Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, in Ihrer Partei wird dabei heftigst gestritten. Der Streit geht bis hin zu persönlichen Angriffen Ihres Generalsekretärs auf verdienstvolle Europaabgeordnete wie zum Beispiel Elmar Brok und bis hin zu wechselseitigen Vorwürfen, dass der jeweils andere keine Ahnung von dem Thema hätte. Taliban-Vorwürfe und systematische Demontagen Ihres Landesgruppenchefs in Brüssel möchte ich dabei gar nicht erwähnen. Ich will auch zu dieser aus meiner Sicht triebgesteuerten Wahlkampfkraftmeierei heute nicht viel sagen.
Ich möchte nur eines sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Treiben Sie es nicht so weit, dass am Ende die Interessen Deutschlands in Europa Schaden nehmen. Wir brauchen als Deutsche und als Bayern eine funktionsfähige und leistungsstarke Europäische Union. Dazu brauchen wir den Lissabon-Vertrag. Wir brauchen auch eine starke und wirksame Vertretung Deutschlands und Bayerns in Brüssel.
Eine deutsche Bundesregierung als lahme Ente kann die Interessen des bayerischen Löwen nicht zur Geltung bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es steht viel auf dem Spiel.
Herr Sinner, wenn einige in Ihrer Partei, aus welchen parteitaktischen Motiven auch immer, es unter dem Mäntelchen "mehr Demokratie" darauf anlegen, dass der Lissabon-Vertrag doch noch zu Fall gebracht wird, indem aus Deutschland das falsche Signal an die Iren geht, wenn Ihre Parteifreunde damit Erfolg hätten, ginge sehr viel kaputt. Das wäre ein Fiasko für Deutschland, für Bayern und für uns alle.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich glaube aber, dass wir uns mit den ausgewiesenen Europapolitikern in Ihrer Fraktion in diesem Punkt einig sind.
(Franz Maget (SPD): Da müssen Sie ihm recht geben! - Eberhard Sinner (CSU): Reden Sie mehr zu Ihrem Antrag!)
- Herr Sinner, ich komme zu meinem Antrag, für den ich um Ihre Zustimmung werbe, denn er ist ein zutiefst bayerischer Antrag. Er ist kein europapolitischer Antrag, auch wenn er im Zusammenhang mit dem Karlsruher Urteil steht.
- Ich weiß, Sie fühlen sich hier besonders betroffen, und deswegen drücken Sie Ihre Betroffenheit in Form eines Angriffs aus. Das müssen Sie auch einmal aushalten.
Unser Antrag steht im Zusammenhang mit dem Karlsruher Verlangen, die Legislative gegenüber der Exekutive zu stärken. Das heißt, Karlsruhe fordert eine größere Mitwirkung des Parlaments in politischen Entscheidungen. Das gilt nach meiner und nach Meinung der SPD nicht nur für supranationale Konstellationen wie für die EU, sondern das gilt noch mehr für ein föderatives System. Deshalb wollen wir mit unserem Antrag erreichen, dass die Staatsregierung - ich zitiere aus unserem Antrag - "vor Entscheidungen im Bundesrat ihr Abstimmungsverhalten jeweils vor der Sitzung der Länderkammer dem Landtag durch ein Mitglied der Staatsregierung darzulegen und zu begründen" hat. In einer parlamentarischen Demokratie sollte das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, denn der Geist unserer Verfassung ist eindeutig ein parlamentarischer. Er besagt, dass der einzig legitime Ort für politische Willensbildungen und Entscheidungen die Parlamente sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, bei den Diskussionen über den Föderalismus in der letzten Legislaturperiode hatte ich für mich persönlich das Gefühl, die SPD wäre etwas parlamentslastiger und Ihre Frak
tion etwas exekutivhöriger. Doch die Diskussion über weiterreichende Rechte und Kompetenzen des Parlaments, wie sie momentan gegenüber der Exekutive auf Bundesebene geführt wird, hat mich nun eines Besseren belehrt. Noch nie haben wir von Markus Ferber, Alexander Dobrindt oder Horst Seehofer so oft gehört, wie wichtig das Parlament sei. Ich zitiere Ihren gegenwärtigen Generalsekretär aus Ihrem Parteiorgan "Bayernkurier" vom 11. Juli 2009: " Es gehört zur parlamentarischen Kontrolle, dass sich die Regierung bei wichtigen Entscheidungen an die Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat halten muss und sich nicht einfach darüber hinwegsetzen darf."
- Natürlich. Sie sehen: Im Gegensatz zu Ihnen setzen wir uns auch mit anderen Meinungen auseinander.
Herr Kollege Sinner, es wird Sie besonders wundern, dass ich mit Herrn Dobrindt völlig übereinstimme, wenn ich für uns in Bayern das Wort "Bundestag" durch das Wort "Landtag" ersetze; denn was für das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament in Berlin gilt, muss uns auch hier in Bayern recht und billig sein. Wir haben eine unmittelbare parlamentarische Gestaltungsaufgabe. Dieser können und müssen wir gerecht werden.
