Frau Kollegin Tolle, ich sehe es Ihnen nach, dass Sie nicht zugehört haben, als ich dazu etwas gesagt habe. Ich habe eine laute und deutliche Kritik an Siemens geübt, weil ich dieses Ver halten nicht verstehen kann. Ich habe die Auffassung geäußert, dass solche Entscheidungen langfristig vor bereitet sind und nicht von heute auf morgen getroffen werden. Diese Aussage wiederhole ich noch einmal.
Ich habe außerdem mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass Herr Staatsminister Zeil vor Ort war, um mit den Vorständen und den Landräten darüber zu verhandeln, wie die Angelegenheit so geregelt werden kann, dass möglichst wenig Arbeitsplätze abgebaut werden.
Schließlich habe ich die Forderung erhoben, dass Er satzinvestitionen vorgenommen werden, die ein großer Konzern mit Sicherheit leisten kann, um dort Arbeits plätze zu schaffen und zu erhalten, die langfristig Be stand haben. Frau Kollegin Tolle, wenn Sie das nicht gehört haben, tut es mir leid.
(Von der Rednerin nicht au torisiert) Sehr verehrter Herr Kollege Dr. Kirschner, seit dem Gesundheitscheck weiß ich, dass meine Ohren völlig in Ordnung sind. Ich habe Ihnen auch mental zu gehört. Eines möchte ich Ihnen sagen: Es ist der Ton, der die Musik macht.
- Frau Kollegin Stamm, lassen Sie mich doch Herrn Kollegen Dr. Kirschner antworten. Ich wünsche mir schon mehr Spannung und Elastizität in der Art und Weise, mit der Sie Ihre Vorhaben vortragen. Frau Kol legin Stamm, Sie sind gerade erst hereingekommen.
Ich habe gesagt, dass der CSU-Antrag in meinen Augen eine Kapitulation ist. Ich habe außerdem gesagt, was ich mir von der Staatsregierung wünsche.
Ich hoffe, dass Sie mir meinen Wunsch erfüllen und mit voller Kraft und voller Energie für diese Region kämpfen werden, weil sie es verdient hat.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung der Firma Siemens, die mir am letzten Donnerstag mitgeteilt wurde, ist für die gesamte Region und für ganz Unterfranken eine bittere Hiobsbotschaft. Das war schon damals meine erste und nicht zu erläu ternde Feststellung. Deshalb können sich die Men schen in der Region und in ganz Unterfranken darauf verlassen, dass sie die Bayerische Staatsregierung bei der Aufarbeitung dieses Problems nicht alleine lassen wird.
Ich kümmere mich persönlich jeden Tag um diese An gelegenheit. In besonderer Weise möchte ich hier mei nem Wirtschaftsminister Martin Zeil danken, der sich sowohl innerhalb der Regierung als auch vor Ort, vor den Betroffenen, engagiert und verantwortlich dieser Sache angenommen hat.
Meine Damen und Herren, ich möchte heute zwei oder drei Bemerkungen machen. Wir sollten uns nicht ge genseitig einteilen in Menschen, die Interesse an Ar beitsplätzen haben, und Menschen, die dieses Interes se nicht haben.
Die Firma Siemens hat angekündigt, in Deutschland 2.000 Arbeitsplätze abzubauen. Mir liegt - neben der Region Rhön-Grabfeld - das Schicksal jeder betroffe nen Familie am Herzen. Wir sollten uns auch nicht gegeneinander in der Weise ausspielen, dass wir be haupten, im einen Fall handle es sich um eine beson dere Betroffenheit und in einem anderen Fall um eine weniger besondere Betroffenheit. Ich war gestern in Unterfranken, im Rhein-Main-Gebiet, in Frankfurt,
Aschaffenburg und Alzenau. Das ist eine Power-Regi on. Trotzdem gibt es in dieser Region einzelne Firmen im Maschinenbau und der Solartechnologie, die vor Ar beitsplatzverlusten stehen. Ich kann doch diesen Men schen nicht sagen, dass mir ihre Arbeitsplätze weniger am Herzen liegen als die Arbeitsplätze der Menschen in Rhön-Grabfeld oder bei Quelle in Fürth. Hören wir doch damit auf, die Regionen gegeneinander in Stel lung zu bringen. Jeder Arbeitsplatz ist wichtig.
