Protocol of the Session on March 23, 2010

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir wäre schon sehr daran gelegen, wenn Sie sich von einzelnen Äußerungen distanzieren könnten. Herr Kollege Prof. Dr. Bausback hat am 15. Juli im Plenum erklärt, dass wir das System, das in Bayern gefahren wird, selbstbewusst vertreten könnten, weil es nicht nur sachgerecht sei, sondern auch den Verfassungsstrukturen entspreche. Das bayerische Modell würde die von der EU-Datenschutzrichtlinie geforderte Unabhängigkeit im funktionalen Bereich der Datenschutzaufsicht gewährleisten.

Allein diese Aussage ist nach diesem EuGH-Urteil Unsinn. Assistiert hat damals Herr Staatssekretär Dr. Weiß, der meinte, die bayerische Lösung sei die effizienteste und der richtige Weg. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Frage zurückkommen, die von Kollegen eben gestellt worden ist. Glauben Sie wirklich, dass das Verfassungsrecht und dessen Einhaltung danach beurteilt werden können, ob sich Mitarbeiter wohlfühlen oder ob es irgendwelche Probleme gegeben hat? Ich denke nicht.

Herr Kollege Schindler hat des Weiteren die Feststellung in den Raum geworfen, dass wir nicht geklagt hätten. Teilen Sie meine Auffassung, dass dort, wo bereits geklagt worden ist, eine weitere Klage nicht unbedingt notwendig ist?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte, Herr Staatsminister.

Verstehe ich Ihre letzte Frage richtig, dass ich Ihnen bestätigen soll, dass die GRÜNEN schon viele unnötige Klagen erhoben haben? - Das bestätige ich Ihnen gerne.

(Beifall bei der CSU - Christine Stahl (GRÜNE): Aber wir haben alle gewonnen!)

Liebe Frau Kollegin Stahl, unabhängig davon habe ich mich wirklich bemüht, alle Fragen sachlich und ohne politische oder polemische Schärfe abzuhandeln. Ich wollte Ihnen einfach meine Rechtsauffassung zu diesen Fragen mitteilen. Sie haben sehr stark auf die Datenschutzskandale abgehoben. Die Datenschutzskandale der letzten beiden Jahre haben sich ganz überwiegend nicht in Bayern abgespielt. Sie behaupten hier, der bayerische Datenschutz sei besonders schlecht aufgestellt. In Schleswig-Holstein ist der Datenschutz offenbar ganz grandios aufgestellt. Warum wurden dort diese Probleme dann nicht früher festgestellt? Dort sind die Skandale entstanden.

(Hubert Aiwanger (FW): Mit denen müssen wir uns nicht vergleichen!)

Warum hat es so lange gedauert, bis man die Vorfälle bei der Deutschen Bahn oder der Telekom bemerkt hat?

(Christine Stahl (GRÜNE): Wir haben sie bemerkt, Sie nicht!)

Das lag nicht am bayerischen Datenschutz. Deshalb sage ich Ihnen ganz unabhängig von dem EuGH-Urteil: Ich akzeptiere die Behauptung nicht, dass der bayerische Datenschutz schlechter als in anderen Ländern aufgestellt sei. Für diese Behauptung haben Sie nicht den geringsten Beleg.

(Beifall bei der CSU - Bernd Kränzle (CSU): Sehr richtig!)

Ich darf Herrn Kollegen Prof. Dr. Bausback für eine weitere Nachfrage das Wort erteilen.

Herr Staatsminister, wenn man sich die Gesamtstruktur anschaut beginnend auf der europäischen Ebene mit dem europäischen Datenschutzbeauftragten, der wohl allein für den öffentlichen Datenschutz zuständig ist, obwohl das der EuGH in seinem Urteil so nicht bemerkt hat -, frage ich mich, wie die Zusammenarbeit in Deutschland mit seinem föderalen System und zwischen Deutschland und Europa aussehen wird. Als eine mögliche Konsequenz könnte ich mir vorstellen, dass der Bund als Folge aus dem Urteil des EuGH den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich insgesamt an sich zieht. Wäre das im Hinblick auf das föderale Denken Bayerns eine Lösung, die Bayern als gut empfindet und mittragen könnte? Oder haben Sie gute Argumente gegen eine solche Zentralisierung, die dazu führen könnte, dass die bisherige gute Qualität des bayerischen Datenschutzes im Bund verlorengeht? Oder ist aus Ihrer

rechtlichen Sicht eine solche Zentralisierung ausgeschlossen?

