Protocol of the Session on December 16, 2009

Nun zu den neuen Verfahrensregelungen, die das Gericht verlangt hat: Die Frage, ob den Gemeinden und Gemeindeverbänden die verfassungsrechtlich garantierte Mindestausstattung über den Finanzausgleich gewährt wird, ist in eine transparente und nachvollziehbare Verfahrensregel vorverlagert worden. Das Gericht hat sich natürlich nicht an die materiellen Inhalte herangetraut, weil diese zu kompliziert sind und auch politische Entscheidungen umfassen. Wenn man sich dieses Urteil nun ansieht, wird das Ganze schon etwas konkreter und für die Umsetzung natürlich auch schwieriger. Das Gericht verlangt nämlich im Grundsatz, dass die Ergebnisse der Finanzausgleichsverhandlungen nachvollziehbar sind auf der Grundlage - ich zitiere hier nochmals - "einer zwar notwendig pauschalierten, jedoch realitätsnahen Ermittlung der Kosten sowohl der Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis als auch der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises und einer typisierenden Abschätzung der Einnahmequellen der Kommunen der Höhe nach". Erst dann könne abgesehen werden, welche Summe erforderlich ist, um die Kommunen insgesamt in den Stand zu versetzen, ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen und sich darüber hinaus noch freiwilligen Aufgaben zu widmen.

Und noch ein Satz ist bedeutsam: "Das Einvernehmen der kommunalen Spitzenverbände kann keinen Ersatz darstellen, weil es nur politische, aber keine rechtlichen Wirkungen hat …". Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist in aller Kürze das, was das Gericht dem Gesetzgeber aufgegeben hat.

Wenn ich nun den Gesetzentwurf der Staatsregierung anschaue, habe ich meine Zweifel, ob dieser Entwurf den Vorgaben des Gerichtes gerecht wird.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Der Entwurf der Staatsregierung hat weitgehend das bisherige Verfahren zum Finanzausgleich in Gesetzesform gegossen, so ungefähr nach dem Motto, weil es sich bewährt hat. Das Gericht aber sagt, es sei rechtswidrig, verfassungswidrig und deshalb aufzuheben.

Die Bedarfserhebung soll pauschaliert erfolgen durch einen Rückgriff quer über alle Gemeinden und Landkreise hinweg bezogen auf die Jahresrechnungsstatistik. Die Darstellung der Finanzentwicklung des Staates und der Kommunen soll ebenfalls pauschaliert unter

Heranziehung der statistischen Daten der letzten neun Jahre erfolgen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich sind wir für pragmatische Lösungen. Auch die kommunalen Spitzenverbände - wir haben es gehört - haben dieser Lösung zugestimmt, weil sie ihre Stellung bei den Finanzausgleichsverhandlungen natürlich behalten wollen. Auch wir möchten einerseits, dass die kommunalen Spitzenverbände maßgeblich die Finanzausgleichsverhandlungen führen, und zwar schon deshalb, weil es nicht möglich ist, dass jede einzelne der über 2.000 Kommunen in Bay ern diese Verhandlungen führt.

Andererseits ist aus dem Urteil klar ersichtlich, dass eine weitergehende Beteiligung der Gemeinden erforderlich ist. Wenn dem so ist, könnten Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen besser berücksichtigt werden. Dann könnte es nicht passieren, dass die Bezirke und die Landkreise wegen der aktuell steigenden Kosten vor allem bei den Sozialleistungen ihre Umlagen derart erhöhen müssten, dass den Gemeinden fast keine Luft mehr zum Atmen bleibt. Diese Aktualität ist aber bei dem von der Staatsregierung vorgelegten Gesetzentwurf nicht gegeben.

Im Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde versucht, alles, was im Urteil steht, in das Gesetz hineinzubringen. Das ist leider etwas missglückt. Wenn man diese Vorlage liest, blickt man nicht mehr durch, was gemacht werden soll und wie das Ganze ablaufen soll. Nicht realistisch ist auf jeden Fall, das Einvernehmen aller Kommunen zum Finanzausgleich herbeizuführen. Wir müssten dann nämlich die Zustimmung - Einvernehmen bedeutet ja Zustimmung - aller mehr als 2.000 bayerischen Kommunen zum Finanzausgleich erhalten. Das ist utopisch.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Wir werden den Änderungsantrag der GRÜNEN nicht ablehnen, sondern uns nur enthalten, weil ein Absatz enthalten ist, den wir auch beantragt haben und den wir unterstützen, dass nämlich Vertreter aller Fraktionen bei diesem Gespräch dabei sein sollen. Es ist mir nicht erklärlich, Herr Staatsminister, warum diese Forderung abgelehnt wird, denn bei vielen anderen Gelegenheiten legen Sie immer besonderen Wert darauf, dass die Fraktionen rechtzeitig informiert werden.

