Zum Vierten habe ich erfahren, dass endlich das Zusammenwirken von Bundesrat und Bundestag in Europafragen über Gesetz geregelt werden soll, was bisher in den wesentlichen Punkten diffus war. Wir meinen, dass auch dabei der Landtag nicht per se ausgeblendet sein darf.
Ich habe von den vielen Verhandlungen und Emissionären gesprochen. Es wurde richtigerweise darauf hingewiesen, dass wir unseren sowieso schon mehrfach geänderten Antrag nochmals geändert haben. Das heißt zum einen, Herr Kollege Sinner, um auch Ihre Aussage noch einmal aufzugreifen: Wir sagen im zweiten Absatz nicht: "Der Landtag wolle die Staatsregierung auffordern, dafür Sorge zu tragen …", sondern wir sagen: "… sich dafür einzusetzen …" Wir wollen die Staatsregierung aber nicht ganz außen vor lassen, weil es um deren Abstimmungsverhalten im Bundesrat geht.
Wir streichen den letzten Absatz des Antrags, weil einige Kolleginnen und Kollegen der SPD damit nicht
einverstanden sind. Wir nehmen im Satz vorher die Formulierung heraus: "nicht im Schnelldurchlauf" und ersetzen sie durch "in einem der Thematik und der Problematik angemessenen Verfahren".
Wir meinen, damit müssten Sie alle leben können. Wir werben nochmals um Zustimmung. Es geht um unsere ureigensten Interessen. Es geht um Demokratie oder Demokratieverkürzung. Es geht um Transparenz Ja oder Nein; Kontrolle Ja oder Nein. Es geht schlicht und ergreifend auch um das Selbstverständnis dieses Hohen Hauses. Deswegen haben wir die herzliche Bitte, dem in einem Kompromiss zustande gekommenen überaus wichtigen Antrag zuzustimmen.
(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Au weia! - Franz Maget (SPD): Nun müssen Sie zugeben, dass wir recht haben!)
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Das zuzugeben, Herr Maget, ist eine ganz andere Sache. Wir führen eine wichtige Debatte, die die CSU angestoßen hat und nicht Sie.
Die Debatte spielt sich in der Öffentlichkeit, im Bundestag und im Bundesrat ab. Ich möchte vorwegschicken: Der Vertrag von Lissabon macht - das haben wir im Ausschuss für Bundes- und Europafragen diskutiert und sind uns einig - Europa gegenüber dem Vertrag von Nizza insgesamt demokratischer. Ein Beispiel: Deutschland hat im Nizza-Vertrag ein Stimmengewicht von 29, Malta von 3. Deutschland hat 82 Millionen Ein wohner, Malta 0,377 Millionen. Die künftige doppelte Mehrheit bringt die Stimme des Staates und das Gewicht der Bürger ein. Wir haben die Staatenunion und die Bürgerunion. Ich könnte noch viele Beispiele bringen.
Die CSU ist eine europafreundliche Partei. Theo Waigel ist der "Vater des Euro". Wir haben vor der Einführung des Euro eine harte Diskussion geführt, die sich gelohnt hat. Der Euro ist stabil. Er verdient das Vertrauen. Das ist das Verdienst der Diskussion, die wir innerhalb der CSU hatten, und das Verdienst von Theo Waigel. Das wollte ich hier in aller Deutlichkeit feststellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 stellt nicht den Vertrag von Lissabon infrage. Es stellt das Begleitgesetz infrage, das vom Bundestag beschlossen worden ist. Die Beschwerdeführer haben die Kosten für die Punkte 1 und 2 voll zu tragen, wäh rend für die letzten Punkte, bei denen es um das Begleitgesetz geht, ein Splitten der Kosten erfolgt. Das zeigt deutlich, dass der Schwerpunkt beim Begleitgesetz liegt.
Zu den Kollegen der Opposition: Es ist gut, dass Sie sich Gedanken machen. Die Union hat zum Vorläufer, dem Verfassungsvertrag, der 2004/2005 behandelt wurde, ein Begleitgesetz auf Bundestagsdrucksache 15/4716 vorgelegt, auf dem als Unterzeichner von Peter Hintze bis Angela Merkel alle stehen. Wer dies abgelehnt hat, Herr Kollege Dr. Runge, waren Ihre Par teifreunde im Bundestag und Ihre Parteifreunde, Herr Maget, ebenfalls im Bundestag. Sie haben dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt. Deshalb ist Ihre Forderung, den Parlamenten eine größere Beteiligung einzuräumen, der Höhepunkt der Heuchelei.
