlich, wenn 60 % auf fünf große Kraftwerksblöcke in Bayern begrenzt sind? Was teilen Sie da noch dezentral auf? Das kann doch nicht funktionieren. Wenn man eine dezentrale Struktur möchte, ist das ein ehrenhaftes Ziel, wenn man es ernst meint und Energie in Bürgerhand legt, die kommunalen Unternehmen unterstützt und vor Ort Strukturen schafft. Wenn ich aber auf dem kommunalen Sektor neue Stromproduktionsmengen schaffe, dann müssen doch andere vom Netz gehen. Das ist doch selbstverständlich. Oder rechnet jeder mit einem extrem steigenden Strombedarf? Letztes Jahr ist der Strombedarf in Deutschland um 6,5 % zurückgegangen. Wir haben also einen Rückgang. Es ist ein Widerspruch: Man kann nicht einerseits erneuerbare Energien und auf der anderen Seite Kernkraftwerke wollen. Das kann technisch nicht funktionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben auch - ich habe es oft genug im Plenum gesagt - negative Strompreise. Vor einem Jahr wollte das noch keiner hören. Die AKWs versuchen deshalb zu drosseln und trotzdem tritt diese Wirkung auf. Das bedeutet, es kann keine Anpassung an den künftigen Strommix erfolgen und deshalb haben solche Regelungen auch nichts zu suchen.

Für uns ist klar: Wenn etwas Neues wachsen soll, muss etwas Altes weichen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Ich glaube Ihnen den Schritt zu erneuerbaren Energien erst dann, wenn Sie bereit sind, definitiv auf

einen Ausstieg zu setzen. Wie gesagt: Der aktuelle Ausstiegskonsens ist doch genau die Brücke, die Sie immer gefordert haben. Es geht nicht darum, von heute auf morgen auszusteigen, aber es handelt sich um eine Brücke. Das EEG hat seinen Beitrag geleistet. Der Atomausstieg ist im Vollzug und müsste eigentlich schneller ablaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP spricht Herr Kollege Thalhammer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn die Kernenergie in Form von Dringlichkeitsanträgen aufgerufen wird, werde ich immer wiederholen: Ich bin der Meinung, dass sich dieses Thema nicht für Dringlichkeitsanträge eignet. Neben der Bildungspolitik ist die Energiepolitik eines der entscheidenden Themen für die kommenden Jahre und die kommenden Generationen. Man kann dieses Thema nicht in Form eines Dringlichkeitsantrages abspulen. Ich bin auch der Meinung, aufgrund der Wichtigkeit dieses Themas eignet es sich auch nicht für parteipolitische Profilierung. Wir sollten deshalb gemeinsam an einer besten Lösung arbeiten.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Aufhören!)

Ich glaube Ihnen, Herr Kollege, Sie hätten gerne, dass ich jetzt aufhöre. Wäre dieser Dringlichkeitsantrag zum 27. Mal von den GRÜNEN gekommen, hätte ich jetzt auch gestoppt. Heute aber kommt er von der SPD und die machen das zum ersten Mal. Insofern gehe ich jetzt darauf ein.

Einige Dinge will ich heute festhalten: Wir sind hier im Bayerischen Landtag und nicht auf irgendeinem Parteitag. Nur weil irgendeine Partei in diesem Hause meint, am kommenden Wochenende auf einem Parteitag irgendetwas zu beschließen, heißt das noch lange nicht, dass es in den Landtag hineingetragen werden muss. Die CSU kann sich darauf verlassen, dass sie auf dem Weg der Vernunft mit der FDP einen Partner an der Seite hat, der sie auf jedem vernünftigen Schritt begleiten mag. Wenn der Impuls von einem Parteitag kommt, können wir das Thema in einem geordneten Verfahren im Landtag behandeln.

Das Ziel ist klar: Wir von der FDP-Fraktion wollen eine dezentrale Energieversorgung, die auf erneuerbaren Energien basiert. Es stellt sich die Frage nach dem Wann und Wie. In diesem Punkt sind wir im Haus unterschiedlicher Auffassung. Bezüglich des Wann bringt es nichts, mit irgendwelchen Zahlen zu jonglieren und hinsichtlich der Jahrzehnte zu spekulieren. Wir sind Politiker und keine Propheten. In welcher Hinsicht ist der Zeitpunkt klar definiert? Der Zeitpunkt ist dann gekom

men, wenn wir Kernkraftwerke abschalten können, weil die erneuerbaren Energien grundlastig sind und eine Energieversorgung garantieren können.

(Beifall bei der FDP)

Im Zusammenhang mit dem Wie haben wir ebenfalls unterschiedliche Ansätze. Der FDP-Fraktion ist vor allen Dingen ein Punkt sehr wichtig: Wir brauchen über die ganze Energiebranche hinweg gesicherte Rahmenbedingungen. Des Weiteren brauchen wir intelligente Netze, um den neuen Chancen und Herausforderungen, welche die erneuerbare Energie bietet, gerecht zu werden. Zudem benötigen wir Speicherkapazitäten in Form von Pumpspeicherkraftwerken und in Form von Elektroautos. Außerdem gewinnen wir zusätzliche Speicherkapazitäten, indem wir einfach weniger Energie verbrauchen.

Wir sollten die Atomkraft nicht immer verteufeln. Wir sollten sie als Chance auf den Weg zu den erneuerbaren Energien begreifen. Dazu liegen diverse Vorschläge vor, die besagen, dass zusätzliche Gewinne den erneuerbaren Energien zugute kommen.