Protocol of the Session on October 22, 2009

Das Umweltbundesamt hat letzte Woche noch einmal deutlich nachgelegt und darauf hingewiesen, dass die Verlängerung der Laufzeiten der alten AKW auch dazu führt, dass die Wirkung des Emissionshandels, die eh schon relativ gering anzusetzen ist, noch weiter untergraben wird und man davon ausgehen kann - die Emissionsrechte wurden nach dem damals gültigen Atomausstiegsgesetz vergeben -, dass diese AKW eines Tages vom Netz gehen und eine Laufzeitverlängerung die CO2-Zertifikatpreise endgültig in den Keller drängt. Das muss man einmal ganz ehrlich sagen; sie sind jetzt schon eh relativ weit unten.

Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz hat darauf hingewiesen, dass auch die Suche nach einem

geeigneten Endlager für hoch radioaktive Abfälle und abgebrannte Brennelemente ungleich schwerer werden würde, wenn die Atommüllproduktion nicht zeitlich befristet wird und die einzulagernde Menge nicht absehbar ist. Das ist doch genau das Problem, vor dem wir jetzt stehen: Wir wissen nicht mehr, wie viel noch hinzukommt, sollen aber schon ein optimales Endlager suchen.

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen hat in diesem Sommer ein Papier veröffentlicht mit dem Titel: "Weichenstellung für eine nachhaltige Stromversorgung". Selbst in diesem Papier heißt es wörtlich: "Hohe Anteile von Grundlastkraftwerken sind mit dem Ausbau erneuerbarer Energien nicht vereinbar." Grundlastkraftwerke sind Atomkraftwerke, das steht außer Zweifel. - Das also steht im Papier des Sachverständigenrates der Bundesregierung für Umweltfragen.

Der Präsident des Bundeskartellamtes hat sich ganz aktuell - ich glaube, es war vorgestern - im "Handelsblatt" zu dem Thema zu Wort gemeldet. Ich zitiere hier eine ddp-Meldung: "Wenn die Laufzeiten verlängert werden, wird die hohe Verdichtung der Erzeugungskapazitäten zementiert." Das sagt der Kartellamtspräsident Bernhard Heitzer. Gleichzeitig würde unabhängigen Energieerzeugern "der Boden unter den Füßen weggezogen".

Jetzt wende ich mich vor allem an die Kollegen der FDP: Wir sind uns doch alle einig, dass die Monopolstruktur aufgebrochen werden muss, aber mit den längeren Laufzeiten der großen AKW zementieren wir doch eigentlich die Monopolstruktur und sind damit auf dem falschen Weg. Da ist einmal das Sicherheitsrisiko. Wir haben die gewaltige Blockade der erneuerbaren Energien, die das mit sich bringt, und das Monopol der großen Versorger wird nicht gebrochen - was eigentlich immer Ziel der FDP war, soweit ich das den Wahlprogrammen entnehmen konnte.

(Zuruf des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Die einzigen, die durch die Laufzeitverlängerung wirklich gewinnen und einen Vorteil haben, sind die vier großen Konzerne. Sie haben einen Vorteil, ohne Zweifel. Aber ich glaube, Politik ist doch dem Gemeinwohl verpflichtet und nicht dem Wohl der vier großen Konzerne. Das ist, glaube ich, ganz deutlich.

(Widerspruch bei der CSU)

In diesem Sinne bitte ich Sie, zu überlegen, ob man nicht an dem alten Atomkonsens festhalten sollte. Es war ja ein Konsens. Wenn man an ihm festhielte, wäre das allemal besser als ein Rückfall in die Neunziger

jahre. Vielleicht kann man Sie in diesem Falle nicht belehren, aber eines ist sicher: Die Debatten werden Sie sicher nicht los - sicher nicht hier im Parlament, sicher nicht in den Medien, sicher nicht in den Verbänden und sicher auch nicht auf der Straße vor den AKW.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Hartmann. - Für die SPD hat Herr Wörner das Wort. Bitte.

(Thomas Kreuzer (CSU): Jetzt geht das wieder los!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich nahtlos an den Vorredner anschließen.

(Erwin Huber (CSU): Einfach nur darauf Bezug nehmen!)

- Das würde Ihnen so gefallen, Herr Huber; Sie haben es mit eingebrockt! Sie sind dabei, an Ihre eigene Heimat in Niederbayern in dieser Frage Hand anzulegen.

Kolleginnen und Kollegen, wir haben deshalb einen eigenen Antrag eingebracht, weil wir noch einmal verfestigen und der Bevölkerung, den Menschen deutlich machen wollen, was Sie vorhaben: Sie wollen einen Konsens, den diese Gesellschaft geschlossen hat, aufkündigen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Mit 15 % kann man, glaube ich, nicht den Anspruch erheben, zu sagen: Wir haben den Auftrag, das anders zu machen.

(Zuruf von der CSU)

- Da würde ich vorsichtig sein.

Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass es in Bayern schon einmal einen Aufstand gegen eine Wiederaufbereitungsanlage gegeben hat, und ich befürchte, Sie sind auf einem guten Weg, das wieder zu inszenieren.

(Zuruf von der CSU)

Wir könnten uns und der Bevölkerung das auch sparen, indem wir uns an das halten, was in der Politik wieder dringend geboten wäre, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass ein einmal eingeschlagener Weg nicht im Zickzack endet, wie Sie es und der Ministerpräsident permanent machen, sondern dass Kontinuität herrscht.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD) - Zuruf von der CSU: Ha, ha, ha!)

Wir brauchen für Investitionen gerade in erneuerbare Energien Kontinuität und keine Zurufpolitik: heute so, morgen so.

Gerade bei den erneuerbaren Energien versuchen Sie jetzt zu sagen: Bei Photovoltaik könnten wir die bisher gewährten Fördermittel kürzen, weil Voltaikanlagen billiger geworden seien. Das beweist offensichtlich, dass Ihre Ahnung in solchen Fällen nicht sehr groß ist. Der derzeitige Preisverfall bei Voltaikanlagen ist, wie Insider wissen, der Politikänderung in Spanien geschuldet sonst gar nichts. Sobald sich das wieder ändert, erholt sich dieser Markt, und dann sind wir wieder bei den alten Preisen. Aber dann haben Sie mehr oder weniger die Förderung reduziert und richten damit Schaden an - auch bei den Landwirten.

Es wundert mich ganz besonders, dass die Lobby der Landwirte da nicht aufschreit, wenn Sie an die Förderung der Voltaik Hand anlegen. Die Landwirte haben nämlich erkannt, dass das ihr zweites Standbein ist. Gerade in Niederbayern, Herr Huber, haben das die Landwirte erkannt. Denen nehmen Sie jetzt Teile der Förderung weg und wundern sich dann, wenn sie nicht mehr wissen, was sie machen sollen. Jetzt sagen Sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion: Subventionen sind das ist eher FDP-Sache - des Teufels; es muss ja nicht immer stimmen, wenn man so etwas behauptet; manchmal ist es richtig. - Wir haben doch das Gesetz so angelegt mit dieser Gleitklausel, mit der Abschmelzung. Das reicht völlig aus, meine Damen und Herren, daran muss man nicht erneut etwas basteln und drehen, weil das viel zu gefährlich ist und die Zukunft derer, die diese Anlagen bauen wollen - das ist die bayerische Bevölkerung, nicht viele Investoren -, verbaut, wenn Sie daran Hand anlegen und eine Verunsicherung herbeiführen, die bereits heute, so sagen uns Installateure, spürbar wird. Denn jeder sagt: Jetzt warten wir erst einmal, was da passiert! - Ich würde auch nicht investieren, wenn ich nicht weiß, wie es weitergeht.

Damit schaden Sie dieser Idee, aber auch der Bevölkerung,

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

die bereit war, unsere Idee - nämlich umzusteigen mitzutragen.

Ein Weiteres. Ich habe es heute schon einmal gesagt: Sie reden von Brückentechnologie. Ich sage es Ihnen noch einmal: Sie bauen die Brücke am Ende in den Sand. Sie wissen, dass Sie jede Menge Plutonium, plutoniumfähiges Material anhäufen. Das nimmt zu, es

wird nicht weniger in den Jahren, in denen Sie Laufzeitverlängerungen haben wollen, sondern dieser Dreck nimmt zu.

Sie haben neulich herrlich über die Zukunft geredet, die Jugend und die Verantwortung. Das sage ich Ihnen: Das wird schwierig, wenn Sie diesen Weg beschreiten. Sie häufen ja mehr von dem Dreck an. Wie wollen Sie das denen gegenüber rechtfertigen, von denen Sie sagen, Sie vertreten sie?

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Da müssen Sie sich etwas anderes überlegen oder den Kurs, der derzeit im Bund eingeschlagen wird, verändern.

Deswegen unser Antrag "Bayern braucht mehr Sonne statt Radioaktivität". Wir sind der Meinung, es ist notwendig, dass man an dem beschlossenen gesellschaftspolitischen Konsens letztendlich festhält und nicht versucht, ihn aufzuweichen. Wir halten es für notwendig, die heute bereits bestehende EEG-Degression in der Form fortzuführen, in der sie festgeschrieben ist, und nichts Neues zu erfinden und damit zu verunsichern, einen wesentlichen, starken, wachstumsorientierten Wirtschaftszweig in seinem Wachstum zu stören. Nein, wir müssen das weiterhin fördern.

Wir wollen aus dieser Atomtechnologie heraus. Entgegen den Aussagen von Minister Zeil haben wir als SPD sehr wohl ein Szenario vorgelegt. Sie müssten sich vielleicht einmal die Mühe machen und in den Papieren aus der Vergangenheit suchen, in denen wir Ausstiegsszenarien beschrieben haben. Die gibt es sehr wohl - entgegen Ihrer Meinung. Dort steht, wie es geht. Das war auf die Ziele des Ausstiegsszenarios abgestimmt, und deswegen halten wir es für notwendig, daran festzuhalten. Wir halten nichts von der Panikmache, die Lichter gingen aus. Meine Damen und Herren, wir haben zu viel Strom.