Bitte, Herr Staatsminister.

Der Bund hat verfassungsrechtlich die Möglichkeit, dieses Thema komplett an sich zu ziehen und in die eigene Hand zu nehmen. Es wird Sie nicht überraschen, dass ich als bayerischer Innenminister dies nicht befürworten würde, sondern aus meinem föderalen Selbstverständnis heraus dafür bin, die Struktur mit einem Bundesdatenschutzgesetz und einem Bundesdatenschutzbeauftragten auf Bundesebene und dem Vollzug auf der Landesebene zu erhalten. Dafür werde ich mich in den weiteren Besprechungen auch einsetzen.

Zum ersten Teil Ihrer Frage möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich meine Mitarbeiter schon in der vorletzten Woche gebeten habe, bei der Kommission in Brüssel zu erkunden, wie der Datenschutz in den anderen 26 europäischen Mitgliedsländern organisiert ist, um zu sehen, welche Möglichkeiten bestehen. Der Stand der Dinge ist, dass es in Brüssel keine Stelle gibt, die einen Überblick darüber hat, wie der Datenschutz in Europa organisiert ist. Brüssel hat zwar eine Klage gegen Deutschland erhoben, weil es mit unserer Regelung nicht einverstanden war, aber es gibt in Brüssel niemanden, der sagen kann, wie der Datenschutz möglichst vorbildlich organisiert werden könnte.

Wir werden aber trotzdem am Ball bleiben, weil für mich die Frage interessant ist, wie andere Länder den Datenschutz organisieren. Wir wollen uns nicht nur in Deutschland umsehen, sondern auch in anderen europäischen Ländern, um uns eine Meinung zu bilden.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Herr Staatsminister, ich darf mit dem Dank an Sie diese Ministerbefragung beenden.

(Beifall bei der CSU)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Mittelschulchaos stoppen - Für eine gerechte und nachhaltige Bildungspolitik in Bayern."

Für die heutige Sitzung ist die SPD-Fraktion vorschlagsberechtigt. Der erste Redner ist Herr Kollege Pfaffmann. Für ihn wurden zehn Minuten beantragt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gleich am Anfang möchte ich sagen: Es ist Gefahr im Verzug. Ich bin schon seit einigen Jahren in diesem Parlament und erkenne ziemlich deutliche Parallelen zu einem zweiten Fall, bei dem Gefahr im Verzug war. Können Sie sich daran erinnern? - Das war die Einführung des G 8.

Damals wurde über Nacht entschieden, ein G 8 einzuführen. Das war Herr Kollege Dr. Stoiber. Dann wurden Roadshows im ganzen Land angekündigt. Daraufhin gab es Kritik. Die kritischen Lehrerinnen und Lehrer wurden einbestellt. Teilweise wurden sogar Strafversetzungen vorgenommen. Können Sie sich daran noch erinnern? - Das Ergebnis dieser großartigen Reform von damals können Sie heute alle nachvollziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erkenne darin Parallelen zur Mittelschule. Die Mittelschule ist eine neue Schulart, die eingeführt wird. Sie führen dazu Dialogforen durch, weil Sie etwas vorsichtiger geworden sind. Es wird nicht mehr strafversetzt, sondern in den Dialogforen verkündet, was zu tun ist. Im Anschluss an diese Dialogforen erklärt der Staatsminister per Pressemitteilung, dass die Mittelschule komme. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir in diesem Parlament bereits beschlossen hätten, dass die Mittelschule kommt. Am Rande gesagt: Ich erachte dieses Verfahren für eine Missachtung des Parlaments.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so weit sind wir schon. Ihr Staatsminister verkündet, was Sie nachher beschließen sollen. Ich bin sehr gespannt, ob Sie dieses traurige demokratische Spiel mitmachen werden.

