Ich möchte das Drama in mehreren Akten noch einmal nachzeichnen. Wenn wir den Vorhang für den ersten Akt aufgehen lassen, dann sehen wir damals noch das Kabinett Stoiber, wenn auch schon von der tödlichen Wunde gezeichnet, und ein Gesetz mit Ausnahmere gelungen für Nebenräume. Im Hintergrund tauchen die auf, die die Bluttat begangen haben, und dahinter die neue Fraktion mit ihrem scheinbar mächtigen "Sieg fried" Schmid an der Spitze, der mit einem Schwerthieb die über neunzig Anträge der Fraktion durchgehauen und ein Gesetz ohne Ausnahme durchgepeitscht hat. Hier im ersten Akt: Kabinett auf der einen Seite, Frak tion auf der anderen Seite. Die Handlung spitzt sich zu.
Zweiter Akt. Wir haben ein starkes Gesetz, aber einen schwachen Vollzug. Das wird von der Regierung ganz bewusst gedeckt. Die Raucherclubs entstehen.
Dritter Akt. Der Chor der Entrechteten steht auf, das Volk meldet sich zu Wort, die Wahl steht vor der Tür, und die Götterdämmerung beginnt. Die CSU schlittert in die Wahlniederlage.
Wir sind im vierten Akt, und nun, wenn Sie sich Les sings Dramentheorie ansehen, kommt man zur soge nannten Peripetie. Das heißt, es besteht die letzte Chance, dass das Unglück sich in Glück umwandelt.
Die FDP tritt auf, in diesem Fall vielleicht nicht wie in manchem Drama auf dem Schwan, sondern vielleicht eher mit einer Möwe - Mövenpick.
Das neue Gesetz entsteht. Dann, wie immer in Dramen: Die Peripetie wendet sich zum Unglück. Das Volk mel det sich wieder zu Wort, das Volksbegehren entsteht und wird mit einer breiten Mehrheit angenommen. Wir nahen uns nun dem endgültigen Scheitern. Die Götter dämmerung vollzieht sich. Wotan tapst nur noch auf der Erde herum, entrückt dem Himmel der Zweidrittelmehr heit auf dem Boden der Tatsachen angekommen.
Nur um das deutlich zu machen: Hier handelt es sich nicht um Theater, wo man im Zuschauerraum sitzt und einem vielleicht wohlige Schauer des Entsetzens über den Rücken laufen, während man insgeheim an den Prosecco in der Pause denkt. Hier geht es um die Re alität. Hier geht es um Bürgerrechte. Hier geht es um die Gesellschaft. Das ist kein Schauspiel, meine Damen und Herren, sondern das ist bittere Realität.
Ein wenig erinnert mich dieser Vorgang an die Laoko on-Gruppe im Vatikan. Vielleicht haben Sie das Bild vor sich. Die einmal starke, muskelbepackte CSU legt sich die Würgeschlangen selbst um den Hals. Laokoon aus dem Griechischen übersetzt heißt: Auf das Volk schau en, auf das Volk achten. Das war die Vorstellung der Laokoon-Gruppe. Das war vielleicht auch einmal die Idee der CSU. Diesmal haben Sie dem Volk aber nicht auf den Mund geschaut, sonst hätten Sie gesehen, dass dort keine Zigarette zwischen den Lippen steckt.
Sie haben sich selbst die Würgeschlangen um den Hals gelegt: Der Python der Zwei-Drittel-Hybris, die Boa der Inkonsequenz und die Natter des Wankelmutes. Dort stehen Sie heute.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies war un nötig. Schauen Sie in andere Bundesländer, der Minis ter hat es schon gemacht. In anderen Ländern und in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehen Sie, dass es dort wesentlich einfacher ging. Diese Kandidaten sind nicht leichter. Denken Sie an die Italiener, denken Sie an die Spanier. Wer hätte denn geglaubt, dass dort ein Nichtraucherschutz funktio niert? Aber er funktioniert mit schwierigen Kandidaten, mit unterschiedlichen Konstellationen und mit unter schiedlichen Gesetzen. Der größte Unterschied zu die sen Ländern besteht aber darin, dass die CSU dort nicht an der Regierung ist. Das ist in diesem Fall auch gut so.
Nun hat Ihnen die Bevölkerung das Heft des Handelns aus der Hand genommen. Wegen Unfähigkeit müssen wir den Betreuer bestellen. Der ist in diesem Fall das Volk.