Wir werden den Gesetzentwurf der Staatsregierung ablehnen, nicht allein aus dem zitierten Grund der Beteiligung, sondern auch, weil sich die Staatsregierung zu wenig Mühe gegeben hat, den Anforderungen des Verfassungsgerichtsurteils nachzukommen.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Ich bin mir jetzt fast sicher - ich sage "fast", weil man von den Gerichten nie weiß, ob sie nicht doch noch ihre Meinung ändern -, dass die Verfassungsbeschwerden, die von verschiedenen Körperschaften gegen dieses neue Gesetz bereits angekündigt sind, dann, wenn Sie bei ihrer Meinung bleiben, erfolgreich sein werden.

Dem Gesetzentwurf der SPD stimmen wir zu, auch wenn wir die Vorwegfestlegung der Erhöhung der Anteilsmasse am Steuerverbund für etwas problematisch halten, aber der Finanzausgleich wird ohnehin jedes Jahr neu verhandelt und man kann immer flexibel reagieren. Natürlich sind auch wir Freie Wähler absolut dafür. Wir haben entsprechende Anträge beim letzten Haushalt gestellt und sehen nun, was im Nachtragshaushalt zu finden ist. Es gab da schon eine zwölfprozentige Anhebung. Wir werden auch hierzu Anträge stellen, denn wir wollen, dass der Anteil der Kommunen an der Verbundmasse erhöht wird.

Meine Damen und Herren, damit bin ich am Ende meiner Rede und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank, Herr Pointner. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort nun Frau Christine Kamm. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf - das vorweg gesagt - wurde von der Staatsregierung nicht vorgelegt, weil sie etwas Positives tun wollte für die bayerischen Kommunen oder weil sie die Finanzausstattung für die bayerischen Kommunen zukünftig verbessern wollte oder für mehr Transparenz sorgen wollte, sondern ausschließlich deswegen, weil sie durch das bayerische Verfassungsgericht dazu gezwungen wurde.

Bereits im Herbst 2005 haben 30 Landkreise, 4 kreis freie Städte und 232 Gemeinden eine Popularklage erhoben. Sie waren der Auffassung, dass die Finanzausstattung der Kommunen einem Erosionsprozess ausgesetzt sei, der sich durch schwindende Einnahmen auf der einen Seite und durch steigende Ausgaben vor allen Dingen im Bereich der Jugend- und Sozialhilfe auf der anderen Seite ergibt.

Sie bemerkten schon damals, dass sich der Freistaat und der Bund nicht ausreichend an den Aufgaben der Bezirke, insbesondere bei der Eingliederungshilfe, beteiligten.

Herr Bezirkstagspräsident Bartsch, Sie werden es nicht schaffen, die Behindertenrechtskonvention ohne eine bessere Finanzausstattung der Bezirke angemessen umzusetzen. Hier müssen wir alle mehr tun. Hier kön

nen wir die kommunale Ebene und die Bezirke nicht alleine lassen.

Die Kommunen, die damals geklagt haben, waren der Meinung, dass ihrer kommunalen Selbstverwaltung der Boden entzogen ist, dass der Freistaat hier das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Kommunen verletzt und dass die Praxis, den Finanzausgleich zwischen dem Finanzministerium und den kommunalen Spitzenverbänden frei auszuhandeln, nicht in Ordnung sei.

Bereits im November 2007, also vor über zwei Jahren, hat das Verfassungsgericht den Gemeinden zumindest insofern recht gegeben, als es das Verfahren des Finanzausgleichs kritisiert hat. Es hat gesagt, dies sei nicht verfassungskonform. Zu der Finanzausstattung der Kommunen wollte es sich allerdings nicht äußern,

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Das geht die auch nichts an!)

weil es gesagt hat, diese Frage sei politisch zu lösen. Aber das Gericht hat dem Freistaat aufgegeben, für ein transparentes Finanzausgleichsverfahren zu sorgen.

Jetzt hätte man natürlich vermuten können, dass der Freistaat sofort daran geht, diesen Makel der Verfassungswidrigkeit seines Finanzausgleichs zu heilen. Dem war nicht so. Der Freistaat hat bis zum allerletzten Moment gewartet und hat dann praktisch erst im November einen Gesetzentwurf vorgelegt, der weder im Landtag noch draußen bei den Spitzenverbänden ausreichend diskutiert werden konnte.

Dieser Gesetzentwurf ist unserer Auffassung nach nicht verfassungskonform und wurde unter großem Zeitdruck vorgelegt, um letztendlich zu erreichen, dass er durchs Parlament irgendwie durchgeht. Wenn man sich daran erinnert, was heute früh beim Wassergesetz diskutiert wurde, könnte man meinen, dass es fast eine Strategie der Bayerischen Staatsregierung sein könnte, umstrittene Gesetzentwürfe zum spätestmöglichen Zeitpunkt vorzulegen, damit man sie irgendwie gerade noch durchbekommt. Das ist eigentlich eine Missachtung des Parlaments

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den Freien Wählern)

und eine Missachtung der Bürgerinnen und Bürger in Bayern, die den Anspruch haben, dass hier ordentliche Arbeit geleistet werden kann.

