Protocol of the Session on July 15, 2009

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieses Gesetz ist ein Opus von Möchtegernpopulisten. Das Gesetz wird aber nicht lange halten. Sie sollten heute dem einstimmigen Rat des Landesgesundheitsrats folgen. Dieser Landesgesundheitsrat hat die Aufgabe, sowohl das Parlament als auch die Bayerische Staatsregierung zu beraten. Der Beschluss ist vom Landesgesundheitsrat einstimmig gefasst worden. Ich

möchte Ihnen gerne aus dieser Resolution, die dort am 6.Juli verabschiedet worden ist, zitieren:

Tabakrauch ist erwiesenermaßen hochgradig gesundheitsschädlich. Deshalb darf es beim Schutz vor Passivrauchen keine Kompromisse geben. Dies gilt insbesondere für den Schutz der Beschäftigten. Wenn die Zahl der nichtrauchenden Kinder und Jugendlichen in Bayern weiter zurückgehen soll, muss das Signal der Gesellschaft sein, dass das Nichtrauchen der Normalfall ist. Daher sind absolute Rauchverbote in Diskotheken zwingend notwendig.

Das alles steht nicht in Ihrem Gesetz.

Der Bayerische Landesgesundheitsrat empfiehlt deshalb dem Bayerischen Landtag und der Bayerischen Staatsregierung dringend, am bestehenden Gesetz festzuhalten und dort die Ausnahmeregelungen für die sogenannten geschlossenen Gesellschaften zu streichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dem können Sie heute zustimmen. Diesem Votum des Landesgesundheitsrats können Sie heute nachkommen, indem Sie unserem Gesetzentwurf, dem Gesetzentwurf des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zustimmen. Dazu fordere ich Sie auch herzlich auf.

Einstimmig war der Beschluss deswegen, weil Dr. Zimmermann und Dr. Bertermann, die Mitglieder im Landesgesundheitsrat sind, anwesend waren und auch politisch Farbe bekannt und Flagge gezeigt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wo waren die übrigen Vertreter der CSU? Wo waren Herr Dr. Hünnerkopf, Herr Kobler, Frau Matschl oder Frau Schorer? Auch die Stellvertreter haben keine Zeit gehabt. Das ist kein Wunder. Sie haben keinerlei Mumm in der Hose, politisch Flagge zu zeigen. Das ist schon ein Fall von politischer Osteoporose, was Sie hier im Landesgesundheitsrat gezeigt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich weiß nicht, wie Sie es draußen vertreten können, dass Sie auch auf den Sachverstand dieses gesundheitspolitisch beratenden Gremiums verzichten, denn in der Resolution heißt es, er empfiehlt dem Bayerischen Landtag und der Bayerischen Staatsregierung, am bestehenden Gesetz festzuhalten und keinerlei Ausnahmeregelungen zuzulassen. Sonst wollen Sie immer Beratung. Wenn Sie aber beraten werden, werden Sie ignorant.

Kollege Dr. Fischer hat gesagt, jeder und jede Abgeordnete sei seinem freien Gewissen unterworfen und nicht der Koalitionsräson. Wenn dem so ist, bitte ich die CSU-Fraktion, den Druck, der heute in den Medien beschrieben wird, von den Abgeordneten wegzunehmen und den Menschen, die für den Gesundheitsschutz stimmen wollen, freie Hand zu lassen. Dann hätten Sie das Parlament und die Demokratie verstanden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Andreas Fischer (FDP): Das gilt aber auch umgekehrt!)

73 % der Menschen befürworten rauchfreie Gaststätten. Wir sind doch froh, dass wir nicht mehr stinken wie ein Aschenbecher, wenn wir aus der Wirtschaft herauskommen. Die Menschen haben das Rauchverbot akzeptiert. 81 % der CSU-Wähler befürworten, dass sie nicht mehr in Gaststätten sitzen müssen, in denen geraucht wird. Damit sind Sie doch an der Spitze derer, die das Rauchverbot befürworten. Wir sind bei der CSU Wackeldackel-Aktionen gewöhnt, bei denen links geblinkt und rechts gefahren wird. Ich warne Sie aber, den Bogen zu überspannen. Kollegin Stewens hat das Volksbegehren schon angesprochen, welches kommen wird. Die Quittung wird Ihnen im Herbst serviert werden. Dafür gebe ich Ihnen Brief und Siegel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie auch da nicht einsichtig sind, wird spätestens 2011 ein konsequentes Nichtraucherschutzgesetz kommen, das gerade bei der EU vorbereitet wird. Ich weiß nicht, ob Sie gerade deswegen bei der EU so viel mitreden wollen.