Wir haben bereits 2005 die Beteiligung auf europäischer Ebene gebilligt, Sie aber abgelehnt. Das will ich festhalten.
Wir haben aufbauend auf den Gesetzentwurf 14 Punkte vorgelegt. Sie legen inhaltlich nichts vor - ich bleibe bei dem Antrag der GRÜNEN zum Lissaboner Vertrag. Sie wollen, nachdem inhaltlich nichts vorliegt, sich auf die Verfahrensfragen zurückziehen, weil sich auch Ihre Fraktion im Bundestag irgendwann darauf einlassen muss.
Wir sagen in aller Deutlichkeit: Die Gründlichkeit ist wichtig und möglich, weil wir den Vorläufergesetzentwurf schon hatten, auf dem die 14 Punkte aufbauen. In dem Vorläufergesetzentwurf steht nichts von einem imperativen Mandat. Ich selbst habe in den Räten in Brüssel mit den Bundesratsentschließungen, die es gibt, verhandelt. Das war eine Leitlinie, aber kein imperatives Mandat.
Herr Dr. Förster, Sie unterstellen uns, wir wollten die Bundesregierung zu einer Lame Duck machen, und gleichzeitig fordern Sie in einem Antrag Gleiches für die Staatsregierung und hebeln Ihre eigene Argumentation in diesem Punkt aus. Herr Dr. Runge, Sie stellen For derungen, die niemals in Ihrer Bundestagsfraktion mehrheitsfähig sind. Joschka Fischer hat glatt abgelehnt, was Sie damals vorgeschlagen haben. Er zittert heute noch, wenn er nur Ihren Namen hört, weil Sie eine andere Meinung hatten. Sie haben sich aber nicht durchgesetzt.
Der Antrag in dieser Form ist für uns nicht zustimmungsfähig. Wir haben Ihnen einen Vorschlag unterbreitet, und in diesem Vorschlag, den wir gemeinsam mit der FDP gemacht haben, steht drin: "mit der gebotenen Sorgfalt und Schnelligkeit beschlossen werden muss". Jetzt nehmen Sie "Sorgfalt und Schnelligkeit" heraus und schreiben, "mit der dem Thema gebührenden Sorgfalt behandelt werden muss". Das heißt, das soll in einem der Thematik und der Problematik angemessenen Verfahren bearbeitet und beschlossen werden. Das ist natürlich ein weltbewegender Antrag.
Meine Kolleginnen und Kollegen, im SPD-Antrag soll die Staatsregierung verpflichtet werden, vor einem Votum im Bundesrat in den Landtag zu kommen. Man kann über vieles reden. Wir haben das Parlamentsinformationsgesetz, wir haben die frühzeitige Unterrichtung, wir haben die Vereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung. Wir sind auch daran interessiert, das alles noch zu verbessern. Frau Staatsministerin Müller wird zu den aufgeworfenen Fragen sicherlich eine Stellungnahme abgeben können. Wir müssen uns aber auch selbst fragen, wie oft haben wir von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht? - Wir haben jetzt, was die europäische Gesetzgebung betrifft, im Vorgriff auf den Vertrag von Lissabon im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten viermal Subsidiaritätswarnungen behandelt. Wir haben dreimal reagiert, damit der Bundesrat dieser Warnung Rechnung tragen soll. Das heißt, es wurde frühzeitig informiert, und das wird in Zukunft noch intensiver sein.
Ich bin auch jederzeit dafür, im Vorfeld der Beratungen europäische Themen und auch Bundesthemen im Landtag zu diskutieren. Es gibt in vielen Fällen Beschlüsse des Landtags, die die Staatsregierung in einer
gewissen Weise politisch binden. In der Vereinbarung, die wir haben, steht auch ganz klar, dass die Staatsregierung in europäischen Fragen, die die Kompetenzbereiche des Landtags besonders berühren, das Votum des Landtags besonders berücksichtigen muss bzw. berücksichtigen soll. Das heißt, wir haben hier ein Verfahren, und wir sind durchaus gesprächsbereit im Hinblick auf die Verfeinerung, die Verbesserung und die Erweiterung dieses Verfahrens.