Die Oppositionsfraktionen haben dennoch unter großem Zeitdruck Änderungsbedarf, Änderungswünsche, Änderungsanträge eingebracht, die aber leider von CSU und FDP unisono abgelehnt wurden. Ich kann

überhaupt nicht nachvollziehen, warum verschiedene Verbesserungsvorschläge abgelehnt wurden, beispielsweise die Öffnung des Gesprächs mit den kommunalen Spitzenverbänden zur Erörterung des Finanzbedarfs der Kommunen. Dort soll seit Neuestem der Vorsitzende des Haushaltsausschusses zugegen sein, aber ansonsten soll alles so bleiben, wie es ist.

Besonders absurd war es im Fachausschuss, als begründet wurde, warum dort keine Vertreter der Fraktionen zugelassen werden sollen. Es wurde gesagt, dies sei ein internes Gespräch der Staatsregierung. Ich frage mich, ob Ihrer Meinung nach der Haushaltsausschussvorsitzende des Bayerischen Landtags auf einmal Mitglied der Bayerischen Staatsregierung ist.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof fordert klipp und klar ein transparentes Verfahren. Das ist hier nicht gegeben. Sie wollen es im Wesentlichen so belassen, wie es ist. Insofern widerspricht Ihr Gesetzentwurf der Bayerischen Verfassung, die sich ganz klar hinter die kommunale Selbstverwaltung stellt und sie schützen will. Die bisherige Praxis im kommunalen Finanzausgleich ist mit der Bayerischen Verfassung nicht vereinbar.

Der einzige Vorteil, den wir erreicht haben, ist, dass wir einige Finanzdaten bekommen, einige Statistiken. Es wäre schön, wenn wir nicht nur irgendwelche Durchschnittsstatistiken bekämen, die im Jahr 2008 enden, einem Haushaltsjahr, das für die bayerischen Kommunen so gut war, dass sie ein solches sicher ganz viele Jahre nicht wieder erleben werden, und zwar nicht wegen der Finanzkrise, die zunehmend eine Fiskalkrise wird, sondern deswegen, weil die Kommunen mittlerweile auf Bundesebene über das Konjunkturgesetz I und II, das sogenannte Bürgerentlastungsgesetz, und über weitere Gesetze, die Sie demnächst erlassen wollen, außerordentlich belastet werden.

Sie werden durch das, was Sie am 18. Dezember vor haben, sogar im Verhältnis zu ihren Steuereinnahmen noch überproportional belastet. Das führt dazu, dass nahezu die Hälfte der Steuermindereinnahmen von 1,7 Milliarden Euro, die die bayerischen Kommunen im kommenden Jahr zu tragen haben, auf Steuerrechtsänderungen, die Sie zu verantworten haben, zurückzuführen ist.

Die Statistiken, die wir bekommen haben, reichen uns bei Weitem nicht. Es reicht nicht, dass die bayerischen Kommunen im Durchschnitt gerade noch so viele Einnahmen haben, dass sie ihre Pflichtaufgaben bewältigen können. Wir wollen eine differenziertere Analyse. Wir wollen diese Statistik zumindest nach Größenklas

sen und auch differenziert nach Kommunen, die in Regionen liegen, die prosperieren, sowie nach Kommunen, die in Regionen liegen, die im wirtschaftlichen Strukturwandel bleiben. Es ist erforderlich, dass die Kommunen nicht nur im Durchschnitt ihre Aufgaben bewältigen können, sondern sie müssen es in allen Regionen Bayerns tun können.

Besonders wichtig wäre es aber auch für die Staatsregierung, ihre Analyse nicht im Jahr 2008 enden zu lassen, wenn es um den Finanzausgleich 2010 geht, sondern auch darüber nachzudenken: Was passiert im Jahr 2010 mit den bayerischen Kommunen? Wie wirken sich die Bundesgesetzesänderungen und wie wirkt sich die Landespolitik auf die Finanzen der bayerischen Kommunen aus? Nachdem das von Ihrer Seite nicht geschehen ist, habe ich eine schriftliche Anfrage gestellt. Diese Anfrage konnte noch nicht beantwortet werden. Stattdessen habe ich einen Brief bekommen, dass ich am 10. Februar mit der Antwort rechnen könne. Am 10. Februar also kann beantwortet werden, wie sich die entsprechenden Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene, Hartz IV usw., auf die Kommunen auswir ken.

(Thomas Kreuzer (CSU): Rechnen Sie es doch selber aus, Frau Kollegin, wenn es so einfach ist!)

- Ein Abgeordneter kann doch hoffentlich eine Anfrage stellen und hat das Recht, sie von der Staatsregierung beantwortet zu bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Außerdem erwarte ich, Herr Kollege Kreuzer, dass Sie sich gefälligst diese Gedanken machen. Das ist ja der eigentliche Grund dieser Anfrage.

(Beifall bei den GRÜNEN, Abgeordneten der SPD und der Freien Wähler)

Sie können doch hier nicht einen Finanzausgleich verabschieden und dazu grinsen, ohne sich irgendwelche Gedanken darüber machen, welche Belastungen auf die bayerischen Kommunen zukommen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Wir sind im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden!)

- Das Einvernehmen mit den Spitzenverbänden genügt eben nicht. Das hat auch der Verfassungsgerichtshof gesagt.

(Thomas Kreuzer (CSU): Ihnen genügt es nicht!)