Protocol of the Session on March 23, 2010

Die Mittelschule ist alternativlos. Wir werden auf unserem Weg, sie voranzubringen, weiterschreiten und die nötigen Voraussetzungen schaffen. Die Verbändeanhörung läuft. Das Gesetzgebungsverfahren wird eingeleitet.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege.

(Unruhe)

- Wir haben Aktuelle Stunde. Sie dürfen auf Ihren Platz gehen, Herr Kollege.

Ich darf das Wort nun Frau Kollegin Gottstein für die Freien Wähler erteilen. Bitte schön.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich kann es eigentlich nicht mehr hören, muss ich ganz ehrlich sagen. Seit Wochen und Monaten ist es immer das Gleiche, aber natürlich sind wir auch dankbar, dass das Thema immer wieder aufgegriffen wird; es muss nämlich aufgegriffen werden, weil es zwar immer heißt, Bildung ist wichtig und die Mittelschule ist noch wichtiger, aber unter dem Strich nicht viel getan wird. Die wenigen Lehrerstellen sind im Vergleich zu den Anforderungen ein Tropfen auf den heißen Stein. Die praktische Umsetzung lässt zu wünschen übrig. Herr Eisenreich, Sie können gleich mit dem Rechnen beginnen: Es ist so.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Herr Kollege Taubeneder hat vorhin gesagt, Sie folgen der Staatsregierung nicht blind. Tatsächlich ist es Ihre Entscheidung, ob Sie es sich als Mehrheitsfraktion bieten lassen, dass Sie aus der "Bild"-Zeitung erfahren, was demnächst auf den Markt kommt. So war es doch bei der Mittelschule. Erst zwei Tage später wurde das im Bildungsausschuss behandelt.

(Zurufe von der CSU)

- Gut, dann haben Sie noch ein geheimes Kämmerlein, wo Sie das erfahren. Zu diesen geheimen Kammern will ich gar keinen Zugang haben. Auf jeden Fall haben die mit der Bildung befassten Mitglieder anderer Fraktionen erst durch die "Bild"-Zeitung davon erfahren. Diskutiert wird erst, nachdem wir es aus der "Bild"-Zeitung erfahren haben, nachdem wir den Bericht des Ministers bekommen haben und nachdem wir es in sämtlichen Power-Point-Präsentationen in der AllianzArena sehen konnten. Erst dann wird diskutiert. Sie sehen das vielleicht noch als demokratischen Diskussionsprozess an. Ich bin andere Diskussionen gewöhnt.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Natürlich sind wir uns in dem Ziel, dass die Hauptschule mehr akzeptiert werden muss, einig. Wir Freie Wähler wollen als Pragmatiker nicht um Schulstrukturen diskutieren. Es geht um eine praxisnahe Verwirklichung der Konzepte. Wir nehmen zur Kenntnis, dass fast jeder dritte Schüler immer noch diese Schulart besucht. Die Rahmenbedingungen stimmen aber nicht. Hören Sie doch bei den Dialogforen zu. Wir begleiten sie auch immer. Konstruktiv können wir sie nicht begleiten, weil wir nur als Gäste dabei sind. Wir sind aber sehr auf

merksam. Nach wie vor gibt es keine Auskünfte über das Lehrerbudget. Keine Auskunft wird darüber gegeben, wie insbesondere die Schulen im ländlichen Raum anders behandelt werden können. Wir erfahren, dass für die Differenzierung und Modalisierung in der sechsten Klasse bei momentan immerhin noch 900 Hauptschulen 65 neue Lehrer vorgesehen sind, auch wenn sich diese Hauptschulen auf vielleicht 300 Schulverbünde reduzieren werden. Da haben Sie auch die Zauberei noch mit eingepackt. Wir erfahren, dass der Verbundkoordinator, der große organisatorische Aufgaben zu erfüllen hat, eine bis zwei zusätzliche Anrechnungsstunden bekommen wird. Wir erfahren, dass es überhaupt kein Problem sei, denn die Bürgermeister und die Schulleiter würden sich schon einigen, wer letztendlich das Sagen hat. Das alles ist dann eine Autonomie, die wir sonst sehr wohl fordern, die aber in diesem Punkt, bei dem überhaupt noch nichts gut vorbereitet ist, absolut fehl am Platz ist.

