Protocol of the Session on July 16, 2009

- Ich werde heute in der Presse immer wieder als Abweichler tituliert. Aber ich bin nicht abgewichen. Es sind andere, die abgewichen sind. Ich habe die Position von Anfang an vertreten.

Herr Kollege Aiwanger, ich erinnere mich noch zu gut an Ihre Ausführungen an dem historischen Ort zu Füßen der Bavaria. Ich muss Ihnen ganz ehrlich eines sagen: Sie waren damals der Meinung, dadurch punkten zu können, dass sich die Freien Wähler da hinge

stellt und irgendwelche Gschichtln erzählt haben. Am Schluss haben Sie wieder den gleichen Unsinn gesagt. Das war schon vor einem Jahr. Für mich ist das nicht neu.

Lieber Kollege Vetter, es tut mir furchtbar leid. Wenn ich gewusst hätte, dass wir zwei uns auf einer Fachebene hätten unterhalten können, dann hätte ich Ihnen diesen Moment erspart. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Letztendlich ist es eine Frechheit, einen solchen Antrag nach einer sehr vernünftigen, ruhigen, sachlich geführten Debatte zum Thema Nichtraucherschutz heute einzubringen. Sie haben wohl Fracksausen gekriegt, weil Sie plötzlich merken, dass Sie dort nicht dabei waren, wo man vernünftig gesundheitspolitische Überlegungen anstellen konnte.

(Hubert Aiwanger (FW): Lesen Sie es doch einmal nach! Wir reden schon ewig darüber, die krebserregenden Zusatzstoffe zu verbieten!)

- Herr Kollege Aiwanger -

(Zurufe des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW) und anderer Abgeordneter der Freien Wähler)

Herr Kollege Aiwanger, Sie haben jetzt nicht das Wort. Ich habe Sie jetzt lange mit Ihren Zwischenrufen ausreden lassen. Jetzt bitte ich Sie, dem Redner Dr. Zimmermann Auf merksamkeit zu schenken.

Herr Aiwanger, Sie geben vor, Sie hätten eine Schlacht verloren. Ihr Wählerverein war ganz wesentlich daran beteiligt, dass die Entwicklung so gekommen ist. - Jetzt lachen Sie noch.

Eine kleine Nachlese zu gestern sei mir gestattet. Das Thema ist sowieso nicht viel wert. Aber hätten Sie die Position des Kollegen Vetter, die Sie heute vertreten, vernünftigerweise schon damals vorgetragen -

(Zurufe von den Freien Wählern)

- Aber Sie waren doch ein ganz wesentlicher Motor. Sie haben die Bürger durcheinandergebracht, was den Nichtraucherschutz anlangt. Das war ähnlich wie bei den Freien Demokraten. - Herr Kollege Bertermann, da kann ich Sie nicht ausnehmen. Auch Sie waren ja bei dieser Veranstaltung, haben sich aber Gott sei Dank nicht zu Wort gemeldet.

Wissen Sie, die Haltung der Freien Demokraten zum Thema Nichtraucherschutz verstehe ich überhaupt nicht.

(Zuruf: Reden Sie doch einmal zur Sache!)

Gerade dieser Antrag zeigt ganz klar auf, dass die Zusatzstoffe abhängig machen, unfrei machen. Also ist das Rauchen unliberal. Dass Sie als Liberale sich dafür einspannen lassen, den wichtigen Nichtraucherschutz abzulehnen, ist mir nicht klar. Sie können den Antrag vergessen.

(Hubert Aiwanger (FW): Sie sind also weiterhin dafür, dass suchtsteigernde Stoffe beigemischt werden? - Weiterer Zuruf von den Freien Wählern: Menthol!)

- Was ist denn im Tabak alles drin? Es gab mal einen Bundeskanzler, der den Tabak mit Menthol rauchen wollte. Aber das ist nur eine Nebensache. Wichtiger ist, dass im Tabak Acethylaldehyd enthalten ist. Das ist ein Zwischenprodukt bei organischen Synthesen. Wenn der Tabak Hitze ausgesetzt wird, findet ein Oxidationsprozess statt. Dabei entstehen neue Stoffe. Wie wollen Sie diese im Voraus heraushalten? Das ist doch ein Schmarrn, es sei denn, Sie rauchen ohne Feuer. Das machen vielleicht welche. Im Cafe Hag in München gibt es auch Schokoladenzigaretten.

Was ist denn im Tabak enthalten? Da ist Ammoniak in großer Menge drin. Dieses ist beispielsweise in Putzmitteln enthalten. Was macht Ammoniak? Es reizt schon in geringer Konzentration die Augen. Deswegen ist das Rauchen für Nichtraucher, die dem Rauch ausgesetzt sind, auch so unangenehm. Aber die Interessen der Nichtraucher verfolgen Sie ja in keiner Weise.

Es ist aber noch etwas anderes, sehr Entscheidendes drin: Arsen. Wissen Sie, worin Arsen noch enthalten ist? - Im Rattengift!

(Hubert Aiwanger (FW): Deshalb muss das heraus! Aber Sie stimmen gegen unseren Antrag!)

Wir müssten einen Antrag machen, in dem all die 98 Stoffe aufgeführt sind, die beim Rauchen entweder entstehen oder induziert werden. Diese Stoffe sind zu verbieten. Das müsste von der Bundesregierung ausgehen. So ist ja Ihr Antrag.

