Protocol of the Session on March 11, 2010

(Hubert Aiwanger (FW): Sponsorenzuwendungen! - Georg Schmid (CSU): Wir brauchen keine Kommentierung!)

Erneut Freie Wähler, SPD und GRÜNE, sowie Frau Kollegin Pauli. Wer ist dagegen? - FDP und CSU. Damit ist die Ziffer abgelehnt.

Ziffer 5. Zustimmung? - Freie Wähler, SPD, Kollegin Pauli und GRÜNE. Ablehnung? - CSU und FDP. Enthaltungen? - Keine.

(Zurufe und Gegenrufe der Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW) und Petra Guttenberger (CSU) Georg Schmid (CSU): Wir brauchen jetzt keine erneute Diskussion mehr!)

Herr Kollege, das war der letzte Punkt bei diesem Dringlichkeitsantrag. Darüber brauchen wir jetzt nicht mehr zu diskutieren. Mit der Ablehnung auch dieser Nummer ist der Dringlichkeitsantrag insgesamt abgelehnt.

Wir fahren fort mit dem

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Strafrechtliche Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in kirchlichen Einrichtungen (Drs. 16/4101)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Horst Arnold u. a. und Fraktion (SPD) Keine rechtsfreien Räume dulden; Fälle von sexuellem Missbrauch aufklären (Drs. 16/4127)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Florian Streibl u. a. und Fraktion (FW) Ombuds-Leute für Opfer von sexuellem Missbrauch; Handlungsanweisungen für staatliche Behörden (Drs. 16/4128)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als erste Rednerin hat die Kollegin Gote von den GRÜNEN das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit Wochen reißen die Meldungen über Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in kirchlichen Einrichtungen nicht ab. Immer neue Fälle werden bekannt. Nachdem häufig jahrzehntelang nichts ans Tageslicht kam, sehen wir uns nun einer bald unüberschaubaren Zahl von Verbrechen an Kindern und Jugendlichen gegenüber.

Unser Mitgefühl, unsere Solidarität und unsere Sorge gelten den vielen Opfern dieser verbrecherischen Übergriffe. Es geht um Gerechtigkeit, um Bewältigung, um Wiedergutmachung. Es geht um die Zukunft der Opfer. Und es geht für die Zukunft auch darum, Missbrauch

von Kindern und Jugendlichen soweit wie möglich zu verhindern. Die Prävention ist ein Feld, dem wir uns hier im Landtag noch werden widmen müssen.

Wir werden den Kultusminister - Sie, Herr Spaenle! beim Wort nehmen und dafür sorgen, dass es nicht nur bei schönen Worten bleibt, sondern dass auch Geld fließt für die dringend notwendige Präventionsarbeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Menschen erwarten zu Recht von der Kirche, von den Kirchen, aber insbesondere von der katholischen Kirche mit ihrem Anspruch auf eine hohe moralische Autorität auch eine hohe moralische Integrität. Deshalb muss man die Frage stellen, sollte sich auch die Kirche die Frage stellen: Warum ist sexueller Missbrauch auch in der Kirche möglich? Die Fallhöhe ist hier deutlich größer als draußen in der Welt.

Aber wir müssen noch weiter gehen. Angesichts der doch immensen Zahl der Missbrauchsfälle in vielen kirchlichen Einrichtungen muss man auch fragen: Welche strukturellen Eigenschaften des Systems leisten dem sexuellen Missbrauch mit anschließender Vertuschung oder wenigstens der Chance, nie entdeckt zu werden, Vorschub? Da hilft es überhaupt nicht, wenn uns mancher Bischof vorrechnen mag, dass sich insgesamt nur ein Bruchteil aller Fälle von sexuellem Missbrauch innerhalb kirchlicher Institutionen abspielt. Das ist banal und entschuldigt nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schauen wir auf die Strukturen, die Missbrauch begünstigen. Es ist ein hierarchisches, ein stark autoritär geprägtes System, ein System, das in vielen Bereichen mit Tabus belegt ist, nicht nur im Bereich der Sexualität. Es ist ein System, das undemokratisch ist und intransparent, ein System, in dem allzu oft ein elitäres Selbstverständnis und Korpsgeist herrschen. Und es ist natürlich auch der Zölibat; es sind die Männergesellschaften. Es gibt auch Frauengesellschaften, und auch dort wird es Missbrauchsfälle geben, aber sicherlich in einem anderen Ausmaß und in einer anderen Art.

