Protocol of the Session on November 26, 2009

Wir beginnen hier mit einer Debatte über diese Probleme. Bei den Regierungsfraktionen sehe ich aber nur sieben Mitglieder der CSU und ein Mitglied der FDP sowie den Minister. Sagen wir also, es sind zwei bei der FDP.

(Gertraud Goderbauer (CSU): Und bei Ihnen? Thomas Kreuzer (CSU): Wie viele sind es bei Ihnen?)

Das ist bei dieser Diskussion eine Schande. Das sollten wir auch so den Studenten sagen.

(Beifall bei den Freien Wählern - Gertraud Goder- bauer (CSU): Wo sind Ihre Leute bei Ihrem Antrag?)

- Zählen wir es einmal durch. Wir sind fünf. Wir sind fünf gegenüber sieben bzw. jetzt sechs bei der CSU.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das ist eine Minderheit!)

- Das ist eine Minderheit, aber eine wesentlich beachtlichere. Sie sind an der Regierung. Sie müssen handeln und etwas tun. Die Studentenproteste richten sich gegen das, was in den letzten zehn Jahren stattgefunden hat.

Zehn Jahre Bologna wäre eigentlich ein Grund zu feiern. Nach dem, was in den letzten Jahren passiert ist, ist es aber kein Grund zum Feiern. Die Studierenden haben Ihnen die Geburtstagskerzen gründlich ausgeblasen. Sie haben auch allen Grund dazu.

Ich will ganz kurz die Problembeschreibung und die Analyse wiederholen. Was ist denn in den letzten zehn Jahren passiert? Vor zehn Jahren hatten wir Bologna. Die Ziele waren richtig, sie wurden aber falsch verwirklicht. Eine gegenseitige Anerkennung, schnellere erste Studienabschlüsse und eine internationalere Ausbildung sind richtige Ziele. Die Verwirklichung ist jedoch schlecht. Man hat gesehen, dass die Länderregierungen, auch die frühere CSU-Regierung, überfordert sind. Es gibt bis heute keine Konzeption.

Ein zweiter Punkt ist Stoibers Streichorgie von 2003. Das Gespenst holt Sie ein. Mich erinnert es ein wenig an Don Giovanni. Der politisch Untote taucht wie der Komtur als steinerner Gast immer wieder auf und erinnert Sie jedes Mal an das, was in den letzten Jahren passiert ist. In dem Moment, in dem wir die große Herausforderung des Bologna-Prozesses über die Bühne bringen müssen, kürzen Sie die Mittel für die Hochschulen. Eine solche kontraproduktive Politik zahlt sich einfach nicht aus.

Ein dritter Punkt, daran ist aber nicht die Staatsregierung schuld. Der Ansatz ist sehr gut. Im Jahr 2005 haben wir von Frau Schavan eine Exzellenzeninitiative bekommen. Wir haben es heute Morgen schon gehört, der Schwerpunkt dieser Initiative lag zu sehr auf der Forschung. Das ist sicherlich richtig, damit entsteht aber in der Hochschulpolitik ein strukturelles Vakuum. Die Lehre wurde vernachlässigt. Die Forschung wurde gestärkt. Die Finanzierung war ein Desaster, die Konzeption war nicht klar. Das spüren natürlich die Studierenden. Sie lassen es Sie inzwischen auch spüren. Sie revanchieren sich für das, was passiert ist. Deshalb ist es an der Zeit, zu agieren, zu handeln. Deshalb haben wir auch den Dringlichkeitsantrag gestellt. Sie merken es selber, dass die Probleme nicht zu übersehen sind, und deswegen haben Sie einen Dringlichkeitsantrag nachgezogen.

(Widerspruch des Abgeordneten Bernd Sibler (CSU))

Andererseits ist den Freien Wählern dieser Antrag zu dünn. Ich glaube, dass die Aussage in der Überschrift "Qualität vor Zeit!" den Studierenden wieder die Wut in das Gesicht treiben wird. Nach zehn Jahren "Qualität vor Zeit" zu schreiben, spottet den Protesten der Studierenden. Jetzt muss qualitätvoll und schnell gehandelt werden.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Den einzelnen Unterpunkten kann grundsätzlich zugestimmt werden. Andererseits wiederholt sich immer wieder die Verantwortung der Hochschule. Richtig ist, dass die Hochschulen einiges tun müssen. Aber erst einmal - das ist die Zielrichtung unseres Dringlichkeitsantrags - müssen das Parlament und die Staatsregierung die Leitlinien ausgeben, wohin die Hochschulpolitik führen soll. Das ist die Aufgabe der Politik. Es wäre nötig gewesen deutlich zu machen, in welche Richtung es geht. Es reicht nicht, den Studierenden zu sagen, man habe Verständnis für ihr Anliegen. Das ist ein erster Schritt. Es muss gehandelt werden.