(Zuruf von den Freien Wählern)

- Dann hören Sie doch auf zu rauchen! Das ist doch gesundheitsschädlich!

Sie werden sehen, diese Stoffe werden selbstverständlich weiterhin im Gespräch bleiben. In absehbarer Zeit wird es wieder um den Nichtraucherschutz gehen, auch in der Bevölkerung. Dazu werden politische Entscheidungen erforderlich sein. Sie werden es sehen.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Sabine Dittmar das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen, mir ging es ähnlich wie Herrn Dr. Zimmermann. Nach dem Redebeitrag der Freien Wähler in der gestrigen Plenardebatte war ich sehr erstaunt, als ich diesen Antrag las.

Natürlich haben Sie recht, Herr Aiwanger und Herr Dr. Vetter, wenn Sie die Tabakwarenhersteller wegen der Zusatzstoffe rügen. Das stimmt alles. Während des Verbrennungsvorgangs sublimieren und verdampfen die Stoffe. Sie sind gesundheitsschädigend, vor allem kanzerogen. Es ist richtig, dass die Aromastoffzusätze den Jugendlichen das Rauchen schmackhafter machen sollen.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich meiner Fraktion empfehlen sollte, diesem Antrag zuzustimmen. Wir werden zustimmen, weil auch die Deutsche Krebsgesellschaft diese Forderung stellt.

(Beifall des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW))

Aber die Deutsche Krebsgesellschaft fordert in einem Atemzug auch den konsequenten Nichtraucherschutz. Dem haben Sie sich gestern verweigert.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb hat dieser Antrag für mich Feigenblattcharakter. Man kann nicht das eine tun und das andere lassen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Hu- bert Aiwanger (FW))

- Herr Aiwanger, Sie haben ein Mikrofon hinter sich. Melden Sie sich zu einer Zwischenintervention, dann können wir diskutieren, aber jetzt lassen Sie mich meine Rede halten.

Nur auf ein Verbot von Zusatzstoffen hinzuwirken und dabei nicht gleichzeitig und in aller Deutlichkeit auf die kanzerogenen Eigenschaften der Grundsubstanz des Tabaks, auf die neurotoxischen und auf die bluttoxischen Wirkungen für den Raucher und für den Nichtraucher hinzuweisen, ist einfach zu kurz gegriffen.

(Beifall bei der SPD)

Bei langjährigen Raucherinnen und Rauchern erwecken Sie mit dem Verbot der Zusatzstoffe noch das Scheingefühl, dass sie eine gesunde Zigarette rauchen. Auch in unverfälschtem Tabak - Herr Dr. Zim

mermann hat es ausgeführt - finden Sie eine unüberschaubare Fülle von krebserregenden Substanzen. Das fängt bei Kadmium an und geht weiter über Benzol und Teerpartikel bis hin zu den Nitrosaminen. Auch wenn Sie Menthol verbieten, weil dann das Rauchen etwas schmerzloser ist, bleibt das Risiko für Mundboden-, Zungen- und Kehlkopfkrebs. Genauso bleibt das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Arteriosklerose und koronare Herzkrankheiten. Sie sollten nicht vergessen: Nicht die Geschmacks-, Zusatz- und Aromastoffe sind für die Abhängigkeit die entscheidenden Inhaltsstoffe; der entscheidende Stoff, der die Sucht auslöst, ist und bleibt das Nikotin. Punktum.

(Beifall bei der SPD)

Selbst wenn die Tabakindustrie von den 90 kanzerogenen Stoffen, die bekannt sind, einen Teil eliminiert, wird das Rauchen von Zigaretten um keinen Deut gesünder.

(Beifall bei der SPD)

Nehmen Sie zur Kenntnis: Ein bisschen gesundheitsschädigend, ein bisschen krebserregend gibt es genauso wenig wie ein bisschen schwanger.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wenn Sie konsequent das Verbot kanzerogener Stoffe - das sind die originären Bestandteile des Tabaks und die Zusatzstoffe - fordern, dann müsste dies letztendlich zu einem Verbot der Zigaretten führen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir können die Raucherinnen und Raucher nicht zu ihrem rauchfreien Glück zwingen. Es liegt in der Eigenverantwortung jedes Einzelnen, ob er raucht und ob er seine Gesundheit weiter schädigt oder nicht. Das muss ich als Medizinerin zähneknirschend hinnehmen. Aber was ich als Parlamentarierin nicht hinnehmen muss, ist, dass wir hier in diesem Gremium die Möglichkeiten, die wir mit der Gesetzgebung haben, nämlich zig Millionen Nichtraucher und Beschäftigte in der Gastronomie vor dem Tabakrauch und dessen kanzerogenen Eigenschaften zu schützen, nicht nutzen. Das kann ich hier ganz deutlich kritisieren.

(Beifall bei der SPD)

Diese Chance wurde gestern hier im Plenum vertan, und zwar mit Hilfe Ihrer Fraktion.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN sowie des Ab- geordneten Dr. Thomas Zimmermann (CSU))

Wir hätten die Gelegenheit zu einer präventiven Gesundheitspolitik gehabt. Sie haben sich verweigert. Sie haben die Chance vorbeigehen lassen. Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, aber er ist halbherzig und scheinheilig und nur ein Zuckerl für Ihre Gesundheitspolitiker.