Protocol of the Session on October 22, 2009

gen der Journalisten, ob es jetzt Arbeitslose erster und zweiter Klasse gebe. Wird einer, der bei irgendeiner anderen Firma arbeitslos wird, nicht so gut behandelt wie die Leute bei Quelle? Diese Fragen werfen immer ein wunderbares Bild auf die Diskussionen. Manchmal ist es schon traurig. Ich habe darauf hingewiesen, dass ein Mitarbeiter einer anderen Firma, der in dieser Situation arbeitslos wird, nicht gleichzeitig mit 4.000 weiteren Kolleginnen und Kollegen in der gleichen Region auf den Markt der Arbeitsuchenden kommt, sodass die Besonderheit bei Quelle aus meiner Sicht sehr wohl eine besondere Behandlung rechtfertigt.

Wir haben bereits Maßnahmen eingeleitet. Sie wissen, dass die Bundesagentur ein Arbeitsamt auf Zeit im Gebäude in Fürth einrichten wird, damit dort eine Anlaufstelle für die betroffenen Menschen besteht. Wir werden auch danach schauen, welche Gruppen wir dort haben. Wir haben eine große Bandbreite von Qualifizierungen und Lebensaltersstufen. Gleichzeitig müssen wir auch sehen, wie wir unsere Instrumente am besten aufeinander abstimmen.

Für die Auszubildenden gibt es Perspektiven. Um sie kümmert sich die Industrie- und Handelskammer Mittelfranken. Wir haben von dort sehr positive Nachrichten bekommen. Wir haben die Mittel des Europäischen Sozialfonds und ganz besonders die Mittel des Globalisierungsfonds. Ich möchte darauf hinweisen, dass Nokia jetzt Mittel aus diesem europäischen Globalisierungsfonds für Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen bekommt. Dazu brauchen wir auch den Bund an unserer Seite, aber ich glaube, dass wir es schaffen werden.

Daneben haben wir auch den Arbeitsmarktfonds. Die Vergaberunde für den Arbeitsmarktfonds und für die dabei laufenden Programme kommt im November zusammen. Ich werde prüfen, ob wir davon alles vergeben oder ob es sinnvoller ist, dass wir eine Sondervergaberunde mit Programmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Quelle durchführen. Das heißt, dass wir noch nicht alles in der Vergaberunde im November vergeben, sondern dass wir Sonderbeschlüsse treffen werden.

Wir wollen aber nicht übereilt und schnell etwas schnitzen, sondern wir wollen erst eine Bestandsaufnahme machen, die derzeit läuft und die dazu führen soll, dass die Programme zielgerichtet eingesetzt werden.

Zur Transfergesellschaft eine Information: Die Transfergesellschaft hat nie das Arbeiten begonnen. Ich sage das mit einem durchaus bitteren Unterton. Letzte Woche hieß es noch, die Kunden stünden treu zu ihrer Quelle. Das hat nicht irgendein Politiker gesagt, sondern das hat der Insolvenzverwalter gesagt.

(Angelika Weikert (SPD): Ich dachte, Sie sind mit dem in Kontakt gewesen!)

- Lassen Sie mich, ich erkläre es jetzt gerade.

Am letzten Freitag wurden noch 800 Kündigungen ausgesprochen.

(Angelika Weikert (SPD): Richtig!)

Das ist doch nicht das Signal dafür, dass am Montag alle arbeitslos sind.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Eigentlich nicht!)

Gestern hieß es noch, dass für den Abverkauf ca. 300 Leute benötigt würden. Heute lese ich, dass es angeblich doch 3.000 sind, die noch gebraucht werden. Wenn ich deswegen doch einige Fragen an den Insolvenzverwalter habe, halte ich das für berechtigt.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der SPD)

Ich halte es auch deshalb für berechtigt, weil sonst der enge Kontakt nichts nutzen würde, wenn der Insolvenzverwalter selber keinen Überblick mehr hat.

(Zuruf von der SPD: Dann muss man ihn vielleicht unterstützen!)

Falls das der Fall sein sollte, was ich nicht weiß, wäre es sehr schade.

Frau Staatsminister, entschuldigen Sie bitte.

Ich möchte es zu Ende bringen, ich habe es nämlich so durcheinander aufgeschrieben, dass ich sonst nicht mehr durchblicken würde.

(Zuruf von der FDP: Hauptsache Sie haben es im Kopf!)

Im Kopf habe ich die Ordnung schon.