Doch was passiert nun? Es kommt die nächste Volte. Was hätte die alte CSU getan? Die alte CSU hätte für dieses Gesetz gekämpft und versucht, die Menschen von der Richtigkeit ihres Tuns zu überzeugen. Damals gab es bei Ihnen noch einen inhaltlichen Kompass und Personen, die Kurs halten konnten. Ich erinnere mich noch an den Satz von Herrn Heubl zum Geburtstag von Franz-Josef Strauß. Er sagte damals: "Franz Josef Strauß, weise uns den Weg, wir folgen dir," - wie dem Stern von Bethlehem! Das war damals die Vorstellung der CSU: Einer geht voran, die anderen kämpfen für die Sache. Die neue CSU ist kopflos und inhaltsleer. Sie gibt sich fatalisiert. Was hat denn der neue Ministerprä sident gesagt?
Der Ministerpräsident gibt sich fatalistisch und sagt: Wenn sich die Dinge im Raum stoßen, soll das Volk entscheiden. Welcher Raum ist damit gemeint? Welche Dinge sollen sich im Raum stoßen? Das ist relativ un klar.
Sie bestimmen also, dass Frau Kollegin Sandt eine Zwischenbemerkung ab geben soll? Oder wie habe ich das verstanden?
Jetzt also keine Zwi schenfrage, Sie können dann entscheiden, wie Sie vor gehen, Frau Kollegin Sandt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wo Sie früher den bayerischen Löwen brüllen ließen, sind Sie heute schon froh, wenn Sie es schaffen, ein verängstigtes Kaninchen aus dem Zylinder zu zaubern.
Sie belassen es aber nicht dabei. Ein letzter Kartentrick wird versucht, wenn auch mit gezinkten Karten. Herr Schmid, ich habe gestern Ihre Presseerklärung gele sen. Dort steht: "Wir machen den Weg frei für einen Volksentscheid." Sie schreiben dort, die Strategie der Opposition, einen Volksentscheid zu verhindern, sei falsch. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wer selbst das Unheil anrichtet, sollte es nicht anderen in die Schuhe schieben.
Mich verwundert es sehr, wie Ihnen plötzlich Volksent scheide gefallen. In den letzten Jahren haben wir die CSU bei Volksentscheiden und Volksbegehren, aber auch bei Bürgerentscheiden und Bürgerbegehren nicht an der Spitze gesehen.
Wir Freie Wähler standen schon immer an der Seite der Bürger. Wir haben uns schon immer für Plebiszite ein gesetzt.
Wir haben es uns in dieser Sache nicht einfach ge macht. Wir haben die Richtung gehalten. Wir haben vor der Wahl gesagt, dass das Gesetz, das Sie vorgeschla gen haben, für die Raucher zu hart sei. Dazu haben wir nach der Wahl auch gestanden.
Wir haben es uns untereinander nicht leicht gemacht. Wir hatten auch Diskussionen in den eigenen Reihen, wie es überall hier der Fall ist. Ich sage es auch ganz deutlich: Ich akzeptiere die unterschiedlichen Meinun gen bei der CSU. Wer den Eid des Hippokrates ge schworen hat, bei dem liegt es nahe, dass er den Schutz der Gesundheit ganz obenan stellt. Das ist auch bei unseren Mitgliedern der Fall gewesen. Das akzep tiere ich.
Wir begrüßen deshalb auch die Entscheidung, jetzt das Volk zu befragen. Die Regierung hat sich als unfähig erwiesen, das Volk zu befrieden. Nun muss die Bevöl kerung das selbst übernehmen. Wir Freie Wähler ken nen die Risiken eines Volksentscheids. Er ist norma lerweise nicht für einen Kompromiss geeignet. Das gilt auch diesmal. Sein großes Plus - und das macht ihn stark - ist aber die Legitimation in Form der Anerken nung durch die Mehrheit. Das brauchen wir. Wir Freie Wähler stehen als Anwalt der Bürger dazu. Wir stehen für Partizipation, wir stehen für mehr Teilhabe, wir ste hen für mehr Mitgestaltung, und deshalb begrüßen wir auch den Volksentscheid.
Herr Kollege, Frau Kol legin Sandt ist Ihrem Wunsch entgegengekommen und hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Ich erinnere mich an einen zünf tigen Raucherwahlkampf der Freien Wähler. Was ist denn da passiert? Verwirrung durch die Schlangen des Laokoon? Oder Katharsis, also Reinigung der Seele oder in dem Fall Reinigung der Lunge - durch das Drama? Ich empfehle Ihnen als fünften Akt die Meta noia, die Wiederumkehr.