Wir haben unsere klaren Vorstellungen deutlich gemacht. Ich will die Forderungen nicht im Einzelnen aufzählen. Ich will nur ein Beispiel erwähnen: Wir haben die Verpflichtung, den Bologna-Prozess innerhalb von zehn Jahren, die bis 2010 abgelaufen sind, nach Möglichkeit für alle Studiengänge umzustellen. Die großen, publikumswirksamen, studentenintensiven Studiengänge - die Lehrerbildung, die Rechtswissenschaft, die Medizin - sind bis heute in Bayern nicht umgestellt. Es gibt noch kein Konzept, wie man es tun will. Nun muss endlich entschieden und gehandelt werden. Wir fordern den Minister auf zu sagen, ob umgestellt wird oder ob nicht umgestellt wird. Zu Letzterem muss man klar sagen, dass man beim Staatsexamen bleiben wolle, weil Bachelor und Master nicht geeignet seien. Das muss schnell geschehen.

Wir wollen Maßnahmen zur finanziellen Stärkung. Wir wollen, dass schnell über die Stipendien entschieden wird. Ich sage deutlich: Es reicht nicht nur, die 10 % Besten zu fördern. Das ist nicht Sinn der Sache. Vielmehr muss ein neues Stipendiensystem vorgebracht werden.

Wir freuen uns über die Gemeinsamkeit, dass alle Fraktionen den Bedarf sehen. Ich sage auch deutlich, dass der Antrag der SPD beinahe zu milde ausgefallen ist. Man hätte durchaus drauflegen können. Aber die Freien Wähler werden zustimmen. Wir werden auch dem Antrag der GRÜNEN zustimmen.

Wir werden weiterhin drei Schritte fordern, die unbedingt getan werden müssen: Ein klares Konzept, wie der Bologna-Prozess umgesetzt werden muss - weniger Stoff, mehr Internationalität - und ein Konzept, wie alle Fächer behandelt werden. Wir fordern eine bessere Finanzierung. Insgesamt 10 % des Bruttoinlandsprodukts soll in die Bildung gesteckt werden. Ich sage ganz deutlich, dass wir auch die Abschaffung der Studienbeiträge fordern; denn sie sind unsozial. Die Kollegen in Hessen und im Saarland haben mit FDP und CDU vorgemacht, dass das geht. Wir fordern außerdem, dass die Strukturen der Hochschulen und der Fachhochschulen verändert werden, insbesondere - das kam heute in der vormittäglichen Debatte - soll der Mittelbau gestärkt werden in Richtung verbesserte Lehre.

Diesen Forderungskatalog geben wir Ihnen mit auf den Weg. Wir bemerken, Herr Minister, dass Sie guten Willens sind, und hoffen, dass die Anregungen bei Ihnen und den Regierungsfraktionen auf fruchtbaren Boden fallen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Für die CSU: Kollege Sibler, bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Hochschultage im Bayerischen Landtag, ein Vormittag mit einer Interpellation zur Forschung, und nun diskutieren wir wegen der Proteste der Studierenden über die Fragestellung, wie damit umzugehen ist.

Ich habe eine Bitte in Bezug auf die Proteste. Wichtig ist, dass man sich artikuliert und einbringt. Bisher ist es gut gelungen, dass diejenigen, die studieren möchten, dies auch weiter tun können. Ich möchte das ausdrücklich zur Sprache gebracht haben, weil sich einige nicht beteiligen, die regulär studieren wollen. Das trübt nicht die Qualität der Proteste. Dass diese in einem guten Rahmen abgelaufen sind, spricht für eine gute politische Kultur.

Das Vorliegen der Dringlichkeitsanträge aller Fraktionen macht deutlich, dass man, zwar mit unterschiedlichem Zungenschlag und unterschiedlichem Akzent, die Dinge ernst nimmt und aufgreift. Auch das ist ein gutes Signal.

Herr Dr. Piazolo, mit Ihrer Bemerkung zur konzeptionellen Überforderung der Bayerischen Staatsregierung greifen Sie daneben; denn wenn das so wäre, müsste nur in Bayern protestiert werden. Die Proteste hängen mit ein paar anderen Dingen zusammen. Man muss sich die Strukturen auf Bundesebene ansehen.