Was den Vertrag von Lissabon betrifft, so setzen wir darauf, das die CSU einen Großteil dessen, was sie vorschlägt, durchsetzen kann und auch durchsetzen wird. Wir wollen die lebendige Diskussion europäischer Themen im Bundestag. Diejenigen, die das bisher weitgehend blockiert haben, sitzen auf der linken Seite des Parlaments. Es ist erfreulich, wenn Sie sich jetzt wenigstens einmal in Bezug auf das Verfahren bewegen. Noch erfreulicher wäre es aber, wenn Sie dazu beitragen würden, dass der Bundestag, der diesen nicht verfassungsgemäßen Entwurf vorgelegt hat, entsprechend den Vorschlägen der CSU
zu einem Gesetz, das dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird und darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten der aktiven Beteiligung des Bundesrates und des Bundestages erschließt, nun doch zu einem guten Ergebnis kommt. Das bedeutet nicht das imperative Mandat, das bedeutet aber mehr Demokratie und mehr Beteiligungsmöglichkeiten des Bundestages, so wie es das Bundesverfassungsgericht gefordert hat und wie es auch die Bürger verlangen. In diesem Sinne werden wir den Antrag der SPD ablehnen und die Forderung der GRÜNEN durch den Bericht, den die Frau Ministerin geben kann - möglicherweise wird Sie diesen Bericht im Ausschuss geben -, erfüllen. Unsere Formulierung heißt: "mit Schnelligkeit und Gründlichkeit vorgehen". Wir sind zu beidem in der Lage; wir werden diese Frage schnell und gründlich diskutieren, weil wir nicht erst heute anfangen, sondern schon einen Vorlauf seit dem Jahr 2005 haben.
Herr Kollege Sinner, würden Sie bitte noch einmal zum Rednerpult kommen? - Ich habe zwei Zwischeninterventionen. Die erste stammt von Herrn Kollegen Dr. Förster. Bitte schön.
(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Sinner, Sie haben mich nach zwei Minuten ermahnt, ich möge doch zu meinem Antrag sprechen und nicht zu Europa. Sie selbst aber haben fast 80 % Ihrer Zeit für die Diskussion über das Urteil des Bun
desverfassungsgerichts in Berlin verwendet. Ich hoffe aber, dass die Kollegin von der FDP und der Kollege von den Freien Wählern dafür umso mehr das Element ansprechen, um das es uns wirklich aufrichtig geht. Es geht um mehr Beteiligung des bayerischen Parlaments hier in Bayern.
Vielleicht gehen Sie darauf noch etwas mehr ein. Das andere ist: Sie haben mich darauf hingewiesen, wenn ich in Richtung Berlin von einer Lame Duck spreche und dann hier dasselbe fordere, würde ich mich ad absurdum führen. Das war eine rhetorische Falle, in die Sie prompt getreten sind. Damit sagen Sie nämlich dasselbe für sich. Wenn Sie es in Berlin fordern, dann müssen Sie es hier umsetzen. Ich freue mich, denn Sie werden jetzt, wenn Sie selbstkritisch sind, sagen: Ja, Herr Förster, da haben Sie recht, deshalb werden wir Ihrem Antrag doch zustimmen.
Herr Förster, in vielen Punkten mögen Sie recht haben, in diesem Punkt aber nicht. Ich habe gesagt, Sie unterstellen eine Lame Duck in Berlin. Es gibt kein imperatives Mandat, weder in dem Maßnahmenkatalog mit 14 Punkten noch in dem alten Gesetzentwurf. Genau das aber haben Sie apodiktisch in Ihrem Antrag stehen. Sie können das durchaus zugeben.
Ich bin auf Ihre Argumentation zum Vertrag von Lissabon eingegangen, weil das Inhalt Ihres Redebeitrags war. Ich bin offen, und auch meine Fraktion ist vom Selbstverständnis des Parlaments her offen, Beteiligungsrechte und Beteiligungsmöglichkeiten zu erweitern.
(Franz Maget (SPD): Wo steht da was von einem imperativen Mandat? Die Staatsregierung soll darlegen und begründen!)
- Ja, das weiß ich. Herr Kollege Maget, Sie mischen sich ein. Es geht um das Thema, dass die Staatsregierung vor der Abstimmung im Bundesrat das Abstimmungsverhalten darlegen soll. Lassen Sie sich einmal den Ablauf im Bundesrat darstellen.
(Franz Maget (SPD): Da steht nur: "darzulegen und zu begründen"! Das ist doch kein imperatives Mandat!)
Frau Kollegin Müller wird das anschließend tun. Wir haben eine Möglichkeit, das Parlamentsinformationsgesetz - -