Die Bayerische Staatsregierung handelt entsprechend. Ob es um Amberg in der Oberpfalz, um Schwaben, um Oberbayern, um Niederbayern, um Unterfranken, um Oberfranken oder um Mittelfranken geht, möchte ich erstens sagen: Wir unterscheiden nicht nach Regionen. Wenn es Betroffenheiten gibt, ist es unsere Verantwor tung, das den Politikern Menschenmögliche zu tun, um der jeweiligen Region zu helfen. Das gilt auch für den Fall Rhön-Grabfeld.
Den ersten 14 Monaten unserer Amtszeit können Sie entnehmen: Wenn wir den Menschen etwas zusagen, halten wir es auch ein. Die letzte große Aktion bezog sich auf Quelle, Fürth und Nürnberg. Wir haben dort sehr schnell reagiert. Das bedeutet natürlich nicht am gleichen Tag oder in der gleichen Woche. Das muss sehr sorgfältig überlegt werden. Was wir aber zugesagt haben, haben wir eingehalten. Ich lege Wert darauf, dass wir nicht einfach die Backen aufblasen und die Versprechen anschließend nicht einhalten können. Wir müssen das, was wir der Bevölkerung und der Region zusagen, auf Dauer einhalten können. Deshalb kommt es uns auf Sorgfalt und auf Nachhaltigkeit mehr an als auf das Gespräch oder die Aktion der Stunde. Durch Rituale in der Aktuellen Stunde wird niemandem geh olfen. Wir müssen strukturell und politisch so antworten, dass wir unsere Zusagen gegenüber der Bevölkerung auf Dauer einhalten können. Das ist das Zweite.
Das Dritte: Wir werden auf oberster Ebene - und das tun wir nicht aufgrund einer Aufforderung durch Sie - mit dem Vorstandsvorsitzenden von Siemens reden. Das wird der Wirtschaftsminister gemeinsam mit mir ma chen. Unser erstes Ziel wird dabei sein, so viele Ar beitsplätze wie möglich zu erhalten,
und zwar auch in dieser Region; das ist doch selbst verständlich. Siemens hat dort, wie Sie wissen, ein zweites Standbein. Der Abbau, der trotz unserer Be mühungen unvermeidbar sein sollte - ein großer Kon zern muss auch nach betriebswirtschaftlichen Ge sichtspunkten vorgehen dürfen -, muss verträglich für
die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Familien gestaltet werden. Das hat uns der Siemens-Vorstand am Telefon schon am letzten Don nerstag zugesagt. Das müssen wir noch genauer hin terfragen, gerade vor dem Hintergrund der Zeitachse. Vielleicht können wir für den Abbau, soweit er unver meidbar ist - und ich hoffe, dass das so wenig wie möglich ist -, eine Zeitschiene erreichen, die uns als Politiker noch mehr Chancen gibt, strukturelle Antwor ten zu geben, dass das, was vielleicht wegfällt, durch das, was zuwächst, ersetzt werden kann. Wir wollen als Staatsregierung das uns Mögliche tun, um für diese Region eine Regional- und Strukturpolitik zu betreiben und um wie in anderen Regionen Bayerns im Laufe der Zeit wieder Neuansiedlungen und neue Arbeitsplätze zu erreichen, die mit einer Nachhaltigkeit verbunden sind.
Weil die Sachverhalte immer so schön in Schlagzeilen zugespitzt werden, sage ich zusammenfassend zu Sie mens: Unser erstes Ziel ist, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Das wird in einem Spitzenge spräch zwischen dem Wirtschaftsminister, dem Minis terpräsidenten und dem Vorstandsvorsitzenden von Siemens erfolgen. Zweitens wollen wir den trotz aller Bemühungen unvermeidlichen Abbau so verträglich gestalten, dass soziale Härten in jeder Weise vermie den werden. Diesem Ziel könnte auch eine zeitliche Streckung dienen. Drittens wollen wir parallel dazu eine Strukturpolitik speziell für diese Region auf den Weg bringen, in größerer Betrachtung auch für Franken und insbesondere Unterfranken. In besonderer Weise soll der Region Rhön-Grabfeld geholfen werden.