Eine zweite Bemerkung: Wir haben in der Schule große Probleme. Das können Sie nicht abstreiten. Wir haben eine bürokratische Schule. Wir haben veraltete pädagogische Konzepte. Wir haben zu wenige Ganztagsschulen. Wir haben Probleme bei der Chancengerechtigkeit. Wir haben in der Schule einen Leistungsdruck bereits auf die kleinsten Schülerinnen und Schüler. Bei uns in Bayern braucht man Geld, um sich eine optimale Bildung leisten zu können. Wie lautet die Antwort der Staatsregierung darauf? Die Einführung einer Mittelschule.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen eines ganz deutlich sagen: Die Mehrheit in diesem Hause ist mittlerweile zu einer Schulstrukturpartei verkommen. Sie lösen keine Probleme, sondern versuchen aus parteiprogrammatischen Gründen, eine Schulstruktur zu erfinden, nur um Ihre ideologische Grundkonzeption der Dreigliedrigkeit zu erhalten. Das ist der Grund.

(Beifall bei der SPD)

Dabei ist Ihnen ziemlich wurst, was die Menschen in diesem Lande dazu sagen. Ich darf Ihnen vielleicht einmal in Erinnerung rufen, was die Menschen im Land dazu sagen. Als es damals um das G 8 ging, haben Sie die kritischen Lehrer strafversetzt, Kolleginnen und Kollegen. Der Bayerische Elternverband kritisiert:

Die Mittelschule führt zu einer weiteren Zersplitterung des ohnehin schon unübersichtlichen Schulsystems. Sie sortiert Kinder.

Der Landesschülerrat fordert ein Nein zur Türschildkampagne. Der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband weist auf die Probleme hin und erklärt, in Zeiten des Schülerrückgangs sei es anachronistisch und geradezu absurd, Schüler noch mehr zu sortieren und einen zusätzlichen Schultyp zu schaffen.

Die Liste der Kritiker könnte man noch weiterführen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist Ihnen aber völlig egal. Auch daran kann man schon erkennen, wie ernst Sie die echten Probleme nehmen, nämlich überhaupt nicht ernst. Sie haben nur ein einziges Interesse, dass nämlich das allerbeste Schulsystem der letzten zwanzig Jahre, wie Sie es immer bezeichnet haben, auch rückwirkend das beste bleiben muss, weil Sie sonst zugeben müssten, dass die Dreigliedrigkeit, die Sie mit Zähnen und Klauen verteidigen, dem Interesse der Schüler, der Eltern, der Lehrer und der Kommunen widersprach und vielleicht doch ein Fehler war.

Sie schaden den bayerischen Schulen; das kann ich Ihnen nur noch einmal sagen. Sie erwecken den Eindruck, als würden Sie mit der Einführung von Mittelschulen Hauptschulstandorte retten. Das Gegenteil ist der Fall; das werden Sie merken. Sie stärken nicht die Hauptschulen, sondern Sie führen eine weitere Schulart ein. Das ist die Wahrheit. Es gibt keine Verpflichtung der Hauptschulen, sich Mittelschulen zu nennen, sondern Sie führen eine weitere Schulart ein. Hauptschulen dürfen Hauptschulen bleiben.

Das hat nur einen einzigen Grund: das ist die Finanzierung. Sie sagen, es handle sich um eine freiwillige Umgestaltung der Hauptschulen zu Mittelschulen. Sie sagen das deswegen, weil Sie das nicht bezahlen wollen. Wenn eine Schule nämlich freiwillig zur Mittelschule wird, gibt es keine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten.

(Beifall bei der SPD)

Die Hauptschulen, die Hauptschulen bleiben wollen, werden zur vierten Schulart in Bayern; das ist die Wahrheit. Sie werten die Hauptschule ab und stellen sie auf die allerunterste Sprosse.