Die Anträge sind ein klares Signal, dass sowohl die Kultusministerkonferenz und vor allem auch die Akkre

ditierungsagenturen, die viel mit der Umsetzung der konkreten Vorgaben zu tun haben, zum Handeln aufgefordert werden.

Die Aussage "Qualität vor Zeit!" macht den Kernpunkt deutlich. Gemeint ist die Verschulung der BachelorStudiengänge bezüglich der zeitlichen Flexibilisierung. Das ist der Hintergrund der Formulierung. Das ist kein Schlag ins Gesicht der Studierenden. Wir nehmen den zentralen Punkt der Proteste auf.

Nun zur Differenzierung zwischen Universitäten und Fachhochschulen: Bei den Fachhochschulen gibt es bereits sechs Semester Theorie plus ein Semester Praxis. Deshalb klappt die Umstellung bei den Fachhochschulen besser als bei den Universitäten. Das erklärt die unterschiedliche Zahl der Proteste an Universitäten und Fachhochschulen.

Notwendig ist, den unumkehrbaren Weg des BolognaProzesses wesentlich besser als bisher zu gestalten. Das ist die Kernaussage des gesamten Hohen Hauses. Die Umkehr des Prozesses wird weder ernsthaft von irgendjemandem gefordert, noch wäre sie realistisch und umsetzbar. Vielmehr würde die Umkehr zu noch größeren Verwerfungen und Verwirrungen an den Hochschulen führen.

Der Antrag der CSU beinhaltet ähnlich wie der der SPD die zentralen Forderungen der Studierenden, nämlich die grundlegende Überarbeitung und Erneuerung der Curricula, wo dies noch nicht geschehen ist. Das ist der Grund, weshalb man viele Dinge an die Hochschulen zurückspielen muss. Bei der Länge des Bachelor-Studienganges wurde der zentrale Punkt der Proteste aufgegriffen. Hier sind auch die verschiedenen Fächerkulturen zu nennen. Das gilt auch für die berufsqualifizierenden Voraussetzungen des BachelorAbschlusses. Man muss einfach sehen, dass sie bei den Geisteswissenschaften anders strukturiert sind als bei den technischen Studiengängen. Dort haben wir die notwendige Differenzierung eingebracht.

Der eigentlich wichtigste Punkt ist für mich die Mobilität der Studierenden, und hier ist Bologna eine Bankrotterklärung. Der große Ansatz des Bologna-Prozesses war es, mehr Durchlässigkeit zu schaffen, damit die Studierenden ins Ausland gehen können. Jetzt ist es aber so, dass man sogar zwischen den deutschen und den bayerischen Universitäten schlechter als vorher wechseln kann. Geht ein Studierender ins Ausland, wechselt ein Studierender die Universität, muss er vorher wissen, ob die an der anderen Hochschule erzielten Leistungen auch an seiner Stammhochschule anerkannt werden. Die Anerkennung würde vieles in dem ganzen Prozess erleichtern. Ich bedanke mich bei den Universitäten und den Fachhochschulen, die sich in

dieser Frage schon auf den Weg gemacht haben, damit die Situation wieder besser wird. Sie mögen Vorbild für alle anderen sein.

Zum Prüfungsdruck: In dieser Frage geht es um die einzelnen Prüfungskulturen und um die Formen der Prüfungen. Ich denke, in dieser Frage sind wir wirklich alle gefordert. Deshalb wollen wir als Landtag die Möglichkeiten, die der Bologna-Prozess bietet, deutlich formuliert haben. Selbstverständlich ist es wichtig, dass die Betreuung und die Beratung der Studierenden angesichts der neuen Strukturen verbessert und weiter intensiviert werden. Für mich persönlich ist dabei wichtig, und hier will ich betonen, was Sie heute Vormittag schon angesprochen haben, dass die Zusagen der Bundesregierung hinsichtlich des BAföG und der Stipendien eingehalten werden. Hier können wir auch Akzente setzen. Es wird immer wieder die finanzielle Ausstattung kritisiert. Wir haben ein Ausbauprogramm: Wir wollen das Personal um 3.000 Stellen erhöhen und wir werden bis zum Jahr 2018 vier Milliarden Euro in den Haushalt einstellen. Es sind mehrere Millionen Euro in Bau und Planung geflossen. Es gibt keine Universität oder Fachhochschule, an der keine Kräne stehen, weil bereits gebaut wird, weil unsere Vorgaben in die Tat umgesetzt werden. Meine Damen und Herren, dies ist ein ganz zentraler Punkt, und hier kommen die Bayerische Staatsregierung und der Bayerische Landtag ihrer Verantwortung nach. Das will ich noch einmal ganz deutlich gesagt haben.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Frage der Studienbeiträge unterscheiden wir uns natürlich. Ich will hier aber noch einmal den Präsidenten der Universität Regensburg zitieren, der Folgendes bei unserer Klausurtagung in der vergangenen Woche deutlich gemacht hat. Es geht eine Qualitätsschere auf, und sie geht auch zugunsten Bayerns auf. Es ist nun einmal so: Wir stellen fest, es kommen mehr Studierende nach Bayern als von Bayern abwandern. Das relativiert auch die Kritik der Opposition im Hinblick auf die Sozialverträglichkeit der Studienbeiträge. Das möchte ich noch einmal dick unterstreichen.