Eine Sache beschäftigt mich aber doch: Gestern Abend hat der Sprecher des Insolvenzverwalters im Fernsehen erklärt, dass mit den maßgeblichen Ministerien Kontakt bestanden habe. Das heißt für mich, dass das Arbeitsministerium wohl nicht das maßgebliche Ministerium gewesen ist. Wir sind nämlich kalt überrascht worden.

(Angelika Weikert (SPD): War es der Wirtschaftsminister?)

Natürlich kann man sagen, das sei der Job des Insolvenzverwalters. Herr Kollege Runge, ich habe 15 Jahre lang als Anwältin gearbeitet und bei einem Insolvenzverwalter begonnen. Auch wenn es manchmal anders wirkt, mache ich kritische Anmerkungen immer da, wo ich eine Ahnung habe.

(Beifall bei der CSU und bei Abgeordneten der FDP)

Die Aussage von gestern lautete, dass er mit den maßgeblichen Ministerien Kontakt habe. Er hat nicht gesagt, er habe mit der Staatsregierung Kontakt. Ich habe genau aufgepasst. Der Sprecher des Insolvenzverwalters hat gesagt, mit den maßgeblichen Ministerien sei er in Kontakt gewesen. Das kann er gerne tun, wenn für ihn die Vermarktungsinteressen und die Interessen der Gläubiger oberstes Ziel sind. So gibt es ihm das Insolvenzrecht auch vor. Wenn wir aber Steuergelder investieren - das haben wir in der Kabinettssitzung auch zum Ausdruck gebracht -, ist das Gemeinwohl zu berücksichtigen. Uns hat der Insolvenzverwalter zugesagt, dass an der Vermarktung ein legitimes und wichtiges Interesse bestehe, um Arbeitsplätze zu schützen. Das nehmen wir ernst, denn das war neben den Aufgaben nach dem Insolvenzrecht der Hintergrund.

In der letzten Woche haben wir uns vor der Europäischen Kommission getroffen und Seite an Seite dafür gekämpft, dass wir die beihilferechtliche Genehmigung für die geplante Transfergesellschaft bekommen. Das ist die Genehmigung dafür, dass wir ab 1. Januar, so, wie es geplant war, staatliche Mittel in die Transfergesellschaft geben dürfen. Das war nicht unbedingt das Anzeichen dafür, dass die Firma am Montag den Bach hinuntergehen sollte. Das war eher ein Signal, welches Fragen auslöst. Für mein Haus kann ich sagen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Quelle dem Insolvenzverwalter nicht so wichtig erschienen sind, dass das Arbeitsministerium eingebunden wird. Bis letzten Freitag, zumindest bis letzten Donnerstag, waren die Signale noch ganz andere.

Frau Kollegin Weikert, ich möchte am Schluss noch Ihre Frage beantworten. Natürlich hatte ich den Wunsch und den Plan, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch eine Transfergesellschaft, an der sich der Freistaat beteiligt hätte, zumindest bis zum 31. März 2010 zu begleiten. Dazu brauchten wir die EU-Genehmigung. Das wäre auch deshalb wünschenswert gewesen, weil wir davon ausgehen müssen, dass aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise die Arbeitsmarktlage im Winter besonders schwierig wird. Wir hatten die Hoffnung, dass die Lage im Februar oder März ein bisschen leichter wird. Die Grundlage für eine solche Transfergesellschaft war aber eine Unternehmerentscheidung des Insolvenzverwalters, die uns zugesagt wurde. Die

Transfergesellschaft hätte zum 1. Oktober ihren Betrieb aufnehmen sollen. Gestern habe ich erfahren, dass sie den Betrieb nie aufgenommen hat. Das ist doch interessant.

Grundlage für diese Transfergesellschaft sollte ein Fortführungskonzept sein, das uns der Insolvenzverwalter vorgelegt hat. Dieses Konzept ging in Richtung Gesundschrumpfung neben einer Investorensuche. Ich bedaure es unendlich, dass dieses Fortführungskonzept, das die EU-Kommission letzte Woche noch zur Grundlage ihrer Befassung gemacht hat, nicht einmal einen Monat getragen hat und dass das Ergebnis des letzten Spitzengesprächs vom 15. September und vieler Telefonate, die ich selbst geführt habe, offensichtlich nicht die Verlagerung der Priorität auf das Schicksal der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewesen ist.

Kolleginnen und Kollegen, wenn man sieht, wie viele widersprüchlichen Angaben allein heute über die Zahl der betroffenen Beschäftigten gemacht wurden, können Sie unsere Schwierigkeiten ermessen, schnelle und zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen. Dennoch sind wir täglich über alle Ebenen hinweg im Gespräch. Sie wissen selbst, dass ich für viele Maßnahmen Genehmigungen bis nach Europa hinauf einholen muss. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass die Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion ausgezeichnet ist. Deshalb bin ich guter Dinge, dass es uns gelingen wird, uns bestmöglich für die Menschen bei Quelle einzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Tolle?