Letztendlich verkaufen Sie hier sehr vieles Altes als Neues. Die Berufsorientierung wird in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur schon hervorragend durchgeführt. Die Zweige sprechen relativ wenig für eine spätere Berufswahl. Das wissen Sie von der Evaluation der Realschulen, bei denen es diese Zweige schon gibt. Herr Eisenreich wird sicher wieder sagen, wir hätten mit unserem Gegenkonzept bei der AbL, der Arbeitsgemeinschaft bayerischer Lehrerverbände, abgeschrieben. Das ist richtig. Sie hätten aber genauso gut abschreiben können. Der gute Schüler schreibt das Richtige ab und lässt das Falsche weg. Das können Sie nicht.

(Beifall bei den Freien Wählern und auf der Besu- chertribüne)

Frau Kollegin, einen Augenblick bitte. Ich möchte mich nach oben an die Besuchertribüne, auch an die Jugend wenden. Hier ist Zuhören gefragt, bitte keine Beifalls- oder Missfallenskundgebungen. Das möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben.

(Hubert Aiwanger (FW): Beifall schon, Missfallen nicht!)

Frau Kollegin, bitte fahren Sie fort.

Die zehn Sekunden bekomme ich aber bitte noch.

Ja, natürlich.

Nach wie vor stellen wir die Frage, wo hier der erkennbare Mehrwert für den einzelnen Schüler ist. Diese Frage wird nicht beantwortet. Wir verlangen ein pädagogisches Umdenken. Dazu

sind Sie aber nicht bereit, weil Sie dafür Geld aufbringen müssten. Wir klagen nicht so pauschal wie Herr Kollege Pfaffmann von der SPD, dass in unseren Schulen in der letzten Zeit nichts passiert sei. Man würde damit den einzelnen Schulleitern und Lehrern Unrecht tun. Wir haben in den Schulen moderne Unterrichtsmethoden. Wir haben Projektunterricht. Wir haben sehr viel, allerdings ohne entsprechende Rahmenbedingungen. Sie wissen sehr wohl, dass deshalb viele Lehrer ein Burn-out-Syndrom haben, welches andere nicht haben.

Es passiert viel, aber nicht, weil die Staatsregierung die Rahmenbedingungen liefert, sondern weil die Berufsgruppe der Lehrer äußerst engagiert ist. Wir bitten Sie nach wie vor, umzudenken. Gehen Sie bitte auf kleinere Strukturen zurück. Das ist aber nicht die Dorfschule der alten Zeit, sondern das ist die moderne Pädagogik, wie sie in vielen Privatschulen angewandt wird. Wir wollen kein Auseinanderklaffen zwischen Eltern, die es sich leisten können, ihre Kinder auf private Schulen zu schicken, und Eltern, die sich das nicht leisten können. Deshalb müssen wir an den Schulen mit viel Personal und kleinen Klassen beginnen. Dann funktioniert es. Wir dürfen es nicht so machen wie Sie es machen, nämlich als Sparmodell.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Gehring.

Verehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das einzig Neue am Konzept Mittelschule ist der Name. Aber auch der Name ist eine Irreführung und damit falsch, wie die Kommentatorin einer südbayerischen Zeitung festgestellt hat. Er bezeichnet etwas anderes als das, was diese Schule darstellen soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zu den Dialogforen, die wir alle gerade erleben. Es stimmt, es gibt bei diesen Dialogforen keinen Proteststurm. Es fliegen keine Tomaten. An diesen Dialogforen nehmen bayerische Schulleiter und bayerische Bürgermeister teil. Das sind Pragmatiker, das sind Leute, die wissen, dass man trotzdem etwas daraus machen muss, wenn man nichts bekommt. Sie versuchen immer das Beste. Das erleben wir gerade bei den Dialogforen. In der "Aichacher Zeitung" steht zum Beispiel: "Für die Mittelschulen gehen die Finger nicht begeistert hoch." Wir erleben keine Aufbruchstimmung, Es wird nicht in die Hände gespuckt nach dem Motto, jetzt haben wir die Chance und jetzt ergreifen wir sie. Wir erleben eine resignative Schulentwicklung vor Ort.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Alle wissen, dass das Mittelschulkonzept die Hauptschule im ländlichen Raum nicht wirklich stärkt, was der Hauptschule einen Mehrwert verschaffen würde. Das Konzept wird nicht dazu führen, dass auch nur ein Schüler mehr auf die Hauptschule geht, der heute die Realschule oder das Gymnasium besucht. Das Sterben der Hauptschulen im ländlichen Raum wird nicht verhindert. Das ist das Problem dieser Dialogforen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alles hat es schon gegeben. Die Berufsorientierung gibt es schon. Wenn jetzt so getan wird, als wäre alles neu, wird die Leistung der Hauptschullehrer, die das bisher schon geleistet haben, missachtet. Man kann ihnen nicht sagen, sie müssten etwas Neues machen, wenn sie das schon die ganzen Jahre gemacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Mit Ihren Strukturvorgaben erschweren Sie die Situation. Die Einführung von Mittelschulzweigen wird dazu führen, dass die Schüler von der kleineren Schule an die große Schule wechseln. Die Aufteilung in drei berufsorientierte Zweige wird zu einer Spaltung der Schülerschaft führen. Bei kleineren Mittelschulen im ländlichen Raum, zum Beispiel westlich von Kempten, Herr Kreuzer, wird nicht jeder Standort alle drei Zweige anbieten können. Die Schüler müssen dann zumindest an einem Tag hin- und herfahren. Sie sagen zwar, die Schüler fahren sowieso. Sie brauchen aber trotzdem zum Teil neue Busverbindungen, damit das Konzept vor Ort funktioniert. Das wird für die Kommunen zu zusätzlichen Kosten führen. Darüber müssen Sie deutlich und ehrlich Auskunft geben.