Weder über die Aktivitäten der bayerischen Vertreter im Ausschuss der Regionen noch über das Abstimmungsverhalten der Bundesrats-Vertreter Bayerns in Europafragen werden wir Parlamentarier vorab intensiv informiert. Wir werden auch nicht zu unserer Meinung als Volksvertreter befragt. Die Staatsregierung wird damit ihrer Verantwortung gegenüber dem Bayerischen Landtag nicht hinreichend gerecht.
Zum Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN möchte ich zwei Anmerkungen machen. Der erste Teil - vor allem in der neuen Fassung - bleibt sogar hinter unserem Antrag zurück. Während wir fordern, dass die Staatsregierung den Landtag vor Entscheidungen einzubeziehen hat, fordern Sie, Herr Kollege Dr. Runge, weichgespült, dass die Staatsregierung über das, was wir fordern, zu berichten hat. Das ist völlig ungewohnt angesichts Ihrer sonst zu beobachtenden gnadenlosen Härte. Wenn in diesem Hohen Hause irgendjemand dieser Forderung nicht zustimmen kann, sollte er einmal sein parlamentarisches Selbstverständnis grundlegend hinterfragen.
Wir hatten anfangs ein gewisses Magengrummeln beim zweiten Teil Ihres Dringlichkeitsantrags in der ursprünglichen Fassung. Dieses Magengrummeln haben Sie jedoch beheben können. Der jetzigen Formulierung können wir ohne Weiteres zustimmen. Bei der Formulierung "nicht im Schnelldurchlauf beraten und beschlossen werden" klingt bei mir noch zu viel von der christsozialen Melodei durch, die von denen angestimmt wurde, die eine rechtzeitige Hinterlegung der Ratifikationsurkunde vor einem irischen Votum verhindern wollten. Ich erinnere nur an eine Aussage von Herrn Kollegen Dobrindt, mit der er den Zeitplan für das Begleitgesetz bis zum irischen Referendum am 4. Okto ber infrage gestellt hatte. Die jetzige Fassung ist für uns aber ohne Weiteres zustimmungsfähig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie die aktuelle Diskussion über eine stärkere Beteiligung des Parlaments seriös führen wollen, sollten Sie sich unserem Anliegen für dieses Parlament nicht verschließen. Über die Details, wie der Landtag von der Staatsregierung vor einer Sitzung des Bundesrats zu informieren und einzubinden ist, können wir uns sicherlich verständigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, wir arbeiten bereits an anderen Baustellen sehr konstruktiv zusammen. Wie wäre es denn zum Beispiel mit dem Vorschlag, dass die Staatsministerin nach den Kabinettssitzungen, in denen Bundesratsvoten festgelegt werden, zu uns in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten kommen sollte? Wenn Sie - losgelöst von dem Verfassungsgerichtsurteil - von der Bundesregierung eine stärkere Beteiligung des Parlaments fordern, sollten Sie dieses Anliegen für unsere eigene Arbeit im Bayerischen Landtag übernehmen. Berlin soll regeln, was dort zu regeln ist. Wir im Bayerischen Landtag sollten konstruktiv unsere Hausaufgaben erledigen, also die parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten verbessern. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung zu unserem Dringlichkeitsantrag.
Kollege Erwin Huber gemeint, der Runge gebe das Lämmlein. Herr Huber hat unserem Antrag aber trotzdem nicht zugestimmt, weil er den Runge kenne und wisse, dass dieser die CSU hereinlegen wolle. Heute ist das ganz anders.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Gestern und heute kamen zahlreiche Emissionäre mehrerer Fraktionen zu uns, um über unseren Antrag zu verhandeln. Das hat uns gefreut und sehr geehrt. Nochmals zur Erklärung: Der Absatz 1 des Antrags ist gewissermaßen eine Krücke.
Mit dieser Krücke wollen wir erreichen, dass der Ältestenrat die gemeinsame Beratung dieses Antrags mit dem aufgerufenen SPD-Antrag gestattet. Wir glauben, dass ein Thema, das zwei Wochen lang das Kernthema in der Medienberichterstattung war, in der letzten Sitzung des Bayerischen Landtags nicht fehlen sollte. Unser erster Antrag wurde nicht genehmigt. Der Anlass und der Ansatz beider Anträge sind partiell gleich. Wir hätten uns nicht unbedingt so bemühen müssen, bis der Ältestenrat Ja sagt. Es war aber nun einmal so.
Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich ist es angebracht und angesagt, dass wir uns über eine Analogie der jüngst von CSU-Größen angestoßenen Debatte Gedanken machen. Wenn der Bundestag vor Entscheidungen der Bundesregierung im Europäischen Rat oder im Ministerrat mitreden soll und mitreden darf, ist es selbstverständlich billig zu fordern, dass auch der Bayerische Landtag mitreden darf, bevor die Vertreter der Staatsregierung ihr Votum im Bundesrat abgeben. Deswegen werden wir dem Antrag der SPD zustimmen. Nachher werden wir hören, wie es in der Praxis aussieht. Man kann durchaus das eine oder andere Argument abwägen. Wir glauben aber, dass es jetzt um ein Signal und um die richtige Richtung geht. Deshalb hoffen wir auf eine breite Zustimmung zum SPD-Antrag.