Frau Staatsministerin, Sie haben über weite Strecken Ihrer Rede dargelegt, was an bestimmten Stellen nicht passiert ist und dass Ihr Ministerium davon keine Kenntnis hatte. Haben Sie darüber Kenntnis, wer in der Staatsregierung für diese Punkte zuständig war oder ist, und deshalb so nahe an dem Geschehen dran gewesen sein müsste, dass ihm oder ihr hätte auffallen müssen, was Ihnen im Nachhinein aufgefallen ist?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin sehr überrascht davon, dass es offenkundig Dinge gibt, die bei einiger Nähe doch hätten erspürt werden müssen. Hier sitzen wahnsinnig viele Kabinettsmitglieder. Auch der Ministerpräsident hat sich in die erste Reihe hineingegrätscht. Keinem von denen, die angeblich nahe dran waren, ist irgendetwas aufgefallen. Wer ist in der Staatsregierung eigentlich dafür zuständig?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Tolle, mit den konkreten Punkten, die ich gerade aufgezählt habe, ist ganz klar nachweisbar, dass bis zum Schluss nicht einmal die engsten Beteiligten Bescheid wussten. Ich habe gestern in Nürnberg niemanden getroffen, der nicht überrascht gewesen wäre, weder bei den Oberbürgermeistern noch beim Gesamtbetriebsrat oder bei den Gewerkschaften. Natürlich hat es Gespräche gegeben. Natürlich haben sich die Leute immer dann an die Staatsregierung gewandt, wenn es ums Geld ging. Mir ging es jedoch um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dazu muss ich sagen: Ich hatte bis zum letzten Donnerstag und Freitag noch ganz andere Signale. Wir marschieren nämlich nicht vor die Europäische Kommission und führen dort einen Tanz auf, um die Genehmigung für eine Transfergesellschaft zum 1. Januar zu erhalten, wenn das nicht notwendig ist.

(Beifall bei der CSU)

Für eine Zwischenintervention hat sich Herr Kollege Pohl zu Wort gemeldet.

Frau Staatsministerin, Ihre Verteidigungsrede war weitaus gewaltiger als die Angriffe. Ich habe in diesem Plenum relativ wenige Angriffe gegen die Staatsregierung gehört. Deshalb war es nicht notwendig, dass Sie sich hier so wortreich verteidigen.

Zunächst zu Ihren kritischen Fragen zum Insolvenzverwalter. Hier sind wir bei Ihnen. Das muss ordentlich aufgearbeitet werden, bis hin zur Frage der Haftung. Sie haben aber auch etwas gesagt, was ich hinterfragen möchte: Sie haben gesagt, dass 6000 Mitarbeiter ein solch gewaltiges Schicksal darstellten, dass die Staatsregierung helfen müsste. Auch hier bin ich bei Ihnen. Aber: Sind 6000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Betrieb mehr wert als zwanzigmal dreihundert in Oberfranken, im Allgäu oder in Niederbayern? Diese Frage müssen Sie mir bitte beantworten.

Das ist genau die Frage, die ich vorhin selbst gestellt habe, um sie hier zu beantworten. Herr Kollege Pohl, Sie haben offensichtlich nicht nur an diesem Punkt nicht zugehört. Ich habe keine Verteidigungsrede gehalten. Gegen was sollte ich mich denn verteidigen? Ich habe gesagt, dass ich dem Insolvenzverwalter Fragen gestellt habe, die uns alle interessieren sollten.

(Beifall bei der CSU)

Eine weitere Zwischenintervention wurde von Frau Kollegin Weikert angemeldet.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Staatsministerin, ich fand Ihre Darstellung ziemlich offen. Sie zeigt eine gewisse Hilflosigkeit der Staatsregierung gegenüber den Vorkommnissen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister Zeil, diese Hilflosigkeit ist nicht mit Ihrer heutigen Versicherung in Einklang zu bringen, dass Sie nahe an den Geschehnissen dran wären. Diesen Vorwurf muss ich Ihnen noch einmal machen. Herr Staatsminister Zeil und Frau Staatsministerin Haderthauer, ich frage Sie: Wenn ein so enger Kontakt besteht, wie er beschrieben wurde, müsste es doch möglich sein, bei dem Insolvenzverwalter auf den Tisch zu hauen und bis dann oder dann diese oder jene Unterlage zu fordern.

(Widerspruch bei der CSU)

- Keine Aufregung.