Nehmen Sie Ihr Herz in die Hand. Predigen Sie nicht nur den Gesundheitsschutz, sondern setzen Sie ihn konsequent um. Verstecken Sie sich nicht hinter Koalitionsdebatten und Sachzwängen! 3.000 Herzinfarkte weniger und die Vorbildfunktion für die Jugend müssten Ihnen wichtig sein. Folgen Sie dem Rat der Ärztinnen und Ärzte nicht nur in Ihren eigenen Fraktionen, sondern auch außerhalb. Zeigen Sie vor allem auch ein Herz für die Bediensteten in den Gaststätten. Gebrauchen Sie Ihren Verstand bei der Abstimmung. Setzen Sie den falschen Rauchzeichen ein Ende. Stimmen Sie für unseren Gesetzentwurf, der wirklich dem Gesundheitsschutz Priorität einräumt. Seien Sie ein Vorbild und stimmen Sie heute in diesem Parlament nicht für die Freiheit, sondern für die Gesundheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pohl für die Freien Wähler.

Herr Ministerpräsident, Frau Präsidentin! Das Nichtrau

cherschutzgesetz der CSU aus der letzten Legislaturperiode war ein gutes Beispiel dafür, was bei einer Zweidrittelmehrheit passieren kann.

(Reinhard Pachner (CSU): Seids froh, sonst wards net im Landtag! - Allgemeine Heiterkeit und Allgemeiner Beifall - Hubert Aiwanger (FW): Den lod i zum Essen ei!)

Meine Herrschaften, näher am Menschen heißt: Ich muss alle umarmen.

(Unruhe)

Lassen Sie bitte Herrn Kollegen Pohl zu Wort kommen.

Wer alle umarmt, bekommt Krämpfe in der Schulter. Wenn man Krämpfe in der Schulter bekommt, kommt so ein Krampf raus wie Ihr Nichtraucherschutzgesetz.

Meine Damen und Herren, Sie haben formal das schärfste Nichtraucherschutzgesetz der Bundesrepublik Deutschland ins Leben gerufen. Faktisch hat sich aber nichts verändert. In der Praxis hat sich geändert, dass der Wirt, der in seiner Gaststätte das Rauchen zulassen wollte, einen Raucherclub gründen musste. Er musste ein bürokratisches Monstrum aufbauen. Im Grunde hatte er aber die völlige Freiheit, in seiner Gaststätte das Rauchen zuzulassen oder auch nicht.

Damit glaubten Sie, die Nichtraucher beschwichtigen zu können. Sie haben ihnen gesagt: Wir von der CSU sind fortschrittlich und haben ein scharfes Nichtraucherschutzgesetz geschaffen. Ihr, die Raucher, braucht aber nicht traurig zu sein. Geht in die Raucherclubs. Meine Damen und Herren, das funktioniert nicht. Die Wählerinnen und Wähler haben infolgedessen Ihre Zweidrittelmehrheit eingedampft. Sie taten das nicht unbedingt nur deswegen, weil Sie den Grundsatz der Liberalitas Bavariae verletzt haben, sondern auch weil Ihr Gesetzentwurf verlogen war. Mit diesem Gesetzentwurf wurde das Rauchen wie bisher zugelassen, aber den Menschen suggeriert, dass die CSU einen effektiven Nichtraucherschutz eingeführt habe.

Den Freien Wählern und der FDP ist es zu verdanken, dass dieses Thema wieder auf die Tagesordnung kommt.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Mein Gott! Sie leiden an chronischer Selbstüberschätzung!)

Meine Damen und Herren, uns liegen mehrere Gesetzentwürfe vor. Ich beginne mit dem Gesetzentwurf der GRÜNEN. An diesem Gesetzentwurf gefällt mir, dass er klar, einfach und unbürokratisch ist. Sie wollen

das Rauchen in öffentlichen Gaststätten nicht zulassen. Das ist in dem Entwurf eindeutig geregelt. Man kann dieser Meinung sein. Wenn man dieser Auffassung ist, ist Ihr Gesetzentwurf konsequent und handhabbar. Wir sind anderer Auffassung.

Der Gesetzentwurf der Staatsregierung ist dagegen erneut bürokratisch, da er bei Gaststätten bis 75 qm den Begriff "Getränkegeprägtheit" verwendet. Richtig ist, dass das Bundesverfassungsgericht diesen Begriff eingeführt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat aber die Vereinbarkeit einer Vorschrift mit der Rechtsordnung, also der Verfassung, zu überprüfen und nicht die Frage zu beantworten, ob eine Regelung bürokratisch oder unbürokratisch ist.

Wir haben einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der auf diese bürokratischen Hindernisse verzichtet. Zum Gesetzentwurf der GRÜNEN sagen wir, dass wir eine andere Auffassung haben. Wir haben eine andere Auffassung vom mündigen Bürger. Natürlich muss der Mensch dort vor den Gefahren des Passivrauchens geschützt werden, wo er nicht ausweichen kann und wo er hin muss. Das sind öffentliche Gebäude. Das ist keine Frage. In eine Gaststätte muss jedoch niemand gehen, der dort nicht hineingehen will.