Sie wissen, dass wir in diesem Jahr ohnehin schon eine Kabinettssitzung in Bad Kissingen geplant haben. Die Landtagspräsidentin hat mich noch einmal im Namen der unterfränkischen Abgeordneten darum gebeten, in diesem Zusammenhang insbesondere die Gesund heitsversorgung, Kuren und Bäder vielleicht zu einem Schwerpunkt in dieser Region zu machen. Ich sage heute "vielleicht", weil man das erst dann verbindlich zusagen kann, wenn eine tragfähige Konzeption vor liegt. Es wäre nicht sehr verantwortlich, am dritten oder vierten Tag nach dieser Ankündigung etwas in Aussicht zu stellen, das man dann nicht einlösen kann.
Ich bitte Sie als Parlament, gegenüber der Regierung Vorschläge zu machen, was man für diese Region tun kann, und zwar so, dass es auf Dauer wirkt und nicht nur einen Strohfeuereffekt für den Augenblick hat.
Nun möchte ich noch etwas zur Gesamtsituation sagen. Ich bin seit meinem ersten Amtstag mit dieser Finanzund Wirtschaftskrise konfrontiert, und zwar nicht nur mit dem Stichwort Landesbank.
Ich bin pausenlos konfrontiert mit Insolvenzen, Arbeits platzabbau und Strukturproblemen. Man muss das Par lament und manche Redner einmal daran erinnern: Die größte Wirtschaftskrise, die Deutschland bislang je mals erlebt hat, war im Jahr 1975 und war von einem Rückgang des Sozialprodukts von 0,9 % begleitet. Jetzt haben wir mit einem Rückgang um 5 % zu tun. Das zeigt die Einzigartigkeit und das Ausmaß dieser Wirtschafts krise. Meine Damen und Herren, Bayern ist von dieser Wirtschaftskrise deshalb in besonderer Weise betrof fen, weil wir ein exportabhängiges Land sind.
Ich habe von der ersten Minute an mit Konzernchefs gesprochen, die in Bayern übrigens alles andere als Heuschrecken sind. Das sind sehr qualifizierte und ver antwortliche Manager von Konzernen, die ich da im Auge habe, angefangen von BMW über Audi bis hin zu Siemens. Sie gehen sehr verantwortlich mit dem Ge meinwohl in unserem Lande um, aber sie haben dane ben natürlich betriebswirtschaftliche Verantwortung.
Wenn ich dann Verständnis äußere, wird in einer Schlagzeile zugespitzt so formuliert: Jetzt ist er einver standen mit dem Arbeitsplatzabbau. Manchmal kann man sich da nur die Augen reiben. Ich habe seit 14 Mo naten Verständnis für die gewaltigen Herausforderun gen, vor denen unser Mittelstand, unser Handwerk, unsere freien Berufe und die Konzerne in Bayern bei dieser einzigartigen und grenzenlosen Wirtschaftskrise stehen.
Und sie ist grenzenlos. Ich nenne ein Beispiel. Es gibt eine Firma in Bayern, die früher einige Hunderttausend Autos auf dem amerikanischen Markt verkauft hat. Die haben jetzt einige Monate erlebt, in denen sie nicht ein einziges Auto verkauft haben. Da muss man doch sehen, vor welchen Herausforderungen eine solche Firma steht. Da kann man doch nicht von vornherein sagen: Jede betriebswirtschaftliche Entscheidung ist durch die Politik zu verurteilen. So möchte ich das mak roökonomisch verstanden wissen, nicht bezogen auf die Region Rhön-Grabfeld, sondern vor dem Hinter grund der gewaltigen makroökonomischen Herausfor derung, vor der unsere bayerischen Firmen stehen, weil wir stark exportabhängig und sehr stark dem Wettbe werb ausgesetzt sind.
Ich bin seit vierzig Jahren in der Politik tätig, und nie mand wird mir vorwerfen können, dass ich in diesen
vierzig Jahren nicht immer und vor allem die Interessen der Arbeitnehmer und der kleinen Leute im Blick gehabt hätte.
Ich hatte immer eine Grundphilosophie dafür, wie man Probleme löst. Ich habe nie den Klassenkampf gepre digt, sondern immer die Erfahrung gemacht, dass man die Probleme am besten in einer vernünftigen sozialen Partnerschaft löst. Deshalb werde ich mich auch heute nicht dazu verleiten lassen, auf irgendeiner Firma he rumzutrampeln. Meine Aufgabe ist es vielmehr, zusam men mit Martin Zeil in sozialer Partnerschaft mit den betroffenen Firmen Lösungen herbeizuführen. Das ist angesagt, und nicht, aufeinander herumzutrampeln.