Frau Gote hat heute Vormittag gesagt, wir seien der Drittbeste unter den Schlechten. Ich möchte Sie doch bitten, sich an die eigene Nase zu fassen. Es gab eine Zeit, in der die GRÜNEN in Regierungsverantwortung standen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Sind wir in Bayern in der Regierungsverantwortung gestanden? Das wäre doch sehr schön!)

- Nein, ich meine in den anderen Bundesländern. Sie haben doch gesagt, Baden-Württemberg sei vorne und

auch das Saarland. Dort gibt es inzwischen übrigens eine wirklich interessante Regierungskoalition. Ich konnte aber beispielsweise im Hinblick auf NordrheinWestfalen nicht feststellen, dass sich die Situation an den Universitäten und Fachhochschule unter Rot-Grün dramatisch verbessert hätte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zum Abstimmungsverhalten: Wir werden dem Antrag der SPD zustimmen, weil wir viele Gemeinsamkeiten entdecken. Den Antrag der Freien Wähler werden wir ablehnen, weil er zu unklar und in vielen Punkten zu schwammig ist. Was die GRÜNEN anbelangt, so weiß man bei diesem Antrag nie so recht, von welchem Land eigentlich die Rede ist. Wenn man die Grundsituation, die in diesem Antrag beschrieben wird mit dem vergleicht, was draußen tatsächlich los ist, dann kann jedes Bundesland gemeint sein, aber ganz sicher nicht der Freistaat Bayern. Ich hoffe, dass Sie unseren Antrag von CSU und FDP unterstützen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Frau Kollegin Zacharias äußert sich für die SPD. Bitte sehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein werter Herr Präsident und mein noch werterer Wissenschaftsminister, lieber Wolfgang Heubisch!

(Beifall eines Abgeordneten der FDP - Unruhe bei der SPD und den GRÜNEN)

Heute leisten wir uns etwas, und ohne noch einmal in das Horn von Herrn Dr. Piazolo stoßen zu wollen, stelle ich doch fest: die Straße draußen bebt. An dieser Stelle möchte ich hinterfragen, wie ernst es uns ist, was Studierende, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Elternvertreter, Professorinnen und Professoren draußen artikulieren. Hier zeigt sich das gerade. Wir, die Opposition, sind gut vertreten, aber die Regierungspartei ist hier nur spärlich vertreten. Schämt Euch!

(Beifall bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN - Bernd Sibler (CSU): Da drüben gibt es aber auch große Lücken!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eines möchte ich noch zu unseren Dringlichkeitsanträgen sagen, und dabei freut es mich, Herr Kollege Sibler, dass ich etwas aufzeigen kann. Die Studierenden sind Dir und mir sehr wichtig. Hier zeigt sich, SPD und CSU haben erkannt, dass wir eine Gesamtverantwortung haben. Es geht nicht darum, Anträge zu stellen, gegen die dann doch immer gestimmt wird. Ich bin stolz darauf, dass wir das heute schaffen. Lieber Wolfgang Heubisch, die Maßnahmen, die in unserem Dringlichkeitsantrag stehen,

müssen zeitnah umgesetzt werden. Sie dürfen nicht erst im nächsten Jahr durch Konzepte oder Laberei angegangen werden. Ich möchte, dass Sie und wir, dass wir gemeinsam mit den Studierenden und mit den Experten und Expertinnen vor Ort unsere Anträge zeitnah verwirklichen. Wir müssen den Studierenden zeigen, dass wir sie ernst nehmen, dass wir ihnen zuhören.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)