Das alles ist die kritische Masse, die Machtmissbrauch begünstigt, und es geht bei sexuellem Missbrauch immer auch um Macht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist auch ein System, das wahrscheinlich mehr als andere Systeme Menschen mit unreifer Sexualität und ungefestigter Persönlichkeit und auch mit krankhafter Veranlagung anzieht. Das ist ein Problem der katholischen Kirche, aber es ist nicht allein ein innerkirchliches Problem.

Es ist schon aus zwei Gründen kein innerkirchliches Problem: Erstens. Es handelt sich häufig um Schulen und Einrichtungen der Jugendarbeit oder der Jugendhilfe. Hier greifen ganz klar die staatliche Verantwortung und auch die Fürsorgepflicht des Staates. Wir werden auch prüfen müssen, wo die staatliche Schulaufsicht eventuell versagt hat.

Zweitens. Diese Strukturen, die ich geschildert habe, gibt es auch woanders. Deshalb müssen wir daraus lernen. Ich erinnere daran, dass es nicht nur kirchliche Einrichtungen waren, in denen jetzt Missbrauchsfälle bekannt werden, ich erinnere daran, dass wir die Problematik auch aus Sportvereinen kennen und nicht zuletzt aus der Bundeswehr.

Pauschale Solidaritätsadressen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, an die katholische Kirche, wie sie gestern über die Ticker liefen, sind nicht angezeigt,

(Beifall bei den GRÜNEN)

auch und erst recht nicht, wenn sie getätigt werden, um auf den ungeliebten Koalitionspartner einzuschlagen, erst recht dann nicht, denn dazu ist die Sache viel zu ernst. Nicht der Kirche bläst der Wind ins Gesicht, sondern den Opfern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nicht die Kirche ist das Opfer, wie Bischof Müller zu glauben scheint, wenn er sagt, es handele sich bei der öffentlichen Diskussion und Berichterstattung über die Fälle "um Missbrauch von sexuellen Verfehlungen einzelner für machtpolitisch-ideologische Zwecke", oder wenn er sagt, "Der Spiegel" mache sich der Verletzung der Menschenwürde aller katholischen Priester und Ordensleute schuldig.

Solche Äußerungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind schäbig. Sie sind zynisch gegenüber den Opfern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann beim besten Willen auch keine antikatholischen Kampagnen erkennen. Ich sehe sie nicht. Ich sehe sie auch in der öffentlichen Berichterstattung nicht. Wer das beschwört, der kehrt die Wahrheit um, er verschleiert noch immer, er taktiert und verharmlost.

Es sei noch einmal an Bischof Mixa erinnert mit seinen unsäglichen Erklärungs- und Entschuldigungsversuchen, die sexuelle Revolution habe ebenfalls dazu beigetragen. Was für ein Quatsch! Ich will das gar nicht vertiefen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer sich auch nur im Ansatz mit dem Problem des sexuellen Missbrauchs beschäftigt hat, weiß, wie dumm diese Aussage war. Aber es gibt ja Anhängerinnen dieser These. Frau Ministerin Merk ist eine solche.

In dem Zusammenhang sagten Sie, Frau Ministerin, auch am 22.02. im "Münchner Merkur", indem Sie sich hinter Bischof Mixa stellten, Ihnen sei es ein Anliegen, der Kirche die Möglichkeit zu geben, jetzt erst einmal selbst umfassend und konsequent aufzuklären. Am Wochenende sind Sie dann stark zurückgerudert in einem weiteren Interview der "Süddeutschen Zeitung". Aber es bleibt unklar. Wir erwarten heute und hier ein klares Wort von Ihnen, dass Strafjustiz vor Kirchenjustiz geht, dass weltliche Gerichtsbarkeit vor kirchlicher Gerichtsbarkeit steht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir erwarten ein Wort dazu, dass mit der Aufklärung jedes sexuellen Missbrauchs, auch das Ziel verbunden ist, eine strafrechtliche Aufarbeitung zu erreichen, es sei denn, die Opfer wollen diese durchaus nicht.