Im Übrigen darf ich Ihnen eines sagen, Herr Minister Zeil. Ihre Aussage, wir können die Stromschwankungen nicht ausgleichen trifft nicht zu. Das können Sie mit Kernkraftwerken überhaupt nicht, weil Kernkraftwerke auf Schwankungen viel zu träge reagieren. Da brauchen Sie Spitzenleistung und nicht Trägheitsleistung, wie Sie es heute Morgen beschrieben haben.

Stimmen Sie unserem Antrag zu, wir stimmen dem Antrag der GRÜNEN auch zu.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern - Hu- bert Aiwanger (FW): Ihr stimmt hoffentlich auch dem Antrag der Freien Wähler zu!)

Vielen Dank, Herr Wörner. Für die Freien Wähler spricht Herr Dr. Fahn. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wir von den Freien Wählern wollen raus aus der Atomenergie. Ich stimme meinen beiden Vorrednern zu. Wir wollen auch, dass der mühsam ausgehandelte Atomkompromiss beibehalten und nicht wieder aufgetrennt wird. Wir wollen das auch deshalb, weil wir wissen, dass der größere Teil der Bevölkerung dies auch so sieht. Herr Hartmann hat schon angesprochen, dass sehr viele Interessengruppen in unserem Lande das ähnlich sehen.

In dem Kompromiss steht, dass die Laufzeit von AKW auf 32 Jahre befristet wird. Das erste AKW soll 2011, das letzte rechnerisch 2022 abgeschaltet werden. Das ist noch sehr viel Zeit, in der wir mit Atomenergie leben müssen.

Es gibt in den letzten Wochen und Monaten sehr viele Umfragen; 60 bis 70 % der Bevölkerung je nach Umfrage befürworten diesen Ausstieg und die Beibehaltung dieses Kompromisses. Jeder weiß, dass die Atomenergie ein Risikofaktor ist. Wir sollten durch das Energieeinspeisungsgesetz weiterhin Vorreiter im Sektor regenerative Energien sein. Es wurde schon erwähnt, dass eben keine Versorgungslücke eintreten würde. Wir haben durch diesen Kompromiss einen berechenbaren Ausstieg geschaffen. Da haben kleine und kommunale Energieversorgungsunternehmen einen sicheren Planungshorizont, um Investitionen in erneuerbare Energien zu tätigen. Das ist wichtig, denn im Koalitionsvertrag steht das noch unverbindlich drin. Das ist ungenau und ergibt keine Planungssicherheit.

Parallel zu Energieeinsparmaßnahmen sinkt auch die Nachfrage nach Energie. Energiesparen wird attraktiver, Energiepreise bleiben stabil. Auch AKW benötigen natürlich Rohstoffe. Die Umstellung auf regenerative Energien, die wir offensiv vertreten sollen, schafft energetische Unabhängigkeit und damit Krisensicherheit. Die regenerativen Energien schaffen mehr Arbeitsplätze, als durch den Atomausstieg insgesamt verloren gehen. Die regenerativen Energien sind große Wachstumsmärkte der Zukunft. Wir wissen auch, dass die Endlagerung von Atombrennstäben ein ungelöstes Problem ist und auch in Zukunft noch nicht gelöst werden kann. Eine erneute Verschiebung, wie jetzt angedacht, zugunsten der Kernenergie nähme für die erneuerbaren Energien und die betreffenden mittelständischen Unternehmen - darauf hinzuweisen kommt es uns von den Freien Wählern auch an - Planungssicherheit. Deshalb wäre es wichtig, dass es so bleibt wie bisher.

Auch der saarländische Ministerpräsident Müller - deswegen hoffen wir noch - weist auf den Fahrplan hin, wie der Ausstieg aus dieser Brückentechnologie gehen soll. Der saarländische Ministerpräsident, der jetzt mit einer Jamaika-Koalition arbeiten muss - da ist die Frage der Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke nicht populär -, muss schauen, wie das Saarland im Bundesrat damit umgeht.

Wir von den Freien Wählern haben eine Strategie. Wie unser Vorsitzender Hubert Aiwanger immer sagt: Wir stehen für eine pragmatische, ideologiefreie Lösung in der Energiepolitik, die Planungssicherheit und Nachhaltigkeit garantiert.

Es liegen insgesamt drei Anträge vor: die Anträge der GRÜNEN, der SPD und der Freien Wähler. Wir werden den Anträgen der GRÜNEN und der SPD selbstverständlich auch zustimmen, weil die große Mehrheit der Deutschen und der Interessenverbände dies so will. Dies wird auch die neue Bundesregierung noch akzeptieren müssen.