Zum Märchen des Erhaltes der wohnortnahen Schule will ich Folgendes sagen: Sie führen ein Verbundbudget für die Lehrerstundenzuweisung ein. Die kleinen Schulstandorte brauchen natürlich mehr Lehrer. Die Entscheidung darüber, ob sie die notwendigen Lehrer erhalten, wird der Verbund treffen. Wenn sie keine Lehrer bekommen, werden diese Schulen dichtmachen müssen. Es gibt über 300 Standorte in Bayern mit einzügigen Hauptschulen. Ich prophezeie Ihnen: Über kurz oder lang werden alle 300 Standorte schließen müssen, und dafür tragen Sie die Verantwortung. Sie schwächen die Hauptschulstruktur und stärken sie nicht. Das sollten Sie endlich einmal verstehen. Vielleicht wäre es ganz vernünftig, wenn sich die CSUKolleginnen und -Kollegen - und vielleicht auch die FDP, die ist ja da auch irgendwie beteiligt,

(Harald Güller (SPD): Irgendwie!)

sich einmal schlau machen und nicht immer blind bestätigen würden, was das Staatsministerium vorsagt. Das war bisher immer gängige Praxis.

Jetzt noch einige Sätze zur Kostenneutralität. Sie sagen, dass durch die Änderung keine Mehrkosten entstehen werden, weder beim Schülerverkehr noch durch Investitionen noch durch den Lehrerbedarf. Sie wollen keine Mehrkosten erkennen. Ich sage Ihnen voraus, dass das falsch ist, und das wissen Sie auch.

(Beifall bei der SPD)

Es werden Mehrkosten entstehen. Sie behaupten das aber deshalb, weil Sie das Konnexitätsprinzip aushebeln wollen. Sie wollen Ihr eigenes Reformwerk nicht bezahlen. Auch dazu dient dieser Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben und garantiert auch unterstützen werden. Sie wollen die Mehrkosten nicht bezahlen.

Sie delegieren die gesamte Verantwortung nach unten. Hinterher werden Sie sich darauf hinausreden, es sei doch nicht Ihr Problem, wenn die Hauptschulstandorte schließen, das sei doch eine Entscheidung des Schulverbundes. So wird es kommen. Sie werden sich für unschuldig erklären, wenn die Schulen geschlossen werden. Das ist Ihr Ziel. Sie wollen Ihre Ideologie mit allen Mitteln zulasten der Schüler, zulasten der Eltern und zulasten der Kommunen durchsetzen. Sie wollen nichts bezahlen für das, was Sie anrichten - das war im Übrigen auch beim G 8 schon so -, und Sie wollen langfristig die Dreigliedrigkeit des Schulwesens erhalten. Das ist Ihre Motivation, warum Sie das machen. Den Menschen aber erzählen Sie, Sie wollen Schulstandorte erhalten. Das Gegenteil ist der Fall. Sie werden aber mit dieser Strategie keinen einzigen Schulstandort erhalten.

Auf die Frage der Schulwegekosten werden wir noch zu sprechen kommen. Sie behaupten hier, es gebe keinen Mehraufwand bei der Schülerbeförderung. Wie wollen Sie das denn machen, wenn Sie die Schüler zur Mittelschule fahren müssen? Es werden also zusätzliche Schulwege entstehen, aber Sie wollen deren Kosten nicht bezahlen.

Das ganze Reformwerk ist Flickwerk. Genauso war das schon beim G 8. Meine herzliche Bitte zum Schluss: Lassen Sie die Finger davon! Lassen Sie die Menschen endlich konstruktiv darüber diskutieren, welche Schule in Bayern vernünftig ist und welche nicht. Sicherlich ist das nicht die Schule, die Sie als gute Schule verkaufen wollen. Ihre Haltung ist ideologisch geprägt. Die FDP war vor der Landtagswahl noch mit großen Versprechungen unterwegs. Ich habe noch im Ohr, was Frau Will auf jeder Podiumsdiskussion gesagt hat. Das waren Versprechungen über Versprechungen: Wir werden Ganztagsschulen einführen; wir werden die Schüler sechs Jahre gemeinsam lernen lassen. - Was haben Sie alles versprochen!