Es darf nicht sein, dass erst die Kirche intern ermittelt, um dann am Ende abzuwägen, ob der Verdacht schwerwiegend genug für eine Anzeige ist. Hier liegt ein Grundfehler im System der Leitlinien von 2002, die sich die Deutsche Bischofskonferenz zum Umgang mit sexuellem Missbrauch gegeben hat. Wir erwarten, dass die Staatsregierung hierzu deutlich und klar Stellung nimmt. Von der katholischen Kirche erwarten wir, dass sie ihre Leitlinien in diesem Punkt grundsätzlich überarbeitet.

Solidaritätsadressen - so habe ich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen - sind nicht angezeigt, jedenfalls nicht mit der katholischen Kirche. Aber Solidarität mit der katholischen Kirche, die darf geübt werden und sollte geübt werden. Solidarität wäre aber Klartext gegenüber der Kirche, die Auseinandersetzung mit den Verantwortlichen auf Augenhöhe, mit den Vernünftigen, die es ja auch gibt in der katholischen Kirche - ich nenne hier Erzbischof Marx und auch Bischof Schick, der sich heute zu diesen Themen in einem Interview sehr eindeutig geäußert hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kirche braucht in diesen Wochen den starken Staat an ihrer Seite. Bessere Zusammenarbeit, was immer das sein mag, reicht nicht, und ein Runder Tisch hilft im Grunde auch nicht weiter. Es ist rechtlich eigentlich alles klar. Der Rechtsstaat gilt für alle, oder, um es mit Heiner Geißler zu sagen: "Eine elitäre Gerichtsbarkeit für die Kirche darf es nicht geben!"

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. Kollege Schindler übernimmt jetzt die Wortmeldung für die SPD. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir blicken in einen Abgrund. Was in den letzten Wochen bekannt geworden ist, sprengt die Vorstellungskraft und ist - leider, sage ich - geeignet, die moralische Integrität von Instanzen zu erschüttern, die ansonsten für sich beanspruchen, diese Autorität gegenüber der Gesellschaft ausüben zu können.

Ich sage aber auch, um nicht missverstanden zu werden: Nach allem, was wir wissen, finden die meisten Fälle von sexuellem Missbrauch im familiären Nahbereich statt. Dort dürfte auch die Dunkelziffer extrem hoch sein.

Es geht also darum, nicht wegzuschauen und die Sensibilität bei allen Anzeichen von sexuellem Missbrauch zu erhöhen. Das gilt für Nachbarn ebenso wie für Verwandte, das gilt für Kindergärtnerinnen ebenso wie für Lehrer und Übungsleiter in Vereinen. Das gilt aber auch für Einrichtungen, in denen Eltern ihre Kinder und Jugendlichen anderen anvertrauen. Das gilt insbesondere auch hinter Klostermauern und in Internaten.

Es gibt bekanntermaßen keine Rechtspflicht, bereits begangene Straftaten bei den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen, es sei denn, es handelt sich um den Versuch schwerer Verbrechen. Aber Personen, die als Garanten für das Wohl von Schutzbefohlenen verantwortlich sind, wie etwa die Eltern eines Kindes oder auch Lehrer in einem Internat, können sich wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch durch Unterlassung strafbar machen, und zwar dann, wenn sie nicht einschreiten und wenn sie es zulassen, dass die Täter ungehindert weitermachen können.

Was die Kirchen betrifft, meine Damen und Herren, berühren wir nicht nur eine Grundsatzfrage, sondern generell das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat. Die Frage stellt sich: Wie viel Autonomie und Selbstverwaltung darf dieser Staat hinnehmen, ohne seine eigenen Schutzpflichten gegenüber den Opfern zu verletzen?