Sie sagen, Sie führen die Modularisierung ein. Modularisierung ist ein schönes Wort, aber nichts Neues. Mit der Hauptschulinitiative gab es zehn Stunden pro Klasse für die Modularisierung. Diese zehn Stunden sind aber schon wieder weggenommen worden. Jetzt sehen Sie für die Modularisierung eine Stunde in der sechsten Klasse vor. 65 Lehrerstellen wollen Sie dafür schaffen. In dem Nachtragshaushalt, über den heute noch verhandelt werden wird, nehmen Sie 611 Stellen von den Grund- und Hauptschulen weg und stecken sie in andere Schularten. Das sind umgerechnet neun Stunden. Sie geben den Hauptschulen eine Stunde und nehmen ihnen zugleich neun Stunden weg. So gehen Sie mit den Hauptschulen in Bayern um.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie vertun wichtige Zeit, um die Hauptschulen auf dem Land zu stärken und neue Schulmodelle zu ermöglichen.

Ein Wort möchte ich auch noch zur FDP sagen. Liebe Kollegin Will, in einer Pressemitteilung haben Sie letzte Woche auf das sächsische Schulmodell hingewiesen und so getan, als würde es das auch in Bayern geben. Das ist eine bildungspolitische Rosstäuscherei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider wird mit dem Hauptschulkonzept nur der Mangel in der Fläche verteilt. Sie werden mit der zentralen Zuweisung von Budgets an die Mittelschulverbünde vor Ort Verteilungskämpfe bekommen. Es wird Verteilungskämpfe zwischen einem kleinen Standort mit 16 Schülern in einer Klasse und dem großen Standort mit zwei 28er-Klassen geben. Irgendwann wird der Mittelschulverbundleiter drei Klassen mit 21 Schülern am großen Standort bilden und den zweiten Standort schließen. Das wird die Situation sein.

Deswegen lautet unsere Forderung: Öffnen Sie die Dialogforen für neue Modelle. Die Modelle liegen auf dem Tisch. Sie sind vor Ort entwickelt worden. Man kann neue Wege gehen. Wenn Sie die Dialogforen nicht öffnen, werden die Dialogforen die Sterbebegleiter der kleinen Hauptschulen sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Will für die FDP-Fraktion. - Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Dankeschön dafür, dass ich Gelegenheit bekomme, ein paar Dinge zurechtzurücken, was die Mittelschule betrifft. Hier sind einige schiefe Bilder entstanden.

(Hubert Aiwanger (FW): Das liegt meist nicht am Fotoapparat!)

Herr Kollege Gehring, alleine das Wort "Sterbebegleiter der Hauptschulen" ist eine Missachtung dessen, was in den Dialogforen passiert und was an Vorbreitungen getroffen ist. Das ist nicht in Ordnung.

Auch die FDP-Fraktion ist für eine gerechte und nachhaltige Bildung, wie auch Sie das wollen.

(Günther Felbinger (FW): Dann müssen Sie dafür sorgen!)

Aber man kann nicht von den Ideologien und den Strukturen, die wir nicht von heute auf morgen umstellen können, ausgehen, sondern man muss pragmatisch handeln. Deshalb setzen wir uns neben der Mittelschu

le auch für das Kooperationsmodell von Haupt- und Realschule unter einem Dach ein.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD) und Günther Felbinger (FW))