Sie werden mir jetzt entgegenhalten, dass damit dem Nichtraucher, der sich nicht schädigen möchte, ein Teil des öffentlichen Lebens vorenthalten werde, da er nicht mehr in die Gaststätte gehen könnte. Um diesen Konflikt zu lösen, haben wir gesagt, dass es auch rauchfreie Gaststätten geben muss. Deshalb wollen wir, dass in Mehrraumgaststätten nur im Nebenraum geraucht werden darf.

Natürlich kann man auch eine andere Auffassung vertreten und sagen, dass der Markt und der Verbraucher alles regeln könnten. Man kann die Auffassung vertreten, dass der Wirt ein Rauchverbot umsetzen werde, wenn ihm die Mehrheit der Besucher seiner Gaststätte sage, dass sie nicht wolle, dass dort geraucht werde. So weit wollen wir jedoch nicht gehen. Wir sagen, dass es eine Gastronomie geben muss, die Bereiche schafft, in denen nicht geraucht wird. Wir wollen aber nicht so weit wie die GRÜNEN gehen und den Gaststättenbesuch dahin gehend reglementieren, dass in einer Gaststätte grundsätzlich nicht mehr geraucht werden darf. Hier muss ich Herrn Kollegen Dr. Fischer recht geben: Wir müssen nicht den Raucher vor dem Raucher schützen.

Frau Kollegin Schopper, Ihre Aussagen zur Vorbildfunktion sehe ich etwas kritisch. Raucher sind auch Menschen, auch wenn ich persönlich nicht dazugehöre.

(Franz Maget (SPD): Zu den Menschen?)

Es ist nicht unsere Aufgabe, einem erwachsenen Menschen zu sagen, ob er zu rauchen hat oder nicht.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Die Frage ist, wo!)

Wir haben die Freiheit des Einzelnen zu respektieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier haben wir ein anderes Menschenbild.

Meine Damen und Herren, die Grundsatzfrage lautet in der Tat: Freiheit oder Reglementierung! Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass das Recht auf Gesundheit ein hohes Gut ist. Auch die Freiheit ist aber ein hohes Gut. Hier darf man nicht polemisch sagen: die Freiheit zu sterben. Meine Damen und Herren, wenn man das sagte, würde man ein Fass aufmachen; denn es gibt viele Möglichkeiten, sich selbst zu schädigen, über die niemand - und das zu Recht - diskutieren möchte.

Unser Gesetzentwurf unterscheidet sich in mehreren Punkten vom Gesetzentwurf der Koalition. Unser Gesetzentwurf verzichtet auf das bürokratische Monstrum der Getränkegeprägtheit. Meine Damen und Herren, Sie werden Anwaltskanzleien glücklich machen und die Gerichte mit Arbeit überschwemmen, die darüber entscheiden müssen, was Getränkegeprägtheit ist. Müssen die Wirte künftig ihre Zahlen offenlegen und beweisen, dass sie mehr Umsatz mit den Getränken als mit den Speisen gemacht haben? Müssen Wirte, die das Rauchen erlauben, aber auch attraktive Speisen anbieten wollen, einen Weltmeister im Cocktail-Mixen einstellen, um die Getränkegeprägtheit wiederherzustellen? Das sind 100.000 Fragen und viel Bürokratie. Wir werden darauf verzichten.

Hin und wieder habe ich gehört, dass Sie die Verfassungskonformität unseres Gesetzentwurfs anzweifeln. Ich sage Ihnen: Durch unseren Gesetzentwurf wird niemand benachteiligt. Das war bei Gesetzentwürfen anderer Parteien anders, die beim Bundesverfassungsgericht auf die Nase gefallen sind.

Wir sagen, dass die Wirte von Einraum-Gaststätten bis zu 75 qm frei sollen entscheiden können. Wir sagen: Bei Mehrraum-Gaststätten darf im Nebenraum geraucht werden. Und wir sagen: In Festzelten und Festhallen darf geraucht werden, wenn diese Festzelte und Festhallen maximal 21 Tage am Stück betrieben werden. Frau Kollegin Stewens, hier haben Sie unseren Gesetzentwurf nicht genau gelesen. Die Festzelte und Festhallen sollen nämlich zusätzlich nicht mehr als 90 Tage im Jahr betrieben werden. Andernfalls entstünde das absurde Schlupfloch, dass jemand eine Festhalle 21 Tage lang betreiben, sie eine Woche schließen und anschließend wieder für 21 Tage betreiben könnte. Das ist mit Ihrem Gesetzentwurf möglich.

Die Festzelte und Festhallen sind natürlich an einem Ort. Sie sollen doch nicht abgebaut und woanders wieder aufgebaut werden. Dies wird durch unseren Gesetzentwurf verhindert.

Herr Kollege Pohl, kommen Sie bitte zum Ende.

Letzter Satz: Die Gesundheitsminister sollen keine Ausnahmeregelungen am Parlament vorbei zulassen dürfen, wenn nach ihrer Meinung durch technische Vorkehrungen eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden kann. Wir wollen der Staatsregierung hier nicht zu viel Macht geben. Wenn überhaupt, dann muss dies das Parlament entscheiden.

(Beifall bei den Freien Wählern)