Geschätzter Herr Kollege Dr. Förster, Sie haben sehr gegrinst, als Sie die Motivation des ersten Absatzes unseres Antrags kommentiert haben. Wir haben diesen Absatz absichtlich seicht formuliert, damit Sie und alle anderen in diesem Hause zustimmen können. Dieser Absatz sollte niemandem als Ausrede dienen können, diese Forderung abzulehnen. Wesentliches Anliegen unseres Antrags ist eine sachgerechte und angemessene Behandlung des Gesetzes über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union. Eine solche sachgerechte Behandlung drohte verhindert zu werden.
Noch einmal zu dem Urteil, das Herr Kollege Dr. Förster dankenswerterweise angesprochen hatte: Das Bun
desverfassungsgericht hat am 30. Juni entschieden, dass zwar das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon nicht verfassungswidrig ist, dass aber das Begleitgesetz, konkret das Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte von Bundestag und Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union, verfassungswidrig ist. In der Debatte wurde hier vieles durcheinandergeworfen. Ich sage klar: Dieses Urteil ist europafreundlich und demokratiefreundlich.
Das Verfassungsgericht betont an mehreren Stellen seines Urteils die Europafreundlichkeit des Grundgesetzes. Es gibt zum Beispiel den Satz mit der Europarechtsfreundlichkeit. Das Gericht sagt aber auch, dass das Demokratieprinzip nicht verhandelbar sei. Das Gericht weist zu Recht auf die Defizite hin, die diesbezüglich im Moment in der Europäischen Union bestehen, ganz besonders im Hinblick auf das Europäische Parlament. Hier verweist das Gericht auf die fehlende gleichheitsgerechte Wahl und Besetzung des Europäischen Parlaments und auf die nicht hinreichende Stellung im Kompetenzgefüge. Das Gericht sagt dazu konkret: Das Parlament sei nicht hinreichend im Kompetenzgefüge gerüstet. Dies könnte jedoch hingenommen werden, weil die Europäische Union ein völkerrechtlich begründeter Herrschaftsverband sei, der dauerhaft vom Vertragswillen souverän bleibender Staaten getragen sei. Das ist eine ganz wichtige Aussage.
Zum Begleitgesetz: Die Richter sagen klar, dass der Bundestag und der Bundesrat etwas getan haben, was sie nicht dürfen. Sie haben gesagt, dass das Grundgesetz die deutschen Staatsorgane nicht ermächtige, Hoheitsrechte derart zu übertragen, dass aus ihrer Ausübung heraus eigenständige weitere Zuständigkeiten begründet würden.
Dann kommen die entscheidenden Punkte, wo das Verfassungsgericht den Bundestag und je nach Zuständigkeit auch den Bundesrat verpflichtet zu handeln. Sie dürfen keine Pauschalermächtigung geben, sondern müssen sich mit jedem Einzelfall befassen und abstimmen. Es geht um drei Fälle: Erstens, die Abstimmungsmodalitäten werden von der Einstimmigkeit im Rat zur qualifizierten Mehrheit geändert; zum Zweiten, wenn die EU in nationale Souveränitäten eingreift, und zum Dritten, wenn weitere Kompetenzen von der EU beansprucht werden. Das sind die drei Felder. Alles andere, was CSU-intern debattiert wird, kann man diskutieren. Man muss aber um die Folgen wissen und sich bewusst sein, dass wir diese Debatte sehr gerne aufgreifen.
Was macht das Urteil für den Landtag so wichtig? Warum ist es uns so wichtig, dass wir gemeint haben, dass sich der Landtag mit diesem eminent bedeutenden Thema befassen soll?
Erstens finden Sie in dem Urteil an vielen Stellen konkrete Felder benannt, zu denen das Verfassungsgericht sagt, das seien besonders demokratiebedeutsame Sachbereiche und in diesen müsse besonders viel Sorge getragen werden, dass es keine Kompetenzverwischung oder Kompetenzbegehrlichkeiten gibt, denen nicht entgegengearbeitet werden kann. Mit der Polizei, der Medienordnung oder der Bildung und Erziehung sind wesentliche Felder angesprochen, für die die Landtage originär zuständig sind.
Zum Zweiten: Wir haben unsere Erfahrungen mit der Staatsregierung gemacht. Sie hat das letzte Mal massiv gepatzt. Sie hat beispielsweise im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten gesagt, sie stimme im Bundesrat nicht zu, wenn die Kompetenz-Kompetenz nicht eindeutig geklärt sei. Das Zustimmungsgesetz und das Begleitgesetz zeigen, dass darin nicht die eindeutige Klärung enthalten ist. Das heißt, die Staatsregierung hat im Bundesrat diesbezüglich versagt.
Die dritte Motivation betrifft das, was wir kommentierend zum SPD-Antrag gesagt haben. Wenn es darum geht, die Legislative gegenüber der Exekutive zu stärken, muss das auch für die Debatte im Bayerischen Landtag ein Ansatzpunkt sein. Das trifft insbesondere vor dem Hintergrund dessen zu, was wir hier erleben "durften".